Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 2192 02. 08. 2012 1Eingegangen: 02. 08. 2012 / Ausgegeben: 28. 09. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche zusätzlichen Anforderungen an Sicherheiten und Eigenanteilen bei Bankkrediten werden durch Basel III auf die Unternehmen zukommen? 2. Wie wird sich Basel III speziell auf Unternehmensgründungen und auf die Finanzierung betrieblicher Innovationen auswirken? 3. Welche Möglichkeiten sieht sie, die Bereitstellung von Wagnis- oder Beteiligungskapital zu verbessern? 4. Ist sie bereit, durch eine Initiative im Bundesrat die Bereitstellung von Wagnisund Beteiligungskapital dadurch attraktiver zu machen, dass die Möglichkeit zur steuerlichen Nutzung des Verlustvortrags nicht mehr so restriktiv gehandhabt wird? 5. Ist sie bereit, durch eine Initiative im Bundesrat die steuerliche Benachteiligung von Eigenkapital, z. B. bei der Gewerbesteuer, zu verringern? 01. 08. 2012 Rombach CDU Kleine Anfrage des Abg. Karl Rombach CDU und Antwort des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Eigenkapitalausstattung von Unternehmen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 2192 2 B e g r ü n d u n g Bereits heute werden Unternehmen im Vorfeld von Basel III mit höheren Anforderungen an Sicherheiten und Eigenanteilen bei Bankkrediten konfrontiert. Im Bereich des Wagnis- und Beteiligungskapitals ist das Angebot in Deutschland im Vergleich zu anderen hochentwickelten Staaten relativ gering. Eine Ursache dafür liegt in der steuerlichen Behandlung von Wagnis- und Beteiligungskapital. Vor allem für Unternehmensgründer entstehen dadurch Hürden, die den Weg in die Selbstständigkeit spürbar erschweren. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 20. September 2012 Nr. 63-4203.01/42 beantwortet das Mi - nis terium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche zusätzlichen Anforderungen an Sicherheiten und Eigenanteilen bei Bankkrediten werden durch Basel III auf die Unternehmen zukommen? Zu 1.: Die im Basel III Paket auf Wunsch der Europäischen Staats- und Regierungschefs erarbeiteten Regeln und deren Umsetzung in europäisches Recht richten sich an die Banken, nicht unmittelbar an die Unternehmen. Mit Basel III werden die Eigenkapitalanforderungen verschärft und erstmals Standards für die Liquidität eingeführt . Die Unternehmen sind indirekt betroffen, weil sich die Spielräume der Banken durch die neuen Anforderungen verändern. Höhere Eigenkapitalanforderungen bedeuten für die Banken höhere Kosten auf der Refinanzierungsseite. Geld der europäischen Zentralbank erhalten Banken derzeit zu einem Zinssatz von 0,75 %. Kein Aktionär und kein Kreditgenosse erhalten einen derart niedrigen Zinssatz. Institutionelle Anleger wie Hedgefonds verlangen im Vergleich zu Aktionären noch deutlich höhere Margen. Diese höheren Refinanzierungskosten werden zwangsläufig an die Kunden über den Preis weitergegeben. Höhere Eigenkapitalanforderungen schränken aber vor allem die Kreditspiel räume der Banken ein. Eine Bank kann ihr Kreditvolumen nur konstant halten, wenn sie ihr Eigenkapital erhöht. Kann oder will sie diesen Weg nicht gehen, muss sie ihr Geschäftsvolumen einschränken. Also ist davon auszugehen, dass Banken sich ihre Kreditnehmer in Zukunft noch genauer darauf ansehen werden, wie es um die Bonität derzeit bestellt ist und wie die mittel- und langfristige Geschäftsentwicklung einzuschätzen ist. Auch bei den Sicherheiten wird die Bank noch genauer hinschauen. Deshalb hat sich der Finanz- und Wirtschaftsminister dafür