Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1298 17. 02. 2012 1Eingegangen: 17. 02. 2012 / Ausgegeben: 21. 03. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Effekte hat der Ausbau der Windkraft im Meer für die Wirtschaft in Baden-Württemberg? 2. Ist ihr bekannt, welche Offshore-Projekte mit Beteiligung baden-württembergischer Unternehmen derzeit in der Nord- und Ostsee betrieben werden? 3. Welche Offshore-Projekte mit Beteiligung hiesiger Unternehmen befinden sich nach ihrer Kenntnis in der Planung? 4. Wie beurteilt sie das Vorhaben, durch den Ausbau der Offshore-Windkraft den Anteil der Windenergie in Baden Württemberg auf 5 Prozent an der Strom - erzeugung zu erhöhen? 5. In welchem Bereich des Stromerzeugungs-Portfolio in Baden-Württemberg würde ein Ausbau der Offshore-Windkraft durch hiesige Unternehmen angerechnet ? 16. 02. 2012 Renkonen GRÜNE Kleine Anfrage des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Auswirkungen der Offshore-Windkraft Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1298 2 B e g r ü n d u n g Die Landesregierung will den Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung im Land auf zehn Prozent bis zum Jahr 2020 erhöhen. Dieses Ziel will sie ausschließ lich mit einem Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg, unter anderem durch Bürgerwindräder, erreichen. Inzwischen existieren seitens der CDU-Fraktion auch Pläne, die Windenergie in der Nord- und Ostsee (Offshore) erheblich auszubauen, um somit den Strombedarf im Land mit einem Anteil von bis zu fünf Prozent zu decken. Für wie realistisch und sinnvoll hält die Landes - regierung dieses Vorhaben? Diese Frage stellt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftsförderung, die jede Anlageninvestition im Land für den hiesigen Maschinen- und Anlagenbau auslöst. A n t w o r t Mit Schreiben vom 12. März 2012 Nr. I/2.6 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Effekte hat der Ausbau der Windkraft im Meer für die Wirtschaft in Baden-Württemberg? Beim Ausbau der Offshore-Windkraft ist mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Zulieferindustrie für Windkraftanlagen und die restlichen Wirtschafts - unternehmen zu rechnen. Insbesondere für den Maschinen- und Anlagenbau eröffnen sich durch den Bau von Windkraftanlagen, on- und offshore, neue Chancen auf einen höheren Absatz ihrer Produkte. Dadurch können positive Effekte auf Wertschöpfung und Beschäftigung in Baden-Württemberg ausgelöst werden. In Deutschland konzentrieren sich die Anlagenhersteller für Windenergie vor allem in den windreichen Küstenzonen. Die Zulieferindustrie ist insbesondere in den Maschinenbaustandorten, also auch in Baden-Württemberg ansässig. Wesentliche Komponenten einer Windenergieanlage sind Nabe, Hauptwelle, Gondel, Generator, Turm, Rotorblätter, Getriebe, Hydraulik, Kabel, Sensorik etc. Dazu kommen Planung, Installation, Wartung, aber auch der Transport der Teile und Komponenten etc. Der Fachverband VDMA Power Systems des Verbandes des Deutschen Maschinen - und Anlagenbaus (VDMA) vertritt acht Hersteller von Windenergieanlagen eno energy systems, Fuhrländer, GAMESA, GE Energy, Nordex, PowerWind, Repower Systems, Siemens Wind Power und etwa 30 Komponentenhersteller. In der VDMA Arbeitsgemeinschaft „Windenergie Zulieferindustrie“ sind insgesamt über 90 Hersteller und Zulieferer von Windenergieanlagen organisiert, davon ein Viertel aus Baden-Württemberg. Dazu gehören Firmen wie ABB Automation GmbH, Balluff GmbH, Cromer Industrie, Herrenknecht AG, U.I. Lapp GmbH, Liebherr-Werk Biberach GmbH, MAG, MAPAL Dr. Kress AG, Pepperl+Fuchs GmbH, Pilz GmbH oder Voith Turbo GmbH& Co. KG. Eine Liste der Mitglieder findet sich im Internet unter www.vdma.org/hnw2. Insgesamt sind in zusammen über 20 VDMA Fachverbänden wie Antriebstechnik, Fluidtechnik, Elektrische Automation oder Power Systems etwa 200 Unternehmen, die Komponenten und Systeme in den Bereich Windenergie liefern, vertreten, darunter zahlreiche aus Baden-Württemberg. Im Jahr 2010 repräsentierten nach Angaben des VDMA allein die Hersteller von Windenergieanlagen (WEA) durch Fertigung in Deutschland ein Umsatzvolumen von etwa 5 Milliarden Euro oder mehr als 12,5 Prozent der globalen Umsätze der WEA-Hersteller. Zahlen für Baden-Württemberg liegen der Landesregierung nicht vor. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1298 41 Firmen und Organisation der Branche sind im „Windcluster Baden-Württemberg “ zusammengeschlossen (www.windcluster-bw.de), darunter Firmen wie LappKabel, Würth, Mahle, Strabag, Windreich, Solarcomplex, EnBW Erneuer - bare Energien, aber auch Organisationen wie das Zentrum für Sonnenenergieund Wasserstoff-Forschung (ZSW). Der Windcluster beziffert die Anzahl an Firmen und Organisationen dieser Branche in Baden-Württemberg sogar auf 300 und den Jahresumsatz auf 1 Milliarde Euro. Allein die Zulieferfirmen des größten deutschen Windradherstellers Enercon belaufen sich im Bundesland demnach auf über 100. In einer Studie des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (Berlin 2010) wurden in Baden-Württemberg 52 Unternehmen identifiziert, die Komponenten für Windenergieanlagen fertigen. Den Schwerpunkt bildet die Herstellung von Hydrauliksystemen und deren Komponenten, die Herstellung von Mess-, Steuerund Regeltechnik sowie von Zustandsüberwachungssystemen. Aber auch Rotorlager , Hauptgetriebe, Kupplungen, Bremsen, Generatoren, Elektrotechnik, Transformatoren , Schmiersysteme, Kühlsysteme und Dichtungssysteme werden in Baden-Württemberg hergestellt. Türme und Rotorblätter werden nicht in Baden- Württemberg produziert. Die Studie rechnet für das Jahr 2010 mit 2.800 Beschäftigten , darunter 2.600 Personen schwerpunktmäßig aus der Fertigung von Anlagenkomponenten . Bei der Frage der Auswirkungen auf die Wirtschaft ist aber auch ein zweiter Aspekt zu berücksichtigen. Denn aktuell verfügt die Offshore Windkraft über vergleichsweise hohe Gestehungskosten, auch im Vergleich mit der Onshore- Windenergie. Durch die EEG-Umlage (Anfangsvergütung: 15 bis 19 ct/kWh Off - shore und 8,93 ct/kWh Onshore) werden diese Mehrkosten an Unternehmen und Privatpersonen weitergereicht, was zu einer Belastung von Unternehmen und Privatpersonen führt. Deren Kaufkraft verringert sich entsprechend, was nach - teilig für die hiesige Wirtschaft ist. Bei einer großmaßstäblichen Markteinführung werden durch Skaleneffekte möglicherweise Kostendegressionen ausgelöst, was zu einer Dämpfung des genannten Effektes führen könnte. 2. Ist ihr bekannt, welche Offshore-Projekte mit Beteiligung baden-württembergischer Unternehmen derzeit in der Nord- und Ostsee betrieben werden? Der derzeit einzige von einem baden-württembergischen Unternehmen betriebene Windpark „Baltic 1“ befindet sich in der Ostsee, rund 16 km vor der Küste Mecklenburg -Vorpommerns, nördlich der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. Er verfügt über 21 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 48,3 MW und wurde 2011 in Betrieb genommen. Betrieben wird „Baltic 1“ von der EnBW Erneuer - bare Energien GmbH, einer Tochter des Energieversorgers EnBW. Die Wind - energieanlagen stammen von Siemens. Sie werden zwar in Dänemark gebaut, aber zu über 50 Prozent mit Komponenten aus Deutschland beliefert. Wie viele Komponenten im Detail aus Baden-Württemberg stammen, ist nicht zu beziffern, allerdings dürfte der prozentuale Anteil zweistellig sein. Darüber hinaus sind an der Finanzierung des Windparks 19 kommunale Partner beteiligt, darunter 18 aus Baden-Württemberg. Nach Zahlen des Deutschen Windenergie-Instituts (DEWI) waren zum Stichtag 31. Dezember 2011 in der Nord- und Ostsee insgesamt 34 weitere Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 167 MW errichtet, davon drei ohne Netz - anschluss. Darin sind zwei Windparks (Alpha Ventus und Bard 1) sowie drei Einzelanlagen enthalten. Baden-Württemberg ist hier zwar nicht direkt in den Betrieb der Anlagen involviert, aber sicher zu einem hohen Anteil in die Belieferung mit Komponenten. 3. Welche Offshore-Projekte mit Beteiligung hiesiger Unternehmen befinden sich nach ihrer Kenntnis in der Planung? Der Windpark „Baltic 2“ – ebenfalls projektiert von der EnBW Erneuerbare Energien GmbH – befindet sich derzeit im Bau. Er umfasst 80 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 288 MW. Er befindet sich ebenfalls in der Ostsee, jedoch in größerer Küstenentfernung (32 km nördlich der Insel Rügen) und in Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1298 4 größeren Wassertiefen als „Baltic 1“. Die Großaufträge für das Projekt wurden bereits 2010 vergeben und einzelne Baumaßnahmen bereits begonnen (z. B. die Errichtung der Transformatoren für die Umspannstation). Der eigentliche Bau - beginn ist für 2012 und die Inbetriebnahme für 2013 vorgesehen. Nach derzeitigem Planungsstand soll mit „Global Tech I“ der Windreich AG bis Ende 2012 ein weiterer Windpark eines baden-württembergischen Unternehmens an das deutsche Stromnetz angeschlossen und im darauffolgenden Jahr vollständig ausgebaut sein. Er umfasst 80 Anlagen à 5 MW (Gesamtleistung 400 MW), erstreckt sich über eine Fläche von 41 Quadratkilometern und liegt 110 km nordwestlich von Cuxhaven. Darüber hinaus wurden in Nord- und Ostsee insgesamt weitere 25 Offshore- Windparks genehmigt, 63 weitere durchlaufen gerade das Genehmigungsverfahren (Deutsche Energie-Agentur: www.offshore-wind.de/page/ index.php?id =4763). Darunter sind Projekte der Windreich AG (Marktanteil an Projekten in der Deutschen Nordsee: 35,3 Prozent, Planung der Projekte „MEG Offshore 1“ und „Deutsche Bucht“) und der EnBW Erneuerbare Energien GmbH (Marktanteil an Projekten in der Deutschen Nordsee: 3,7 Prozent, Planung der Projekte „EnBW Hohe See“ und „EnBW He Dreiht“). Bei diesen Projekten ist Baden-Württemberg wieder Lieferant wesentlicher Komponenten für die Anlagen und wahrscheinlich auch für Fundamente, Kabel und Infrastruktur. 4. Wie beurteilt sie das Vorhaben, durch den Ausbau der Offshore-Windkraft den Anteil der Windenergie in Baden Württemberg auf 5 Prozent an der Strom - erzeugung zu erhöhen? Die Landesregierung begrüßt den Ausbau der Offshore-Windenergie sowohl als wichtigen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz als auch aus industriepolitischer Sicht. Gleichzeitig sieht sie jedoch auch deutlichen Klärungsbedarf und die Notwendigkeit massiver Anstrengungen im Hinblick auf den Ausbau des Stromnetzes (Anbindung an das Festland und zusätzliche Netzkapazitäten an Land), um den Transport des Stroms zu den Verbrauchern – auch in Baden-Württemberg – zu gewährleisten. Dabei stellt der Ausbau der Offshore-Windkraft jedoch keineswegs einen Ersatz für den Ausbau der Onshore-Windenergie in Baden-Württemberg dar. Außerdem gibt es keinen Mechanismus, der Offshore-Windkraft auf die Erzeugung von Windenergie in Baden-Württemberg anrechnen lässt (siehe Ziff. 5). 5. In welchem Bereich des Stromerzeugungs-Portfolio in Baden-Württemberg würde ein Ausbau der Offshore-Windkraft durch hiesige Unternehmen angerechnet ? Der Ausbau der Offshore-Windkraft wirkt sich – unabhängig von der Herkunft des Betreiberunternehmens – weder auf die installierten Kraftwerkskapazitäten in Baden-Württemberg noch auf die Energiebilanzen für Baden-Württemberg (Primär- und Endenergiebilanzen) aus. Vielmehr findet eine standortbezogene Bilanzierung nach dem Territorialprinzip statt. Der Strom aus Offshore-Windkraftanlagen wird entsprechend der Übereinkunft des Länderarbeitskreises Energiebilanzen dem Bundesland zugerechnet, bei dem er „anlandet“. Für Baden- Württemberg wird Strom aus der Offshore-Windkraft ggf. unter Importstrom geführt. Das gleiche Prinzip wird auch bei der Quellbilanzierung von CO2-Emissionen angewendet. Daher wird die Offshore-Windkraft für Baden-Württemberg nicht angerechnet. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft