Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1092 02. 01. 2012 1Eingegangen: 02. 01. 2012 / Ausgegeben: 16. 02. 2012 G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: I . W i r t s c h a f t s k r i m i n a l i t ä t 1. Wie hat sich die Wirtschaftskriminalität in Baden-Württemberg seit dem Jahr 2006 entwickelt, war nach der Polizeilichen Kriminalstatistik der Jahre 2006 bis 2011 eine Zunahme oder eine Abnahme unter dem Begriff „Wirtschaftskriminalität “ zusammenfassbarer Delikte zu verzeichnen und welche Delikte fallen unter diesen Begriff? 2. Welche der unter Ziffer I. 1. angesprochenen Straftaten sind in der Polizei - lichen Kriminalstatistik (Durchschnitt 2006 bis 2011) am häufigsten vertreten und wie viele dieser Delikte wurden jeweils begangen (Auflistung)? 3. Inwieweit sind Zusammenhänge zwischen Wirtschaftskriminalität und Organisierter Kriminalität zu beobachten und waren unter den wegen den unter Ziffer I. 1. genannten Delikten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (Durchschnitt 2006 bis 2011) aufgeführten Tätern bereits im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität auffällig gewordene Täter? 4. Welches finanzielle Ausmaß hat der durchschnittlich in einem Jahr durch Wirtschaftskriminalität verursachte Schaden (errechnet aus dem Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2011, ausgehend von der Polizeilichen Kriminalstatistik)? 5. Welche Staatsangehörigkeit (Inland oder Ausland) hatten die Täter bei den in der Polizeilichen Kriminalstatistik aufgelisteten Fällen von Wirtschaftskriminalität (2006 bis 2011)? 6. Wie viele (prozentual im Jahresdurchschnitt 2006 bis 2011) der in der Polizei - lichen Kriminalstatistik aufgelisteten und unter „Wirtschaftskriminalität“ zu subsummierenden Taten wurden mit dem Tatmittel Internet begangen? 7. Welche Schadenssumme entstand durch Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet in den Jahren 2006 bis 2011 durchschnittlich? Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung Wirtschaftskriminalität und Internet Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 2 8. Wie viele (prozentual im Jahresdurchschnitt 2006 bis 2011) der Fälle von Wirtschaftskriminalität waren auf Korruption zurückzuführen? 9. Welche Maßnahmen sind seit dem 9. Mai 2011 im Hinblick auf die Umsetzung des die Regierung leitenden Koalitionsvertrags unternommen worden, in dem es heißt: „Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit Baden- Württemberg bei der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und bei der Be - kämpfung der Korruption vorbildlich wird“? I I . I n t e r n e t k r i m i n a l i t ä t 1. Welche in der Polizeilichen Kriminalstatistik der Jahre 2006 bis 2011 aufgeführten Delikte wurden im Jahresdurchschnitt am häufigsten mit dem Tatmittel Internet begangen? 2. Wie viele der unter Ziffer II. 1. aufgeführten Delikte wurden über Computer mit ausländischen IP-Adressen verübt? 3. Welcher Schaden ist durch Kriminalität (alle Arten von Delikten aus der Polizeilichen Kriminalstatistik) mit dem Tatmittel Internet in den Jahren von 2006 bis 2011 durchschnittlich entstanden? 4. Welche Maßnahmen, wie beispielsweise – die Platzierung von Fahndungsaufrufen und Warnhinweisen im Internet und Richtlinien für die Erstellung derselben, – das Betreiben von Aufklärung im Bereich der sozialen Netzwerke wie Facebook , StudiVz, myspace und weiteren sowie – die präventive Zusammenarbeit mit großen Anbietern wie etwa Ebay, Amazon oder Google, sowie im Hinblick auf die Internet-Sicherheit bei Smartphones, führen die Ermittlungsbehörden im Bereich der Prävention durch? 5. Welche freiwilligen oder verpflichtenden Schulungsmaßnahmen werden für das Personal der Ermittlungsbehörden in Baden-Württemberg im Bereich der Internetkriminalität angeboten und werden diese Fortbildungsmaßnahmen angenommen ? 6. Wurden seitens der baden-württembergischen Polizei Kontakte zu auslän - dischen Strafverfolgungsbehörden (nationalstaatliche Strafverfolgungsbehörden sowie Interpol, Europol) hergestellt mit dem Ziel der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kriminalität mit dem Tatmittel Internet? I I I . B e k ä m p f u n g d e r W i r t s c h a f t s k r i m i n a l i t ä t , i n s b e s o n d e r e m i t T a t m i t t e l I n t e r n e t , d u r c h L a n d e s b e h ö r d e n 1. Welche Organisationseinheiten sind auf Landesebene mit der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, insbesondere mit dem Tatmittel Internet, beschäftigt? 2. Wurden in den Jahren 2006 bis 2011 neue Behörden und Organisationseinheiten im Sinne von Ziffer III. 1. geschaffen und ist die Errichtung weiterer Behörden geplant? 3. Auf welche Art und Weise wird die Arbeit der unter Ziffern III. 1. und III. 2. genannten Behörden und Organisationseinheiten kontrolliert und (im Hinblick auf eventuell erforderliche Änderungen) evaluiert? 4. Wie viele Stellen und wie viel Personal stehen dem Landeskriminalamt zur Be - kämpfung von Wirtschaftskriminalität, insbesondere von Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet unter Berücksichtigung des Kompetenzzentrums Internetkriminalität zur Verfügung (Auflistung)? 5. Wie viele Stellen und wie viel Personal stehen der Justiz bei den Staatsanwaltschaften und bei den Gerichten zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, ins besondere von Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet unter Berücksichtigung der Zentralstelle für die Bekämpfung von Informations- und Kommunikationskriminalität beim Generalstaatsanwalt in Stuttgart zur Verfügung (Auflistung)? 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 6. Hat das Land Baden-Württemberg in den Jahren 2006 bis 2011 ausreichende Mittel zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, der Internetkriminalität sowie der Wirtschaftskriminalität mit Tatmittel Internet zur Verfügung gestellt? 7. Wie viele Stellen und wie viel Personal haben die Polizeidirektionen, die Polizeipräsidien sowie die vier Landespolizeidirektionen für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet zur Verfügung? 8. Welche Mittel und welche Angebote stehen den Polizeidirektionen, den Landespolizeidirektionen und den Polizeipräsidien für die Schulung und Fortbildung speziell für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet zur Verfügung? 9. Wie effektiv ist die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften mit der Polizei und der Steuerfahndung im Wirtschaftsstrafbereich? 02. 01. 