Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 324 22. 07. 2011 1Eingegangen: 22. 07. 2011 / Ausgegeben: 22. 08. 2011 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Umfang werden Arzneimittel von Krankenhäusern, Altenheimen, Arztpraxen, Apotheken und privaten Haushalten entsorgt, weil sie nicht vollständig aufgebraucht wurden, nicht mehr benötigt werden oder ein Verfalls - datum überschritten haben? 2. Welche Kosten entstehen den Krankenversicherungen und den Beihilfestellen durch diesen Überschuss an Arzneimitteln? 3. Wie ist derzeit die fachgerechte Entsorgung von Arzneimitteln geregelt und in welchem Umfang finden diese Regelungen Beachtung? 4. Welche Belastungen für die Umwelt entstehen durch die nicht fachgerechte Entsorgung von Arzneimitteln und welche Folgekosten resultieren daraus? 5. Welche Möglichkeiten sieht sie, den Überschuss an Arzneimitteln durch Verpflichtungen der Pharmaindustrie und des Pharmahandels zu reduzieren? 6. Welche Möglichkeiten sieht sie, der nicht fachgerechten Entsorgung von Arzneimitteln durch die Verbraucher z. B. im Wege von Patienteninformationen in Arztpraxen und Apotheken, im Wege von Hinweisen auf Beipackzetteln oder im Wege von Entsorgungspflichten und Entsorgungsangeboten vergleichbar zur Entsorgung von Batterien entgegen zu wirken? 21. 07. 2011 Rombach CDU Kleine Anfrage des Abg. Karl Rombach CDU und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Entsorgung von Arzneimitteln Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 324 2 B e g r ü n d u n g Ein nicht unerheblicher Teil von Arzneimitteln wird nicht verbraucht, sondern entsorgt. Dabei kann insbesondere die nicht fachgerechte Entsorgung überschüssiger Arzneimittel große Belastungen für die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung mit sich bringen. Ein geordnetes System der Entsorgung könnte dementsprechend Kosten und Belastungen verringern. A n t w o r t Mit Schreiben vom 10. August 2011 Nr. 46-8981.11/1 beantwortet das Ministe - rium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Arbeit und Sozialordnung die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Umfang werden Arzneimittel von Krankenhäusern, Altenheimen, Arztpraxen, Apotheken und privaten Haushalten entsorgt, weil sie nicht vollständig aufgebraucht wurden, nicht mehr benötigt werden oder ein Verfalls - datum überschritten haben? Angaben zum Umfang der insgesamt entsorgten Arzneimittel liegen der Landesregierung nicht vor. Altarzneimittel werden in der Regel zusammen mit dem Hausmüll entsorgt. Apotheken und Klinikapotheken sowie der Pharmahandel halten ihren Bestand aus Gründen der Lageroptimierung und Kostenminimierung entsprechend gering, sodass nur begrenzte Anteile zu entsorgen sind. 2. Welche Kosten entstehen den Krankenversicherungen und den Beihilfestellen durch diesen Überschuss an Arzneimitteln? Ärzte sind nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung zu wirtschaftlichem Verordnungsverhalten und einer therapie- und preisgerechten Arzneimittelauswahl verpflichtet. Beihilfefähig sind Aufwendungen nur dann, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Insofern dürfen den Kostenträgern lediglich die für die jeweilige Behandlung notwendigen Arzneimittelmengen in Rechnung gestellt werden. Ob die abgegebenen Arzneimittel von den Patientinnen und Patienten auch verbraucht oder letztendlich vernichtet werden, ist nicht kontrollierbar. Die Kosten für verfallene bzw. überlagerte Arzneimittel werden den Kranken - kassen und Beihilfestellen nicht gesondert in Rechnung gestellt und sind in den allgemeinen Betriebskosten enthalten. 3. Wie ist derzeit die fachgerechte Entsorgung von Arzneimitteln geregelt und in welchem Umfang finden diese Regelungen Beachtung? Altarzneimittel aus Haushaltungen sind i. d. R. Abfälle, die der Entsorgungspflicht der Stadt- und Landkreise unterliegen. Deshalb haben die entsorgungspflichtigen Körperschaften in ihren Satzungen festzulegen, wie Altarzneimittel, die auf ihrem Gebiet als Abfall anfallen, zu entsorgen sind. Die Entsorgung gemeinsam mit Restabfall in Müllverbrennungsanlagen ist Standard. Lediglich einzelne bestimmte Arzneimittel (Zytostatika) bedürfen einer besonderen Entsorgung. Im Zuge der Entsorgungskette ist dafür Sorge zu tragen, dass die Altmedikamente nicht in falsche Hände gelangen. Dies ist der Hintergrund für den vielfach gegebenen Ratschlag, Altarzneimittel nicht über die Hausmüllsammelgefäße zu ent- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 324 sorgen, sondern sie über die Apotheken oder besondere Sammlungen der entsorgungspflichtigen Körperschaft zu erfassen. Dieser Ratschlag erfolgt lediglich unter dem Gesichtspunkt, einem möglichen missbräuchlichen Zugriff vorzubeugen . Die Apotheken übernehmen diese Dienstleistung für ihre Kunden jedoch nicht in jedem Fall und können dazu auch nicht verpflichtet werden. 4. Welche Belastungen für die Umwelt entstehen durch die nicht fachgerechte Entsorgung von Arzneimitteln und welche Folgekosten resultieren daraus? Nach einer Studie des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) aus dem Jahr 2008 werden in der Bundesrepublik schätzungsweise einige hundert Tonnen Arzneimittel jährlich unsachgemäß über Ausguss oder Toilette entsorgt. Im Verhältnis zur Menge an Arzneimittelwirkstoffen, die jährlich über die menschlichen und tierischen Ausscheidungen in die Umwelt gelangt, ist dies jedoch nur ein geringer Anteil. Die Wirkung und Relevanz von Arzneimittelwirkstoffen in der Umwelt, insbesondere in Gewässern, wird derzeit auf verschiedenen Ebenen diskutiert. Derzeit gibt es jedoch noch keine Umweltqualitätsnormen oder Grenzwerte für Arzneimittel im Gewässer bzw. Abwasser. Die Belastungen der Umwelt, die durch eine nicht fachgerechte Entsorgung entstehen, sind nicht quantifizierbar. Es können daher auch keine Folgekosten zugeordnet werden. 5. Welche Möglichkeiten sieht sie, den Überschuss an Arzneimitteln durch Verpflichtungen der Pharmaindustrie und des Pharmahandels zu reduzieren? Pharmaindustrie und Pharmahandel bieten Arzneimittel in unterschiedlichem und abgestuftem Umfang an, der geeignet ist, die ordnungsgemäße Versorgung und Wirkung sicherzustellen. Aus Gründen der Arzneimittelsicherheit können einmal an den Endverbraucher abgegebene Arzneimittel grundsätzlich nicht zurück genommen und/oder weiterverwendet werden. Insoweit besteht keine Möglichkeit, das Aufkommen an überlagerten oder nicht verbrauchten Arzneimitteln durch eine Rücknahmeverpflichtung der Pharmaindustrie zu senken. Die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Altarzneimitteln wäre zudem nicht wirtschaftlich. 6. Welche Möglichkeiten sieht sie, der nicht fachgerechten Entsorgung von Arzneimitteln durch die Verbraucher z. B. im Wege von Patienteninformationen in Arztpraxen und Apotheken, im Wege von Hinweisen auf Beipackzetteln oder im Wege von Entsorgungspflichten und Entsorgungsangeboten vergleichbar zur Entsorgung von Batterien entgegen zu wirken? Zur Verbesserung der Compliance, d. h. der Therapietreue der Patienten im Hinblick auf die Einnahme verordneter Arzneimittel verfügen Arzt und Apotheker über Interventionsmöglichkeiten. Entsprechende Aufklärung trägt zu einer verbesserten Motivation bei. Die Apothekerschaft gibt Patientinnen und Patienten außerdem Hinweise, was bei der Entsorgung von Arzneimitteln beachtet werden sollte. Das Arzneimittelgesetz enthält bereits Vorgaben hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die Umwelt. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 13 Arzneimittelgesetz sind bei der Kennzeichnung von Arzneimitteln auf den Behältnissen und äußeren Umhüllungen – soweit erforderlich – Angaben zu besonderen Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung von nicht verwendeten Arzneimitteln oder zu sonstigen besonderen Vorsichtsmaßnahmen zu machen, um Gefahren für die Umwelt zu vermeiden. In der Fachinformation nach § 11 a Arzneimittelgesetz sind ebenfalls besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung von angebrochenen Arzneimitteln oder den davon abstammenden Abfallmaterialien anzugeben, um Gefahren für die Umwelt zu vermeiden. Wie bereits bei der Antwort zu Frage 3 ausgeführt obliegt die Entsorgung von Abfällen aus Haushalten, einschließlich der Altmedikamente, den öffentlich rechtlichen Entsorgungsträgern (örE). Diese informieren die Bürgerinnen und Bürger über die jeweiligen Modalitäten der Altarzneimittelentsorgung in ihrem Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 324 4 Wirkungsbereich. Dies reicht von Broschüren wie Abfallkalendern, Abfall-ABC und dergleichen in gedruckter Form bis zu Hinweisen im Internet. Auf der Homepage des Umweltministeriums ist ein Flyer „Alte Arzneimittel richtig entsorgen“ eingestellt, der im Zusammenhang mit einer gemeinsamen Aktion des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg erstellt wurde. Zum Teil nehmen auch die Apotheken auf freiwilliger Basis Altarzneimittel zu - rück und geben diese zur Entsorgung. Diejenigen Apotheken, die Altarzneimittel nicht zurücknehmen, geben ihren Kunden Hinweise (Merkblätter) zur sachgerechten Entsorgung. Durch eine Verpflichtung zur Installation eines speziellen Rücknahmesystems ist weder mit einer Verminderung der falschen Entsorgungsart (Toilette) noch mit Kosteneinsparungen zu rechnen. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft