Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 1886 15. Wahlperiode Eingänge: 22.06.2012 Große Anfrage der Fraktion der SPD Frauen in Gemeinderäten und Kreistagen von Baden-Württemberg Wir fragen die Landesregierung: I. Frauenanteil in Gemeinderäten und Kreistagen von Baden-Württemberg 1. Wie hoch ist der Frauenanteil in den Gemeinderäten und Kreistagen von Baden-Württemberg und wie hat er sich bei den letzten Wahlen entwickelt? 2. Wie hoch war der Anteil der Kandidaturen von Frauen und Männern an allen Kandidaturen für die Gemeinderäte bzw. Kreistage in Baden-Württemberg bei den Kommunalwahlen im Jahr 2009 und wie hoch war der Anteil unter den Gewählten (getrennte Auflistung nach Parteien in tabellarische Form)? 3. Mit welchen Merkmalen sind die Gemeinden und Kreise zu bezeichnen, in denen der Anteil von Frauen unter den Gewählten besonders niedrig bzw. relativ hoch ist? 4. Inwiefern ist ihr bekannt, wie hoch der Frauenanteil in den Gemeinderäten bzw. Kreistagen durchschnittlich in den anderen Bundesländern und in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit entsprechenden Gremien ist? 5. Wie bewertet sie die Daten für Baden-Württemberg und werden von ihr insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz (GG) (weitere) Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteil in Gemeinderäten und Kreistagen für erforderlich gehalten ? II. Ursachen für den niedrigen Frauenanteil 1. Wie bewertet sie Auffassungen in der Literatur (z. B. „Engagiert vor Ort – Wege und Erfahrungen von Kommunalpolitikerinnen“, veröffentlicht durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit einer Reihe von Ursachen, die Frauen an der Kandidatur für kommunale Gremien hindern und wie beurteilt sie die Handlungsempfehlungen dazu? 2. Sind aus ihrer Sicht die genannten Ursachen und Empfehlungen auch auf die Situation von Baden-Württemberg übertragbar oder gibt es Spezifika, die allein auf BadenWürttemberg zutreffen? III. Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils 1. Welche Maßnahmen mit dem Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in den Gemeinderäten und Kreistagen sind seit dem Jahr 2000 von ihr bzw. dem Landtag eingeleitet worden? 2. Welche Maßnahmen mit dem Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in den Gemeinderäten und Kreistagen sind seit dem Jahr 2000 von den kommunalen Landesverbänden eingeleitet worden? 3. Welche Maßnahmen mit dem Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in den Gemeinderäten und Kreistagen sind seit dem Jahr 2000 von einzelnen Kommunen eingeleitet worden? 4. Welche Maßnahmen mit dem Ziel der Erhöhung des Frauenanteils in den Gemeinderäten und Kreistagen sind seit dem Jahr 2000 von einzelnen Parteien in Baden-Württemberg eingeleitet worden? 5. Welche weiteren Beispiele sind ihr bekannt, bei denen der Frauenanteil in kommunalen Vertretungen in Deutschland und in Staaten der Europäischen Union über gezielte Maßnahmen auf über 40 Prozent erhöht werden konnte? 6. Durch welche Maßnahmen konnten diese Erhöhungen erreicht werden und inwieweit wurde in das Wahl- und Parteienrecht eingegriffen? 7. Wie bewertet sie diese Maßnahmen im Hinblick auf ihre Wirkung und die Übertragbarkeit auf Baden-Württemberg insbesondere im Hinblick auf die rechtliche Zulässigkeit? IV. Maßnahmen in der Europäischen Union zur Förderung der Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen 1. Welche Vereinbarungen wurden in der Europäischen Union getroffen, um die Förderung der Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen in Parlamenten und vergleichbaren Gremien zu verbessern und wie werden diese von ihr bewertet? 2. Welchen Beitrag hat das Land Baden-Württemberg bisher geleistet, um die in der Europäischen Union vereinbarten Maßnahmen umzusetzen und welche Maßnahmen wurden dabei insbesondere im Hinblick auf die Kommunalwahlen getroffen? 3. Was sind die wesentlichen Inhalte der „Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene“ des Rats der Gemeinden und Regionen Europas im Hinblick auf eine gleichberechtigte politische Teilhabe von Frauen und Männern in kommunalen Gremien und wie bewertet sie diese? 4. Inwiefern ist ihr bekannt, wie die kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg diese Charta bewerten? 5. Welche baden-württembergischen Kommunen sind der „Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene“ bereits beigetreten und welche beabsichtigen dies zu tun? V. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2012 über Frauen in politischen Entscheidungsprozessen – Qualität und Gleichstellung 1. Wie bewertet sie die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2012 und dabei insbesondere die Aufforderung, eine von allen Parteien zu übernehmende Verpflichtung auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene zur Ergreifung von Maßnahmen einzuführen, um die aktive Teilhabe und Beteiligung von Frauen am politischen Leben und an Wahlen zu fördern, um eine echte Parität in ihrer internen Beschlussfassung , bei ihren Nominierungen für gewählte Ämter und auf den Wahllisten der Parteien durch die Einführung von Quoten zu erreichen und, wenn dies mit dem Wahlsystem vereinbar ist und wenn die Parteien für die Zusammensetzung der Wahlliste zuständig sind, der Platzierung von Kandidatinnen auf diesen Listen besonderes Augenmerk zu widmen? 2. Wie will sie dieser Aufforderung entsprechen? 20.06.2012 Schmiedel, Wölfle und Fraktion B e g r ü n d u n g In Baden-Württemberg sind Frauen in Kommunalparlamenten nach wie vor unterrepräsentiert. Sie stellen nur etwa 22 Prozent der Mitglieder in den Gemeinderäten und 16 Prozent der Mitglieder in den Kreistagen. In mehr als 30 Gemeinderäten ist nicht eine einzige Frau vertreten und in zwei Kreistagen liegt der Frauenanteil unter fünf Prozent. Baden-Württemberg liegt damit am Ende des Vergleichs unter den Bundesländern und ist in der Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen weit entfernt von der Verwirklichung von Chancengleichheit unter Frauen und Männern. Bei den letzten Kommunalwahlen 2009 stieg der Frauenanteil in den Gemeinderäten nur um einen Prozentpunkt, bei den letzen Landtagswahlen 2011 sank der Frauenanteil sogar auf 19 Prozent. Daher ist ohne politische Maßnahmen kaum zu erwarten, dass der Anteil der gewählten Frauen bei den kommenden Kommunalwahlen 2014 wesentlich steigen wird.