Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 1707 11. 05. 2012 Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung Bekämpfung von illegalem Glücksspiel im Internet G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: I . I l l e g a l e s G l ü c k s s p i e l i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g 1. Welche Formen von illegalem Glücksspiel konnten Glücksspielaufsichtsbehörden und Strafverfolgungsbehörden in den letzten zehn Jahren in Baden-Württemberg identifizieren? 2. Welchen Anteil hat das im Internet stattfindende Glücksspiel am unter Abschnitt I Ziffer 1 angesprochenen illegalen Glücksspiel? 3. Welches Umsatzvolumen (Schätzung) erzielt das illegale Glücksspiel in BadenWürttemberg , insbesondere in Relation zum legalen Glücksspiel? 4. Welcher wirtschaftliche Schaden wurde privaten Haushalten durch illegales Glücksspiel in den letzten zehn Jahren zugefügt? 5. Wie viele Ermittlungsverfahren und Gerichtsprozesse führt das Land BadenWürttemberg im Jahresdurchschnitt gegen illegale Glücksspielanbieter? I I . I l l e g a l e s G l ü c k s s p i e l i m I n t e r n e t 1. Welche Formen von illegalem Glücksspiel werden im Internet angeboten? 2. Welche Möglichkeiten haben Strafverfolgungsbehörden, gegen Anbieter von illegalem Glücksspiel im Netz vorzugehen, wenn sich der betreffende Server im Ausland befindet? 3. Welche Gesundheitsgefahren ergeben sich für den Verbraucher durch illegales Glücksspiel im Internet? Eingegangen: 11. 05. 2012 / Ausgegeben: 02. 07. 2012 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 2 4. Inwieweit ist ihr bekannt, welcher Umsatz durch illegales Glücksspiel im Internet in Baden-Württemberg bzw. der Bundesrepublik Deutschland erzielt wird? I I I . B e k ä m p f u n g v o n i l l e g a l e m G l ü c k s s p i e l d u r c h b a d e n - w ü r t t e m b e r g i s c h e B e h ö r d e n 1. Welche Behörden mit welchen Zuständigkeiten sind mit der Bekämpfung von illegalem Glücksspiel befasst und gibt es hierfür spezialisierte Einheiten? 2. Wie ist die Zusammenarbeit der Strafverfolgungs- und Glücksspielaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder in Bezug auf die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel ausgestaltet, insbesondere in Bezug auf die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel im Internet? 3. Wie viele Verurteilungen werden aufgrund welcher Delikte durch die Strafgerichte im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel durchschnittlich ausgesprochen (Jahresdurchschnitt der letzten fünf Jahre)? 4. Welches Strafmaß findet bei den unter Abschnitt III Ziffer 3 genannten Delikten durchschnittlich Anwendung? I V. E r l a s s v o n U n t e r s a g u n g s v e r f ü g u n g e n n a c h § 9 A b s . 1 N r. 3 , 4 u n d 5 G l ü c k s s p i e l s t a a t s v e r t r a g 1. Welche Möglichkeiten des Geldtransfers ins Ausland, insbesondere im Internet, werden bei illegalem Glücksspiel am häufigsten genützt (Kreditkarte, PayPal, Inkasso, Überweisung)? 2. Welche Möglichkeiten zur Sperrung von Zahlungswegen ins Ausland, die zur Verhinderung von illegalem Glücksspiel beitragen können, stehen den mit der Bekämpfung von illegalem Glücksspiel befassten Behörden zur Verfügung? 3. Inwieweit ist es für Finanzinstitute möglich, Überweisungszwecke zu verfolgen, etwa um die Überweisung von Geldern für illegales Glücksspiel zu verhindern? 4. In welchem Umfang wurde in Baden-Württemberg von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 und 4 Glücksspielstaatsvertrag gegenüber Finanz- und Kreditinstituten zu erlassen? 5. Welche Kosten entstehen den Finanz- und Kreditinstituten durch den Erlass einer Untersagungsverfügung? 6. Mit welcher Frequenz und welchen wirtschaftlichen Auswirkungen wird von der Möglichkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Glücksspielstaatsvertrag durch baden-württembergische Behörden Gebrauch gemacht? 11. 05. 2012 Schmiedel, Sakellariou und Fraktion B e g r ü n d u n g Das Glücksspiel besitzt eine hohe Suchtgefahr. Durch die Glücksspielstaatsverträge sind daher staatliche Regulierung und enge Grenzen, in denen Glücksspiel erlaubt ist, gewährleistet. Durch Glücksspiel entstehen hohe soziale Kosten; Glücksspielsüchtige verspielen oft große Teile ihres Vermögens, wodurch nicht nur sie selber, sondern auch ihre Angehörigen gefährdet werden. Wenn ein Spielsüchtiger Haus und Hof verspielt, Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 3 leidet darunter auch dessen Familie sowie alle Unterhaltsberechtigten oder auch wirtschaftlich Abhängige. Der Verlust größerer Geldsummen und die Sucht können ferner zu Beschaffungskriminalität und auch Gewaltdelikten führen. Die Umsatzmöglichkeiten im Bereich des Glücksspiels sind auch Kriminellen nicht verborgen geblieben, weswegen auch das illegale Glücksspiel enormen Umsatz macht. Dabei spielen insbesondere Online-Glücksspiele eine gefährliche Rolle. Diese sind in einer großen Vielfalt leicht vom heimischen PC oder auch aus Internetcafés zugänglich. Die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels im Internet wird oft durch große praktische Schwierigkeiten erschwert; dabei ist nur ein Problem, dass illegales Glücksspiel oft über ausländische Server angeboten wird, gegenüber deren Betreibern deutsche Strafverfolgungsbehörden oft machtlos sind oder die sie nur nach ausufernden Rechtshilfeverfahren beikommen. Probleme ergeben sich auch daraus, dass Netzsperren leicht umgangen werden können; daher sollte weiter das Prinzip „Löschen statt Sperren“ gelten. Eine Möglichkeit, illegales Glücksspiel im Internet zu bekämpfen, sind Untersagungsverfügungen nach § 9 Glücksspielstaatsvertrag gegenüber Finanz- und Kreditinstituten . Wenn Geldzahlungen auf illegales Glücksspiel nicht geleistet werden können, weil die Finanz- und Kreditinstitute die Überweisungen nicht tätigen, würde der wirtschaftliche Erfolg des illegalen Glücksspiels erheblich gemindert werden und illegales Glücksspiel damit im Keim erstickt. Dabei muss das Instrument der Untersagungsverfügung allerdings auch effizient eingesetzt werden. Sinn und Zweck der Anfrage ist es, Stand und Zukunft der Bekämpfung von illegalem Glücksspiel in Baden-Württemberg zu eruieren. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums 19. Juni 2012 Nr. I–1114.: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Krebs Ministerin im Staatsministerium Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 4 Anlage: Schreiben des Innenministeriums Mit Schreiben vom 12. Juni 2012 Nr. 4–1114.5/15/1727 beantwortet das Innenministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, dem Justizministerium, dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren sowie dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: I . I l l e g a l e s G l ü c k s s p i e l i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g 1. Welche Formen von illegalem Glücksspiel konnten Glücksspielaufsichtsbehörden und Strafverfolgungsbehörden in den letzten zehn Jahren in Baden-Württemberg identifizieren? Zu I. 1.: Das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde für das Land Baden-Württemberg hat in den vergangenen Jahren folgende illegale Glücksspielarten festgestellt: • Sportwetten, die sowohl terrestrisch als auch im Internet veranstaltet werden; • Pokerspiel, das terrestrisch und im Internet veranstaltet wird; • Hausverlosungen, die im Internet stattfinden; • typische „Casino-Spiele“ wie Roulette, Automatenspiele u. ä., die im Internet veranstaltet werden; • Bingo als terrestrisches Angebot und als Internetangebot; • Pferdewetten im Internet; • Wetten auf den Ausgang deutscher Lotterien im Internet; • die Vermittlung zur Teilnahme an Lotterien aus anderen Staaten, die im Bundesgebiet im Internet nicht erlaubt sind (beispielsweise „El Gordo“, „Euromillions “); • elektronische Rubbellose im Internet sowie • sogenannte „Versteigerungen“ im Internet, bei denen die Möglichkeit eröffnet wird, Gegenstände deutlich unter ihrem Wert zu ersteigern, bei denen die Abgabe eines Gebotes aber nur möglich ist, wenn zuvor gegen Entgelt Gebotspunkte gekauft wurden. In der Strafverfolgungspraxis der Staatsanwaltschaften spielen Karten- oder Würfelspiele eine erhebliche Rolle. Zunehmende Bedeutung kam dabei in den letzten Jahren dem Pokerspiel zu. Daneben gibt es immer wieder Fälle, in denen zulässige Geschicklichkeits- oder Unterhaltungsspiele in Gaststätten zu Glücksspielen umfunktioniert werden. Eine Zeitlang spielten Aktivitäten privater Wettbüros, die sich bei der Vermittlung von Sportwetten auf ausländische Lizenzen beriefen, eine erhebliche Rolle. Ermittlungsverfahren, die über das Internet angebotene Glücksspiele betreffen, kamen nur selten vor. Anhand der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) Baden-Württemberg können nur Fälle unerlaubten Glücksspiels ohne Differenzierung nach Art oder Erscheinungsform recherchiert werden. Für eine dezidierte Prüfung der Vorgehensweisen wären umfangreiche Einzelaktenauswertungen erforderlich. 2. Welchen Anteil hat das im Internet stattfindende Glücksspiel am unter Abschnitt I Ziffer 1 angesprochenen illegalen Glücksspiel? Zu I. 2.: Deutschlandweit wurden – Angaben der Forschungsstelle für Glücksspiel an der Universität Hohenheim zufolge – im Jahr 2009 rund 1,4 Milliarden Euro mit ter- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 5 restrisch angebotenen Sportwetten umgesetzt. Rund 2,8 Milliarden Euro wurden mit Sportwetten im Internet und sonstigen Online-Glücksspielen umgesetzt (vgl. hierzu die Angaben der Forschungsstelle für Glücksspiel an der Universität Hohenheim zum Glücksspielmarkt). Wie durch Plausibilitätsberechnungen nachgewiesen wurde, sind die Zahlen als hochspekulativ zu bewerten. Da es den derzeitigen Erkenntnissen zufolge neben den illegalen terrestrischen Sportwetten kein weiteres illegales terrestrisches Glücksspiel gibt, das von seinen Umsätzen her ins Gewicht fallen dürfte, spiegeln diese Zahlen auch das Verhältnis zwischen illegalem terrestrischen und illegalem Online-Glücksspiel wider. Explizit für das Land Baden-Württemberg liegen – im terrestrischen wie im Bereich des Internet – keine Zahlen vor. Nach der – seit dem Jahr 2005 möglichen – Auswertung der PKS mit dem Katalogbegriff Tatmittel „Internet“ ergibt sich aus der PKS für den Deliktsbereich „Unerlaubtes Glücksspiel“ folgende Entwicklung: Erfassungsjahr Anzahl Fälle „Unerlaubtes Glücksspiel “ darunter mit Tatmittel Internet entspricht Anteil in % 2005 249 19 7,6 % 2006 217 10 4,6 % 2007 242 7 2,9 % 2008 156 12 7,7 % 2009 174 24 13,8 % 2010 164 15 9,1 % 2011 154 1 0,6 % Als Delikte wurden dabei die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels (Del.-Schlüssel 66101000), die Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel (Del.-Schlüssel 66102000) und die unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder einer Ausspielung (Del.-Schlüssel 66103000) erfasst. Die Ursachen für die geringen und rückläufigen Anteile des Glücksspiels im Internet können nicht verifiziert werden. Ein Erklärungsansatz könnte die ständige Zunahme der legalen Spielmöglichkeiten im Internet sein, wobei das Wort „Spiel“ nicht im glücksspielrechtlichen Sinn zu verstehen ist. Für die Internetnutzer ist zudem die Grenze zwischen legalen und unerlaubten Internetangeboten – und damit auch dem im Internet unerlaubten Glücksspiel – zunehmend schwerer zu erkennen, was sich auf das Anzeigeverhalten auswirken könnte. Auch künftig wird an dem Internetverbot festgehalten: Art. 1 § 4 Abs. 4 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages (Erster GlüÄndStV), dessen Ratifizierung durch den Landtag von Baden-Württemberg zum 1. Juli 2012 vorgesehen ist, legt fest, dass das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist. Gemäß Art. 1 § 4 Abs. 5 Erster GlüÄndStV können die Länder – abweichend von Absatz 4 – zur besseren Erreichung der Ziele des Art. 1 § 1 Erster GlüÄndStV den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet erlauben, wenn keine Versagungsgründe nach Art. 1 § 4 Abs. 2 Erster GlüÄndStV vorliegen und weitere, klar definierte Voraussetzungen zur Einhaltung des Jugendschutzes und der Suchtprophylaxe und -bekämpfung erfüllt sind. Durch die systematische Berichtspflicht des Art. 1 § 4 Abs. 6 Erster GlüÄndStV werden künftig verlässliche und belastbare Zahlenwerte vorliegen. Art. 1 § 4 Abs. 6 Erster GlüÄndStV regelt, dass die Veranstalter und Vermittler von Lotterien und Sportwetten im Internet der Geschäftsstelle und dem Glücksspielkollegium Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 6 vierteljährlich die Zahl der Spieler und die Höhe der Einsätze jeweils geordnet nach Spielen und Ländern zum Zwecke der Evaluierung zu übermitteln haben. 3. Welches Umsatzvolumen (Schätzung) erzielt das illegale Glücksspiel in BadenWürttemberg , insbesondere in Relation zum legalen Glücksspiel? Zu I. 3.: Deutschlandweit wurden im Jahr 2009 rund 24,9 Milliarden Euro mit legalem Glücksspiel umgesetzt und rund 4,2 Milliarden Euro mit illegalen Glücksspielen (Poker ist hierbei nicht berücksichtigt). Der jeweilige Bruttospielertrag betrug beim legalen Spiel 8,85 Milliarden Euro, beim illegalen Glücksspiel 816 Millionen Euro (vgl. hierzu die Angaben der Forschungsstelle für Glücksspiel an der Universität Hohenheim zum Glücksspielmarkt). Für Baden-Württemberg sind keine Zahlen bekannt. 4. Welcher wirtschaftliche Schaden wurde privaten Haushalten durch illegales Glücksspiel in den letzten zehn Jahren zugefügt? Zu I. 4.: Der Begriff „wirtschaftlicher Schaden“ ist in diesem Zusammenhang nicht bezifferbar , zumal er nicht hinreichend definiert ist. Unter „wirtschaftlich“ kann die persönliche Situation, aber auch die gesamtgesellschaftliche oder volkswirtschaftliche Situation verstanden werden. Sieht man als wirtschaftlichen Schaden insgesamt den Bruttospielertrag der illegalen Anbieter, so wird man auf andere Zahlen kommen als wenn versucht wird, die Folgen von Glücksspielsucht zu beziffern. Bei Personen, die wegen Glücksspiels süchtig geworden sind, entsteht zusätzlich zu ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation häufig ein weiterer Schaden dadurch, dass diese Personen eventuell aufgrund der Sucht ihre Arbeit verlieren, medizinisch oder psychologisch längerfristig betreut werden müssen oder Ähnliches. Abgesehen von den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Glücksspielsüchtigen persönlich, entstehen häufig wirtschaftliche Folgen für deren Familien. Auch besteht das Risiko der Privatinsolvenz. Diese Folgen lassen sich kaum beziffern; es gibt hierzu zwar Untersuchungen einzelner Universitäten oder Institute, jedoch keine so flächendeckenden, dass man von belastbaren, verlässlichen Ergebnissen sprechen könnte. Auch die Kosten von Folge- und Begleitkriminalität sind nicht bezifferbar. Zu den sozialen Kosten der Spielsucht gibt es allgemeine Untersuchungen. Hierunter fallen jedoch auch die Kosten, die durch legales Glücksspiel und die aus ihm resultierende Sucht entstehen. Eine Übersicht über den durch illegales Glücksspiel entstandenen gesamtwirtschaftlichen Schaden für private Haushalte der letzten zehn Jahre liegt nicht vor. Hierunter würden neben den reinen Spielschulden auch soziale Folgekosten z. B. durch Arbeitslosigkeit, Trennung, Scheidung und dergleichen fallen. Repräsentative Untersuchungen bezüglich der reinen Spielschulden differenzieren nicht zwischen legalem und illegalem Glücksspiel beziehungsweise den jeweiligen Glücksspielformen. Die Baden-Württemberg-Studie zum pathologischen Glücksspiel des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) Mannheim erhebt die reinen Spielschulden der befragten pathologischen Glücksspielerinnen und -spieler . Das Mittel der Spielschulden der bisher ausgewerteten 471 Befragten (Stand 24. Mai 2012) liegt bei 33.531 €. Die maximalen durch Glücksspiel entstandenen Schulden lagen bei 1.000.000 €. 