Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1172 30. 01. 2012 1Eingegangen: 30. 01. 2012 / Ausgegeben: 05. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Gründe und Ursachen macht sie für die Leerstandsproblematik in ländlichen Gebieten aus? 2. Welche Konsequenzen zieht sie hieraus? 3. Wie hoch (in Prozent) ist der Leerstand im Wahlkreis Hohenlohe? 4. Ist der Wahlkreis Hohenlohe hiervon im Vergleich zu anderen Kreisen in Baden -Württemberg stärker betroffen? 5. Welche Gemeinden sind im Wahlkreis Hohenlohe vom Leerstand in beson - derer Weise betroffen? 6. Wie gedenkt sie, das Problem von strukturellen Leerständen zu beheben? 7. Mit welchen Maßnahmen unterstützt sie die Gemeinden bei der Leerstands - problematik? 8. Kann sie sich vorstellen, in gewissen Bereichen von Normstandards abzu - weichen, um Gemeinden die Realisierung von Projekten zu erleichtern? 9. Welche Prognosen zieht sie für die Zukunft? 19. 01. 2012 von Eyb CDU Kleine Anfrage des Abg. Arnulf von Eyb CDU und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Leerstandsproblematik bei Gebäuden im ländlichen Raum Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1172 2 B e g r ü n d u n g Insbesondere der ländliche Raum ist von den Folgen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandels und des demografischen Wandels in besonderer Weise betroffen. Leer stehende Häuser und fehlende Versorgungs- und Infrastruktureinrichtungen sind die Folge. Es ist wichtig für die Bürger, gerade im ländlichen Raum, zu erfahren, ob die Landesregierung die Problematik erkannt hat und wie sie gedenkt, dem zunehmenden Funktionsverlust gemeinsam mit den Bürgern entgegenzuwirken. A n t w o r t Mit Schreiben vom 22. Februar 2012 Nr. Z (41) 0144.5 beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Gründe und Ursachen macht sie für die Leerstandsproblematik in ländlichen Gebieten aus? Zu 1.: Die Leerstandsproblematik bei Gebäuden im ländlichen Raum hat verschiedene Ursachen. Zum einen führt der Strukturwandel in der Landwirtschaft dazu, dass viele ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude in den Dorfkernen leerstehen. Hinzu kommt die fehlende Nachfrage nach Wohnraum im innerörtlichen Bestand, wenn Lage, Größe oder Zustand einer Wohnung nicht modernen Wohnverhältnissen entsprechen oder das Wohnumfeld wenig attraktiv erscheint. Zudem trifft die demographische Entwicklung den ländlichen Raum im Allgemeinen stärker als die anderen Gebiete. Überdies tragen freie Flächen in Neubaugebieten zu einer Schwächung der Ortskerne bei. 2. Welche Konsequenzen zieht sie hieraus? Zu 2.: Grundsätzlich liegt die Baulandpolitik und die Ausweisung neuer Baugebiete in der Zuständigkeit der Städte und Gemeinden. Die Planungshoheit der Kommunen wird durch das verfassungsrechtlich normierte kommunale Selbstverwaltungsrecht geschützt. Planungen zu Neubaugebieten müssen in Zukunft noch kritischer als bisher geprüft werden. Für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung ist es ökonomisch und ökologisch geboten, der Innenentwicklung im Bestand den Vorrang vor der Außenentwicklung auf der „grünen Wiese“ einzuräumen. Allerdings werden die Leerstands - problematik und ihre Folgen noch nicht von allen Gemeinden in vollem Umfang erkannt. Hier setzt beispielsweise das in der Antwort auf Frage 6 und 7 beschriebene Modellprojekt MELAP PLUS an. 3. Wie hoch (in Prozent) ist der Leerstand im Wahlkreis Hohenlohe? Zu 3.: Dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz liegen keine konkreten Informationen über den Leerstand im Wahlkreis 21 vor. Leerstände werden in Baden-Württemberg nicht in der amtlichen Statistik erfasst. Nach einer Erhebung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg (Statisches Monatsheft 5/2011) auf Ebene der Regionalverbände weist die Region Heilbronn -Franken einen Wohnungsleerstand von 7 % bis 7,5 % auf. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1172 4. Ist der Wahlkreis Hohenlohe hiervon im Vergleich zu anderen Kreisen in Baden -Württemberg stärker betroffen? Zu 4.: Dazu liegen dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz keine Informationen vor. 5. Welche Gemeinden sind im Wahlkreis Hohenlohe vom Leerstand in besonderer Weise betroffen? Zu 5.: Dazu liegen dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz keine Informationen vor. 6. Wie gedenkt sie, das Problem von strukturellen Leerständen zu beheben? 