Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 31 26. 05. 2011 Kleine Anfrage des Abg. Martin Rivoir SPD und Antwort des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs in der Region Ulm K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie ist der Stand der Planungen zum Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs (Straßenbahnnetz und S-Bahn) in der Region Ulm? 2. Wie beurteilt sie diese Planungen? 3. Wer sind die Projektträger dieses Ausbaus? 4. Mit welchen Investitionskosten wird für welches Einzelprojekt gerechnet? 5. Mit welchen Zuschüssen des Landes können die Projektträger nach der Verabschiedung des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) für den Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs rechnen? 6. Welche anderen Kostenträger übernehmen nach den geltenden gesetzlichen Regelungen welchen Anteil an den Gesamtkosten? 7. In welchem Zeitraum und in welchen Abschnitten soll dieser Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs in der Region Ulm realisiert werden? 25. 05. 2011 Rivoir SPD Eingegangen: 26. 05. 2011 / Ausgegeben: 22. 06. 2011 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 31 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 16. Juni 2011 Nr. 7–3824.5–00/238 beantwortet das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der Stand der Planungen zum Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs (Straßenbahnnetz und S-Bahn) in der Region Ulm? Die Nutzen-Kosten-Untersuchung für den von den Städten Ulm und Neu-Ulm angestrebten Ausbau des Straßenbahnnetzes in Ulm/Neu-Ulm ist weitgehend abgeschlossen . Folgende Streckenneubauten zur Erweiterung des Netzes wurden im Vergleich mit dem Zustand ohne Erweiterungsmaßnahmen (Ohnefall) jeweils als Mitfall (mit der Investition) untersucht und standardisiert bewertet: Mitfall 1: Straßenbahnlinie 2 Kuhberg–Ulm Hbf.–Wissenschaftsstadt Mitfall 2: Straßenbahnlinie 2 Ludwigsfeld–Ulm Hbf.–Wissenschaftsstadt Mitfall 3: Straßenbahnlinie 2 Kuhberg–Ulm Hbf.–Wissenschaftsstadt Straßenbahnlinie 3 Ludwigsfeld–Ulm Hbf.–Wissenschaftsstadt. Die zuständigen Länderministerien aus Bayern und Baden-Württemberg sowie der Bund, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung , wurden seit Mitte 2010 in die Untersuchung eingebunden. Am 24. Mai 2011 fand das fünfte Abstimmungsgespräch der Bewertung mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, den Städten Ulm und Neu- Ulm, der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm GmbH sowie den zuständigen Länderministerien Baden-Württembergs und Bayerns statt. Die Ergebnisse der Nutzen-Kosten-Untersuchung zeigen, dass derzeit nur die Neubauvariante des Mitfalls 1 einen ausreichenden Nutzen-Kosten-Quotienten von über 1 (1,4) erreicht. Nur diese Variante erfüllt grundsätzlich die Voraussetzungen für die Förderung des Vorhabens nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz /Entflechtungsgesetz. Für eine grenzüberschreitende Straßenbahnlinie nach Bayern konnte weder im Mitfall 2 noch 3 ein ausreichender Nutzen nachgewiesen werden. Der Schlussbericht des Gutachters der Standardisierten Bewertung wird noch im Juni 2011 erwartet. Der Bericht muss anschließend durch die Projektbeteiligten noch geprüft und abschließend bewertet werden. Vorbehaltlich dieser Einschränkung kann aus heutiger Sicht jedoch davon ausgegangen werden, dass das positive Ergebnis der Bewertung des Mitfalls 1 auch von den möglichen Zuwendungsgebern , dem Bund sowie den Ländern Baden-Württemberg und Bayern, mitgetragen wird. Dem Gemeinderat der Stadt Ulm wurden am 30. März 2011 die entsprechenden Ergebnisse präsentiert. Er votierte dafür, die Entwurfs- und Genehmigungsplanung für die Strecke Kuhberg–Ulm Hbf.–Wissenschaftsstadt bis zur Planfeststellungsreife durchzuführen. Wegen des unzureichenden Nutzens der bisher untersuchten Neubaustreckenvarianten in Neu-Ulm hat sich die Stadt Neu-Ulm dafür entschieden , weitere Schritte und ggf. die Untersuchung eines weiteren Mitfalls erst dann vorzunehmen, wenn der Schlussbericht der Standardisierten Bewertung vorliegt und von ihr bewertet werden konnte. Parallel zu den Streckenplanungen werden derzeit die Anpassungsmaßnahmen für das Abstellungs- und Werkstattkonzept am bestehenden Standort in der Bauhoferstraße untersucht. Auch zum Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) mit einem S-Bahn- System werden die Planungen vorangetrieben. Der SPNV soll in der Ländergrenzen überschreitenden Region Donau-Iller verbessert und weiterentwickelt werden. Erster Schritt ist die Erarbeitung eines durch den Regionalverband Donau-Iller in Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 31 3 Auftrag gegebenen Stufenkonzeptes für die Verbesserung der Stadt-Umland-Vernetzung auf den sechs Zulaufstrecken auf das Oberzentrum Ulm/Neu-Ulm durch eine S-Bahn-ähnliche Verkehrskonzeption. Das Stufenkonzept gliedert sich in eine Vor- und eine Hauptstudie (Machbarkeitsstudie). Der Entwurf der Vorstudie liegt seit Ende 2010 vor. Darauf aufbauend lässt der Regionalverband Donau-Iller derzeit eine vertiefende Angebots- und Betriebsstudie erstellen, die Aussagen zum Infrastruktur -, Fahrzeug- und Verkehrsleistungsbedarf treffen soll. Außerdem sollen dort grob auch die Kosten der vorgeschlagenen Maßnahmen ermittelt sowie eine erste Abschätzung des zu erwartenden volkswirtschaftlichen Nutzens vorgenommen werden. Erst auf dieser Basis kann entschieden werden, welche Maßnahmen ggf. konkreter geplant und weiterverfolgt werden sollen. 2. Wie beurteilt sie diese Planungen? Die dem Land bisher bekannten Planungsschritte für den Ausbau des Straßenbahnnetzes Ulm/Neu-Ulm sind schlüssig, transparent und zielgerichtet. Falls die Planungen umgesetzt werden können, wird der Netzausbau vom Kuhberg über den Ulmer Hauptbahnhof zur Wissenschaftsstadt die Attraktivität des ÖPNV in Ulm selbst, aber auch in Neu-Ulm, deutlich erhöhen. Eine Verbesserung des SPNV in der Region Donau-Iller liegt auch im Interesse des Landes. Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg begleitet deshalb die vom Regionalverband beauftragten Untersuchungen. Gegenwärtig liegt für das Stufenkonzept zur Weiterentwicklung des SPNV in der Region Donau-Iller („Regio-S-Bahn Donau-Iller“) erst die Vorstudie vor. Eine belastbare Beurteilung der Planungen wird erst nach Vorliegen der Hauptstudie möglich sein. 3. Wer sind die Projektträger dieses Ausbaus? Für den Ausbau des Straßenbahnnetzes ist die SWU Nahverkehr GmbH Projektträger . Welche konkreten Ausbaumaßnahmen mit dem Projekt „Regio-S-Bahn Donau- Iller“ zukünftig verbunden sein werden und welche Projektträger diese übernehmen sollen, wird erst nach Fertigstellung der Hauptstudie geklärt werden können. 4. Mit welchen Investitionskosten wird für welches Einzelprojekt gerechnet? Für die Streckenneubauten in Ulm ermittelten die SWU und die Stadt Ulm auf Basis der Vorplanungsergebnisse folgende Teilinvestitionssummen: • Ehinger Tor–Kuhberg: Circa 27 Millionen EURO • Theater Ulm–Wissenschaftsstadt: Ca. 78 Millionen EURO (incl. Wendeschleife Ehinger Tor). Für die angestrebten Maßnahmen in Neu-Ulm, eine Neubaustrecke • Hbf. Ulm–Neu-Ulm/Ludwigsfeld wurden je nach Variante im Ludwigsfeld bis zu 85 Millionen EURO ermittelt. Diese Kosten sind auch der Bewertung zu Grunde gelegt. Die Kosten für die erforderlichen baulichen Investitionen zum Ausbau des Betriebshofs werden derzeit im Rahmen der zuvor genannten Untersuchung abgeschätzt. Nähere Ergebnisse liegen derzeit nicht vor. Die Investitionskosten für die Realisierung eines S-Bahn-ähnlichen Verkehrssystems werden grob erst im Rahmen der Hauptstudie zur Weiterentwicklung des SPNV in der Region Donau-Iller ermittelt. Sie sind daher noch nicht bekannt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 31 4 5. Mit welchen Zuschüssen des Landes können die Projektträger nach der Verabschiedung des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) für den Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs rechnen? 6. Welche anderen Kostenträger übernehmen nach den geltenden gesetzlichen Regelungen welchen Anteil an den Gesamtkosten? Das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) bildet die Grundlage für die Förderung von ÖPNV-Infrastrukturvorhaben, die aus Mitteln nach dem Entflechtungsgesetz (Landesprogramm nach § 10 ÖPNVG) mit zuwendungsfähigen Kosten unter 50 Millionen EURO gefördert werden. Das Vorhaben „Ausbau der Straßenbahn Ulm und Neu-Ulm“ liegt über diesem Schwellenwert und wurde bereits im Rahmen der Fortschreibung von der SWU zum GVFG-Bundesprogramm angemeldet und ist dort in Kategorie C (Vorhaben bedingt aufgenommen) enthalten. Da das GVFG-Bundesprogramm Ende 2019 ausläuft, würde der Fördersatz bis zu 80 von Hundert der förderfähigen Kosten, abzüglich eines Selbstbehaltes betragen , sofern die Fördervoraussetzungen vorliegen, das zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung diese Maßnahme endgültig in das GVFG-Bundesprogramm aufnimmt und das Land die Kofinanzierung des Vorhabens übernehmen kann. Davon würde der Bundesanteil bis zu 60 von Hundert und der Kofinanzierungsanteil des Landes bis zu 20 von Hundert betragen. Die nicht zuwendungsfähigen Kosten und der nach der Zuwendung nicht gedeckte Eigenanteil an den Gesamtkosten sowie die nach Auslaufen des Bundesprogramms noch nicht ausbezahlte Bundes- und Kofinanzierungsmittel des Landes sind vom Zuwendungsnehmer zu tragen. Es ist davon auszugehen, dass auch die Investitionskosten für eine „Regio-S-Bahn Donau-Iller“ so hoch sein werden, dass sie nicht über das LGVFG, sondern über das GVFG-Bundesprogramm zu fördern sind. Die Förderung von Schienenfahrzeugen ist seit 2004 ausgesetzt. 7. In welchem Zeitraum und in welchen Abschnitten soll dieser Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs in der Region Ulm realisiert werden? Soweit dem Land bekannt ist, soll der Ausbau der Straßenbahnlinie 2 nach den Vorstellungen der SWU zweistufig erfolgen. Die Inbetriebnahme des ersten Streckenastes ist von der SWU für Ende 2016 avisiert, der zweite Ast soll dann spätestens zwei Jahre danach folgen. Die SWU geht derzeit davon aus, dass die Stadt Ulm als ersten Abschnitt die Strecke zwischen Theater und Wissenschaftsstadt realisieren will, da hier auch der höchste Nutzen erzielt werden kann. Eine abschließende Entscheidung wird voraussichtlich erst im Verlauf der Planfeststellungverfahren für die beiden Korridore erfolgen. Ein Vorhaben dieser Größenordnung steht bei der Realisierung allerdings in Konkurrenz zu weiteren Vorhaben im Land. Da bereits derzeit die vorhandenen Landesmittel zur Kofinanzierung nicht ausreichen, um unter anderem Vorhaben, die sich bereits in der Förderung befinden, zeitnah zu fördern, ist eine belastbare Aussage über eine generelle oder zeitliche Realisierungschance für den weiteren Ausbau der Ulmer Straßenbahn nicht möglich. Dies auch vor dem Hintergrund der Beendigung des GVFG-Bundesprogramms am 31. Dezember 2019. Da die Angebots- und Betriebsstudie über die Weiterentwicklung des SPNV in der Region Donau-Iller noch nicht vorliegt, sind auch die für eine Regio-S-Bahn erforderlichen Ausbaumaßnahmen noch nicht bekannt. Aussagen, bis wann solche Maßnahmen ggf. realisiert werden können, sind daher derzeit nicht möglich. Hermann Minister für Verkehr und Infrastruktur