Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1281 15. 02. 2012 1Eingegangen: 15. 02. 2012 / Ausgegeben: 19. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie ist die aktuelle Ärzteversorgung im Landkreis Böblingen? 2. Wie ist die demografische Entwicklung der Ärzte in Kliniken zu bewerten? 3. Wie ist die demografische Entwicklung der Ärzte in niedergelassenen Praxen vor Ort zu bewerten? 4. Wie sieht die Perspektive der ärztlichen Versorgung bis zum Jahr 2020 aus? 5. Wie ist die aktuelle Notfallversorgung gestaltet und wie wird sich diese bis in das Jahr 2020 entwickeln? 6. Mit welchen Anfahrtszeiten des Rettungsdienstes muss aktuell gerechnet werden und welche Entwicklungen sind hier zukünftig zu erwarten? 15. 02. 2012 Kurtz, Nemeth CDU Kleine Anfrage der Abg. Sabine Kurtz und Paul Nemeth CDU und Antwort des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Ärzteversorgung im Landkreis Böblingen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1281 2 B e g r ü n d u n g Die Sicherung einer guten ärztlichen Versorgung gehört zum Kernbestand der öffentlichen Daseinsvorsorge. Bundesweit ist leider der Trend zu beobachten, dass gerade im Bereich der Hausärzte Praxen aufgegeben werden, da es an jungen Ärzten fehlt, die diese übernehmen. Auch im Klinikbereich und in der Notfallversorgung gibt es teilweise Probleme, geeignetes Personal zu gewinnen. Diese Anfrage soll aufzeigen, wie sich die Situation im Landkreis Böblingen darstellt und ob Handlungsbedarf für die Landespolitik besteht. A n t w o r t Mit Schreiben vom 9. März 2012 Nr. 52-01415/15/1281 beantwortet das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren die Kleine Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie ist die aktuelle Ärzteversorgung im Landkreis Böblingen? a) Krankenhausärzte: Nach der Statistik des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg für das Jahr 2010 sind im Landkreis Böblingen 383 Ärzte und Ärztinnen im Krankenhaus tätig. b) Niedergelassene Ärzte: Die ambulante vertragsärztliche Versorgung im Landkreis Böblingen (= Planungsbereich ) ist sichergestellt. Nach den Regelungsvorschriften für die Bedarfsplanung sind nach Beschlusslage des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 28. Februar 2012 für sämtliche Arztgruppen Zulassungsbeschränkungen wegen rechnerischer Überversorgung angeordnet. Die Fach ärztinnen/ Fach - ärzte konzentrieren sich für die Bevölkerung gut erreichbar in Böblingen/Sindelfingen , Herrenberg, Leonberg und Weil der Stadt; in jeder Gemeinde des Landkreises Böblingen gibt es mindestens eine Hausärztin bzw. einen Hausarzt. Die Versorgungsgrade betragen für den Landkreis Böblingen aktuell: Anästhesisten: 114,0 % Kinderärzte 110,9 % Augenärzte: 110,5 % Nervenärzte: 121,6 % Chirurgen: 135,6 % Orthopäden: 115,7 % Fachärztl. Internisten: 196,9 % Psychotherapeuten: 139,0 % Frauenärzte: 111,5 % Radiologen: 132,9 % HNO-Ärzte: 115,2 % Urologen: 113,7 % Hautärzte: 129,0 % Hausärzte: 110,1 % 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1281 2. Wie ist die demografische Entwicklung der Ärzte in Kliniken zu bewerten? Die Verteilung der in Krankenhäusern tätigen Ärztinnen und Ärzte nach Altersgruppen stellt sich bundesweit wie nachfolgend dargestellt dar. Landesspezifische Zahlen liegen nicht vor. Quelle: Bundesärztekammer; Stationär tätige Ärztinnen und Ärzte nach Gebietsbezeichnungen und Altersgruppen am 31. Dezember 2010 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1281 4 Im Vergleich zum niedergelassenen Bereich (-0,5 %) ist die Anzahl der im Krankenhaus tätigen Ärztinnen und Ärzte gestiegen (+3,4 %). Gleichwohl ist – entsprechend der Entwicklung in der Gesamtbevölkerung – zu beobachten, dass in den letzten Jahren der Altersdurchschnitt der Ärzteschaft insgesamt gestiegen ist. Auf der anderen Seite zeigt aber die obige Tabelle, dass der Nachwuchs durch junge Ärztinnen und Ärzte insgesamt noch gesichert ist. Um auch künftig aus - reichend Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung zu haben, sind die Krankenhäuser gleichwohl gehalten, die Rahmenbedingungen beispielsweise zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. 3. Wie ist die demografische Entwicklung der Ärzte in niedergelassenen Praxen vor Ort zu bewerten? Die Altersstruktur der Ärztinnen und Ärzte insgesamt im Landkreis Böblingen ist „jünger“ als der Landesdurchschnitt. Nur 25 % der Hausärztinnen und Hausärzte (28 % im Landesdurchschnitt) sind 60 Jahre und älter. In wenigen Gemeinden ist die Hälfte der Hausärztinnen und Hausärzte bereits über 60 Jahre alt. Die Altersstruktur wird sich in den nächsten Jahren entsprechend dem Landestrend entwickeln . Von der Nachwuchsproblematik allgemein ist vorausschauend fast jeder Standort in Baden-Württemberg betroffen. 4. Wie sieht die Perspektive der ärztlichen Versorgung bis zum Jahr 2020 aus? Aufgrund der Tatsache, dass derzeit 28 % der Ärztinnen und Ärzte über 60 Jahre alt sind, werden in den nächsten Jahren mehr Ärztinnen und Ärzte ihre Praxis abgeben als im langjährigen Durchschnitt. Wenn auch eine Prognose über die Entwicklung der ärztlichen Versorgung bis zum Jahr 2020 von vielen Faktoren abhängig ist, muss bei der aktuellen Nachbesetzungsquote nach Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg davon ausgegangen werden, dass von den bis dahin insgesamt 88 altershalber ausscheidenden Hausärztinnen und Hausärzten (Vollendung des 65. Lebensjahres) voraussichtlich 25 keine Praxisnachfolge finden werden. Bei diesen Langzeitprognosen gilt nach den jetzigen Erkenntnissen die vorsichtige Annahme, dass künftig nur noch zwei von drei die Praxis abgebenden Hausärztinnen und Hausärzten mit einer Nach - folgeregelung rechnen können. 5. Wie ist die aktuelle Notfallversorgung gestaltet und wie wird sich diese bis in das Jahr 2020 entwickeln? Die Organisation und Durchführung des allgemeinen ärztlichen Notfalldienstes erfolgt nach Maßgabe der Notfalldienstordnung der KV Baden-Württemberg. Der Zuständigkeitsbereich der auf Landkreisebene organisierten Ärzteschaft Böblingen ist in 11 Notfalldienstbereiche untergliedert. Darüber hinaus sind drei gebietsärztliche Notfalldienste eingerichtet (Augenheilkunde, HNO, Kinderheil - kunde), wobei der augenärztliche Notfalldienst in Kooperation mit den Fachkolleginnen und Fachkollegen aus der Ärzteschaft Leonberg durchgeführt wird; der kinderärztliche Notfalldienst Böblingen findet in den Räumen des Klinikum Böblingen statt. Seit Ende 2009 ist eine „Notfallpraxis Böblingen-Sindelfingen“ am Klinikum Sindelfingen etabliert. Der Zuständigkeitsbereich der auf Landkreisebene organisierten Ärzteschaft Leon berg ist in sechs Notfalldienstbereiche untergliedert. Darüber hinaus sind zwei gebietsärztliche Notfalldienste eingerichtet (Augenheilkunde, Gynäkologie), wobei der augenärztliche Notfalldienst in Kooperation mit den Fachkollegen der Ärzteschaft Böblingen durchgeführt wird (s. o.). Seit 2006 ist im Zuständigkeitsbereich der Ärzteschaft Leonberg eine Notfallpraxis am Krankenhaus in Leonberg etabliert. Grundsätzlich ist die Belastung durch Notfalldienste ein besonders wichtiges Entscheidungskriterium für die Niederlassung von jungen