Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1282 15. 02. 2012 1Eingegangen: 15. 02. 2012 / Ausgegeben: 15. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Zu welcher Versorgungsregion (Planungsbereich Kommunaler Versorgungsverband Baden-Württemberg) zählt der Landkreis Schwäbisch Hall im Bereich der ärztlichen ambulanten Versorgung und gibt es innerhalb der derzeitigen Versorgungsregion Verdichtungsräume mit ärztlicher Überversorgung und Teilflächenregionen mit ärztlicher Unterversorgung? 2. Mit welchen neuen Planungsinstrumenten kann im Zusammenhang mit dem neuen GKV-Versorgungsstrukturgesetz (VStG) künftig dafür Sorge getragen werden, dass eine kleinräumigere Betrachtung von Teilregionen bei der Bedarfsberechnung im ambulanten ärztlichen Bereich erfolgt und wie gedenkt die Landesregierung, aktiv an einer künftigen Neuplanung in den Regionen mitzuwirken ? 3. Wie bewertet sie die Resolution des Gemeinderats von Schwäbisch Hall, in der die Landesregierung aufgefordert wird, „… ihre durch das Versorgungsstrukturgesetz erweiterten Einwirkungsmöglichkeiten insoweit zu nutzen, dass die Re - gion Heilbronn-Franken in Fragen der Gesundheitsversorgung, insbesondere in Fragen der ärztlichen Bedarfsplanung in zwei Gesundheitsregionen, Heilbronn und Hohenlohe/Main-Tauber/Schwäbisch Hall aufgeteilt wird beziehungsweise diese Regionen neu gebildet werden.“? 4. Hält sie es für sinnvoll, konkrete Versorgungsanliegen aus dem ambulanten ärztlichen Bereich zum Gegenstand von Beratungen in regionalen Gesundheitskonferenzen zu machen und wie verträgt sich dies mit den Befugnissen der dafür bisher zuständigen Gremien auf Landesebene? 15. 02. 2012 Rüeck CDU Kleine Anfrage des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU und Antwort des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Zukunft der ärztlichen ambulanten Versorgung im Landkreis Schwäbisch Hall Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1282 2 B e g r ü n d u n g Verschiedene Regionen im Land, darunter der Landkreis Schwäbisch Hall, beklagen eine unausgewogene Verteilung von Angeboten in der ambulanten ärztlichen Versorgung. Mit dem neuen GKV-Versorgungsstrukturgesetz könnte es gelingen, Ungleichgewichte durch eine kleinräumigere Bedarfsplanung auszugleichen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 8. März 2012 Nr. 31-01415/15/1282 beantwortet das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren in Abstimmung mit dem Innenministerium und dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Zu welcher Versorgungsregion (Planungsbereich Kommunaler Versorgungsverband Baden-Württemberg) zählt der Landkreis Schwäbisch Hall im Bereich der ärztlichen ambulanten Versorgung und gibt es innerhalb der derzeitigen Versorgungsregion Verdichtungsräume mit ärztlicher Überversorgung und Teilflächenregionen mit ärztlicher Unterversorgung? Aus Gründen der terminologischen Klarheit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Versorgungsregion“ bzw. „Kommunaler Versorgungsverband Baden -Württemberg“ keine bedarfsplanerischen Begrifflichkeiten darstellen. Zur Beantwortung der Ziffer 1 wird in der Folge unterstellt, dass sich die Frage auf den Landkreis Schwäbisch Hall als Planungsbereich im bedarfsplanungsrecht - lichen Sinne bezieht. Der Landkreis Schwäbisch Hall ist aufgrund seiner Bevölkerungsdichte von 127 Einwohnern je km² nach den vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung für die Raumordnungsberichterstattung entwickelten Strukturen als ländlicher Kreis typisiert. Die Umsetzung dieser Vorgabe erfolgt gemäß der Bedarfsplanungsrichtlinie ausschließlich landkreisbezogen. So ist der Landkreis Schwäbisch Hall (identisch mit dem Planungsbereich) nach Anlage 3.1 der Bedarfsplanungsrichtlinie dem Kreistyp 7 zugeordnet mit den daraus ausweislich der Planungsblätter resultierenden Verhältniszahlen (Einwohner/Arztrelation). Nach den derzeitigen planungsrechtlichen Kriterien und dem Beschluss des Landesausschusses vom 12. Oktober 2011 ist im Planungsbereich Schwäbisch Hall mit Ausnahme der Hautärzte (aktueller