Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 2206 07. 08. 2012 1Eingegangen: 07. 08. 2012 / Ausgegeben: 06. 09. 2012 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Was hat das Land an den ihm gehörenden Gebäuden und historischen Kulturgütern in Sachen Barrierefreiheit in der Vergangenheit getan? 2. Welche Auffassung vertritt sie zum Denkmalschutz einerseits und zur Barrierefreiheit von denkmalgeschützten Gebäuden andererseits? 3. Hat sie eine Konzeption, um die im Landeseigentum befindlichen historischen Gebäude und Kulturgüter nach und nach den Menschen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich zu machen, bzw. falls es diesen Plan nicht gibt, gedenkt sie einen solchen zu entwickeln? 4. Welche weiteren Maßnahmen gedenkt sie in Sachen Barrierefreiheit, wie auch für Menschen mit anderen Handicaps (z. B. Blinde oder Gehörlose), anzustoßen und umzusetzen? 5. Welche Kosten zur Herstellung der Barrierefreiheit würden im Einzelfall für Umbaumaßnahmen, beispielsweise im Kloster Bebenhausen, entstehen? 6. Ist die Klosteranlage Maulbronn mittlerweile barrierefrei zugänglich und wenn ja, seit wann? 7. Bis wann ist geplant, auch im Kloster Bebenhausen die Barrierefreiheit herzustellen ? 03. 08. 2012 Hillebrand, Raab CDU Kleine Anfrage der Abg. Dieter Hillebrand und Werner Raab CDU und Antwort des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Spannungsverhältnis von Denkmalschutz und behindertengerechten Kulturdenkmälern? Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 2206 2 B e g r ü n d u n g Viele historische Bauten und Kulturdenkmäler unseres Landes sind nicht barrierefrei und somit insbesondere Menschen mit körperlichen Behinderungen nicht oder nur sehr schwer zugänglich. Der Barrierefreiheit wird meist nicht Rechnung getragen, weil angeblich der Denkmalschutz entgegensteht. So ist unter anderem beispielsweise das Kloster Bebenhausen nicht barrierefrei. Wiederum ein positives Beispiel ist das Kloster Maulbronn; dort hat die frühere Landesregierung noch in die Wege geleitet, dass barrierefreie Zugänge geschaffen werden. Natürlich sind die hohen Kosten für Umbaumaßnahmen an historischen Gebäuden grundsätzlich im Auge zu behalten, im Ergebnis sind sie jedoch kein Grund, dass Behinderten der Zugang auf längere Sicht oder gar auf Dauer unmöglich ist. Selbstverständlich muss auch für Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder anderen Handicaps die Möglichkeit geschaffen werden, das hohe Kulturgut Baden-Württembergs zu erfahren und zu erleben. A n t w o r t Mit Schreiben vom 29. August 2012 Nr. 4-3351.5/3 beantwortet das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Was hat das Land an den ihm gehörenden Gebäuden und historischen Kulturgütern in Sachen Barrierefreiheit in der Vergangenheit getan? Zu 1.: Allen Planungen für Neu- und Umbauten, Erweiterungen sowie Sanierungen landeseigener Gebäude werden die Regelungen der Landesbauordnung von Baden- Württemberg und der Technischen Baubestimmungen zum barrierefreien Bauen zugrunde gelegt. Bei Sanierungsmaßnahmen an Kulturgütern wurden und werden in Abstimmung zwischen der Denkmalpflege und dem Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden- Württemberg einzelfallbezogen die Möglichkeiten eines barrierefreien Ausbaus geprüft und ggfs. umgesetzt. In zahlreichen Kulturgütern des Landes wurden in den vergangenen Jahren im Rahmen von Grundinstandsetzungen barrierefreie Zugänge geschaffen. Beispielsweise wurden aktuell im Schloss Tettnang, im Schloss Meersburg und im Gebsattelbau auf der Großcomburg Aufzugsanlagen integriert. Im neu erstellten Besucherzentrum auf Schloss Heidelberg werden behindertengerechte Sanitäranlagen vorgehalten. Darüber hinaus werden für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder anderen Handicaps spezielle Angebote, die auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden, entwickelt und umgesetzt. Beispielsweise werden in zahlreichen historischen Objekten für Besucher mit Mobilitätseinschränkung Rollstühle vorgehalten sowie Führungen für gehörlose und sehbehinderte Menschen angeboten. Diese besonderen Angebote werden eng zwischen den Organisatoren und der jeweiligen Ortsverwaltung entwickelt und abgestimmt. So konnte beispielsweise eine internationale Gruppe mit hauptsächlich gehörlosen und blinden Menschen im Jahr 2011 das Kloster Maulbronn besuchen. Im Residenzschloss Ludwigsburg werden Führungen in Gebärdensprache angeboten. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 2206 2. Welche Auffassung vertritt sie zum Denkmalschutz einerseits und zur Barrierefreiheit von denkmalgeschützten Gebäuden andererseits? Zu 2.: Ziel des Denkmalschutzes ist eine möglichst weitgehende Erhaltung der originalen Bausubstanz und des historischen Erscheinungsbildes von Kulturdenkmalen. Maßnahmen an einem Denkmal, die in die Substanz des Gebäudes eingreifen oder dessen Erscheinungsbild beeinträchtigen können, bedürfen daher einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung. Dies gilt grundsätzlich auch für Maßnahmen zur Herstellung oder Verbesserung der Barrierefreiheit an einem Kulturdenkmal. Entscheidungen über die Zulässigkeit von Veränderungen an bestehenden Denkmälern , etwa durch Schaffung behindertengerechter Zugänge, sind grundsätzlich im Rahmen von Einzelfallentscheidungen zu treffen. Inwieweit dabei denkmalfachlichen Grundsätzen Rechnung getragen werden kann, ist unter Abwägung mit den anderen im konkreten Fall berührten Belangen wie etwa dem Nutzerinteresse nach Barrierefreiheit zu entscheiden. Die Landesdenkmalpflege räumt der Barrierefreiheit einen angemessenen Stellenwert ein. So werden in der Praxis durch vorausgehende Beratungen des Eigen - tümers sowie durch die Zusammenarbeit mit Architekten und Planern individuelle Lösungen gefunden, um mit möglichst geringen Eingriffen in die historische Substanz und das geschützte Erscheinungsbild des Baudenkmals eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen. 3. Hat sie eine Konzeption, um die im Landeseigentum befindlichen historischen Gebäude und Kulturgüter nach und nach den Menschen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich machen, bzw. falls es diesen Plan nicht gibt, gedenkt sie einen solchen zu entwickeln? Zu 3.: Ziel des barrierefreien Bauens ist die nachhaltige, ungehinderte Integration behinderter und in ihrer Mobilität eingeschränkter Menschen am gesellschaftlichen Leben. Dieses Ziel ist mit den Regelungen der Landesbauordnung von Baden- Württemberg grundsätzlich zu erreichen. Entsprechende Maßnahmen werden Anlass bezogen umgesetzt. Eine eigenständige Konzeption, um landeseigene historische Gebäude und Kulturgüter barrierefrei zugänglich zu machen, ist insoweit entbehrlich. 4. Welche weiteren Maßnahmen gedenkt sie in Sachen Barrierefreiheit, wie auch für Menschen mit anderen Handicaps (z. B. Blinde oder Gehörlose), anzustoßen und umzusetzen? Zu 4.: Die Landesregierung will mit einem eigenen Aktionsplan zur UN-Behindertenrechtskonvention den gesellschaftlichen Diskurs entfachen und das Bewusstsein der Notwendigkeit der Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Mitte der Gesellschaft tragen. Der Landesbehindertenbeauftragte arbeitet derzeit in einem bottom-up-Verfahren, in dem die Betroffenen in vier Regionalkonferenzen beteiligt werden, an einem Entwurf für einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN- Konvention, der dann vom Landtag beschlossen und von der Verwaltung konkretisiert werden soll. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 2206 4 5. Welche Kosten zur Herstellung der Barrierefreiheit würden im Einzelfall für Umbaumaßnahmen, beispielsweise im Kloster Bebenhausen, entstehen? 7. Bis wann ist geplant, auch im Kloster Bebenhausen die Barrierefreiheit herzustellen ? Zu 5. und 7.: Generelle Aussagen zu den Kosten für die Herstellung der Barrierefreiheit an Kulturdenkmalen sind nicht möglich, da es entscheidend auf Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen sowie das jeweilige Denkmal ankommt. Für die barrierefreie Erschließung der gesamten Kloster- und Schlossanlage in Bebenhausen müssten aufgrund der baulichen Gegebenheiten und der Topographie mehrere Rampen- bzw. Aufzugsanlagen gebaut und zahlreiche Unebenheiten in der Wegeführung behoben werden. Teile der Kloster- und Schlossanlage sind bereits heute barrierefrei zu besichtigen . An kritischen Stellen wird die Zugänglichkeit über Rampen sichergestellt. Aktuell werden Alternativen zur Schaffung behindertengerechter Angebote einschließlich behindertengerechter Sanitäranlagen diskutiert und geprüft. Die Kosten für eine barrierefreie Zugänglichkeit einschließlich der Außenbereiche werden auf über 1 Mio. € geschätzt. 6. Ist die Klosteranlage Maulbronn mittlerweile barrierefrei zugänglich und wenn ja, seit wann? Zu 6.: Im Kloster Maulbronn sind für Besucher bereits heute der Klosterhof und insbesondere die Klosterkirche barrierefrei zugänglich. Im Rahmen der laufenden Baumaßnahmen wird derzeit der barrierefreie Zugang zum Kreuzgang hergestellt. Ziel ist es, die barrierefreie Zugänglichkeit der Klosteranlage kontinuierlich zu verbessern. Die Antwort ist mit dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren abgestimmt. In Vertretung Leidig Ministerialdirektor