5. Wie viele Ermittlungsverfahren und Gerichtsprozesse führt das Land BadenWürttemberg im Jahresdurchschnitt gegen illegale Glücksspielanbieter? Zu I. 5.: Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 284 StGB) und wegen unerlaubter Veranstaltung einer Lotterie oder einer Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 7 Ausspielung (§ 287 StGB) werden nicht systematisch landesweit statistisch erfasst . Eine aus Anlass der Großen Anfrage erfolgte Abfrage bei den Staatsanwaltschaften des Landes ergab für den Zeitraum 2007 bis 2011, dass im Durchschnitt landesweit ca. 200 Ermittlungsverfahren pro Jahr anhängig wurden. Die ganz überwiegende Zahl dieser Verfahren betraf Straftaten nach § 284 StGB. Eine nach dem Verfahrensgegenstand oder den Verfahrensbeteiligten differenzierte statistische Erfassung der gerichtlichen Verfahren erfolgt nicht. Für die Zahl der bei den Strafgerichten in Baden-Württemberg geführten Verfahren ergibt die Zahl der Verurteilungen (dazu Antwort auf Frage III. 3.) einen Anhaltspunkt . Eine Auflistung der jahresdurchschnittlichen Anzahl an Verfahren, die das Regierungspräsidium Karlsruhe als zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde eingeleitet hat, ist nicht möglich, da die Zahlen von Jahr zu Jahr stark schwanken und die Verfahren meist länger als ein Jahr dauern. Im Bereich der illegalen terrestrischen Sportwetten hat das Regierungspräsidium Karlsruhe seit dem Jahr 2006 insgesamt 1.767 Untersagungsverfügungen erlassen. Mehr als 2.000 Untersagungsverfahren waren eingeleitet worden; in einigen Fällen stellten die Betroffenen bereits als Folge der Anhörung ihre Tätigkeit ein, sodass keine Untersagungsverfügung erlassen werden musste. Gegenwärtig sind etwa 1.000 Hauptsacheverfahren bei den Gerichten anhängig, davon 941 Verfahren wegen Untersagungsverfügungen und 75 Verfahren wegen Zwangsgeldfestsetzungen. Rund 800 Untersagungsverfügungen sind zwischenzeitlich bestandskräftig geworden . Im Bereich des illegalen Online-Glücksspiels wurden vor dem Jahr 2009 insgesamt 79 Verfahren eingeleitet, im Jahr 2010 dann 67 Verfahren, im Jahr 2011 insgesamt 43 und im laufenden Jahr 2012 acht Verfahren. Insgesamt wurden somit 197 Verfahren eingeleitet. Die Verfahren richteten sich gegen die hauptsächlichen und marktführenden Anbieter, die vollständig erfasst worden sind. Aus diesen Verfahren sind 85 Untersagungsverfügungen hervorgegangen, wobei zusätzlich in 37 Fällen ein Zwangsgeld festgesetzt wurde. Insgesamt wurde gegen 62 Untersagungsverfügungen Klage erhoben; 39 dieser Verfahren sind noch anhängig. Parallel laufen derzeit 15 Klageverfahren wegen festgesetzter Zwangsgelder. Somit sind 46 Untersagungsverfahren und 22 Zwangsgeldverfahren abgeschlossen. I I . I l l e g a l e s G l ü c k s s p i e l i m I n t e r n e t 1. Welche Formen von illegalem Glücksspiel werden im Internet angeboten? Zu II. 1.: Vgl. Antwort zu I. 1. Im Übrigen ist seit 1. Januar 2008 in Deutschland das Glücksspielrecht mit dem derzeit noch geltenden Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV) geregelt. Nach Ablauf einer Übergangszeit von einem Jahr (vgl. § 25 Abs. 5 GlüStV) gilt seit 1. Januar 2009 ein uneingeschränktes Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet. Wer entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV im Internet Glücksspiel veranstaltet oder vermittelt, bietet in Deutschland unerlaubtes Glücksspiel an (§ 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV). Die Werbung für unerlaubtes Glücksspiel ist nach § 284 Abs. 4 StGB (bei Lotterien und Ausspielungen nach § 287 Abs. 2 StGB) verboten und strafbar. 