2012 Schmiedel, Sakellariou und Fraktion B e g r ü n d u n g Die Wirtschaftskriminalität, insbesondere solche mit dem Tatmittel Internet, nimmt rasant zu. Dadurch wächst die Bedrohung für Wirtschaftsunternehmen; nach einer Meldung der „welt online“ vom 12. Januar 2010 wurden in den Jahren 2007 bis 2009 beispielsweise 37 Prozent aller Wirtschaftsunternehmen Opfer von Wirtschaftskriminalität. Durch die in der Gesellschaft und in der Wirtschaft zu beobachtenden Tendenz, immer mehr Geschäfte im Internet vorzunehmen, wächst auch die Bedrohung für den einzelnen Bürger. Es handelt sich hierbei jedoch um kein Baden-Württemberg-spezifisches Problem; vielmehr sind die Täter auf der ganzen Welt zu suchen. Regelmäßig ist auch die Organisierte Kriminalität an der Wirtschaftskriminalität beteiligt. Die durch Wirtschaftskriminalität ge - nerell verursachte Schadenssumme ist nach einer Meldung der „welt online“ vom 7. September 2011 in den letzten Jahren von 3,44 im Vorjahr auf 4,66 Milliarden Euro im Jahr 2011 gestiegen; dies wird auf die Zunahme von Fällen mit Tatmittel Internet zurückgeführt. Das Internet als Tatmittel hat generell an Bedeutung zugenommen. Die Ermittlungsbehörden , insbesondere die Polizei, müssen wirksame Mechanismen entwickeln , um diese Entwicklungen zu bekämpfen. In den letzten Jahren wurden auf Bundes- wie auf Landesebene neue Behörden geschaffen, um dies zu ermög lichen. Hierbei wurden auch achtbare Erfolge erzielt; so brachten Internet-Recherchen im Bereich der Kinderpornografie die Fahnder im Jahre 2011 auf die Spur eines mutmaßlichen Mörders im Großraum Stuttgart, dessen Tat ins Jahr 2000 zurückreicht. Die Ermittlungsbehörden, insbesondere die Polizei, leiden jedoch unter dem durch die Politik der bisherigen Regierung verursachten Personalmangel, was sie an der effektiven Bekämpfung von Kriminalität im Internet hindert. Probleme verursacht auch die Gesetzeslücke bei der Vorratsdatenspeicherung. Probleme bei der effektiven Bekämpfung der Internetkriminalität verursacht jedoch auch das Verhalten der Verbraucher. Diese achten oft nicht ausreichend auf ihre Sicherheit im Internet, insbesondere bei der Benutzung von sozialen Netzwerken und bei der Abwicklung privater Geschäfte im Internet. Aber nicht nur Verbraucher, auch Unternehmen sind regelmäßig Opfer von Internetkriminalität, insbesondere von Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet. Dies war nach einer Meldung der „welt online“ vom 12. Januar 2010 sogar bei 53 Prozent der durch Wirtschaftskriminalität geschädigten Unternehmen der Fall. Um dem entgegenzuwirken, müssen die Ermittlungsbehörden personell und finanziell ausreichend ausgestattet werden. Auch Weiterbildungsmöglichkeiten für Ermittler mit Schwerpunkt Internetkriminalität und Wirtschaftskriminalität mit Tatmittel Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 4 Internet müssen gewährleistet werden. Sinn der Anfrage ist es, die Situation in Baden-Württemberg zu dokumentieren und Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung zu erfahren. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 7. Februar 2012 Nr. 3-1223.3/152: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Krebs Ministerin im Staatsministerium 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 Anlage: Schreiben des Innenministeriums Mit Schreiben vom 30. Januar 2012 Nr. 3-1223.3/152 beantwortet das Innenminis - terium im Einvernehmen mit dem Justizministerium und dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: I . W i r t s c h a f t s k r i m i n a l i t ä t 1. Wie hat sich die Wirtschaftskriminalität in Baden-Württemberg seit dem Jahr 2006 entwickelt, war nach der Polizeilichen Kriminalstatistik der Jahre 2006 bis 2011 eine Zunahme oder eine Abnahme unter dem Begriff „Wirtschaftskriminalität “ zusammenfassbarer Delikte zu verzeichnen und welche Delikte fallen unter diesen Begriff? Zu 1.: Vorweg ist anzumerken, dass die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2011 der Landesregierung noch nicht zur Verfügung stehen. Dies bezieht sich auch auf die weiteren Fragen, soweit darin entsprechende Angaben für das Jahr 2011 angesprochen werden. Für die Wirtschaftskriminalität gibt es keine Legaldefinition. Aus diesem Grund greift die Polizei auf die in § 74 c Abs. 1 Nr. 1 bis 6 b des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) katalogartig festgelegte Zuständigkeitsregelung für die Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte zurück. Danach ist als Wirtschaftskriminalität anzusehen die Gesamtheit der in § 74 c Abs. 1 Nr. 1 bis 6 b GVG aufgeführten Straf - taten – jedoch ohne Computerbetrug – sowie Delikte, die im Rahmen tatsäch - licher oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigungen begangen werden und über eine Schädigung von Einzelnen hinaus das Wirtschaftsleben beeinträchtigen oder die Allgemeinheit schädigen können und/oder deren Aufklärung besondere kaufmännische Kenntnisse erfordert. Die Erfassung von Fällen der Wirtschaftskriminalität erfolgt über eine PKS-Sonderkennung, die vom jeweiligen polizei - lichen Sachbearbeiter einzelfallabhängig vergeben wird. Die Fallzahlen der Wirtschaftskriminalität in Baden-Württemberg entwickelten sich zwischen den Jahren 2006 und 2010 uneinheitlich. In der Langzeitbetrachtung ist ein starker Anstieg bei der Wirtschaftskriminalität zu verzeichnen. Die registrierten Fallzahlen haben sich in den letzten 20 Jahren von 4.020 erfassten Fällen im Jahr 1991 auf 13.567 Fälle im Jahr 2010 mehr als verdreifacht (mit einer Spitze in den Jahren 2006 und 2007). Wie auch die Studie 2009/2010 „Know-how-Schutz in Baden-Württemberg“ des Sicherheitsforums Baden-Württemberg belegt, ist bei der Wirtschaftskriminalität regelmäßig von einem hohen Dunkelfeld auszugehen. Aufgrund der Sensibilität ge schäftlicher Transaktionen und des befürchteten Imageschadens für die Unternehmen ist die Bereitschaft zur Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden nur bedingt gegeben. Laut der Studie wurde nur in jedem dritten innerhalb des Unternehmens aufgedeckten Fall eine Strafanzeige erstattet. Viele geschädigte Unternehmen lassen sich von privaten Spezialisten und Sicherheitsdienstleistern zur Aufdeckung und Regulierung krimineller Geschäftspraktiken beraten. Die damit einhergehenden Straftaten werden der Polizei und der Staatsanwaltschaft häufig nicht bekannt. 2006 2007 2008 2009 2010 Erfasste Fälle 17.310 16.647 12.975 14.661 13.567 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 6 2. Welche der unter Ziffer I. 1. angesprochenen Straftaten sind in der Polizei - lichen Kriminalstatistik (Durchschnitt 2006 bis 2011) am häufigsten vertreten und wie viele dieser Delikte wurden jeweils begangen (Auflistung)? Zu 2.: In der PKS werden folgende Deliktsbereiche unterschieden: – Wirtschaftskriminalität bei Betrug, – Insolvenzstraftaten, – Wirtschaftskriminalität im Anlage- und Finanzierungsbereich, – Wettbewerbsdelikte, – Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen, – Betrug und Untreue im Zusammenhang mit Beteiligungen und Kapitalanlagen. Bei etwa zwei Drittel aller im Bereich Wirtschaftskriminalität erfassten Fälle handelt es sich um Wirtschaftskriminalität bei Betrug, wobei ein Fall unter mehreren Deliktsbereichen erfasst werden kann. Aufgrund dieser Mehrfacherfassungen ergibt die Addition der Einzelwerte in der nachfolgenden Tabelle keinen aussagekräftigen Gesamtwert. Schwankungen in der statistischen Erfassung sind wegen des Abschlusses einzelner Großverfahren mit einer Vielzahl von darin enthaltenen Einzelfällen als typisches Phänomen der Wirtschaftskriminalität anzusehen. 3. Inwieweit sind Zusammenhänge zwischen Wirtschaftskriminalität und Organisierter Kriminalität zu beobachten und waren unter den wegen den unter Ziffer I. 1. genannten Delikten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (Durchschnitt 2006 bis 2011) aufgeführten Tätern bereits im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität auffällig gewordene Täter? Zu 3.: In den Jahren 2006 bis 2010 wurden 56 Verfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) bearbeitet, bei denen u. a. Straftaten im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben registriert wurden. Darunter befinden sich Fälle des organisierten Anlage-, Kredit- oder Finanzierungsbetrugs, aber auch sogenannte Skimmingfälle (Abgreifen von Kartendaten mittels manipulierter Geldautomaten). 2010 war mehr als jedes fünfte OK-Verfahren der Wirtschaftskriminalität zuzurechnen . Der Anteil der „Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben “ an allen OK-Ermittlungsverfahren hat in den letzten Jahren – mit Ausnahme des Jahres 2009 – stetig zugenommen. 2006 2007 2008 2009 2010 Wikri bei Betrug 11.793 10.491 8.218 9.106 9.070 Insolvenzstraftaten 1.977 2.394 1.718 1.606 1.614 Wikri im Anlage- und Finanzierungsbereich 5.809 4.527 2.535 3.166 3.897 Wettbewerbsdelikte 379 230 247 452 239 Wikri im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen 1.504 1.624 1.485 1.266 1.202 Betrug und Untreue bei Kapitalanlagen 5.509 4.014 2.331 2.819 3.814 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 Die PKS enthält keine Daten zur Beantwortung der Frage, inwieweit Tatverdächtige aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität bereits in Fällen der Organisierten Kriminalität auffällig geworden sind. Dies ließe sich nur mit einer umfang - reichen Einzelaktenauswertung und Überprüfung aller Betroffenen in den polizei - lichen Datensystemen feststellen, worauf wegen des damit verbundenen erheb - lichen Aufwands sowie aus Gründen des Datenschutzes verzichtet wurde. 4. Welches finanzielle Ausmaß hat der durchschnittlich in einem Jahr durch Wirtschaftskriminalität verursachte Schaden (errechnet aus dem Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2011, ausgehend von der Polizeilichen Kriminalstatistik)? Zu 4.: Der durch Wirtschaftskriminalität verursachte Schaden beträgt im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2010 rund 436 Millionen Euro pro Jahr. Der Anteil am Gesamtschaden aller in der PKS erfassten Straftaten beträgt im Betrachtungszeitraum durchschnittlich 57,2 Prozent. Damit verursacht die Wirtschaftskriminalität bei einem Anteil von nur rund 2,5 Prozent an den Gesamtstraftaten regelmäßig mehr als die Hälfte des gesamten durch Kriminalität verursachten und statistisch ausgewiesenen Schadens. 5. Welche Staatsangehörigkeit (Inland oder Ausland) hatten die Täter bei den in der Polizeilichen Kriminalstatistik aufgelisteten Fällen von Wirtschaftskriminalität (2006 bis 2011)? Zu 5.: Die überwiegende Mehrheit der Tatverdächtigen im Bereich der Wirtschaftskriminalität weist die deutsche Staatsangehörigkeit auf. 2006 2007 2008 2009 2010 Anzahl der Ermittlungsverfahren im Bereich OK im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben 11 13 12 7 13 Anteil an allen OK-Ermittlungsverfahren in Prozent 13,92 17,81 20 12,73 20,97 Kriminalitäts- 2006 2007 2008 2009 2010 Schaden gesamt in Euro 695.680.954 835.343.952 678.400.025 866.207.274 713.542.562 Schaden Wikri in Euro 365.242.549 497.615.477 358.521.664 551.510.716 409.170.480 Anteil in Prozent 52,5 59,6 52,8 63,7 57,3 Erfasste Fälle Gesamt 609.837 611.433 591.736 579.112 572.049 Fälle Wikri 17.310 16.647 12.975 14.661 13.567 Anteil in Prozent 2,8 2,7 2,2 2,5 2,4 2006 2007 2008 2009 2010 Tatverdächtige gesamt 3.519 2.633 3.531 3.556 3.518 Deutsche Tatverdächtige 2.913 1.963 2.767 2.828 2.797 Anteil in Prozent 82,8 74,6 78,4 79,5 79,5 Nicht-Deutsche Tatverdächtige 606 670 764 728 721 Anteil in Prozent 17,2 25,4 21,6 20,5 20,5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 8 6. Wie viele (prozentual im Jahresdurchschnitt 2006 bis 2011) der in der Polizeilichen Kriminalstatistik aufgelisteten und unter „Wirtschaftskriminalität“ zu subsumierenden Taten wurden mit dem Tatmittel Internet begangen? Zu 6.: Straftaten der Wirtschaftskriminalität werden nur zu einem geringen Anteil mit dem Tatmittel Internet begangen. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass Wirtschaftskriminalität in der PKS den Bereich der Vermögens- und Fälschungsdelikte nur in geringem Maße abbildet. Beim einfachen Betrug, der in der Regel nicht als Wirtschaftskriminalität erfasst wird, nimmt das Internet eine bedeutende Funktion als Tatmittel ein. In der Wahrnehmung der Bevölkerung, aber auch in einschlägigen Studien, wird diese Differenzierung häufig nicht vorgenommen (vgl. auch die Ausführungen zu Ziffer II. 1.). 7. Welche Schadenssumme entstand durch Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet in den Jahren 2006 bis 2011 durchschnittlich? Zu 7.: Die durch Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet entstandenen Schäden sind in der PKS erst ab dem Jahr 2007 erfasst. Der durchschnittliche Schaden pro Jahr beläuft sich auf 2,0 Mio. Euro. 8. Wie viele (prozentual im Jahresdurchschnitt 2006 bis 2011) der Fälle von Wirtschaftskriminalität waren auf Korruption zurückzuführen? Zu 8.: In wie vielen Fällen Korruptionsdelikte Ausgangspunkt für Wirtschaftskriminalität waren, lässt sich anhand der polizeilichen Auskunftssysteme nicht nachvollziehen. Erfahrungsgemäß gehen mit Korruptionsstraftaten eine Fülle von Begleitdelikten, wie beispielsweise Betrug, Subventionsbetrug, Submissionsbetrug, Untreue, Urkundenfälschung , Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen einher. 9. Welche Maßnahmen sind seit dem 9. Mai 2011 im Hinblick auf die Umsetzung des die Regierung leitenden Koalitionsvertrags unternommen worden, in dem es heißt: „Wir werden alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit Baden- Württemberg bei der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und bei der Be - kämpfung der Korruption vorbildlich wird“? Zu 9.: Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) wurde im Juli 2011 vom Innenministerium beauftragt, eine Situationsanalyse zu erstellen und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Die hierzu eingesetzte Projektgruppe hat im September 2011 einen Abschlussbericht vorgelegt, in den neben den Kriminalitätsfeldern Korruption und Wirtschaftskriminalität wegen der engen thematischen Verknüpfung die Bereiche Cyberkriminalität und Umweltkriminalität einbezogen wurden. Erste Empfehlungen des Abschlussberichts der Projektgruppe wurden bereits umgesetzt . So wurde zum Jahresbeginn 2012 eine Abteilung „Cyberkriminalität/Di- 2006 2007 2008 2009 2010 Anzahl der Fälle 1.234 384 1.324 874 1.501 Anteil in Prozent 7,1 2,3 10,2 6 11,1 2006 2007 2008 2009 2010 Schaden in Euro bei WiKri mit Tatmittel Internet 790.610 3.205.985 1.446.923 2.468.919 9 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 gitale Spuren“ beim LKA eingerichtet. Integriert wurden unter anderem die Ins - pektion „Ermittlungen IuK-Kriminalität“, die Inspektion „Technische Einsatzunterstützung “ sowie Teile der Fachgruppe „Forensische IuK“. Ziel ist die Bündelung und Stärkung der bislang auf unterschiedliche Bereiche innerhalb des LKA verteilten Kompetenzen. Darüber hinaus wird der Justiz, den Polizeidienststellen und der Wirtschaft ein zentraler Ansprechpartner in Fragen der Cyberkriminalität zur Verfügung gestellt. Ferner wird die Akademie der Polizei noch in diesem Jahr ein zusätzliches Angebot von drei neugestalteten, modular aufgebauten Fortbildungen für Sachbearbeiter von Umweltkriminalität anbieten. Ziel ist es, die Fachkompetenz der Ermittler, insbesondere bei der Kriminalpolizei, weiter zu verbessern. Darüber hinaus ist beabsichtigt, im laufenden Jahr weitere Empfehlungen der Projektgruppe umzusetzen. So ist vorgesehen, die Software zur Sicherung und Auswertung der Inhalte elektronischer Datenträger flächendeckend zu verbessern. Bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart wurde zum 1. Juli 2011 die Zentralstelle für die Bekämpfung der Informations- und Kommunikationskriminalität eingerichtet. Der Zentralstelle, die als landesweit zuständiges Kompetenzzentrum konzipiert ist, wurden verschiedene Querschnittsaufgaben