Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1198 06. 02. 2012 1Eingegangen: 06. 02. 2012 / Ausgegeben: 08. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie hat sich der Anmeldestand von Fahrzeugen mit Maschinenantrieb der Kategorie A nach Abschnitt XII Artikel 12.02 der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung (BSO) seit 2006 jährlich entwickelt? 2. Wie viele andere Schifffahrtspatente nach Abschnitt XII Artikel 12.09 wurden seit 2006 jährlich durch das Landratsamt Bodenseekreis und das Landratsamt Konstanz anerkannt? 3. Teilt sie die Auffassung, dass die Möglichkeit der Anerkennung anderer Schifffahrtspatente nach Abschnitt XII Artikel 12.09 zur Attraktivität des Bodensees als Tourismusdestination beiträgt und ggf. aus welchen Gründen? 4. Wie häufig wurden seit 2006 jährlich von den baden-württembergischen Wasserschutzpolizeistationen am Bodensee Kontrollen hinsichtlich des Fahrverbots und der Geschwindigkeitsbegrenzung in Uferzonen nach Abschnitt VI Artikel 6.11 der BSO durchgeführt und wie viele Verstöße wurden bei diesen Kontrollen festgestellt? 5. Wie beurteilt sie die Auswirkungen von Verstößen gegen das Fahrverbot und die Geschwindigkeitsbegrenzung in Uferzonen hinsichtlich des Naturschutzes insbesondere in den Flachwasserzonen der Flora-Fauna-Habitat-Gebiete am Untersee? 6. Hält sie die Häufigkeit von Kontrollen und die Konsequenzen von Verstößen gegen die Einschränkungen nach Abschnitt VI Artikel 6.11 der BSO im Hinblick auf die Vermeidung von solchen Verstößen für ausreichend? Kleine Anfrage des Abg. Hans-Peter Storz SPD und Antwort des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Motorschifffahrt auf dem Bodensee Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1198 2 7. Sieht sie neben den Kontrollen durch die Wasserschutzpolizei andere Möglichkeiten , die Akzeptanz für die Einschränkungen der Schifffahrt in Uferzonen zu erhöhen? 06. 02. 2012 Storz SPD B e g r ü n d u n g Der Lebensraum Bodensee steht im Spannungsfeld zwischen Naturnutzung und Naturschutz. Eine naturverträgliche Nutzung des Bodensees als Naherholungs - gebiet und touristische Destination ist daher zu begrüßen und zu fördern. Die Entwicklung des Anmeldestandes von Fahrzeugen der Kategorie A nach Abschnitt XII Artikel 12.02 der BSO und die Anerkennung von anderen Schifffahrtspatenten nach Abschnitt XII Artikel 12.09 der BSO können ein guter Gradmesser für die touristische Entwicklung am Bodensee sein. Die BSO gibt den Rahmen vor, um diese touristische Nutzung mit dem Naturschutz in Einklang zu bringen. Nach dem Eindruck von Naturschutzverbänden werden jedoch die Vorschriften über Fahrverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Uferzone (vgl. Abschnitt VI Artikel 6.11 BSO) häufig nicht eingehalten, insbesondere nicht im Bereich von Hafeneinfahrten. Durch dieses vorschriftenwidrige Verhalten werden vor allem die im Flachwasserbereich lebenden und brütenden Vögel empfindlich gestört . A n t w o r t Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 Nr. 3-3836.9/161 beantwortet das Ministe - rium für Verkehr und Infrastruktur im Einvernehmen mit dem Innenministerium, dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie dem Minis - terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich der Anmeldestand von Fahrzeugen mit Maschinenantrieb der Kategorie A nach Abschnitt XII Artikel 12.02 der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung (BSO) seit 2006 jährlich entwickelt? Das Amt der Vorarlberger Landesregierung erstellt im Auftrag der Internationalen Schifffahrtskommission für den Bodensee alle zwei Jahre eine Statistik über die in Deutschland, Österreich und der Schweiz für den Bodensee zugelassenen Fahrzeuge. Seit 2006 wurden solche sogenannten Bodensee-Schiffsstatistiken zum 1. Januar 2007, 1. Januar 2009 und 31. Dezember 2010 erstellt. Darin werden die Anzahl der Zulassungen nach den Fahrzeugarten „Fahrgastschiffe mit Dieselmotor“, „Lastschiffe mit Dieselmotor“, „Vergnügungsfahrzeuge“ (mit Unterarten ) sowie „Arbeits-, Berufsfischer- und sonstige Boote“, jeweils getrennt nach Leistungsklassen und soweit einschlägig nach Art des Verbrennungsmotors erfasst. Nach Artikel 12.02 der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung (BSO) ist ein Schifferpatent der Kategorie A für das Führen eines Fahrzeugs mit einem Antriebs - motor von über 4,4 kW Leistung, ausgenommen Fahrgastschiffe (Kategorie B) und Güterschiffe sowie schwimmende Geräte mit eigenem Antrieb (Kategorie C), erforderlich. Für die Fragestellung sind die Angaben zur Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge der Fahrzeugarten „Vergnügungsfahrzeuge“ sowie „Arbeits-, Berufs - fischer- und sonstigen Boote“ über 4,4 kW von Bedeutung. Während bei den „Vergnügungsfahrzeugen über 4,4 kW“ stets ein Schifferpatent der Kategorie A erforderlich ist, kann in der Kategorie „Arbeits-, Berufsfischer- oder sonstiges Boot über 4,4 kW“ abhängig von der konkreten Zweckbestimmung ein Schifferpatent der Kategorie A oder C erforderlich sein. Unter Berücksichtigung des Vorgenannten ergibt sich folgende Entwicklung des Anmeldestands: 2. Wie viele andere Schifffahrtspatente nach Abschnitt XII Artikel 12.09 wurden seit 2006 jährlich durch das Landratsamt Bodenseekreis und das Landratsamt Konstanz anerkannt? Die Landratsämter Bodenseekreis und Konstanz haben in den Jahren 2006 bis 2011 nach Artikel 12.09 BSO andere Schifferpatente in folgendem Umfang anerkannt : 3. Teilt sie die Auffassung, dass die Möglichkeit der Anerkennung anderer Schifffahrtspatente nach Abschnitt XII Artikel 12.09 zur Attraktivität des Bodensees als Tourismusdestination beiträgt und ggf. aus welchen Gründen? Die Landesregierung teilt die Auffassung, dass die Möglichkeit der Anerkennung anderer Schifferpatente nach Artikel 12.09 BSO zur Attraktivität des Bodensees als Tourismusdestination beiträgt. Nach der Einschätzung der Landratsämter Bodenseekreis und Konstanz werden in den meisten Fällen befristeter Anerkennung anderer Schifferpatente Fahrzeuge gechartert, die mindestens für fünf bis acht Personen zugelassen sind. Aus der Anzahl der anerkannten Schifferpatente kann ein Vielfaches an Urlaubsgästen, die Charterboote nutzen, abgeleitet werden. Nach Angaben der Landratsämter Bodenseekreis und Konstanz ist auch eine auf die befristete Anerkennung anderer Schifferpatente zurückzuführende verstärkte Nachfrage zur Patentprüfung für das Bodenseeschifferpatent feststellbar. Die Landesregierung teilt die Einschätzung der Internationalen Bodensee Tourismus GmbH, dass die Möglichkeit der befristeten Anerkennung anderer Schifffahrts - patente angesichts der am Bodensee für die Motorbootschifffahrt gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Beschränkungen (Abgasnormen, Liegeplätze) im Hinblick auf das Chartergeschäft aus touristischer Sicht zur Einlösung der wassersportbezogenen Imageattribute des Bodensees weiterhin förderlich und notwendig ist. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1198 Fahrzeugart Patentkategorie 01.01.2007 01.01.2009 31.12.2010 Vergnügungsfahrzeuge (einschließlich Segelfahrzeuge) mit Antriebsmotor > 4,4 kW A 21.031 21.687 22.353 davon Segelfahrzeuge 7.003 6.876 7.542 Arbeits-, Berufsfischerund sonstige Boote mit Antriebsmotor > 4,4 KW A oder C 443 427 402 2006 2007 2008 2009 2010 2011 LRA Bodenseekreis 598 636 653 699 633 671 LRA Konstanz 283 273 326 417 348 356 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1198 4 4. Wie häufig wurden seit 2006 jährlich von den baden-württembergischen Wasserschutzpolizeistationen am Bodensee Kontrollen hinsichtlich des Fahrverbots und der Geschwindigkeitsbegrenzung in Uferzonen nach Abschnitt VI Artikel 6.11 der BSO durchgeführt und wie viele Verstöße wurden bei diesen Kontrollen festgestellt? Für die Organisationseinheiten der Wasserschutzpolizei im Einsatzbereich Boden - see sind Kontrollen zur Einhaltung der Fahrregeln nach Abschnitt VI BSO Schwerpunkt bei nahezu allen Bootsstreifen. Der Streifenauftrag umfasst dabei generell sowohl die Überwachung der Regelungen für die 300 m Schutzzone am Ufer als auch die Einhaltung der unterschiedlichen Geschwindigkeitsobergrenzen. Neben der allgemeinen Streifentätigkeit führen die baden-württembergischen Wasserschutzpolizeistationen pro Monat mindestens vier Schwerpunktkontroll - aktionen zur Überwachung der Geschwindigkeit in der Uferzone mit Handlaser- Messgeräten durch. Im Sommer finden jeweils zwei zusätzliche Kontrollaktionen pro Monat mit der Schweizer Seepolizei statt. Eine Statistik über Zuwiderhandlungen gegen Artikel 6.11 BSO wird jedoch nicht geführt. 5. Wie beurteilt sie die Auswirkungen von Verstößen gegen das Fahrverbot und die Geschwindigkeitsbegrenzung in Uferzonen hinsichtlich des Naturschutzes insbesondere in den Flachwasserzonen der Flora-Fauna-Habitat-Gebiete am Untersee? Die BSO schreibt in Artikel 6.11 vor, dass Fahrzeuge mit Maschinenantrieb, ausgenommen solche mit elektrischem Antrieb bis zu einer Leistung von 2 kW, nicht näher als 300 m an das Ufer oder einen dem Ufer vorgelagerten Schilfgürtel (Uferzone) heranfahren dürfen, es sei denn, um an- oder abzulegen oder um stillzuliegen . Sie müssen dabei mit Ausnahme der Vorrangfahrzeuge und der Schlepp - verbände den kürzesten Weg nehmen und dürfen nicht schneller als 10 km/h fahren . Durch diese Einschränkung ist die Flachwasserzone in den Gebieten Gnadensee , Zellersee und Untersee zwischen Gaienhofen und Öhningen vor Beeinträchtigungen durch motorisierten Schiffsverkehr grundsätzlich geschützt. Die aus naturschutzfachlicher Sicht besonders wertvollen Flachwasserzonen wurden in den Geltungsbereich von Naturschutzgebiets-Verordnungen einbezogen, die ein generelles Fahrverbot für Wasserfahrzeuge aller Art beinhalten. Es handelt sich hierbei um die Hornspitze Höri, die Radolfzeller Aachmündung, die Halb - insel Mettnau sowie das Wollmatinger Ried. Beim Wollmatinger Ried/Ermatinger Becken reichen die Flachwasserzonen vom Ufer bis zur Schifffahrtsrinne. Diese Zonen liegen zwar im FFH-Gebiet, werden jedoch nicht vollständig von der Naturschutzgebietsverordnung erfasst. Insofern gilt hier kein Befahrungsverbot. Die Befahrungsverbote der geschützten Wasserflächen in den genannten Naturschutzgebieten werden offensichtlich eingehalten. Die Naturschutzgebiete sind allerdings durch Schwimmbojen und NSG-Schilder deutlich gekennzeichnet. Die Flachwasserzonen außerhalb der Naturschutzgebiete sind auf dem See jedoch nicht gekennzeichnet. Die Beachtung der in der Uferzone bestehenden Beschränkungen ist dadurch erschwert, dass die Einhaltung eines Abstands von 300 m zum Ufer vom Fahrzeug aus nur schwer beurteilt werden kann. Zu weiteren Ausführungen zur erodierenden Wirkung des Wellenschlags wird auf die Landtagsdrucksache 14/6842 vom 17. August 2010 verwiesen. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1198 6. Hält sie die Häufigkeit von Kontrollen und die Konsequenzen von Verstößen gegen die Einschränkungen nach Abschnitt VI Artikel 6.11 der BSO im Hinblick auf die Vermeidung von solchen Verstößen für ausreichend? Die Häufigkeit und der Umfang der wasserschutzpolizeilichen Kontrollen der Regelungen gemäß Artikel 6.11 BSO (siehe auch Antwort zu Frage Nr. 4) wird insgesamt als ausreichend betrachtet. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass sich im Zuständigkeitsbereich der baden-württembergischen Wasserschutzpolizei in den letzten Jahren keine Unfälle mit Schwimmern/innen ereignet haben, die kausal auf ein Fehlverhalten beim Befahren der 300 m Schutzzone durch Fahrzeuge mit Maschinenantrieb zurückzuführen waren. 7. Sieht sie neben den Kontrollen durch die Wasserschutzpolizei andere Möglichkeiten , die Akzeptanz für die Einschränkungen der Schifffahrt in Uferzonen zu erhöhen? BootsführerInnen können durch verstärkte Aufklärung über die Auswirkungen zu hoher Geschwindigkeiten auch durch private Initiativen informiert werden. Beispielhaft hierfür ist eine Maßnahme des örtlichen Naturschutzbundes NABU. Das NABU-Naturschutzzentrum betreibt das Beobachtungsboot „Netta“ im Erma - tinger Becken. Die Besatzung der „Netta“ führt immer wieder Aufklärungsgespräche mit BootsführerInnen durch, sofern diese ihre Fahrt unterbrechen und für eine „Belehrung“ aufgeschlossen sind. Zu prüfen wäre die Möglichkeit einer wirksamen Kennzeichnung von ökologisch wertvollen Flachwasserzonen mit Schwimmbojen. Ferner könnte eine Erweiterung der an das Ufer angrenzenden Naturschutzgebiete um den Bereich der Flachwasserzone und entsprechende Kennzeichnung Verbesserungen bringen. Die BewerberInnen um die Schifferpatente werden bei den praktischen Prüfungen bei der Ausfahrt aus dem Hafen und der Einfahrt in den Hafen besonders auf die Geltung des Artikels 6.11 BSO hingewiesen. Im Rahmen der Anerkennung anderer Schifferpatente nach Artikel 12.09 BSO erhalten die AntragstellerInnen eine Broschüre mit Hinweisen auf die wichtigsten Verkehrsregelungen der Bodensee- Schifffahrts-Ordnung, die auch einen Hinweis auf die Artikel 6.11 BSO enthalten. Hermann Minister für Verkehr und Infrastruktur