Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1256 13. 02. 2012 1Eingegangen: 13. 02. 2012 / Ausgegeben: 15. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Kann es Gemeinderatssitzungen bzw. Tagesordnungspunkte von Gemeinderatssitzungen geben, auf die § 35 Absatz 1 Gemeindeordnung (GemO) keine Anwendung findet? 2. Unterliegen Tagesordnungspunkte von Gemeinderatssitzungen, die gemäß § 34 Absatz 1 GemO vornehmlich in die Zuständigkeit der Bürgermeisterin bzw. des Bürgermeisters fallen, z. B. grundsätzliche Fragen zur Terminierung von Ratssitzungen, dem Öffentlichkeitsgebot gemäß § 35 Absatz 1 GemO oder sind sie aufgrund der vornehmlichen Zuständigkeit der Bürgermeisterin bzw. des Bürgermeisters davon ausgenommen? 3. Wie verhält sich dies, wenn die Bürgermeisterin bzw. der Bürgermeister selbst die betreffende Sache im Rat zur Beratung gestellt hat? 4. Haben Gemeinderäte grundsätzlich das Recht, Fragen, welche die Funktionsfähigkeit des Rates betreffen, z. B. grundsätzliche Fragen zur Terminierung von Ratssitzungen, in einer öffentlichen Ratssitzung zu beraten? 5. Unter welchen Umständen darf eine Bürgermeisterin bzw. ein Bürgermeister einem Gemeinderat die Diskussion einer solchen Frage in einer öffentlichen Ratssitzung verweigern? 10. 02. 2012 Dr. Rülke FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Innenministeriums Gebot der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1256 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 6. März 2012 Nr. 2-2203.1/74 beantwortet das Innenministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Kann es Gemeinderatssitzungen bzw. Tagesordnungspunkte von Gemeinderatssitzungen geben, auf die § 35 Absatz 1 Gemeindeordnung (GemO) keine An wendung findet? 2. Unterliegen Tagesordnungspunkte von Gemeinderatssitzungen, die gemäß § 34 Absatz 1 GemO vornehmlich in die Zuständigkeit der Bürgermeisterin bzw. des Bürgermeisters fallen, z. B. grundsätzliche Fragen zur Terminierung von Ratssitzungen , dem Öffentlichkeitsgebot gemäß § 35 Absatz 1 GemO oder sind sie aufgrund der vornehmlichen Zuständigkeit der Bürgermeisterin bzw. des Bürgermeisters davon ausgenommen? 3. Wie verhält sich dies, wenn die Bürgermeisterin bzw. der Bürgermeister selbst die betreffende Sache im Rat zur Beratung gestellt hat? Zu 1. bis 3.: Gemeinderatssitzungen sind nach § 35 Absatz 1 Satz 1 GemO grundsätzlich öffentlich . Nichtöffentlich darf nur – und muss dann auch – verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern (§ 35 Absatz 1 Satz 2 GemO). Diese Abgrenzung zwischen Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit gilt für alle Gegenstände, die im Gemeinderat behandelt werden . Die Entscheidung muss jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls getroffen werden. Ob der Beratungsgegenstand eigentlich in die Zuständigkeit des Bürgermeisters fällt, ist dafür ebenso wenig entscheidend wie die Frage, auf wessen Veranlassung die Behandlung im Gemeinderat erfolgt. 4. Haben Gemeinderäte grundsätzlich das Recht, Fragen, welche die Funktionsfähigkeit des Rates betreffen, z. B. grundsätzliche Fragen zur Terminierung von Ratssitzungen, in einer öffentlichen Ratssitzung zu beraten? 5. Unter welchen Umständen darf eine Bürgermeisterin bzw. ein Bürgermeister einem Gemeinderat die Diskussion einer solchen Frage in einer öffentlichen Ratssitzung verweigern? Zu 4. und 5.: Für die Einberufung des Gemeinderats ist nach § 34 Absatz 1 Satz 1 GemO der Bürgermeister zuständig. Das Einberufungsrecht des Bürgermeisters umfasst auch die Befugnis, den Zeitpunkt des Beginns der Sitzung zu bestimmen (Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 11. Juni 1991, DÖV 1992, S. 168). Der Gemeinderat hat diesbezüglich keine Entscheidungs- oder Mitwirkungsbefugnis, auch wenn er ansonsten für Geschäftsordnungsfragen nach § 36 Absatz 2 GemO zuständig ist. Die gesetzliche Kompetenzzuweisung an den Bürgermeister schließt es nicht aus, dass sich der Gemeinderat mit der Frage des Beginns seiner Sitzungen befasst (VGH-Urteil vom 11. Juni 1991 a. a. O.). Da es aus Gründen der gegenseitigen Rücksichtnahme geboten ist, bei der Bestimmung der Sitzungszeit auf die persönlichen und beruflichen Verhältnisse der Mehrheit der Gemeinderäte nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen, dient eine Behandlung im Gemeinderat der Informationsgewinnung für den Bürgermeister. Ob dies in öffent - licher oder nichtöffentlicher Sitzung geschieht, richtet sich nach den in der Antwort zu den Fragen 1 bis 3 genannten Kriterien. Gall Innenminister