Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 3252 19. 03. 2013 1Eingegangen: 19. 03. 2013 / Ausgegeben: 24. 04. 2013 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Parameter in Entfernungs- und Zeiteinheiten legt sie zur Umsetzung des vom Bundesverfassungsgericht geprägten Begriffs der heimatnahen Unterbringung von Strafgefangenen an? 2. Existieren verbindliche Gerichtsurteile bezüglich der maximal zumutbaren Fahrtwege in Kilometern und/oder Zeitintervallen vom Wohnort der Angehörigen zur Haftanstalt, in welcher der/die Strafgefangene unterzubringen ist und wenn ja, welche? 3. Inwiefern findet der Grundsatz der heimatnahen Unterbringung von Strafgefangenen bei zentralisierten Sonderhaftanstalten in Baden-Württemberg, wie z. B. der Frauenvollzugsanstalt in Schwäbisch Gmünd, der Vollzugsanstalt für Gefangene über 63 Jahre in Singen (Hohentwiel) sowie der Jugendstrafanstalt in Adelsheim, Anwendung? 4. Wie viele Strafgefangene – absolut und prozentual – sind bzw. waren aktuell sowie im Mittelwert der letzten zehn Jahre in den Justizvollzugsanstalten Rottenburg , Rottweil und Waldshut-Tiengen, jeweils inklusive deren Außenstellen , untergebracht, auf die die von ihr angelegten Parameter zutreffen? 19. 03. 2013 Haller SPD Kleine Anfrage des Abg. Hans-Martin Haller SPD und Antwort des Justizministeriums Gefängnisneubau Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 3252 2 B e g r ü n d u n g Gemäß eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 818/05) sind Strafgefangene möglichst heimatnah unterzubringen, da „für das Resozialisierungsziel , auf das der Strafvollzug von Verfassungswegen auszurichten ist, […] familiäre Beziehungen des Gefangenen wesentliche Bedeutung“ haben. Insofern bestehen Zweifel, inwieweit die Einrichtung von Großgefängnissen und zentralisierten Sondergefängnissen in Baden-Württemberg mit dieser Rechtsprechung vereinbar sind. A n t w o r t Mit Schreiben vom 8. April 2013 Nr. STV-531-.ROW/IV/7 beantwortet das Jus - tizministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Parameter in Entfernungs- und Zeiteinheiten legt sie zur Umsetzung des geprägten Begriffs der heimatnahen Unterbringung von Strafgefangenen an? 2. Existieren verbindliche Gerichtsurteile bezüglich der maximal zumutbaren Fahrtwege in Kilometern und/oder Zeitintervallen vom Wohnort der Angehörigen zur Haftanstalt, in welche der/die Strafgefangene unterzubringen ist und wenn ja, welche? Zu 1. und 2.: Das Bundesverfassungsgericht hat neben der Forderung nach einer menschenwürdigen Unterbringung von Gefangenen festgestellt, dass Artikel 6 Abs. 1 Grund - gesetz Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt und dieser Schutzauftrag auch für den Strafvollzug gilt (vgl. etwa BVerfGE 42, 95; 89, 315; 57, 170; Beschl. v. 5. Mai 2008 – 2 BvR 2111/06 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Der Anspruch Gefangener auf Kontakt zu den Angehörigen in angemessenem Umfang findet eine weitere Grundlage in der Verpflichtung des Staates, einen an der sozialen Integration orientierten Strafvollzug zu gewährleisten (vgl. BVerfG a. a. 0; auch BVerfGE 116, 69 – ständige Rechtsprechung ). Dies gebietet in einem Land wie Baden-Württemberg Justizvollzugsanstalten in der Fläche vorzuhalten und die Regelungen zur Unterbringung von Gefangenen (Vollstreckungsplan) an dem Grundsatz einer heimatnahen Unterbringung auszurichten (vgl. BVerfG Beschl. v. 19. April 2006 – 2 BvR 818/05). Dem trägt der geltende Vollstreckungsplan des Landes ebenso Rechnung wie die Planungen der Landesregierung zur Fortschreibung der Haftplatzentwicklung in Baden-Württemberg. Die konkrete Ausgestaltung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist bislang der Exekutive übertragen. Deshalb soll in der neuen multifunktionalen Justizvollzugsanstalt mit 400 bis 500 Haftplätzen an der Schnittstelle zwischen dem südwürttembergischen und dem südbadischen Landesteil Untersuchungs- und Strafhaft für die Landgerichtsbezirke Konstanz, Rottweil, Hechingen und Waldshut-Tiengen vollstreckt werden. Durch