ein - gesetzt, dass die Eigenkapitalanforderungen für Mittelstandskredite nicht steigen . Die Einzelheiten sind in der Beantwortung des Antrags Dr. Löffler u. a. (CDU) – Drs. 15/2055 – dargestellt. Besonders stark werden sich die Liquiditätsstandards auf die Unternehmenskre - dite auswirken. Schon die liquidity coverage ratio (LCR), die die Banken zwingt, für den Netto-Liquiditätsabfluss innerhalb von 30 Tagen unter Stressbedingungen gerüstet zu sein, wird sich auf die Unternehmen auswirken. Der klassische Kredit an einen Mittelständler wird – im Gegensatz zu einer Staatsanleihe – nicht als hochliquide eingestuft. Die Folge ist, dass eine Bank mit Blick auf die LCR ihr Mittelstandsgeschäft sehr genau im Auge behalten muss. Auch hier hat sich der Finanz- und Wirtschaftsminister für den Mittelstand eingesetzt. Die Einzelheiten sind in der Beantwortung des Antrags Dr. Löffler u. a. (CDU) – Drs. 15/2055 – dargestellt. _____________________________________ *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 2192 Ganz kritisch beurteilt die Landesregierung mit Blick auf die Mittelstandsfinanzierung die langfristig wirkende net stable funding ratio (NSFR), die die Bank zwingt, langfristige Darlehen durch langfristige Einlagen gegenzufinanzieren. Sie soll zwar erst nach einer Erprobungsphase etwa 2018 eingeführt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass die Banken Vorsorge treffen werden. Die NSFR wird die in Deutschland übliche Fristentransformation in Frage stellen. Fast jeder Eigenheimfinanzierer und fast jeder Mittelständler, der eine Gewerbeimmobilie als Sicherheit anbieten kann, will für fünf bis zehn Jahre Zinssicherheit. Es finden sich kaum Sparer, die bereit sind, ihr Geld ähnlich langfristig anzulegen. Bisher haben die Banken die Nachfrage nach langfristigen Finanzierungen und das Angebot an kurzfristigen Einlagen durch eine Fristentransformation in Übereinstimmung gebracht. In Zukunft ist ihnen das durch die NSFR weitgehend verwehrt. Als Konsequenz werden die Banken gezwungen sein, die Fristen zu Lasten der Darlehenslaufzeiten zu harmonisieren. Es wird also mehr variable Darlehen geben , bei denen sich der Zinssatz nach dem Markt richtet. In vielen Ländern wie den USA oder Spanien ist diese Finanzierungsform, die das Risiko für die Bank minimiert und für den Kunden maximiert, längst die Regel. Eine Kernursache der seit 2007 laufenden Finanzkrise liegt genau in dieser Regel. Steigende Zinsen haben die Schuldner überfordert, Kredite notleidend werden und Banken zusammenbrechen lassen. Die Landesregierung hat sich von Anfang an gegen diese Regel ausgesprochen (s. Drs. 15/1031). 2. Wie wird sich Basel III speziell auf Unternehmensgründungen und auf die Finanzierung betrieblicher Innovationen auswirken? Zu 2.: Die Änderungen werden sich bei Unternehmensgründungen und Innovationen nicht negativer auswirken als bei bestehenden Unternehmen und bei allen anderen Investitionen auch. Gründer haben es mit Blick auf die Sicherheiten und die schwierigere Prognose über die Geschäftsentwicklung gegenwärtig schwerer, Bankdarlehen zu erhalten, als lang etablierte Unternehmen. Daran wird sich nichts ändern. Als Ausgleich gibt es seit langer Zeit die Gründungsfinanzierung z. B. durch die KfW oder die L-Bank. 3. Welche Möglichkeiten sieht sie, die Bereitstellung von Wagnis- oder Beteiligungskapital zu verbessern? Zu 3.: Die Landesregierung plant gemeinsam mit der MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft GmbH einen Wagniskapitalfonds mit einem Finanzierungsvolumen von insgesamt 20 Mio. Euro einzurichten. Zielgruppe des Fonds sind junge, innovative und technologieorientierte Unternehmen aller Branchen mit Sitz in Baden- Württemberg. Derzeit werden die rechtlichen und steuerlichen Aspekte sowie die beihilferechtlichen Details abgeklärt. Darüber hinaus stehen in der Frühphasenfinanzierung folgende weitere öffentlich finanzierte Angebote zur Verfügung. • Innovationsgutschein B Hightech: Mit dem Gutschein können Gründungen in der Vorgründungsphase und bis zu 3 Jahren danach einen Zuschuss in Höhe von 20.000 Euro erhalten, um zum Beispiel einen Prototypen entwickeln oder bauen zu können. • Seedfonds BW: Der vom MFW, L-Bank, MBG und LBBW Venture mit einer Million ausgestattete Fonds will gemeinsam mit dem Hightech-Gründerfonds (HTGF) mehr chancenreiche Unternehmen in Baden-Württemberg identifizieren und diesen Innovationsführern eine Startfinanzierung ermöglichen. Technologieorientierte Unternehmensgründungen können über den HTGF in einem ersten Schritt bis zu 650.000 Euro Risikokapital (HTGF = 500.000 Euro, Seedfonds BW = 100.000 Euro und Gründer = 50.000 Euro) und ein Coaching des Managements erhalten. Bisher unterstützt der Fonds 5 Gründungen. • Risikokapitalfonds des Landes bei der MBG: Der Ende 1995 eingerichtete Risikokapitalfonds hat das Ziel, innovative und technologieorientierte Projekte Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 2192 4 junger Unternehmen in der risikoreichen Gründungsphase durch stille Beteiligungen zu unterstützen. 4. Ist sie bereit, durch eine Initiative im Bundesrat die Bereitstellung von Wagnisund Beteiligungskapital dadurch attraktiver zu machen, dass die Möglichkeit zur steuerlichen Nutzung des Verlustvortrags nicht mehr so restriktiv gehandhabt wird? Zu 4.: Eine Bundesratsinitiative ist nicht vorgesehen, da ihr keine Aussicht auf Erfolg beigemessen wird. So dürfte eine Regelung, die typisierend Unternehmen mit Wagnis- und Beteiligungskapital bei der steuerlichen Nutzung des Verlustvortrags bevorzugt, bereits aus EU-rechtlichen Gründen nicht zulässig sein. Als Sonderregelung müsste sie durch die EU-Kommission genehmigt werden. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit lässt sich schlussfolgern, dass eine Genehmigungserteilung nahezu ausgeschlossen sein dürfte, da solche Regelungen wegen Bevorteilung einzelner Branchen als EU-rechtlich unzulässige steuerliche Beihilfe eingestuft werden müssten. Dies zeigt bereits eine Ausnahme vom Verlustuntergang für Anteilserwerbe unter Beteiligung von Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften (Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen vom 12. August 2008). Diese Ausnahmeregelung wurde von der EU-Kommission als unzulässige Bei - hilfe eingestuft und ist nicht in Kraft getreten. Dasselbe Schicksal ereilte die Sanierungsklausel . Beteiligungserwerbe anlässlich einer Sanierung sollten danach nicht zu einem Verlustuntergang führen. 5. Ist sie bereit, durch eine Initiative im Bundesrat die steuerliche Benachteiligung von Eigenkapital, z. B. bei der Gewerbesteuer, zu verringern? Zu 5.: Eine generelle steuerliche Benachteiligung von Eigenkapital durch die Ertragsteuern , insbesondere durch die Gewerbesteuer ist nicht erkennbar. So wurde mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft, sodass das eigene Vermögen nicht mehr der Gewerbesteuer unterliegt. Auch der Abzug betrieblicher Schuldzinsen als Betriebsausgabe bewirkt grundsätzlich keine Benachteiligung des Eigenkapitaleinsatzes . Dr. Nils Schmid Minister für Finanzen und Wirtschaft