übertragen, deren Erfüllung zu einer weiteren Verbesserung der Strafverfolgungskompetenz der Staatsanwaltschaften in diesem Kriminalitätsbereich beiträgt. So nimmt die Zentralstelle zum einen das Informationsmanagement für die Staatsanwaltschaften hinsichtlich aktueller technischer, tatsächlicher und rechtlicher Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien wahr, zum anderen ist sie für die inhaltliche Konzeption und Durchführung staatsanwaltschaftlicher Fortbildungsveranstaltungen in diesem Themenfeld zuständig. Darüber hinaus obliegt ihr die Zusammenarbeit in grundsätzlichen Fragen der Bekämpfung dieses Kriminalitätsfelds mit den auf Bundes- und Landesebene befassten Behörden, insbesondere mit dem LKA. Schließlich prüft sie einzelfallunabhängig strafrechtliche und strafverfahrensrechtliche Fragestellungen, die im Zusammenhang mit neuen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien auftreten . Die Landesregierung beabsichtigt, in den Jahren 2011 bis 2016 insgesamt 500 Beamtenplanstellen und 500 Anwärterstellen zur Verstärkung der Steuerverwaltung neu zu schaffen; davon wurde im Jahr 2011 bereits eine 1. Tranche von jeweils 50 Stellen im Vierten Nachtrag 2011 veranschlagt. Der Entwurf des Staatshaushaltsplans 2012 sieht weitere 100 Beamtenplanstellen und 100 Anwärterstellen vor. Dadurch werden auch die Möglichkeiten der Steuerverwaltung zur Mitwirkung bei der Verfolgung der Wirtschaftskriminalität verbessert. I I . I n t e r n e t k r i m i n a l i t ä t 1. Welche in der Polizeilichen Kriminalstatistik der Jahre 2006 bis 2011 aufgeführten Delikte wurden im Jahresdurchschnitt am häufigsten mit dem Tatmittel Internet begangen? Zu 1.: Die in der PKS der Jahre 2006 bis 2010 am häufigsten registrierten Delikte mit dem Tatmittel Internet sind die Vermögens- und Fälschungsdelikte, allen voran der Betrug. Ein Fall kann unter mehreren Deliktsbereichen erfasst werden. Aufgrund von Mehrfacherfassungen ergibt die Addition der Einzelwerte in der nachfolgenden Tabelle keinen aussagekräftigen Gesamtwert. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 10 In der PKS werden keine Auslandsstraftaten erfasst. Damit wird der Teil der Kriminalität , bei der sich die Tatverdächtigen und die von ihnen genutzten Internetzugänge im Ausland befinden, statistisch nicht abgebildet. Für Baden-Württemberg bedeutet dies eine statistische Nichterfassung von mehreren Tausend Fällen jährlich. Aktuell prüft eine Kommission auf Bundesebene die Möglichkeiten einer Erfassung von Auslandstaten in der PKS. 2. Wie viele der unter Ziffer II. 1. aufgeführten Delikte wurden über Computer mit ausländischen IP-Adressen verübt? Zu 2.: Weder deutsche noch ausländische IP-Adressen sind in der PKS oder sonstigen polizeilichen Auskunftssystemen recherchierbar erfasst. Es kann aber beispielsweise aus Erkenntnissen polizeilicher Ermittlungen zur Ver breitung kinderpornographischer Darstellungen über das Internet von einem sehr hohen Anteil ausländischer IP-Adressen bei entsprechenden Delikten ausgegangen werden. In zwei Ermittlungsverfahren des LKA konnten insgesamt 8.164 IP-Adressen von Tatverdächtigen erhoben werden. Davon konnten 212 deutsche Tatverdächtige ermittelt werden. 7.848 IP-Adressen waren ausländischen Internet Service Providern zuzuordnen. Bei den deutschen IP-Adressen konnten in diesen Verfahren aufgrund nicht mehr vorhandener Verbindungsdaten (in Ermangelung einer neuen gesetzlichen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung) allerdings in 104 Fällen keine Tatverdächtigen identifiziert werden. 3. Welcher Schaden ist durch Kriminalität (alle Arten von Delikten aus der Polizeilichen Kriminalstatistik) mit dem Tatmittel Internet in den Jahren von 2006 bis 2011 durchschnittlich entstanden? Zu 3.: Durch Kriminalität mit dem Tatmittel Internet sind in den Jahren 2006 bis 2010 durchschnittlich 12.591.138,8 Euro Schaden pro Jahr in der PKS registriert worden . 2006 2007 2008 2009 2010 Vermögens- und Fälschungsdelikte 11.705 12.896 14.712 17.285 18.236 darunter: Betrug 11.561 12.492 14.388 16.782 17.834 davon Waren-/ Warenkreditbetrug 8.237 7.807 8.704 10.557 9.852 davon sonst. Betrug 3.213 4.519 5.288 5.468 6.654 unter sonstigem Betrug davon Computerbetrug 1.387 1.833 1.608 2.348 3.470 Wirtschaftskriminalität 1.234 384 1.324 874 1.501 Computerkriminalität 1.905 2.579 2.598 4.219 5.294 15.437 19.381 20.175 21.505 22.494 Tatmittel Internet Fallzahlen insgesamt 2006 2007 2008 2009 2010 Schaden in Euro bei allen Delikten mit Tatmittel Internet 7.758.922 11.574.717 10.953.996 13.507.038 19.161.021 11 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 4. Welche Maßnahmen, wie beispielsweise – die Platzierung von Fahndungsaufrufen und Warnhinweisen im Internet und Richtlinien für die Erstellung derselben, – das Betreiben von Aufklärung im Bereich der sozialen Netzwerke wie Facebook , StudiVz, myspace und weiteren sowie – die präventive Zusammenarbeit mit großen Anbietern wie etwa Ebay, Ama - zon oder Google, sowie im Hinblick auf die Internet-Sicherheit bei Smartphones , führen die Ermittlungsbehörden im Bereich der Prävention durch? Zu 4.: Am 19. März 2009 hatte die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes im Zusammenhang mit dem Amoklauf in Winnenden einen bundesweit abgestimmten Warnhinweis mit der Bitte um eindruckstarke Platzierung an Social Communities versandt. Damit sollte ein Großteil der deutschen Internetnutzer über die Konsequenzen von Amokandrohungen informiert werden, nachdem diese im Netz und insbesondere in sozialen Netzwerken im Nachgang zu dem Amok lauf stark zugenommen hatten. Insgesamt wurden rund 40 Social Communities in ganz Deutschland angeschrieben – darunter u. a. Facebook, kwick und die VZ-Netzwerke SchülerVZ und StudiVZ. Diese Verfahrensweise wurde nochmals am ersten Jahrestag von Winnenden 2010 unter Einbeziehung einsatzpsychologischen Fachwissens praktiziert. Soziale Medien werden gerade von jungen Menschen intensiv und mit steigender Tendenz genutzt. Herkömmliche Instrumente der Öffentlichkeitsfahndung, die sich vor allem auf die „klassischen“ Medien Rundfunk, TV, Fachzeitschriften und Tageszeitungen beschränken, erreichen diese Zielgruppe nur eingeschränkt. Die Möglichkeit einer Öffentlichkeitsfahndung in sozialen Netzwerken und über andere computergestützte Kommunikationsplattformen wird seitens der Polizeien in Bund und Ländern bislang nur vereinzelt genutzt. Fahndungsmeldungen im Internet werden nahezu ausschließlich in den jeweiligen Internetauftritten der Polizeien publiziert. Die Polizeidirektion Hannover unterhält seit März 2011 einen eigenen Facebook-Account, der auch für die Öffentlichkeitsfahndung genutzt wurde. Die erhaltenen Hinweise haben in mehreren Fällen zu konkreten Ermittlungsfortschritten geführt. Strittig ist jedoch die datenschutzrechtliche Zulässigkeit dieser Maßnahme, was die Polizeidirektion Hannover veranlasst hat, den Einsatz im Januar 2012 vorläufig auszusetzen. Die Landesregierung prüft derzeit die Möglichkeiten zur Nutzung dieses Instruments, um gegebenenfalls mit Öffentlichkeitsfahndungen gezielt auch junge, aktive und im öffentlichen Raum präsente Personengruppen zu erreichen. Zur Prävention werden derzeit soziale Netzwerke projekt- und themenbezogen, zielgruppenabhängig und in erster Linie temporär genutzt. Über diese gelingt es, bestimmte Zielgruppen besser zu erreichen und Präventionsaktionen und -kam - pagnen wirksam zu unterstützen. Im Rahmen des landesweiten Konzepts „Kid’s online“ (Vortragskonzept für Schüler und Eltern) wird die Warnung vor den Gefahren des Internets im Allgemeinen und vor solchen sozialer Netzwerke im Speziellen realisiert. Im Bereich der Polizeilichen Kriminalprävention gibt es zwei wesentliche Kooperationen im Sinne der Anfrage: Die gemeinsame Initiative „Online Kaufen – mit Verstand“ des Online-Marktplatzes eBay, dem Bundesverband des Deutschen Versandhandels und der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes, hat das Ziel, vor Betrug bei Onlinekäufen zu schützen und den Wissensstand über sicheren Online-Handel zu erhöhen. Sie setzt mit ihren Maßnahmen bereits seit 2006 auf Aufklärung und Vorbeugung. Alle, die mehr über Sicherheit beim Online-Handel erfahren möchten , finden neben den „7 Goldenen Regeln“ auf der Internet-Seite www.kaufenmitverstand .de den Ratgeber „Alles, was Recht ist“. Dieser erklärt leicht verständlich , welche Rechte Käufer im Internet haben. Beides können interessierte Nutzer herunterladen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 12 Die Initiative „Sicherer Autokauf im Internet“ (www.sicherer-autokauf.de) wurde Anfang 2007 von den führenden Internet-Fahrzeugmärkten AutoScout24 und mobile .de zusammen mit dem ADAC ins Leben gerufen. Im März 2008 schloss sich auch die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes als Partner an. Ziel der langfristig angelegten Initiative ist es, Nutzer von Online-Autobörsen für Sicherheitsfragen rund um den Autokauf im Netz zu sensibilisieren, umfassend zu informieren und konkrete Hilfestellung zu geben. Darüber hinaus gibt es seit vielen Jahren das Internetangebot des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (unter www.polizei-beratung .de) als wichtiges Element der kriminalpräventiven Öffentlichkeitsarbeit. Es klärt Bürgerinnen und Bürger über Erscheinungsformen der Kriminalität auf und gibt gleichzeitig Tipps zum Schutz vor Kriminalität. Das Angebot wird kon - tinuierlich weiterentwickelt. Neue Kriminalitätsformen, wie zum Beispiel „Romance Scamming“, eine Variante des Vorauszahlungsbetrugs der sog. Nigeria- Connection unter Zuhilfenahme von Dating-Seiten im Internet und von sozialen Netzwerken oder die Thematik „Finanzagenten“ wurden dabei neu aufgenommen . Die bereitgestellten Informationen zur Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung beziehen sich auf – inhaltliche Risiken (Extremismus, Pornographie/Kinderpornographie, Gewalt, Betrug usw.), – kommunikationsbezogene Risiken (Cyber-Grooming – das gezielte Ansprechen von Kindern und Jugendlichen im Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte, Cyber-Mobbing – Diffamierung, Belästigung, Bedrängung und Nötigung anderer Menschen oder Firmen mit Hilfe elektronischer Kommunika - tionsmittel über das Internet, Identitätsdiebstahl usw.) und – technische Risiken (Hardware-Sicherheit, Schadsoftware, wie Viren, Würmer, Trojaner usw.). Es bestehen zudem Kooperationen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und mit der bei der Landesanstalt für Medien und Kommunikation Rheinland Pfalz beheimateten Initiative „klicksafe“. Medien und Online-Angebote werden gemeinsam genutzt, verlinkt und ausgetauscht. 5. Welche freiwilligen oder verpflichtenden Schulungsmaßnahmen werden für das Personal der Ermittlungsbehörden in Baden-Württemberg im Bereich der Internetkriminalität angeboten und werden diese Fortbildungsmaßnahmen angenommen? Zu 5.: Die Struktur der Grund- und der weiterführenden Fortbildung der Polizei in Baden- Württemberg basiert im Wesentlichen auf dem „Bundeseinheitlichen Aus- und Fortbildungskonzept IuK-Kriminalität“. Die Fortbildungsmaßnahmen orientieren sich hierbei an den drei Zielgruppen „IuK-Ersteinschreiter“ (Grundkenntnisse), „Sachbearbeiter IuK-Kriminalität“ (weiterführende Kenntnisse) und „Sach bearbei - ter IT-Beweissicherung“ (Spezialkenntnisse). Die Qualifizierung zum „IuK-Ersteinschreiter“ wurde im Jahr 2006 in die Ausbildung des mittleren Polizeivollzugsdienstes und in die Vorausbildung von Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärter implementiert. Im Jahr 2008 wurden zusätzlich ca. 3.000 Beamtinnen und Beamte zu „IuK-Ersteinschreitern“ an der Akademie der Polizei fortgebildet. Des Weiteren werden Beamtinnen und Beamte , die von der Schutzpolizei zur Kriminalpolizei wechseln, im Rahmen der „Einführungsfortbildung Kriminalpolizei“ zu „IuK-Ersteinschreitern“ fortgebildet – ebenso jene, die über einen Qualifizierungslehrgang in den gehobenen Dienst aufsteigen . Die weiterführende Fortbildung von „IuK-Ersteinschreitern“ wird von den „Sachbearbeitern IuK-Kriminalität“ der Polizeidienststellen im Rahmen interner Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt. Derzeit gibt es ca. 4.100 „IuK-Ersteinschreiter “ bei der Polizei Baden-Württemberg. Die Grundfortbildung von 480 „Sachbearbeitern IuK-Kriminalität“ und 140 „Sach - bearbeitern IT-Beweissicherung“ sowie die jeweiligen weiterführenden Fortbil- 13 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 dungen erfolgen durch die Akademie der Polizei. Die genannten Fortbildungen sind Pflichtfortbildungen. Von der Akademie der Polizei werden darüber hinaus vier weitere Seminare zum Thema Cybercrime/Wirtschaftskriminalität angeboten. Des Weiteren führt die Aka demie der Polizei bei den Polizeidienststellen bedarfsorientierte Fortbildungen zum Thema „Soziale Netzwerke“ durch. Flankierend zu den Fortbildungsangeboten sind in POLIZEI-ONLINE (Intranet und Wissensplattform der Polizei Baden-Württemberg) eine elektronische Lernanwendung „IuK-Ersteinschreiter“ sowie Lehrbriefe zum Thema Cybercrime und regelmäßige Cybercrime Newsletter eingestellt. Die Aus- und Fortbildung von „Sachverständigen für IuK-Forensik“ erfolgt nach einem bundeseinheitlichen Konzept beim Bundeskriminalamt (BKA). Die polizeilichen Fortbildungsmaßnahmen wurden und werden insgesamt sehr gut angenommen. Für Strafrichterinnen und Strafrichter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte werden sowohl auf Ebene der Deutschen Richterakademie als auch auf Landes - ebene verschiedene Fortbildungen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung zum Themenbereich der Internetkriminalität angeboten. Die Deutsche Richter - akademie hat in den vergangenen Jahren wiederholt Tagungen zur „Internetkriminalität “, zu „Strafrecht und Internet“ und zu „Erscheinungsformen und Bekämpfungsstrategien der Internetkriminalität“ angeboten. Das Baden-Württemberg insoweit zustehende Kontingent konnte im Jahr 2011 voll ausgeschöpft werden. Fragen der Bekämpfung der Internetkriminalität werden im Interesse eines bundesweiten Erfahrungsaustausches überdies auch bei weiteren Veranstaltungen der Deutschen Richterakademie (z. B. „Ermittlungsmaßnahmen im Bereich der Telekommunikation “, „Rechtsextremismus“ und „Rechtshilfe in Strafsachen“) erörtert . Das Angebot der Deutschen Richterakademie wird durch vielfältige Fortbildungsangebote auf Landesebene ergänzt. Zur Vermittlung von Basiswissen wurde ein E-Learning-Programm der Polizei erworben und an die Bedürfnisse der justiziellen Praxis angepasst. Dieses steht seit Anfang 2011 der richterlichen und staatsanwaltlichen Praxis uneingeschränkt zur Verfügung. Seit 2011 ist darüber hinaus ein Unterrichtsmodul „Rechtliche und tatsächliche Fragestellungen bei Ermittlungsverfahren mit Bezug zur Internet-Kriminalität“ fester Bestandteil der Tagungen zur Einführung in die staatsanwaltliche Praxis, die von sämtlichen Assessorinnen und Assessoren nach ihrer Zuweisung zu einer Staatsanwaltschaft besucht werden. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die inhaltliche Konzeption und Durchführung staatsanwaltschaftlicher Fortbildungsveranstaltungen hat die Zentralstelle für die Bekämpfung der Informations- und Kommunikationskriminalität im Jahr 2011 verschiedene Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt, die sich vorrangig, aber nicht ausschließlich an die im Oktober 2010 bei den Staatsanwaltschaften eingerichteten Ansprechpartner für Informations- und Kommunikationskriminalität (vgl. die Ausführungen zu Ziffer III. 2.) richteten. Insoweit sind u. a. zu nennen: – In Zusammenarbeit mit der Akademie der Polizei in Freiburg fanden im Oktober 2011 zwei je fünftägige Schulungen zu Fragen der Sicherung digitaler Spuren für Staatsanwälte statt. – Im November 2011 wurde mit Unterstützung des LKA eine zweitägige Veranstaltung zum Thema „Spuren und Ermittlungen im Internet“ angeboten, die sich an Staatsanwälte, Richter und Beamte des LKA richtete. Im Dezember 2011 fand das erste Treffen der staatsanwaltschaftlichen Ansprechpartner für Informations- und Kommunikationskriminalität mit dem LKA und den Leitern der Cybercrime-Gruppen der Polizeidirektionen und -präsidien statt. Die Kontakttreffen, die neben der Fortbildung der Teilnehmer insbesondere auch dem Erfahrungsaustausch zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft dienen, sollen künftig jährlich als zweitägige Veranstaltungen – erstmals im März 2012 – durchgeführt werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 14 Überdies wurden von den Staatsanwaltschaften in den vergangenen beiden Jahren auf lokaler Ebene, teilweise mit Unterstützung der örtlichen Polizeidienststellen, des LKA oder der Zentralstelle für die Bekämpfung der Informations- und Kommunikationskriminalität , verschiedene behördeninterne Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt. Beispielhaft sind zwei Veranstaltungen der Staatsanwaltschaft Mannheim im Herbst 2011 zu den Themen „Phishing“ (Erlangung von Zugangsdaten über gefälschte Webseiten und E-Mails) und „Strafprozessuale Fragen im Zusammenhang mit der Informations- und Kommunikationskriminalität“ zu nennen. 6. Wurden seitens der baden-württembergischen Polizei Kontakte zu ausländischen Strafverfolgungsbehörden (nationalstaatliche Strafverfolgungsbehörden sowie Interpol, Europol) hergestellt mit dem Ziel der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kriminalität mit dem Tatmittel Internet? Zu 6.: Bei der Bearbeitung der Kriminalität mit dem Tatmittel Internet sind sehr häufig Kontaktaufnahmen der Polizei zu ausländischen Strafverfolgungsbehörden mit dem Ziel der internationalen Zusammenarbeit erforderlich und daher ständige Praxis. Interpol-Anfragen der sachbearbeitenden Polizeidienststellen werden über das LKA an das BKA weitergeleitet. Von dort erfolgt eine Übermittlung in das Ausland. Justizielle Rechtshilfeersuchen werden ebenfalls durch das LKA ge - steuert und koordiniert. Ein Polizeibeamter aus Baden-Württemberg ist bei Europol im sogenannten German-Desk eingesetzt. In einem Ermittlungsverfahren des LKA Baden-Württemberg und des LKA Nord rhein-Westfalen konnte eine Gruppierung estnischer, britischer und deutscher Täter identifiziert werden, die mit ausgespähten Bankdaten mindestens 260 missbräuchliche Überweisungen in einer Gesamthöhe von ca. 2,1 Millionen Euro durchgeführt haben. Die enge Zusammenarbeit und der intensive Informa - tionsaustausch mit den estnischen Strafverfolgungsbehörden sowie der Metropolitan Police London im Rahmen der internationalen justiziellen Rechtshilfe stehen beispielhaft für die zunehmend wichtiger werdende internationale Ermittlungszusammenarbeit . I I I . B e k ä m p f u n g d e r W i r t s c h a f t s k r i m i n a l i t ä t , i n s b e s o n d e r e m i t T a t m i t t e l I n t e r n e t , d u r c h L a n d e s b e h ö r d e n 1. Welche Organisationseinheiten sind auf Landesebene mit der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, insbesondere mit dem Tatmittel Internet, beschäftigt? Zu 1.: Wirtschafts- und Internetkriminalität (Cyberkriminalität) werden in Baden-Württemberg flächendeckend und grundsätzlich auf allen polizeilichen Ebenen bearbeitet . Insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis hoch qualifizierter Spezia - listen und einer adäquaten Technikausstattung sind für den Bereich der Wirtschaftskriminalität auf Ebene der Landespolizeidirektionen spezielle Dezernate und beim LKA eine Inspektion eingerichtet. Die längs durch die Dienststellen - organisation der Polizei stattfindende Bearbeitung von Cyberkriminalität ist in die in den Ausführungen zu Ziffer II. 5. näher dargestellten Bereiche „IuK Ersteinschreiter “ (qualifizierte Anzeigenaufnahme), „spezialisierte Sachbearbeitung“ und „IT-Beweissicherung“ gegliedert. Hinsichtlich der Verfahrensbearbeitung von Ermittlungsverfahren wegen Delikten der Wirtschaftskriminalität bestehen bei den Staatsanwaltschaften des Landes spezielle Bearbeitungszuständigkeiten. Bei den Staatsanwaltschaften in Mannheim und Stuttgart sind nach § 74 c GVG Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen eingerichtet. Bei den übrigen Staatsanwaltschaften ist die Verfahrensbearbeitung – abhängig von der Größe der Behörde und vom Fallaufkommen in den jeweiligen Bezirken – in Spezialabteilungen bzw. in spezialisierten Dezernaten konzentriert. Eine spezielle Zuweisung der staatsanwaltschaftlichen Verfahrensbearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen mit 15 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 dem Tatmittel Internet ist regelmäßig nicht erfolgt. Bei einzelnen Staatsanwaltschaften bestehen – bedarfsabhängig – besondere Bearbeitungszuständigkeiten für herausragende Verfahren der Informations- und Kommunikationskriminalität bzw. für Delikte der Computerkriminalität im engeren Sinne (§ 263 a Strafgesetzbuch [StGB] – Computerbetrug, § 202 a StGB – Ausspähen von Daten u. a.). 2. Wurden in den Jahren 2006 bis 2011 neue Behörden und Organisationseinheiten im Sinne von Ziffer III. 1. geschaffen und ist die Errichtung weiterer Behörden geplant? Zu 2.: Mit dem Ziel, die Koordination der Ermittlungen und die IT-Beweissicherung weiter zu optimieren, wurden im Zeitraum 2006 bis 2011 sukzessive bei verschiedenen Kreisdienststellen sogenannte Cybercrime-Gruppen eingerichtet. Im Januar 2010 wurde an der Akademie der Polizei der Fachbereich IT-Fortbildung eingerichtet . Mit Wirkung zum 1. Januar 2012 wurde beim LKA die Fachabteilung „Cyberkriminalität /Digitale Spuren“ eingerichtet. Ergänzend wird auf die Ausführungen zu Ziffer I. 9. verwiesen. Weitere strukturelle und personelle Änderungen sind Gegenstand des derzeit laufenden Projekts „Struktur der Polizei Baden-Württemberg“. Im Oktober 2010 wurde bei den Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften ein landesweites Netz von Ansprechpartnern für die technischen und rechtlichen Aspekte der Bekämpfung der Informations- und Kommunikations - kriminalität eingerichtet. Diese Ansprechpartner wurden im November 2010 in einer vom Justizministerium organisierten dreitägigen Fortbildungsveranstaltung geschult. Den Ansprechpartnern kommt die Aufgabe zu, die entsprechenden technischen und rechtlichen Kenntnisse innerhalb ihrer Behörde zentral vorzuhalten und diese bei der Sachbearbeitung im Einzelfall unterstützend einzubringen. Gleichzeitig sollen sie den örtlichen Polizeidienststellen, anderen Behörden sowie Privatpersonen und Unternehmen als kompetente Ansprechpartner dienen. Weitergehende organisatorische Maßnahmen sind im Bereich der Justiz derzeit nicht beabsichtigt. 3. Auf welche Art und Weise wird die Arbeit der unter Ziffern III. 1. und III. 2. genannten Behörden und Organisationseinheiten kontrolliert und (im Hinblick auf eventuell erforderliche Änderungen) evaluiert? Zu 3.: Die Kontrolle über die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung erfolgt im Wesent - lichen über die Dienst- und Fachaufsicht. Bei der polizeilichen Kriminalitätsbekämpfung hat das LKA die landesweite Fachaufsicht und sorgt in diesem Rahmen für landesweit einheitliche Standards. Unter Leitung des LKA werden Kontroll - und Steuerungsfunktionen unter anderem im Rahmen der Steuerungskreise Wirtschaftskriminalität und Cyberkriminalität wahrgenommen. Auf örtlicher Ebene obliegt der Kriminalpolizei die fachliche Koordination bei der repressiven und präventiven Kriminalitätsbekämpfung. Ergänzend hierzu werden in ebenenspezifischen Fachgremien Bekämpfungsstrategien fortlaufend abgestimmt , Wirkungen evaluiert und die festgestellten notwendigen Änderungen vorgenommen . Die Arbeit der beim LKA neu eingerichteten Fachabteilung „Cyberkriminalität /Digitale Spuren“ wird zum Jahresende 2012 erstmals evaluiert. Die inhaltliche Kontrolle und Evaluation der staatsanwaltschaftlichen Verfahrensbearbeitung in dem hier in Rede stehenden Kriminalitätsbereich erfolgt – wie in den anderen Deliktsbereichen auch – im Rahmen der Ausübung der dienstaufsichtsrechtlichen Befugnisse. Überdies erfolgt eine inhaltliche Prüfung der staatsanwaltschaftlichen Sachbehandlung auch anlässlich der regelmäßig vom Generalstaatsanwalt durchgeführten Nachschau bei den einzelnen Staatsanwaltschaften seines Bezirks. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 16 Die Zentralstelle für die Bekämpfung der Informations- und Kommunikationskriminalität berichtet dem Justizministerium einmal jährlich über ihre Tätigkeit, die zur Aufgabenerfüllung ergriffenen Maßnahmen sowie über sämtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aus ihrem Zuständigkeitsbereich. 4. Wie viele Stellen und wie viel Personal stehen dem Landeskriminalamt zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, insbesondere von Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet unter Berücksichtigung des Kompetenzzentrums Internetkriminalität zur Verfügung (Auflistung)? Zu 4.: Die für die Bearbeitung von Wirtschaftskriminalität (einschließlich der Wirtschaftskriminalität , die mit dem Tatmittel Internet begangen wird) im LKA zuständige Inspektion Wirtschaftskriminalität/Kunst (Inspektion 440) verfügt über 31,8 Vollzeitäquivalente. Von den dort tätigen Mitarbeitern werden auch Delikte der Umwelt-, Kunst- und Nuklearkriminalität bearbeitet. Sofern bei der Bearbeitung von Wirtschaftskriminalität, die mit dem Tatmittel Internet begangen wurde, besondere Kompetenzen aus dem Bereich der Bekämpfung der Cyberkriminalität erforderlich sind, werden die Ermittlungen anlass - bezogen durch Experten aus dem Bereich der Abteilung „Cyberkriminalität/Digitale Spuren“ unterstützt. Das Kompetenzzentrum IuK-Kriminalität wurde zum 1. Januar 2012 in diese Abteilung integriert. 5. Wie viele Stellen und wie viel Personal stehen der Justiz bei den Staatsanwaltschaften und bei den Gerichten zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität, insbesondere von Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet unter Be - rücksichtigung der Zentralstelle für die Bekämpfung von Informations- und Kommunikationskriminalität beim Generalstaatsanwalt in Stuttgart zur Verfügung (Auflistung)? Zu 5.: Insbesondere vor dem Hintergrund der Amoktat in Winnenden und Wendlingen wurde die Notwendigkeit einer Stärkung der Strafverfolgungskompetenz im Bereich der Informations- und Kommunikationskriminalität festgestellt. Im Rahmen des Nachtragshaushalts 2010/2011 wurden daher zur Umsetzung der Maßnahmen zur Amokprävention – neben der Zuweisung von Fortbildungsmitteln zum Themenbereich „Informations- und Kommunikationskriminalität“ in Höhe von 37.500 Euro jährlich – die Schaffung von sechs Stellen für Richter an den Amts- und Landgerichten (Besoldungsgruppe R 1), zehn Stellen für Staatsanwälte (Besoldungsgruppe R 1) und 2 Stellen für Amtsanwälte (Besoldungsgruppe A 12) beschlossen. Nach den von den einzelnen Behörden zu führenden Personalübersichten (PÜ) wurden bei den Staatsanwaltschaften des Landes im Jahr 2010 insgesamt 64,76 Arbeitskraftanteile (AKA) Staatsanwälte und 6,5 AKA Wirtschaftsreferenten im Höheren Dienst tatsächlich für die Bearbeitung von Wirtschafts-, Steuer- und Um weltstrafsachen eingesetzt. Eine weitergehende Differenzierung nach dem Personaleinsatz im Bereich der Wirtschaftskriminalität bzw. der Wirtschaftskriminalität mit Tatmittel Internet ist nicht möglich. Für die erstinstanzlichen Verfahren bei den Landgerichten wurden im Jahr 2010 nach der PÜ tatsächlich insgesamt 23,82 AKA im richterlichen Bereich für Wirtschafts -, Steuer- und Umweltstrafsachen eingesetzt. Auch insoweit ist eine weitergehende Differenzierung nicht möglich. Für die Amtsgerichte stehen keine Werte aus den PÜ zur Verfügung. Die Zentralstelle für die Bekämpfung der Informations- und Kommunikationskriminalität ist derzeit mit drei Staatsanwälten besetzt, die dort jeweils mit einem Teil ihrer Arbeitskraft eingesetzt sind. Mit dem anderen Teil ihrer Arbeitskraft sind sie im Hinblick auf die für erforderlich erachtete Praxiserfahrung weiterhin 17 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 im Bereich der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bei einer Staatsanwaltschaft tätig. Insgesamt ist die Zentralstelle mit 1 AKA ausgestattet. 6. Hat das Land Baden-Württemberg in den Jahren 2006 bis 2011 ausreichende Mittel zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, der Internetkriminalität sowie der Wirtschaftskriminalität mit Tatmittel Internet zur Verfügung gestellt? Zu 6.: Strafrechtliche Ermittlungen wegen Delikten der Wirtschaftskriminalität sind für die Strafverfolgungsbehörden aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Komplexität sowie des Umfangs der zu untersuchenden Sachverhalte und aufgrund der Notwendigkeit der Auswertung einer Vielzahl von Beweismitteln regelmäßig in besonderem Maße zeit-, personal- und sachmittelintensiv. Mit dem zunehmenden Einsatz des Tatmittels Internet auch in diesem Kriminalitätsbereich steigert sich dieser hohe Ermittlungsaufwand, zumal nicht selten im Hinblick auf die zunehmende Internationalisierung der Tatbegehung auch aufwändige Ermittlungen im Rahmen der internationalen Rechtshilfe geführt werden müssen. Im Rahmen des Ende 2009 abgeschlossenen Großprojekts zur Modernisierung der polizeilichen Informations- und Kommunikationstechnik wurde landesweit die DV-Infrastruktur der Polizei modernisiert und verbessert. Diese Maßnahmen kamen auch der DV-Ausstattung der Organisationseinheiten zur Bekämpfung der genannten Kriminalitätsbereiche zugute. Darüber hinaus wurden die Zahl der Arbeitsplätze für die Sachbearbeiter der IT-Beweissicherung bei den Kreisdienststellen auf zuletzt 134 erhöht und diese mit spezieller Hard- und Software ausgestattet. Außerdem wurden mit Mitteln aus dem Vierten Nachtragshaushalt 2011 unter anderem die Möglichkeiten zur automatisierten Auswertung kinderpornographischen Datenmaterials durch roboterunterstützte Auswertestationen verbessert. Ebenfalls im Jahr 2009 wurde unter erheblichem finanziellen Aufwand eine neue, leistungsfähigere Anlage zur Überwachung von Telekommunikationsdaten zentral beim LKA in Betrieb genommen. Diese wird seitdem regelmäßig weiterentwickelt und an die neuesten technischen Entwicklungen angepasst. Die in vielen Bereichen veraltete Technikausstattung der Polizei muss dringend modernisiert werden, um den vielfältigen und sich rasch ändernden Herausforderungen in der polizeilichen Arbeit durch eine bedarfsgerechte und zeitgemäße technische Unterstützung begegnen zu können. Bereits mit dem Vierten Nachtragshaushalt 2011 ist der Einstieg in die „Sicherheitsoffensive Technik Polizei“ erfolgt. Das Programm wird im Jahr 2012 fortgesetzt. Der Aufwand für den laufenden Betrieb (insbesondere Ermittlungskosten, Reisekosten , Kosten für Aus- und Fortbildung) wird von den polizeilichen Dienststellen aus ihren jeweiligen Budgets bestritten. Die Dienststellen bewirtschaften ihr Budget in eigener Verantwortung und am jeweiligen Bedarf orientiert, weshalb weder bei der Veranschlagung noch bei der Zuweisung und Bewirtschaftung dieser Mittel eine nach Deliktsbereich gesonderte Aufschlüsselung erfolgt. Gemessen an den zur strafrechtlichen Verfolgung anderer Kriminalitätsbereiche bereitgestellten Ressourcen werden die den Staatsanwaltschaften in den vergangenen fünf Jahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität zur Verfügung stehenden personellen und finanziellen Mittel insgesamt als ausreichend angesehen, um eine effektive Kriminalitätsbekämpfung sicherzustellen. Gleichwohl ist auch festzustellen , dass – trotz des im Jahre 2010 erfolgten Stellenzuwachses – die derzeit bestehenden personellen Ressourcen aller beteiligten Stellen nicht in allen Fällen ausreichen, um Umfangsverfahren aus dem Bereich des Wirtschaftsstrafrechts zügig und in angemessener Zeit erledigen zu können. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass ein nennenswerter Teil der Ermittlungsverfahren, die länger als ein Jahr bei den Staatsanwaltschaften anhängig sind, Delikte der Wirtschaftskriminalität zum Gegenstand haben. Zwar liegt es in der Natur der Sache, dass derartige Ermittlungsverfahren im Regelfall eine längere Ermittlungsdauer aufweisen, jedoch ist auch zu beobachten, dass die Sachbearbeitung von Ermittlungsverfahren in nicht wenigen Fällen durch (temporäre) personelle Engpässe in der staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Sachbearbeitung verzögert werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 18 Die Festlegung der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel erfolgt jeweils durch den Haushaltsgesetzgeber im Rahmen des Haushaltsgesetzes. Hierbei sind nach den verfassungs- und haushaltsrechtlichen Regelungen stets die finanziellen Möglichkeiten des Landes zu berücksichtigen. Sofern darüber hinaus finanzieller Bedarf besteht, kann diesem ggf. im Rahmen der Haushaltsberatungen durch Umschichtungen aus anderen Bereichen entsprochen werden. 7. Wie viele Stellen und wie viel Personal haben die Polizeidirektionen, die Polizeipräsidien sowie die vier Landespolizeidirektionen für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet zur Verfügung? Zu 7.: In der polizeilichen Sachbearbeitung erfolgt keine Unterscheidung danach, ob Straftaten mit dem Tatmittel Internet oder auf andere Weise begangen werden. Insofern ist auch bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet keine anteilige Ausweisung von Personal- und Stellenanteilen möglich. Für die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität werden nach einer Erhebung des LKA landesweit 504,85 Vollzeitäquivalente eingesetzt. Sie untergliedern sich in Polizeivollzugsbeamte, die zum Teil die Sonderlaufbahn Wirtschaftskriminalist absolviert haben, und Sachbearbeiter für Buchprüfung. Neben der Bearbeitung von Wirtschaftskriminalität werden diese Mitarbeiter auch für die Bearbeitung von Vermögens- und Fälschungsdelikten sowie der IuK-Kriminalität eingesetzt, die statistisch nur teilweise als Wirtschaftskriminalität erfasst sind. Auf die einzelnen Dienststellen verteilen sich die Mitarbeiter wie folgt: Landespolizeidirektion Karlsruhe Gesamt 129,5 Landespolizeidirektion Freiburg Gesamt 91,2 LPD KA, DW 25 LPD FR, DW 23 PP KA 21,25 PD EM 2,5 PP MA 21 PD FR 12 PD CW 4,5 PD KN 8,5 PD FDS 3,75 PD LÖ 10 PD HD 25 PD OG 13 PD MOS 4 PD RW 4 PD PF 12 PD TUT 5 PD RA/BAD 13 PD VS 8,5 PD WT 4,7 Landespolizeidirektion Stuttgart Gesamt 139,85 LPD S, DW 28 Landespolizeidirektion Tübingen Gesamt 77,55 PD AA 4,85 LPD TÜ, DW 15 PD BB 14 PD BL 8 PD ES 27 PD BC 7 PD GP 10 PD FN 6,5 PD HDH 5 PD RV 10,55 PD HN 4 PD RT 11 PD KÜN 5 PD SIG 4,5 PD LB 22 PD TÜ 4,5 PD SHA 6 PD UL 10,5 PD TBB 4 PD WN 10 Polizeipräsidium Stuttgart 35 19 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1092 8. Welche Mittel und welche Angebote stehen den Polizeidirektionen, den Landespolizeidirektionen und den Polizeipräsidien für die Schulung und Fortbildung speziell für die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mit dem Tatmittel Internet zur Verfügung? Zu 8.: Auf die Ausführungen zu den Ziffern II. 5. und III. 6. wird verwiesen. 9. Wie effektiv ist die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften mit der Polizei und der Steuerfahndung im Wirtschaftsstrafbereich? Zu 9.: Aus Sicht der polizeilichen Ermittlungsdienststellen gestaltet sich die Arbeit mit den Staatsanwaltschaften sehr effektiv. Für die Bearbeitung von großen Wirtschaftsstrafverfahren und Umfangsverfahren, die regelmäßig hohe personelle und finanzielle Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden binden, wurde ein spezielles Verfahrensmanagement eingeführt. Dieses dient der effizienten und ergebnisorientierten Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei. Es umfasst die Organisation, Planung, Steuerung und Überwachung aller Aufgaben und Ressourcen , die für die Bearbeitung eines Ermittlungsverfahrens erforderlich sind und wird mit Erfolg angewandt. Ein Tätigkeitsschwerpunkt bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität stellt die Bearbeitung der Insolvenzkriminalität dar. Hier findet seit Jahren eine enge Kooperation zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei durch die Bildung von gemeinsamen „Wirtschafts-Ermittlungsgruppen Staatsanwaltschaft – Polizei“ statt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaften wird die Zusammenarbeit mit der Polizei und der Steuerfahndung im Bereich der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität unter den gegebenen personellen und finanziellen Rahmenbedingungen als gut und effektiv bewertet. Als ein wesentlicher Grund hierfür werden insbesondere die auch bei der Polizei und der Steuerfahndung bestehenden besonderen Bearbeitungszuständigkeiten und die damit einhergehende Spezialisierung der polizei - lichen Sachbearbeitung angesehen. Aus Sicht der Steuerfahndung ist die Zusammenarbeit mit den jeweils örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften insgesamt sehr konstruktiv. Die Ermittlungen werden durchweg sehr effektiv geführt und die Ermittlungsfälle regelmäßig mit guten Ergebnissen abgeschlossen – dies gilt ungeachtet des jeweiligen Falltyps (allgemeine Wirtschaftskriminalität, Internet-, Computerkriminalität). Sehr positiv wirkt sich darüber hinaus der Umstand aus, dass die Schwerpunktstaatsanwaltschaften Stuttgart und Mannheim jeweils auf mehrere in Steuerstrafsachen sehr fachkundige und erfahrene Staatsanwälte zurückgreifen konnten. Gall Innenminister