2. Welche Möglichkeiten haben Strafverfolgungsbehörden, gegen Anbieter von illegalem Glücksspiel im Netz vorzugehen, wenn sich der betreffende Server im Ausland befindet? Zu II. 2.: Generell besteht für die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, über den internationalen Rechtshilfeweg – ergänzend zu den strafprozessualen Ermittlungen – Zugriff auf in- und ausländische Internetinhalte, die sich auf ausländischen Servern befinden, zu nehmen. Problemstellungen in der praktischen Umsetzung erge- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 8 ben sich daraus, dass kein einheitliches internationales „Internetrecht“ besteht, das den Staaten einheitliche Maßnahmen ermöglicht; zudem führt der internationale Rechtshilfeweg im Regelfall zu langen Bearbeitungszeiten, was insbesondere im Bereich der Internetkriminalität erfolgreichen Ermittlungen entgegensteht. Darüber hinaus sind teilweise nach deutschem Recht strafrechtlich relevante Internetinhalte in anderen Staaten (physikalischer Serverstandort) nach dortigem Recht nicht zu beanstanden und werden folglich nur partiell oder inkonsequent verfolgt. Die im Bereich der Jugendgefährdung sowie in den Deliktsbereichen Kinderpornografie und sexueller Missbrauch von Kindern im Internet darüber hinaus bestehenden polizeilichen Befugnisse über sogenannte „Interpol-Meldewege“ ermöglichen durch Löschen oder Sperren von Inhalten teilweise ein schnelles internationales (staatenabhängiges) Reagieren. Für andere Deliktsbereiche wie beispielsweise das unerlaubte Glücksspiel im Internet bestehen diese Möglichkeiten nicht beziehungsweise nur sehr eingeschränkt. 3. Welche Gesundheitsgefahren ergeben sich für den Verbraucher durch illegales Glücksspiel im Internet? Zu II. 3.: Die Nutzung eines Angebotes hängt stark von dessen Verfügbarkeit ab. Glücksspielangebote im Internet haben eine hohe Verfügbarkeit: das Angebot kann sieben Tage die Woche 24 Stunden lang genutzt werden, es gibt keine Sperr- oder Schließungszeiten . Diese hohe Verfügbarkeit wird von pathologischen Glücksspielern als besonders anreizend beschrieben. Hinzu kommt der höhere Abstraktionsgrad mit Buchgeld, das die Spielverluste nicht in derselben Deutlichkeit wie bei realem Geld vor Augen führt. Eine schnelle Wiederholungsmöglichkeit, die eventuell durch Anbieter auch forciert wird („bis zum nächsten Spiel noch X Sekunden“ mit laufender Uhr), erhöht ebenfalls das Risiko für den Spieler bezüglich der Einbindung und der Gewinnverfolgung. Zudem fehlt bei Internetangeboten die soziale Kontrolle, wodurch das Risiko, häufiger oder unkontrolliert mit höheren Einsätzen und höherem Risiko zu spielen, steigt. Deshalb ist es insbesondere bei Onlineangeboten notwendig, durch geeignete suchtpräventive Maßnahmen wie beispielsweise Zeit- und Einsatzlimits, Erinnerungsfunktionen an die bereits gespielte Dauer, Pop-up-Fenster mit Informationen zum pathologischen Glücksspiel, automatische Spielpausen etc. entgegenzuwirken , damit sich das Suchtpotenzial nicht noch weiter erhöht. Die bisherigen illegalen Glücksspielangebote im Internet sehen solche suchtpräventiven Maßnahmen nicht vor, weshalb das Suchtpotenzial hier besonders hoch ist. Eine Identitätsprüfung vor Spielteilnahme erfolgt bisher nicht. In der Baden-Württemberg-Studie zum pathologischen Glücksspiel des ZI Mannheim gaben 11,5 % der bisher ausgewerteten 471 befragten pathologischen Spielerinnen und Spieler (Stand 24. Mai 2012) als Problem verursachende Glücksspielform das „Onlinegambling“, also das Glücksspiel im Internet, an. Da Glücksspiel im Internet zum Befragungszeitraum (Oktober bis Dezember 2010) in Deutschland insgesamt verboten war, handelt es sich hier ausschließlich um illegales Glücksspiel . 4. Inwieweit ist ihr bekannt, welcher Umsatz durch illegales Glücksspiel im Internet in Baden-Württemberg bzw. der Bundesrepublik Deutschland erzielt wird? Zu II. 4.: Vgl. Antwort zu I. 2. Umsatzzahlen für Baden-Württemberg liegen nicht vor. Die Zahlen diverser Marktforschungsunternehmen wie beispielsweise „Goldmedia“ oder der Forschungsstelle für Glücksspiel der Universität Hohenheim divergieren hinsichtlich des Bruttospielertrages für Online-Glücksspiele stark. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 9 I I I . B e k ä m p f u n g v o n i l l e g a l e m G l ü c k s s p i e l d u r c h b a d e n - w ü r t t e m b e r g i s c h e B e h ö r d e n 1. Welche Behörden mit welchen Zuständigkeiten sind mit der Bekämpfung von illegalem Glücksspiel befasst und gibt es hierfür spezialisierte Einheiten? Zu III. 1.: Das Referat 86 des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist unter anderem zuständig für die ordnungsrechtliche Untersagung unerlaubten Glücksspiels. Für Glücksspiel im Internet gibt es innerhalb des Referats ein eigenes Sachgebiet. Bei der Polizei Baden-Württemberg sind für die Bekämpfung dieses Deliktsbereichs keine spezialisierten Einheiten eingerichtet. Auf Grundlage des § 23 der Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (DVO PolG) ist für die Bekämpfung von schweren Fällen der Kriminalität (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 DVO PolG) – und damit auch für gewerbsmäßig veranstaltetes illegales Glücksspiel i. S. des § 284 Abs. 3 Nr. 1 StGB – die Kriminalpolizei zuständig. 