7. Mit welchen Maßnahmen unterstützt sie die Gemeinden bei der Leerstandsprob - lematik? Zu 6. und 7.: Über das im Koalitionsvertrag zur 15. Legislaturperiode formulierte grundsätz - liche Ziel einer Verringerung des Flächenverbrauchs hinaus ist das Land außerdem unterstützend tätig, indem es zum einen die Rahmenbedingungen für das Leben im ländlichen Raum verbessert und zum anderen mit Fördermitteln aus verschiedenen Programmen für die Gemeinden im ländlichen Raum Hilfe zur Selbsthilfe leistet. Städtebauförderung Leerstandsprobleme stellten sich in anderen Bundesländern bereits früher und wesentlich deutlicher als in Baden-Württemberg. Erfahrungen belegen, dass strukturelle Leerstände nicht allein von der Landesregierung behoben werden können. Stadtentwicklung und Stadterneuerung sind kommunale Selbstverwaltungsaufgaben . Lösungen müssen vor Ort im Rahmen der kommunalen Planungshoheit entwickelt und entschieden werden. Dabei sind die städtebaulichen Erneuerungsprogramme , die der Beseitigung städtebaulicher Missstände dienen, bewährte Förderangebote zur Unterstützung der Städte und Gemeinden. Die Innenentwicklung ist ein ganz wesentlicher Förderschwerpunkt der städtebaulichen Erneuerungsprogramme , denn es gilt, Zentren und zentralörtliche Ortsteile in städtisch und in ländlich geprägten Landesteilen gleichermaßen funktional und strukturell zu stärken und den baulichen Bestand an die allgemeinen Anforderungen für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse anzupassen. Diese Maßnahmen begünstigen die Ansiedlung und den Verbleib von Einrichtungen, die der Nahversorgung dienen. In der Städtebauförderung kommt Integrierten Entwicklungskonzepten zunehmend eine zentrale Bedeutung zu. Eine immer bedeutsamere Rolle spielt auch eine intensive Bürgerbeteiligung und die Mobilisierung privaten Engagements bei örtlichen städtebaulichen Erneuerungs- und Entwicklungsverfahren. Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) Mit dem ELR unterstützt das Land die integrierte Strukturentwicklung ländlich geprägter Orte. Ziel des ELR ist es, in Dörfern und Gemeinden vor allem des ländlichen Raums die Lebens- und Arbeitsbedingungen durch strukturverbessernde Maßnahmen zu erhalten und fortzuentwickeln, der Abwanderung entgegenzuwirken , den landwirtschaftlichen Strukturwandel abzufedern und dabei sorgsam mit den natürlichen Lebensgrundlagen umzugehen. Mit dem ELR soll die Vielfalt des ländlichen Raums bewahrt und gleichzeitig weiterentwickelt werden. Im Rahmen einer Gesamtkonzeption wird besonderer Wert auf die Stärkung der Ortskerne, die Umnutzung bestehender Gebäude und die Schließung von Bau - Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1172 4 lücken gelegt. Die Aktivierung des innerörtlichen Gebäudepotenzials wird besonders gefördert. Damit sollen zum einen die Ortskerne gestärkt und zum anderen der Flächenverbrauch im Außenbereich durch Ausweisung neuer Baugebiete reduziert werden. Darüber hinaus liegt ein Förderschwerpunkt in der Sicherung der Grundversorgung durch deren Anpassung und Modernisierung. MELAP „Modellprojekt Eindämmung des Landschaftsverbrauchs durch Aktivierung des innerörtlichen Potenzials“ MELAP ist ein Modellprojekt im Rahmen des ELR. Es wurde in den Jahren 2003 bis 2008 erstmals durchgeführt. In 13 Gemeinden des ländlichen Raums wurden Verfahrensweisen und Instrumente der Innenentwicklung konzipiert und modellhafte Projekte umgesetzt. Diese Ergebnisse haben das MLR dazu bewogen, das Modellprojekt im Rahmen eines Folgeprojektes MELAP PLUS (www.melap-plus.de) fortzuführen und dabei weiter zu entwickeln. In 14 neuen Modellgemeinden soll mit MELAP PLUS dem nach wie vor hohen Flächenverbrauch und den sich verschärfenden Strukturprob - lemen vor allem im ländlichen Raum begegnet werden. Anhand von modellhaften und übertragbaren Innenentwicklungsprojekten werden Vorgehensweisen entwickelt , um die Innenentwicklung zu stärken, Ortskerne zu beleben und so die Ausweisung von Neubaugebieten (Wohnen) zu vermeiden. Die Ergebnisse des Modellprojekts sollen veröffentlicht werden und anderen Gemeinden als Arbeitshilfe für eine eigene zukunftsgerechte Innenentwicklung dienen. Maßnahmen der Bürgerbeteiligung und der Öffentlichkeitsarbeit sind dabei ebenfalls Bestandteil des Modellvorhabens. LEADER Im Rahmen von LEADER (www.mlr.baden-wuerttemberg.de) werden auf der förderrechtlichen Grundlage des ELR verschiedene einschlägige Projekte durchgeführt. Die LEADER-Aktionsgruppe SüdWestAlb verfolgte mit dem Projekt „Leben im Dorf“ das Ziel der Sensibilisierung, Aktivierung innerörtlicher Potenziale und der Bewusstseinsbildung für attraktive Ortskerne. Insgesamt nahmen 15 Städte und Gemeinden mit 19 Ortsteilen aus dem LEADER-Aktionsgebiet daran teil. Das Projekt gliederte sich in ein LEADER-gebietsweites Rahmenprojekt und in 15 kommunale Einzelprojekte. Das Rahmenprojekt diente den beteiligten Gemeinden als „Plattform “ zum Gedanken- und Ideenaustausch und der gründlichen Evaluierung des Gesamtprojekts. In den kommunalen Einzelprojekten wurden konkrete Lösungsmodelle zur Stärkung der Ortskerne und Reduzierung der Flächeninanspruchnahme im Außenbereich entwickelt. Die Ergebnisse des Projekts wurden veröffentlicht. Mit dem erreichten Bewusstseinsbildungsprozess in der Bevölkerung soll eine für die Zukunft ausgerichtete Gemeindeentwicklung gefördert werden. Zwischenzeitlich werden zahlreiche investive Folgeprojekte umgesetzt. Darüber hinaus wird das Projekt „Leben im Dorf“ aktuell in fünf weiteren Gemeinden des LEADER-Ak - tionsgebietes realisiert. Weitere Vorhaben im Rahmen von LEADER werden über das „Modellprojekt Umsetzung regionaler Maßnahmen zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs“ (MURMEL) in den LEADER-Aktionsgruppen Oberschwaben „L(i)ebenswertes Dorf – In unserem Dorfkern leben“ und Südschwarzwald „Erhalt zukunftsfähiger Ortszentren“ durchgeführt. MURMEL soll die Gelegenheit eröffnen, unter professioneller Moderation Maßnahmen vorzubereiten, die eine Stärkung der Innenentwicklung und einen sparsamen Umgang mit der Ressource Fläche ermög - lichen. Die Vorhaben gliederten sich jeweils in ein LEADER-gebietsweites Rahmenprojekt und insgesamt 23 kommunale Einzelprojekte. Die Arbeitsgruppe MURMEL geht davon aus, dass dauerhaft tragfähige Lösungsansätze zur Stärkung innerörtlicher Potenziale und zur Eindämmung des Landschaftsverbrauchs nur entwickelt werden können, wenn diese Ansätze gemeinsam mit Akteuren vor Ort erarbeitet werden. Sie bietet ein Verfahren an, das die Erarbeitung von Lösungsansätzen in einen kommunenübergreifenden Dialog integriert. Dieser Dialog wird durch Informationen zum Flächenmanagement sowie zu guten Praxis - beispielen ergänzt und dient der Vorbereitung von Umsetzungsschritten. Zwischenzeitlich werden zahlreiche investive Folgeprojekte umgesetzt. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1172 Weiterhin werden im Rahmen von LEADER unter anderem eine Vielzahl von Vorhaben im Bereich „Umnutzungen“ realisiert. Dabei werden z. B. ehemals landwirtschaftliche Gebäude einer neuen Nutzung zugeführt. Projekt „Chefsache Innenentwicklung“ Im Zeitraum 2010 bis 2012 läuft ein vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg und von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördertes Projekt, das sich an Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus Gemeinden des ländlichen Raums in Baden-Württemberg wendet. Unter dem Titel „Chefsache Innenentwicklung“ legt das Projekt den Schwerpunkt auf die individuelle und auf die Situation am Ort angepasste Entwicklung von Strategien für die Aktivierung von Leerständen und Baulücken. Mit der von der Führungs - akademie Baden-Württemberg entwickelten Methode der „Kollegialen Coaching Konferenz“ bietet das Projekt 20 Bürgermeistern aus Gemeinden bis ca. 10.000 Einwohnern die Möglichkeit, eigene spezifische Anliegen zur Innenentwicklung und zum Flächenmanagement in einer neuartigen Kombination aus kollegialer Beratung „unter Gleichen“ zu beraten. 8. Kann sie sich vorstellen, in gewissen Bereichen von Normstandards abzu - weichen um Gemeinden die Realisierung von Projekten zu erleichtern? Zu 8.: Bei Untersuchungen und Modellvorhaben von überörtlicher Bedeutung oder bei strukturell besonders bedeutsamen Vorhaben wie bei der Frage der Leerstand - prob lematik kann im Rahmen der Förderung von Normalstandards abgewichen werden. So wurden z.B. im Rahmen des oben beschriebenen Modellprojekts MELAP Ausnahmen von der Verwaltungsvorschrift des ELR beim Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sowie beim Innenministeriums erwirkt. 9. Welche Prognosen zieht sie für die Zukunft? Zu 9.: Das Problem des drohenden Leerstandes von Gebäuden im ländlichen Raum wird sich aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Es müssen deshalb geeignete Instrumente gefunden werden, um dieser Entwicklung ent - gegenzuwirken. Hierbei ist die Reduzierung des Flächenverbrauchs durch Umnutzung , Modernisierung und Bauen im Bestand statt der Neuausweisung von Baugebieten im Außenbereich von zentraler Bedeutung. Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz