Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1175 30. 01. 2012 1Eingegangen: 30. 01. 2012 / Ausgegeben: 08. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Hat sie Pläne, wie und bis wann das Land Baden-Württemberg seine gegenwärtige Verschuldung auf Null reduzieren kann? 2. Gehört es überhaupt zu den politischen Zielen der Landesregierung, die Verschuldung Baden-Württembergs möglichst zeitnah auf Null zurückzuführen? 3. Welche Summen spart das Land Baden-Württemberg momentan dadurch, dass auf den Kapitalmärkten eine äußerst günstige Finanzierung möglich ist a) im Vergleich zur Situation vor fünf und zehn Jahren jeweils absolut und relativ betrachtet; b) im Vergleich zu den mittleren Finanzierungskosten der letzten 15 Jahren? 23. 01. 2012 Schwehr CDU B e g r ü n d u n g Offensichtlich möchte die Staatsregierung Bayerns die Verschuldung des Freistaates Bayern bis zum Jahr 2030 auf Null zurückführen. Aus Gründen des nachhaltigen Wirtschaftens ist dies sehr zu begrüßen. Die aktuelle Einnahmensituation des Landes und die sicherlich gesunkenen Kosten für den Schuldendienst lassen eine solche Entschuldung durchaus möglich erscheinen. Gleichzeitig hat die ak - tuelle Krise in Europa gezeigt, dass eine Verschuldung des Staates nicht Probleme löst, sondern verstärkt. In früheren Jahren war es stets der Ehrgeiz der Landes - regierung, den östlichen Nachbarn bei gelungenen politischen Aktionen nicht al- Kleine Anfrage des Abg. Marcel Schwehr CDU und Antwort des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Abbau der Verschuldung des Landes Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1175 2 leine davonziehen zu lassen. Es ist für die Bürger durchaus von Interesse, ob sich diese Situation mit der neuen Landesregierung geändert hat. A n t w o r t Mit Schreiben vom 21. Februar 2012 Nr. 2-0422.9/19 beantwortet das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft in Abstimmung mit dem Staatsministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Hat sie Pläne, wie und bis wann das Land Baden-Württemberg seine gegenwärtige Verschuldung auf Null reduzieren kann? 2. Gehört es überhaupt zu den politischen Zielen der Landesregierung, die Verschuldung Baden-Württembergs möglichst zeitnah auf Null zurückzuführen? Zu 1. und 2.: Das vorrangige Ziel der Landesregierung ist es, die Vorgaben der grundgesetz - lichen Schuldenbremse unter Beachtung der haushaltsrechtlichen Regelungen des Landes umzusetzen und einzuhalten. Die Vorstellung – insbesondere entsprechend Nr. 2 der Anfrage – die Verschuldung „möglichst zeitnah“ auf Null zurückzuführen, verkennt dagegen die tatsächlichen Gegebenheiten. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Abhängigkeit der baden-württembergischen Wirtschaft und damit auch der baden-württembergischen Haushaltswirtschaft von der weltwirtschaftlichen Entwicklung deutlich aufgezeigt . Die Nennung eines konkreten Jahres, ab dem Baden-Württemberg schuldenfrei ist, wäre deshalb rein spekulativ und unseriös. In einem ersten Schritt hat die Landesregierung 2011 keine neuen Schulden gemacht . Auch für 2012 ist im Haushaltsplan die Nettonullverschuldung vorgesehen. Im weiteren gilt es, wie es auch die grundgesetzliche Schuldenbremse spätes tens ab dem Haushaltsjahr 2020 vorschreibt, dauerhaft eine Nettoneuverschuldung zu vermeiden. Ausweislich des in der Mittelfristigen Finanzplanung für die Jahren 2013 bis 2015 dargestellten haushaltswirtschaftlichen Handlungsbedarfs von jährlich rund 2,5 Milliarden Euro wurden mit dem Regierungswechsel erhebliche finanzwirtschaftliche Erblasten übernommen, die es zunächst abzuarbeiten gilt. Mit einem Finanzplan 2020 wird die Landesregierung einen Abbaupfad zur Beseitigung des haushaltswirtschaftlichen Defizits erarbeiten und haushaltswirtschaftlich umsetzen. 3. Welche Summen spart das Land Baden-Württemberg momentan dadurch, dass auf den Kapitalmärkten eine äußerst günstige Finanzierung möglich ist a) im Vergleich zur Situation vor fünf und zehn Jahren jeweils absolut und relativ betrachtet; b) im Vergleich zu den mittleren Finanzierungskosten der letzten 15 Jahren? Zu 3.: Nachfolgende Tabelle stellt die Finanzierungskosten des Landes für Kreditmarktschulden in den vergangenen zehn und fünf Jahren sowie die mittleren Finanzierungskosten der letzten fünfzehn Jahre dar. Die Finanzierungskosten umfassen geleistete Zinszahlungen aus Schuldscheindarlehen , Wertpapieren, aus Derivaten entstandene Zahlungsströme (Einnahmen 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1175 und Ausgaben aus Swaps etc.) sowie sämtliche Nebenkosten (z. B. Disagio) im Jahr des Abflusses. Die für kurzfristige Geldanlagen i. R. der Liquiditätssteuerung erzielten Habenzinsen wurden wegen des engen Zusammenhangs mit der Kreditaufnahmesteuerung abgesetzt. Verglichen mit den Finanzierungskosten für den Schuldenbestand im Jahr 2001 nahmen die Finanzierungskosten 2011 absolut betrachtet um rd. 274 Mio. EUR zu. Dies liegt daran, dass sich in den letzten 10 Jahren auch die Kreditmarktschulden des Landes um rd. 13,8 Mrd. Euro erhöht haben. Relativ gesehen sank die durchschnittliche Verzinsung (Finanzierungskosten in Euro in Relation zum Stand der Kreditmarktschulden zum Jahresbeginn) um ca. 1,05 % im Jahr 2011 gegenüber 2001. Vergleicht man die Finanzierungskosten im Jahr 2011 mit 2006, so haben sich diese absolut betrachtet um rd. 385 Mio. EUR vermindert. Wesentlicher Grund hierfür waren 2006 um ca. 265 Mio. erhöhte Zinsausgaben aufgrund eines 1986 abgeschlossenen strukturierten Darlehens (Zinssammler; siehe Landtag Druck - sache 13/2933). Relativ gesehen sank die durchschnittliche Verzinsung um ca. 1,38 % im Jahr 2011 gegenüber 2006. Im Vergleich zu den mittleren Finanzierungskosten der letzten 15 Jahre (Durchschnittskosten 1997 bis 2011) entstanden 2011 Mehrausgaben von rd. 91 Mio. EUR, die durchschnittliche Verzinsung sank im gleichen Zeitraum um ca. 0,83 %. Dr. Nils Schmid Minister für Finanzen und Wirtschaft Schuldenstand (Kreditmarktschulden ) zu Jahresbeginn in Mio. Euro Veränderung des Schuldenstandes 2011 in Mio. Euro gegenüber Finanzierungskosten für den Schuldenbestand in Mio. Euro Veränderung der Finanzierungskosten 2011 für den Schuldenbestand in Mio. Euro gegenüber Finanzierungskosten für den Schuldenbestand (Ø-Verzinsung) in % Veränderung der Finanzierungskosten 2011 für den Schuldenbestand (Ø-Verzinsung) in % gegenüber 2001 29.502 +13.826 1.555 +274 5,27% –1,05% 2006 39.541 +3.787 2.214 –385 5,60% –1,38% 2011 43.328 1.829 4,22% Ø 1997–2011 1.738 +91 5,05% –0,83%