Versorgungsgrad von 89 %) in allen Arztgruppen eine rechnerische Überversorgung gegeben. Der Versorgungsgrad variiert je nach Haus- bzw. Facharztgruppe zwischen 111 % und 333 %. Vor diesem Hintergrund ist der Planungsbereich Schwäbisch Hall für Haus- und Fachärzte, die sich neu niederlassen möchten und keinen bestehenden Versorgungsauftrag übernehmen wollen (Praxisübernahme) mit Ausnahme der Facharztgruppe Haut - ärzte zurzeit gesperrt. Im Bereich der hausärztlichen Versorgung steht der Bevölkerung ein überdurchschnittliches Angebot wohnortnah zur Verfügung. Bis auf Langenburg gibt es im Landkreis Schwäbisch Hall in jeder Gemeinde mindestens einen Hausarzt. Mit 1.409 Einwohnern je an der Versorgung teilnehmendem Hausarzt ist die Hausarztdichte rund 7 % besser als im Landesdurchschnitt. In den Mittelzentren Crailsheim und Schwäbisch Hall sind alle Facharztgruppen vertreten. Es ist besonders darauf hinzuweisen, dass durch die derzeitigen Bedarfsplanungsrichtlinien und der damit zusammenhängenden stadt- und landkreisbezogenen Bedarfsplanung keine Binnendifferenzierung erfolgt und daher keine kleinräumigeren über- und unterversorgten Gebiete ausgewiesen werden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1282 2. Mit welchen neuen Planungsinstrumenten kann im Zusammenhang mit dem neuen GKV-Versorgungsstrukturgesetz (VStG) künftig dafür Sorge getragen werden, dass eine kleinräumigere Betrachtung von Teilregionen bei der Bedarfsberechnung im ambulanten ärztlichen Bereich erfolgt und wie gedenkt die Landesregierung, aktiv an einer künftigen Neuplanung in den Regionen mitzuwirken ? 3. Wie bewertet sie die Resolution des Gemeinderats von Schwäbisch Hall, in der die Landesregierung aufgefordert wird, „… ihre durch das Versorgungsstrukturgesetz erweiterten Einwirkungsmöglichkeiten insoweit zu nutzen, dass die Region Heilbronn-Franken in Fragen der Gesundheitsversorgung, insbesondere in Fragen der ärztlichen Bedarfsplanung in zwei Gesundheitsregionen, Heilbronn und Hohenlohe/Main-Tauber/Schwäbisch Hall aufgeteilt wird beziehungsweise diese Regionen neu gebildet werden.“? Mit dem am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Versorgungsstrukturgesetz wurden Voraussetzungen geschaffen, die Grundzüge der Bedarfsplanungsrichtlinien zu reformieren. In einem ersten Schritt hat nach § 101 Absatz 1 SGB V der Gemeinsame Bundesausschuss die Aufgabe, die bisherige Bedarfsplanung zu überarbeiten. Ziel ist es, die regionalen Planungsbereiche mit Wirkung zum 1. Januar 2013 so festzulegen, dass eine flächendeckende Versorgung sichergestellt wird. Nach welchen Kriterien die neu zu entwickelnden Grundlagen für die Bedarfsplanungsrichtlinien ausgestaltet werden sollen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzbar. Allerdings wird es bei den Planungsbereichen eine Abkehr von den starren Stadt- und Landkreisgrenzen geben. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die bisherige Raumgliederung und die daraus abgeleiteten Einwohner/Arztrelationen dem kleinräumigeren, tatsächlichen Bedarf angepasst werden müssen. Eine Beteiligung der Länder ist mit dem Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes dahingehend realisiert worden, dass diese zukünftig auf Bundesebene im Gemeinsamen Bundesausschuss durch zwei Ländervertreter ein Mitberatungsrecht in Fragen der Bedarfsplanung innehaben. Auf der Landesebene stellen die Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen nach Maßgabe der vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Bedarfsplanungsrichtlinien einen Bedarfsplan zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung auf und passen diesen jeweils der Entwicklung an. Soweit es zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten, insbesondere der regionalen Demografie und Morbidität, für eine bedarfsgerechte Versorgung erforderlich ist, kann von den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses abgewichen werden. Dem Sozialministerium ist als zuständige Landesbehörde Gelegenheit zur Stellung - nahme zu geben. Sie kann den Bedarfsplan ggf. beanstanden. Sofern kein Einvernehmen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zustande kommt, kann jeder der Beteiligten den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anrufen. Das Land ist ab 2012 zur beratenden Mitwirkung im Landesausschuss berechtigt. Das Land ist somit über das Recht zur Stellungnahme und das Beanstandungsrecht bzw. über die Mitwirkung im Landesausschuss in die Bedarfsplanung involviert. Vor dem Hintergrund der Neuordnung der Bedarfsplanung bleibt es abzuwarten, wie diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss in den Bedarfsplanungsrichtlinien ausgestaltet wird und wie sich die Ergebnisse der Umsetzung auf Baden-Württemberg auswirken. Erst dann besteht die Möglichkeit, bei Bedarf aufgrund regionaler Besonderheiten Anpassungen in Baden-Württemberg vorzunehmen. Insofern kann die Landesregierung inhaltlich zur Resolution des Gemeinderats derzeit nicht Stellung nehmen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1282 4 4. Hält sie es für sinnvoll, konkrete Versorgungsanliegen aus dem ambulanten ärztlichen Bereich zum Gegenstand von Beratungen in regionalen Gesundheitskonferenzen zu machen und wie verträgt sich dies mit den Befugnissen der dafür bisher zuständigen Gremien auf Landesebene? Ziel ist es, in möglichst vielen Land- und Stadtkreisen eine geeignete, auf Nachhaltigkeit angelegte Plattform zu schaffen, in der auf regionaler Ebene in allen Lebensphasen und Lebenswelten und unter Beteiligung aller für die Vernetzung in Betracht kommenden Akteure eine gesundheitsfördernde kommunale Gesamtpolitik betrieben wird. Kommunale Gesundheitskonferenzen sollen in diesem Rahmen eine Plattform zur Vernetzung der Akteure auf der kommunalen Ebene sein, zum Informations- und Ideenaustausch unter Einbeziehung der Erfahrungen aus vorhandenen Netzwerken und zur Entwicklung neuer Ansätze der Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Handlungsfeldern. Dies gilt unter anderem auch für die sektorenübergreifende Planung und Steuerung medizinischer Angebote, um Versorgungsengpässe zu vermeiden und knappe personelle Ressourcen effizient zu nutzen. Im Bedarfsfall soll deshalb in Kreisstrukturgesprächen über neue Ansätze der sektorenübergreifenden Organisation stationärer und ambulanter Versorgung einschließlich Notfallversorgung beraten werden. Die Einführung der kommunalen Gesundheitskonferenzen lässt die bedarfsplanungsrechtlichen Zuständigkeiten im ambulanten und stationären Sektor jedoch formell unberührt. Eine Einbindung der Ergebnisse der kommunalen Gesundheitskonferenzen kann aber insbesondere über den auf Landesebene neu geschaffenen sektorenübergreifenden Landesbeirat realisiert werden, der Empfehlungen an die Gremien und Entscheidungsträger im ambulanten und stationären Bereich richten kann. Der sektorenübergreifende Landesbeirat ist eine institutionalisierte Plattform für den Austausch aller an der Bedarfsplanung in Baden-Württemberg Beteiligten. Ständige Mitglieder im Landesbeirat sind die Führungsspitzen der für die ambulante und stationäre Versorgung maßgeblichen Organisationen (Krankenkassen, Kassen[zahn]ärztliche Vereinigung, Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft ) sowie die kommunalen Landesverbände (Gemeinde-, Landkreis- und Städtetag). Der sektorenübergreifende Landesbeirat ist ein ausschließlich beratendes Gremium. Er lokalisiert Defizite und erörtert Fragen zur Sicherstellung einer flächendeckenden bedarfsgerechten Versorgung. Insbesondere durch den differenzierten Blickwinkel aller Beteiligten werden die Problemstellungen in allen Facetten sektorenübergreifend durchleuchtet und lösungsorientierte Empfehlungen ausgesprochen. Die Ergebnisse der kommunalen Gesundheitskonferenzen können durch die Beteiligten , beispielsweise über die kommunalen Landesverbände, kanalisiert und bei Bedarf in die Diskussionen gezielt mit eingebracht werden. So können die auf lokaler Ebene entwickelten Maßnahmen im Sinne des „best practice-Ansatzes“ aufgegriffen und übergreifend weiterentwickelt werden. Altpeter Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren