Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 2004 03. 07. 2012 1Eingegangen: 03. 07. 2012 / Ausgegeben: 15. 08. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Ressort wird zukünftig der Themenbereich Sekten und Psychogruppen /Scientology bearbeitet, nachdem die Personalstelle des Leiters der für diese Fragen zuständigen interministeriellen Arbeitsgruppe zum 1. September 2012 vom Kultusministerium an das Sozialministerium geht? 2. Ist zu erwarten, dass das beim Staatsministerium angesiedelte Referat „Kirchen und Religionen, Integration und Werte“ zukünftig die inhaltlichen und organisatorischen Aufgaben der bisher beim Kultusministerium bestehenden „Interministeriellen Arbeitsgruppe für Fragen sog. Sekten und Psychogruppen“ koordinierend übernimmt? 3. Wann ist in dieser Legislaturperiode mit einem umfassenden Bericht der Regierung über die Situation in Baden-Württemberg hinsichtlich dem Auftreten und Agieren sog. Sekten und Psychogruppen, insbesondere aber auch der Scientology Organisation zu erwarten? 4. Wie stellen sich im Hinblick auf die Thematiken „Scientology“ sowie „Sekten“ und „Psychogruppen“ auf Bundesebene die aktuellen Zuständigkeiten dar und welche Ministerien und diesen nachgeordnete Behörden in Baden-Württemberg sind dabei mit einbezogen? 5. Welche neuen Erkenntnisse gibt es bezüglich Werbeversuche der Scientology, die auf Kinder und Jugendliche hinzielen? 02. 07. 2012 Wald CDU Kleine Anfrage des Abg. Tobias Wald CDU und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Bearbeitung von Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zum Themenbereich Sekten und Psychogruppen/Scientology Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 2004 2 B e g r ü n d u n g Die Aussagen der durch das Wirken von Sekten und Psychogruppen sowie Scientology betroffenen Eltern, die sich in der baden-württembergischen Eltern- und Betroffenen-Initiative zur Selbsthilfe gegenüber neuen religiösen und ideologischen Bewegungen e. V. (EBIS) zusammengeschlossen haben sowie die Berichte von Initiativen und Beratungsstellen in Baden-Württemberg, wie beispielsweise die Parapsychologische Beratungs- und Informationsstelle in Freiburg im Breisgau , machen deutlich, dass von einer Abnahme des problematischen Werbens und Wirkens von Sekten und Psychogruppen nicht die Rede sein kann. Insofern ist es notwendig, dass die Politik die Rahmenbedingungen sichert, damit auch staat - licherseits verlässlich die Aufklärung und Information in diesem schwierigen und sensiblen Themenbereich garantiert wird. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 7. August 2012 Nr. 53-7171.141/538/1 beantwortet das Minis - terium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Staatsministe - rium, dem Innenministerium und dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Ressort wird zukünftig der Themenbereich Sekten und Psychogruppen /Scientology bearbeitet, nachdem die Personalstelle des Leiters der für diese Fragen zuständigen interministeriellen Arbeitsgruppe zum 1. September 2012 vom Kultusministerium an das Sozialministerium geht? 2. Ist zu erwarten, dass das beim Staatsministerium angesiedelte Referat „Kirchen und Religionen, Integration und Werte“ zukünftig die inhaltlichen und organisatorischen Aufgaben der bisher beim Kultusministerium bestehenden „interministeriellen Arbeitsgruppe für Fragen sog. Sekten und Psychogruppen “ koordinierend übernimmt? Der interministeriellen Arbeitsgruppe für Fragen sog. Sekten und Psychogruppen gehören das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, das Innenministerium, das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, das Justizministerium, das Ministe - rium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren an. Das Staatsministerium ist nachrichtlich an dieser interministeriellen Arbeitsgruppe beteiligt. Die federführende Ressortierung von Fragen bezüglich sog. Sekten, Psychogruppen und Scientology beim Ministerium für Kultus, Jugend und Sport hat sich bewährt . 3. Wann ist in dieser Legislaturperiode mit einem umfassenden Bericht der Regierung über die Situation in Baden-Württemberg hinsichtlich dem Auftreten und Agieren sog. Sekten und Psychogruppen, insbesondere aber auch der Scientology -Organisation zu erwarten? Entsprechend der Praxis der vergangenen Zeit ist bis zur Mitte der Legislatur - periode ein entsprechender Bericht vorgesehen. *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 4. Wie stellen sich im Hinblick auf die Thematiken „Scientology“ sowie „Sekten“ und „Psychogruppen“ auf Bundesebene die aktuellen Zuständigkeiten dar und welche Ministerien und diesen nachgeordneten Behörden in Baden-Württemberg sind dabei mit einbezogen? Auf Bundesebene ist für den Themenbereich „Sog. Sekten und Psychogruppen“ das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) feder führend zuständig, welches auch koordinierend mit dem Themenbereich „Scientology“ befasst ist. Unter Leitung des BMFSFJ finden die Sitzungen der seit 1996 bestehenden „Ständigen Interministeriellen Arbeitsgruppe Bund/Länder zur Scientology-Organisation (SO)“ statt, der sowohl einzelne Bundesministerien und auf Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 3. Juli 1997 auch eine Reihe Bundesländer angehören, darunter Baden-Württemberg, vertreten durch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport. Als Konsultationsgremium auf Bundesebene wirkt der seit 1992 gebildeten „Bund-Länder-Gesprächskreis sog. Sekten und Psychogruppen (B.-L.-G.)“, dem neben einzelnen Bundesministerien auch die Bundesländer angehören. Die Geschäftsführung liegt beim zuständigen Referat des Bundesverwaltungsamts, Köln. Der Vorsitz des Gremiums wird nach einem rollierenden System wahrgenommen. Baden-Württemberg ist durch das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im B.-L.-G. vertreten. Im Hinblick auf die Zuständigkeiten in Baden-Württemberg wird auf die Antwort auf Ziff. 1 und die dort benannte „Interministerielle Arbeitsgruppe“ verwiesen und ergänzend festgestellt, dass unbeschadet der Verantwortung des jeweiligen Ministeriums erforderliche Maßnahmen in jeweiligen Ressortzuständigkeiten erfolgen . 5. Welche neuen Erkenntnisse gibt es bezüglich Werbeversuche der Scientology, die auf Kinder und Jugendliche hinzielen? Die Scientology-Organisation (SO) hat eine Reihe von Kampagnen und Werbematerialien entwickelt, die auch speziell auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten sind. Überwiegend werden diese von Unterorganisationen der SO verbreitet, bei denen der scientologische Hintergrund aus taktischen Gründen nicht immer offen gelegt wird, sondern der Anschein erweckt wird, es handle sich um sogenannte Sozialprogramme. Mit der SO-Unterorganisation „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte“ (KVPM) will die SO vor allem langfristig Scientologykonzepte im Schul- und Jugendhilfebereich, aber auch in der Justiz und im Gesundheits - wesen verbreiten. Die KVPM hetzt seit vielen Jahren gegen Psychiater und Psychologen und versucht u. a. mit persönlichen Anschreiben an Politiker, Stimmung gegen diese Berufsgruppen zu machen. 2011 nutzten die Scientologen das Thema Psychiatrie auch, um erneut den Schulbereich ins Visier zu nehmen. So erhielten etwa 80 Schulen in Baden-Württemberg und eine Reihe von Elternbeiräten Post von Personen, die sich nicht als Scientology-Angehörige zu erkennen gaben. Die Absender stellten sich als besorgte Bürgerinnen und Bürger vor, die eine angeblich gesteigerte Medikamentenvergabe an Kindern kritisierten. Den Anschreiben war eine DVD der KVPM mit dem Titel „Psychiatrie – Die Todesfalle“ beigelegt. Darüber hinaus betreibt die SO seit Jahren eine „Bibliothekenkampagne“, um Büchereien flächendeckend mit Scientology-Literatur auszustatten. 2011 wurde diese Aktion um eine internationale „Schulbibliotheken Kampagne“ erweitert. Damit richtete die SO erneut ihr Augenmerk auf die Anwerbung Jugendlicher und zielte eigenen Angaben zufolge darauf ab, den „Weg zum Glücklichsein“ auf Film in jede Schulbibliothek der Welt und eine Million Kopien in die Hände der Gesellschaft von morgen zu bringen. In diesem Zusammenhang erhielten Schulen in Baden-Württemberg Anschreiben von Scientology, denen DVDs mit dem Titel „Der Weg zum Glücklichsein“ beigelegt waren. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 2004 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 2004 4 Darüber hinaus sind noch folgende Kampagnen und Unterorganisationen der SO, die sich auch an Kinder und Jugendliche wenden, zu nennen: • Mit der Drogenproblematik befassen sich die SO-Unterorganisation „Founda - tion for a Drug-Free World“ sowie die Kampagne „Sag NEIN zu Drogen – Sag JA zum Leben“. • Im Bildungsbereich werden hauptsächlich Lernhilfeangebote der SO-Unter - organisation „Applied Scholastics“ (ApS) angeboten. Die bislang als „Professionelles Lerncenter“ in Stuttgart-Bad Cannstatt agierende ApS-Einrichtung hat allerdings vor kurzem ihre Tätigkeit eingestellt. • Kampagnen wie „Gemeinsam für Menschenrechte“, mit denen sich die SO vor allem selbst darstellen und ihre Zukunft garantieren will, werden von scheinbar unabhängigen Organisationen wie „Jugend für Menschenrechte“, „United for Human Rights“ oder „International Foundation for Human Rights & Tolerance “ durchgeführt und richten sich zumindest auch an jugendliches Publikum. Tatsächlich handelt es sich bei diesen Organisationen um Unterorganisationen der SO. In der letzten Zeit sind Scientologen aus Baden-Württemberg auch verstärkt im Internet in sozialen Netzwerken aktiv, um neue Interessenten – darunter auch Jugendliche – zu gewinnen. Der Hintergrund der Akteure wurde dabei zunächst kaum erkennbar, statt „Scientology“ wurde mitunter der Begriff „Dianetik“ benutzt . Warminski-Leitheußer Ministerin für Kultus, Jugend und Sport