2. Wie ist die Zusammenarbeit der Strafverfolgungs- und Glücksspielaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder in Bezug auf die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel ausgestaltet, insbesondere in Bezug auf die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel im Internet? Zu III. 2.: Zwischen dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg und dem Regierungspräsidium Karlsruhe, Referat 86, als zuständiger Glücksspielaufsichtsbehörde für Baden-Württemberg besteht ein standardisierter Informationsaustausch. Hierbei übermittelt das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Landeskriminalamt die Anzahl der illegalen Betriebsstätten privater Sportwettenvermittler beziehungsweise -anbieter, die Zahl der Anhörungen sowie Untersagungsverfügungen und Zwangsgeldfestsetzungen . Ein bundes- oder landesweiter polizeilicher Meldedienst besteht nicht. Erfahrungen aus herausragenden Ermittlungsverfahren und grundlegend neue „modi operandi“ werden in den polizeilichen Landes- und Bundesgremien regelmäßig ausgetauscht und analysiert – gegebenenfalls werden erforderliche Maßnahmen eingeleitet. Die Zusammenarbeit zwischen den für die Glücksspielaufsicht zuständigen Behörden in den Ländern erfolgt eng und vertrauensvoll. Die Länder informieren sich gegenseitig über Verfahren gegen Veranstalter von unerlaubtem Glücksspiel. Die Erfahrung zeigt, dass grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass es nahezu alle Länder mit den gleichen Veranstaltern zu tun haben. Auch tauschen die Länder bedeutende oder grundsätzliche Gerichtsentscheidungen, behördliche Schriftsätze in Gerichtsverfahren und sonstige Informationen untereinander aus. In Einzelfällen ist es vorgekommen, dass die Länder ein Bundesland ermächtigt haben, gegen einen Anbieter im Internet vorzugehen. Die Länder arbeiten auch künftig bei der Glücksspielaufsicht zusammen; sie können Art. 1 § 9 Abs. 3 Erster GlüÄndStV zufolge auch mit den zuständigen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zusammenarbeiten und zu diesem Zweck Daten austauschen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. 3. Wie viele Verurteilungen werden aufgrund welcher Delikte durch die Strafgerichte im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel durchschnittlich ausgesprochen (Jahresdurchschnitt der letzten fünf Jahre)? Zu III. 3.: Der Strafverfolgungsstatistik für Baden-Württemberg lassen sich für den Fünfjahreszeitraum 2006 bis 2010 – die Daten für 2011 werden derzeit erst aufgearbeitet – folgende Erkenntnisse entnehmen: Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 10 Verurteilungen wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 284 StGB) oder einer Lotterie oder Ausspielung (§ 287 StGB): §§ 284, 287 StGB Verurteilte darunter zu Geldstrafe darunter zu Freiheitsstrafe 2006 22 19 3 2007 15 10 5 2008 20 19 1 2009 7 6 1 2010 18 13 5 Durchschnitt 16,4 13,4 3,0 Hierzu kann angemerkt werden, dass alle Verurteilungen zu Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurden. Auch wenn die Statistik die Zahl der Verurteilungen für die §§ 284 und 287 StGB nur gemeinsam ausweist, kann davon ausgegangenen werden, dass nahezu alle Verurteilungen wegen Verstoßes gegen § 284 StGB erfolgt sind. Eine durchschnittliche Strafhöhe kann nicht angegeben werden, da die Verurteilungen in der Statistik nicht in ihrer jeweiligen konkreten Höhe angegeben sind, sondern nur nach groben Abstufungen. Verurteilungen wegen Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel (§ 285 StGB): § 285 StGB Verurteilte Geldstrafen 2006 30 30 2007 45 45 2008 31 30 2009 8 8 2010 10 10 Durchschnitt 24,8 24,6 Hinzu kommt eine Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe im Jahr 2008. 4. Welches Strafmaß findet bei den unter Abschnitt III Ziffer 3 genannten Delikten durchschnittlich Anwendung? Zu III. 4.: S. Antwort zu III. 3. I V. E r l a s s v o n U n t e r s a g u n g s v e r f ü g u n g e n n a c h § 9 A b s . 1 N r. 3 , 4 u n d 5 G l ü c k s s p i e l s t a a t s v e r t r a g 1. Welche Möglichkeiten des Geldtransfers ins Ausland, insbesondere im Internet, werden bei illegalem Glücksspiel am häufigsten genützt (Kreditkarte, PayPal, Inkasso, Überweisung)? Zu IV. 1.: Die Einzahlung bei Glücksspielen erfolgt mittels Kreditkarten, wobei die klassische Kreditkarte ebenso genutzt wird wie die Prepaid-Karte, die mittels OnlineÜberweisung beispielsweise über „sofortüberweisung.de“ oder „giropay“, über E-Wallet und Wertkarten erworben werden kann. Der Erwerb erfolgt auch teilweise anonym gegen Bargeld an Kiosken, in Drogerien oder an Tankstellen. Welche dieser Möglichkeiten am häufigsten genutzt wird, ist nicht bekannt. Verlässliche Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 11 und belastbare Zahlenangaben könnten nur unter Aufbringung eines außerhalb jeden Verhältnisses stehenden Aufwands gemacht werden. Die Europäische Kommission hat in ihrem Grünbuch folgende Angaben zur Häufigkeit der einzelnen Zahlungsmethoden europaweit festgestellt: • Kreditkarten – einschließlich „Maestro“ – in 64 bis 65 % der Fälle, • Cyberwallets in 12 bis 14 % der Fälle, • Überweisungen in 11 bis 13 % der Fälle sowie • Guthabenkarten in 9 bis 11 % der Fälle. 2. Welche Möglichkeiten zur Sperrung von Zahlungswegen ins Ausland, die zur Verhinderung von illegalem Glücksspiel beitragen können, stehen den mit der Bekämpfung von illegalem Glücksspiel befassten Behörden zur Verfügung? Zu IV. 2.: Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GlüStV können die zuständigen Behörden insbesondere auch Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten die Mitwirkung an Zahlungen für unerlaubtes Glücksspiel und an Auszahlungen aus unerlaubtem Glücksspiel untersagen. Die Zahlungsabwicklung für Internetglücksspiel ist ein Unterfall des übergeordneten Themas „Zahlungsabwicklung für Online-Glücksspiel“. § 9 Abs. 1 Nr. 4 GlüStV sieht den Erlass entsprechender Untersagungsverfügungen vor. Zur praktischen Durchsetzung vgl. Antwort auf Ziffer IV. 3. Ein ländereinheitliches Verfahren, das in Art. 1 § 9 a Erster GlüÄndStV geregelt wird, legt fest, dass bei unerlaubten Glücksspielen, die in mehr als einem Land angeboten werden, künftig für Maßnahmen nach Art. 1 § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Erster GlüÄndStV die Glücksspielaufsichtsbehörde des Landes Niedersachsen zuständig sein wird. 3. Inwieweit ist es für Finanzinstitute möglich, Überweisungszwecke zu verfolgen, etwa um die Überweisung von Geldern für illegales Glücksspiel zu verhindern? Zu IV. 3.: Für Glücksspiele gibt es den Merchant Category Code (MCC) 7995. Der MCC wird von der Bank für einen Point-of-Sale – also eine Kreditkartenakzeptanzstelle – vergeben; somit wird er nur bei Zahlungen mit der Kreditkarte wirksam. Anhand dieses Codes könnten die Finanzinstitute erkennen, dass es sich um eine Überweisung im Zusammenhang mit Glücksspiel handelt. Der MCC differenziert nicht zwischen legalen und illegalen Angeboten. Wenn man den Finanzinstituten mittels einer „Block List“ (gleichbedeutend mit dem mittlerweile weniger gebräuchlichen Begriff „Black List“) die unerlaubten Glücksspielanbieter mitteilen würde, könnten die Finanzinstitute Zahlungen, die im Zusammenhang mit Glücksspiel stehen, an diese Glücksspielanbieter herausfiltern . Ebenso wäre es möglich, nach Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages den Finanzinstituten mittels einer „White List“ die zugelassenen Glücksspielanbieter mitzuteilen, und nur noch glücksspielrechtliche Transaktionen an diese Anbieter zuzulassen. Dies hätte aber zur Folge, dass der Kreditkarteninhaber seine Kreditkarte bei einem Auslandsaufenthalt gegebenenfalls nicht für Glücksspiele einsetzen könnte. Das ganze Verfahren funktioniert zudem nicht, wenn das Finanzinstitut seinen Sitz im Ausland hat. Bei Zahlungen über E-Wallet findet keine Kodierung mittels des MCC statt. In diesen Fällen ist es so, dass der Herausgeber des E-Wallet mit jeder einzelnen Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 12 Akzeptanzstelle, also der Stelle, die Zahlungen mittels E-Wallet akzeptiert, einen Vertrag schließt, sodass er weiß, welche Dienstleistungen sein Gegenüber erbringt. Man könnte dem Herausgeber des E-Wallet demnach verbieten, mit bestimmten Glücksspielanbietern Verträge zu schließen. Das Verfahren funktioniert jedoch nur mit Einschränkungen, wenn der E-Wallet-Herausgeber seinen Sitz im Ausland hat. Bei Prepaid-Karten, die man beispielsweise an Kiosken oder an Tankstellen erwerben kann, findet ebenfalls keine Codierung mittels MCC statt. Aber auch hier schließt der Herausgeber der Prepaid-Karte einen Vertrag mit den Stellen, die seine Karten akzeptieren, also mit entsprechenden Glücksspielanbietern. Dem Herausgeber der Prepaid-Karte könnte daher aufgegeben werden, keine Zahlungen an bestimmte Glücksspielanbieter vorzunehmen. Da jedoch auch legales Glücksspiel – beispielsweise in staatlichen Spielbanken oder bei Pferdewetten und gegebenenfalls Glücksspiel mit teils legalem, teils illegalem Charakter – über Kreditkarten abgewickelt wird, würde ein pauschales Verbot zu Schäden führen, die eine derartige Verfügung rechtswidrig werden lassen könnten. Zudem ist problematisch, dass die Herausgeber von Prepaid-Karten ihre Karten in vielen Staaten anbieten und im Einzelfall nicht ohne Weiteres zu erkennen ist, ob die Karte in Deutschland oder in einem Land eingelöst wird, in dem der entsprechende Glücksspielanbieter konzessioniert ist. Somit dürfte es rechtlich problematisch sein, entsprechende Verfügungen gegenüber Herausgebern von Prepaid-Karten zu erlassen. Einer Auskunft des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg zufolge wäre es zwar grundsätzlich technisch möglich, Sperren einzurichten, die bestimmte Überweisungen blockieren könnten. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass Namen oder beispielsweise Suchbegriffe festgelegt würden, anhand derer die betreffenden Transaktionen auf maschinellem Weg eindeutig identifiziert werden können. Das Vorgehen entspräche der Praxis bei der Umsetzung von Finanzsanktionen (Embargen ). Damit würden jedoch auch Zahlungen für legales Glücksspiel erschwert. In jedem Fall müssten die datenschutzrechtlichen Belange beachtet werden. 4. In welchem Umfang wurde in Baden-Württemberg von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 und 4 Glücksspielstaatsvertrag gegenüber Finanz- und Kreditinstituten zu erlassen? Zu IV. 4.: Mit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages zum 1. Januar 2008 wurde erstmals das Glücksspielrecht gefahrenabwehrrechtlich fundiert normiert. Ziel war und ist es, illegales Glücksspiel zu bekämpfen und zu verhindern, den Jugend- und Spielerschutz zu gewährleisten und Glücksspielmanipulation sowie Folge- und Begleitkriminalität zu verhindern. Der Fokus lag während der ersten Jahre auf der Bekämpfung illegalen Glücksspiels im terrestrischen Bereich. Erst Ende des Jahres 2010 rückte das Blockieren von Zahlungsströmen zur Unterbindung unerlaubten Glücksspiels zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses bei den Glücksspielaufsichtsbehörden . Das Vorgehen der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute im Giro- und Kreditkartenzahlungsverkehr musste erst national, später EU-weit eruiert werden. Zudem musste geprüft werden, ob Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute als Mitwirkende am unerlaubten Glücksspiel gelten können. Sie sind in § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 GlüStV ausdrücklich als Adressaten einer glücksspielrechtlichen Anordnung benannt und werden somit vom Gesetzgeber als Mitwirkende am unerlaubten Glücksspiel betrachtet. Nach Auffassung des VG Düsseldorf (zu Anordnungen gegen Diensteanbieter nach § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 GlüstV, Beschluss vom 17. Mai 2010, Az. 27 L 143/10) ist diese Regelung jedoch weder abschließend noch differenziert sie im Hinblick auf die Adressaten zwischen Störern und Nichtstörern . Es sei daher mangels Spezialregelung auf die allgemeinen Grundsätze des Polizei- und Ordnungsrechts zurückzugreifen. Mit Verweis auf die Inanspruchnahme von Access-Providern kann auch für Finanzdienstleister die Auffassung vertreten werden, dass die abzuwehrende Ge- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1707 13 fahr nicht von ihnen, sondern von den Veranstaltern des illegalen Glücksspiels ausgeht . Maßnahmen gegen Nichtstörer dürften dann nur ausnahmsweise innerhalb der Grenzen der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit getroffen werden. Da nach der Rechtsprechung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – Inanspruchnahme des Störers vor dem Nichtstörer – erst versucht werden muss, gegen den jeweiligen Veranstalter des Glücksspiels vorzugehen, sind hierzu bislang keine entsprechenden Verfügungen ergangen. Die Hauptsacheverfahren gegen die Veranstalter sind größtenteils noch anhängig. Erschwert wird das konsequente Umsetzen des Ordnungsrechts auch dadurch, dass zunehmend Verfahren gegen im Ausland ansässige Anbieter eingeleitet wurden. Die Untersagungen waren jedoch häufig nicht durchsetzbar. Das Risiko einer Vollstreckung aufgrund einstweiliger Vollziehbarkeit wäre auch wegen des Charakters als Dauerverwaltungsakt und dem damit verbundenen maßgeblichen zukünftigen Zeitpunkt nicht übersehbar, weil sich derzeit nicht absehen lässt, wie die Gerichte den zum 1. Januar 2012 begonnenen Alleingang von Schleswig -Holstein bewerten. Nach heutigem Stand kann nicht davon ausgegangen werden , dass eine schnelle gerichtliche Klärung erfolgt. Entsprechende Verfügungen gegenüber Kreditinstituten und Finanzdienstleistern wären daher wahrscheinlich kaum zu vollstrecken gewesen. 5. Welche Kosten entstehen den Finanz- und Kreditinstituten durch den Erlass einer Untersagungsverfügung? Zu IV. 5.: Die Kostenschätzung für die Umsetzung derartiger Sperren könnte sich an den Erfahrungswerten aus der Umsetzung von Finanzsanktionen (Embargen) orientieren. Zahlenangaben hierzu konnten in der Kürze der Zeit nicht in Erfahrung gebracht werden. 6. Mit welcher Frequenz und welchen wirtschaftlichen Auswirkungen wird von der Möglichkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 5 Glücksspielstaatsvertrag durch baden-württembergische Behörden Gebrauch gemacht? Zu IV. 6.: Verfügungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Glücksspielstaatsvertrag (Vorgehen gegen Diensteanbieter im Sinne von § 3 Teledienstegesetz) sind in Baden-Württemberg nicht ergangen. Zum einen musste der Fokus aus ordnungsrechtlichen und ordnungspolitischen Erwägungen zunächst auf den illegalen terrestrischen Bereich gelegt werden. Zum anderen ist die Verantwortlichkeit des Dienstleisters mit den Ausschlussnormen nach dem Telemediengesetz ungeklärt. Zu den vorrangigen Verfahren gegen die Anbieter vgl. die Antwort unter IV. 3. und zu der nachgeordneten Inanspruchnahme vgl. die Antwort unter IV. 4. In Nordrhein-Westfalen sind entsprechende Verfügungen ergangen, die jedoch von den Gerichten als rechtswidrig qualifiziert wurden (siehe dazu beispielsweise VG Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2011, 27 K 5887/10). Die Gerichte haben die Rechtswidrigkeit unter anderem daraus abgeleitet, dass es gleichheitswidrig sei, nur gegen einzelne Diensteanbieter vorzugehen. Wenn sich die Behörden entschließen würden, Access-Provider in Anspruch zu nehmen, dann müssten sie alle Access-Provider zeitgleich in Anspruch nehmen. Im Ersten GlüÄndStV ist die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 GlüStV nicht mehr enthalten. Gall Innenminister