Drucksache 17 / 19 105 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 28. September 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. September 2016) und Antwort Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge befinden sich derzeit in Berlin in vorläufiger Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII? Zu 1.: Am 04.10.2016 befanden sich 44 Jugendliche im sog. Vorclearingverfahren. 2. Wie setzt das Land Berlin seinen Klärungsauftrag nach § 42a SGB VIII bezüglich der vorläufig in Obhut genommenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge um? Zu 2.: Das Land Berlin hat einen Träger im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme beauftragt, eine Sozialanamnese , eine Gesundheitsuntersuchung, eine Vorstellung bei der Ausländerbehörde zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung und zur Klärung, ob sich eine verwandte Person im In- oder Ausland aufhält, durchzuführen. Der Bericht des Trägers über die Ergebnisse des Vorclearings, der auch Hinweise zu einer evtl. Fluchtgemeinschaft und gemeinsamen Einreise mit anderen unbegleiteten Minderjährigen enthält, dient der Einschätzung des Landesjugendamtes, ob das Wohl des Kindes oder Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet würde. 3. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden seit Inkrafttreten der entsprechenden gesetzlichen Regelung in welche anderen Bundesländer umverteilt? Zu 3.: Bisher wurden 37 unbegleitete Minderjährige nach Brandenburg umverteilt. 4. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben als Folge des Inkrafttretens der gesetzlichen Regelung zur Umverteilung nach Ende ihrer vorläufigen Inobhutnahme eine Zuweisung für das Land Berlin erhalten? Zu 4.: Das Land Berlin hat bisher keine Zuweisungen zur Aufnahme aus anderen Bundesländern erhalten. 5. In welcher Art und Weise ist gesichert, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge während der vorläufigen Inobhutnahme bzw. im Umverteilungsprozess Zugang zu unabhängiger Beratung und rechtlichen Vertretung erhalten, die sie über ihre Rechte und den Verlauf der vorläufigen Inobhutnahme und über die potentielle Umverteilung aufklären und ihre Interessen wahrnehmen? Zu 5.: Über den Umverteilungsprozess gemäß Sozialgesetzbuch VIII informieren die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen des Landesjugendamtes im Rahmen des Erstgesprächs u.a. über Beratungsstellen für junge, unbegleitete Flüchtlinge. Zudem steht das Betreuungspersonal des mit der vorläufigen Inobhutnahme beauftragten Trägers für Fragen zur Verfügung. 6. Wie viele junge Menschen, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eingereist sind und in andere Bundesländer umverteilt wurden, sind zwischenzeitlich nach Berlin zurückgekehrt? Wie verfährt das Land Berlin mit diesen minderjährigen Rückkehrenden? Zu 6.: Bislang sind drei Fälle von Rückkehrenden bekannt . Im Fall einer Kindeswohlgefährdung entscheidet das Land Berlin über eine freiwillige Aufnahme ohne Anrechnung dieser Entscheidung auf die bundesweite Verteilquote. Ansonsten wird eine entsprechende Rückführung veranlasst. 7. Welche Regelungen und Verfahren hat das Land Berlin für die Durchführung der nach § 42f SGB VIII vorgesehenen Alterseinschätzung veranlasst und wie und durch wen wird das Verfahren zur Alterseinschätzung in Berlin durchgeführt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 19 105 2 Zu 7.: Bei allen neu eingereisten nach eigenen Angaben minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen werden die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme geprüft. Werden keine anerkannten Personenstandsdokumente vorgelegt, die das angegebene Alter nachweisen, wird im Rahmen einer qualifizierten Inaugenscheinnahme durch ein interdisziplinäres Team, bestehend aus einer Sozialpädagogin oder eines Sozialpädagogen des Landesjugendamtes und einer Psychologin oder eines Psychologen eines freien Trägers der Jugendhilfe, eine Einschätzung des Alters mittels eines strukturierten und dokumentierten Gesprächs vorgenommen. 8. Wie viele junge Menschen wurden im Ergebnis der Alterseinschätzung nach § 42f SGB VIII während der vorläufigen Inobhutnahme für volljährig eingeschätzt und wie hoch ist deren Anteil an den insgesamt als unbegleitet eingereisten Minderjährigen? Zu 8.: Bis zum 31.07.2016 erhielten 169 bzw. 17 % der 994 seit dem 01.01.2016 in der Erstanlaufstelle registrierten unbegleiteten Minderjährigen eine Altersschätzung ‚volljährig‘. 9. In welcher Art und Weise und in welchem Umfang wurden diesen als volljährig eingeschätzten jungen Menschen Angebote der Jugendhilfe, z.B. nach § 41 SGB VIII, unterbreitet? Zu 9.: Personen bei denen die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme nicht vorliegen, weil Minderjährigkeit ausgeschlossen ist, erhalten einen Termin beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten. Ergibt das Verteilverfahren eine andere Zuständigkeit als Berlin, so unterstützen die Träger, die mit der Betreuung beauftragt sind, mit Informationen über die Möglichkeit Hilfen für junge Volljährige zu beantragen. Bleiben die Personen in Berlin , besteht die Möglichkeit, dass sie sich an eine der Beratungsstellen wenden, über die sie beim Erstgespräch informiert wurden. 10. Wie viele junge Menschen, die sich als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in vorläufiger Inobhutname befinden, sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht? Wo befinden sie sich und wie und durch wen werden sie pädagogisch betreut? Zu 10.: Am 04.10.2016 befanden sich 44 unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge im Standort Schillerpromenade , einer temporären Einrichtung mit pädagogischer Betreuung . 11. Gibt es im Land Berlin derzeit immer noch junge Menschen, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eingereist sind und auf die Aufnahme des Clearingverfahrens warten? Wenn ja, wie viele sind es und warum ist es bisher nicht gelungen, das Clearingverfahren einzuleiten? Welche Wartezeiten auf die Einleitung des Clearingverfahrens bestehen ggf. derzeit? Zu 11.: Mit Stand 10.10.2016 befanden sich 90 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf der Warteliste für ein stationäres oder ambulantes Clearing. Die Wartezeit bis zum Clearing wird statistisch nicht erhoben, hat sich aber in den letzten Monaten durch den Ausbau des ambulanten Clearings auf durchschnittlich maximal einen Monat verkürzt. 12. Welche Schwerpunkte setzten Senat und Bezirke bei der Umsetzung des „Gesetzes zur Verbesserung und Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher“ und wie werden die bisher damit vorliegenden Erfahrungen eingeschätzt? Zu 12.: Mit dem o.g. Gesetz wurde ein Vorclearingverfahren eingeführt. Damit wird vor einer Verteilung während der vorläufigen Inobhutnahme eine umfangreiche Prüfung in einer dafür vorgesehenen Einrichtung durchgeführt, um dem Kindeswohl gerecht zu werden. Die gesetzlichen Vorgaben können in dem dafür vorgesehenen Zeitrahmen umgesetzt werden. Berlin, den 12. Oktober 2016 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Okt. 2016)