Ärztinnen und Ärzten speziell im ländlichen Raum. In diesem Zusammenhang wird durch die KV Baden-Württemberg eine umfassende Gebietsreform angestrebt mit dem Ziel, die Anzahl der Notfalldienste je Ärztin und Arzt zu reduzieren. Dies wird zu einer 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1281 deutlichen Reduzierung der bisherigen Zahl der Notfalldienstbezirke führen, zugleich aber auch den berechtigten Versorgungsinteressen der Versicherten Rechnung tragen. Die KV Baden-Württemberg favorisiert die Ansiedlung von Notfallpraxen an Krankenhäusern, allerdings wird das Konzept nicht allein auf ein starres , zentral ausgerichtetes flächendeckendes System ausgerichtet sein, sondern auch passgenaue Lösungen in den jeweiligen Bezirken ermöglichen. In einem strukturierten Verfahren soll die kommunale Ebene in die Entscheidungen in den einzelnen Gemeinden und Landkreisen mit einbezogen werden. 6. Mit welchen Anfahrtszeiten des Rettungsdienstes muss aktuell gerechnet werden und welche Entwicklungen sind hier zukünftig zu erwarten? In Baden-Württemberg müssen nach dem Rettungsdienstgesetz Notarzt und Rettungswagen (RTW) in 95 % der Fälle im Zeitraum eines Jahres innerhalb von 10 bis 15 Minuten am Notfallort an der Straße eintreffen. Die gesetzliche Hilfsfrist ist dabei zentrale Vorgabe bei der Bedarfsplanung in der Notfallrettung, aus der sich der Ausbauzustand der bedarfsgerechten rettungsdienstlichen Vorhaltungen ableitet. Die Einhaltung der Hilfsfrist muss durch den Bereichsausschuss vor Ort planerisch und organisatorisch sichergestellt werden. Nach dem vom örtlich zuständigen Bereichsausschuss beschlossenen Bereichsplan bestehen zur präklinischen Notfallversorgung der Menschen im Rettungsdienstbereich Böblingen folgende rettungsdienstliche Vorhaltungen: I. Notarztsysteme II. Rettungswachen Standort Einsatzfahrzeuge Einsatzzeiten Leistungsträger Jährliche Vorhaltungsstunden KKH Böblingen NEF 365 Tage/24 Std. DRK 8.760 KKH Leonberg NEF 365 Tage/24 Std. DRK 8.760 KKH Herrenberg NAW 365 Tage/24 Std. DRK 8.760 Standort Einsatzfahrzeuge Einsatzzeiten Leistungsträger Jährliche Vorhaltungstunden Rettungswache Sindelfingen RTW 1 RTW 2 RTW 3 365 Tage/24 Std. 365 Tage/24 Std. 365 Tage/24 Std. DRK 8.760 8.760 8.760 Rettungswache Leonberg RTW RTW 365 Tage/24 Std. DRK 8.760 8.760 Rettungswache Herrenberg RTW 250 Tage 08:00 Uhr-22:00 Uhr DRK 3.500 Rettungswache Malmsheim RTW 365 Tage/24 Std. DRK 8.760 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1281 6 Diese Vorhaltungen sind ausreichend, das gesetzlich vorgegebene hohe Versorgungs - und Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Nach den für das Jahr 2011 mitgeteilten Daten ist im Rettungsdienstbereich Böblingen sowohl die Hilfsfrist für Notärzte als auch für RTW wie folgt eingehalten: • Hilfsfrist für Notärzte: 95,1 % • Hilfsfrist für RTW (mit RettAss): 95,5 % Dieses qualitativ hohe Niveau gilt es aufrecht zu erhalten. Angesichts der durch die demografische Entwicklung zu erwartenden steigenden Einsatzzahlen sowie sich ändernder Rahmenbedingungen infolge von Konzentrations- und Spezialisierungstendenzen bei den medizinischen Einrichtungen wird dies zukünftig nicht einfach sein. Sollte der Zielerreichungsgrad der Hilfsfrist unterschritten werden, wäre jedoch der Bereichsausschuss verpflichtet, geeignete Abhilfemaßnahmen einzuleiten. Insbesondere müsste in einem solchen Fall umgehend die Bereitstellung zusätzlicher Vorhaltungen geprüft werden. Derzeit ist dafür jedoch keine Notwendigkeit erkennbar. Altpeter Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren