Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 1383 07. 03. 2012 1Eingegangen: 07. 03. 2012 / Ausgegeben: 05. 04. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Liegen Erkenntnisse über den Umfang des Konsums der sogenannten elektronischen Zigarette vor? 2. Wie bewertet sie den Verkauf und den Konsum der E-Zigarette rechtlich, insbesondere mit Blick auf das Arzneimittel- oder Medizinproduktegesetz? 3. Liegen Untersuchungen oder sonstige Erkenntnisse über die Schädlichkeit nikotinhaltiger Aerosole im Vergleich zu Tabakerzeugnissen vor? 4. Gibt es Handlungsbedarf im Hinblick auf den Jugendschutz, ein Verbot des „Genusses“ der E-Zigarette anzustreben? 07. 03. 2012 Pauli CDU Kleine Anfrage des Abg. Günther-Martin Pauli CDU und Antwort des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Elektronische Zigarette Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1383 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 27. März 2012 Nr. 53-01415/15/1383 beantwortet das Minis - terium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Liegen Erkenntnisse über den Umfang des Konsums der sogenannten elektronischen Zigarette vor? Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat bisher keine Daten über den Umfang des Konsums der sogenannten elektronischen Zigarette erhoben , wird dies aber ab diesem Jahr in ihre Studien aufnehmen. Der Verband des eZigarettenhandels e. V. spricht von 2 Millionen deutschen Nutzern der E-Zigarette, allerdings geht die BZgA davon aus, dass diese Zahl viel zu hoch angegeben ist. Der Landesregierung liegen derzeit keine weiteren Zahlen zur Nutzung von E-Zigaretten vor. 2. Wie bewertet sie den Verkauf und den Konsum der E-Zigarette rechtlich, insbesondere mit Blick auf das Arzneimittel- oder Medizinproduktegesetz? Derzeit bestehen für E-Zigaretten keine speziellen Rechtsvorschriften. Anhand der jeweiligen Produkteigenschaften und der vom Hersteller vorgegebenen Zweck - bestimmung ist zu prüfen, ob die Produkte beispielsweise dem Arzneimittel- oder Medizinprodukterecht, Lebensmittel- und Bedarfsgegenständerecht, Tabakrecht oder Produktsicherheitsrecht unterliegen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat im Juli 2009 eine nikotinhaltige E-Zigarette bundesweit verbindlich als Fertigarzneimittel eingestuft. Damit darf diese E-Zigarette nicht ohne vorherige Zulassung in den Verkehr gebracht werden. Obwohl sich diese Entscheidung nur auf ein bestimmtes Produkt bezieht, sind diese Grundsätze auf vergleichbare Produkte nikotinhaltiger E-Zigaretten übertragbar. Die Entscheidung besagt im Grundsatz, dass es sich bei dem beurteilten Produkt um ein Funktionsarzneimittel handelt, da es eine in der vorliegenden Dosierung pharmakologisch wirksame Substanz (Nikotin) enthält. Für Zigaretten und Zigarren gilt dies nicht, da es sich um Tabakerzeugnisse handelt, die nach § 2 Absatz 3 Ziffer 3 ausdrücklich vom Arzneimittelbegriff des Arzneimittelgesetzes (AMG) ausgenommen sind. Bei nikotinfreien Liquids ist die Einstufung stark vom jeweiligen Einzelfall abhängig . Bei Produkten, die mit der Zweckbestimmung „Raucherentwöhnung“ angeboten werden, handelt es sich im Regelfall nicht um Funktions- sondern um so genannte Präsentationsarzneimittel. Produkte, die ohne medizinische Zweckbestimmung angeboten werden, unterliegen anderen Regelungen, beispielsweise dem Tabakrecht, Produktsicherheitsrecht oder dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständerecht . In Hinblick auf den Nichtraucherschutz wird die Auffassung vertreten, dass die Bestimmungen des Nichtraucherschutzgesetzes greifen, das heißt, der Gebrauch von (nikotinhaltigen und nikotinfreien) E-Zigaretten ist überall dort unzulässig, wo nicht geraucht werden darf. 3. Liegen Untersuchungen oder sonstige Erkenntnisse über die Schädlichkeit nikotinhaltiger Aerosole im Vergleich zu Tabakerzeugnissen vor? Insgesamt liegen bisher nur wenige internationale Studien vor, die Gesundheitsgefahren und Inhaltsstoffe von E-Zigaretten untersuchen. Dies wird dadurch erschwert , dass es keine zuverlässige Datenlage gibt, die die Aufstellung einer möglichst vollständigen Liste der verwendeten Stoffe erlaubt. Über die langfristigen 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1383 Folgen einer regelmäßigen Inhalation von Propylenglykol beim Menschen ist bislang nichts bekannt. Nebenwirkungen wie Verengungen der Atemwege konnten in einer aktuellen Studie bei E-Zigarettenrauchern bereits nach fünf Minuten nachgewiesen werden, wobei jedoch der Einfluss der Trägersubstanzen nicht gesondert untersucht wurde. Eine Arbeit von Uchiyama et al.1 legt die Vermutung nahe, dass elektronische Zigaretten bedeutende Mengen an Formaldehyd, Acetaldehyd, Aceton, Acrolein und anderen Aldehyden freisetzen. Diese Verbindungen sind auch im Hauptstromrauch von herkömmlichen Zigaretten zu finden. Die Ergebnisse der Arbeit werden als Hinweis auf ein Pyrolysegeschehen und somit auch auf Raucherzeugung beim Gebrauch von elektronischen Zigaretten gewertet. Abschließende Bewertungen sind aufgrund der eingeschränkten Datenlage derzeit allerdings nicht möglich. 4. Gibt es Handlungsbedarf im Hinblick auf den Jugendschutz, ein Verbot des „Genusses“ der E-Zigarette anzustreben? Derzeit gibt es keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse darüber, ob E-Zigaretten tatsächlich gesundheitsschädlich sind. Daher kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob und ggf. in welcher Hinsicht Handlungsbedarf im Hinblick auf den Jugendschutz besteht. Altpeter Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren _____________________________________ 1 S. Uchiyama, Y. Inaba, N. Kunugita: „Determination of acroleion and other carbonyls in cigarette smoke using silica cartridges impregnated with hydroquinone and 2,4-dinitrophenyl-hydrazine “ Journal of Chromatography A, 1217, (2010) 4383–4388.