den Neubau wird in diesem Bereich überhaupt erst die Möglichkeit eines heimatnahen Behandlungsvollzugs an Strafgefangenen geschaffen. In den zur Schlie - ßung vorgesehenen kleinen Einrichtungen in Rottweil, Hechingen, Oberndorf, Villingen-Schwenningen, Waldshut-Tiengen und Tübingen ist aufgrund deren Ausgestaltung als Untersuchungshaftanstalten und der Größe sowie des weit - gehend fehlenden Arbeits- und Behandlungsangebots ein moderner Behandlungsvollzug nicht möglich. Längere Freiheitsstrafen können aufgrund des fehlenden Angebots im Ausbildungs- und Behandlungsbereich dort nicht vollstreckt werden . Für eine erfolgreiche Resozialisierung wichtige flankierende Behandlungs- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 3252 maßnahmen können aufgrund der begrenzten Infrastruktur nicht angeboten werden . Eine Einrichtung des offenen Vollzuges steht nicht zur Verfügung. Damit ist ein moderner, auf die Resozialisierung ausgerichteter Behandlungsvollzug, der nach den europäischen Strafvollzugsstandards bereits in der Untersuchungshaft beginnen sollte, an der Schnittstelle von südwürttembergischem und südbadischem Landesteil bislang nicht möglich. Strafgefangene aus diesem Bereich müssen in den Justizvollzugsanstalten Freiburg , Offenburg und Rottenburg untergebracht werden. Durch einen Neubau wäre es weiter möglich, die derzeit in der Außenstelle Tübingen vollzogene Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt Rottenburg zu verlegen, da dort durch die Verlegung von Strafhaft zum heimatnahen Vollzug in eine neue Justizvollzugsanstalt im Suchdreieck Haftplätze frei werden. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Rechnungshof des Landes in seiner Denkschrift 2006 die Schließung kleinerer Vollzugseinrichtungen aus (insbesondere personal-) wirtschaftlichen Gründen dringend empfohlen und die Schaffung größerer Vollzugseinheiten angemahnt hat. Das im Jahr 2007 beschlossene Haftplatzentwicklungsprogramm sieht vor, die Kleinteiligkeit der baden-württembergischen Vollzugslandschaft aufzulösen und heutigen behand - lerischen Anforderungen entsprechende Vollzugsschwerpunkte zu bilden. Mit der Justizvollzugsanstalt Offenburg wird der Bedarf an Haftplätzen im mittelbadischen Raum abgedeckt. Für den südwürttembergischen Raum stellt die Jus - tizvollzugsanstalt Ravensburg eine nahezu ausreichende Zahl von Haftplätzen zur Verfügung. Im südbadischen Raum ist die Justizvollzugsanstalt Freiburg als größere Anstalt zu nennen. Für den Bereich der Landgerichte Konstanz, Rottweil, Hechingen und Waldshut-Tiengen fehlt es hingegen an einem größeren behand - lerisch sinnvollen und wirtschaftlich zu betreibenden Vollzugsschwerpunkt. 3. Inwiefern findet der Grundsatz der heimatnahen Unterbringung von Straf - gefangenen bei zentralisierten Sonderhaftanstalten in Baden-Württemberg, wie z. B. der Frauenvollzugsanstalt in Schwäbisch Gmünd, der Vollzugsanstalt für Gefangene über 63 Jahre in Singen (Hohentwiel) sowie der Jugendstrafanstalt in Adelsheim, Anwendung? Bei landesweit lediglich rund 500 bis 600 Jugendstrafgefangenen ist der Betrieb mehrerer Jugendstrafanstalten aus behandlerischen Gründen nicht möglich. Die vielfältigen Erfordernisse eines zeitgemäßen Jugendstrafvollzugs gebieten die Strukturierung des baden-württembergischen Jugendstrafvollzugs mit einer großen, zentralen Anstalt in Adelsheim sowie der Jugendstrafanstalt in Pforzheim . Das Kriterium der heimatnahen Unterbringung kann regelmäßig erst bei der Herausnahme des jungen Gefangenen aus dem Jugendstrafvollzug und der Ver - legung in eine Anstalt des allgemeinen Strafvollzugs zum Tragen kommen. Diese Erwägungen gelten entsprechend für den Justizvollzug an älteren Männern und den in Baden-Württemberg durchschnittlich insgesamt nur rund 350 weiblichen Strafgefangenen. 4. Wie viele Strafgefangene – absolut und prozentual – sind bzw. waren aktuell sowie im Mittelwert der letzten Jahre in den Justizvollzugsanstalten Rottenburg , Rottweil und Waldshut-Tiengen, jeweils inklusive deren Außenstellen untergebracht, auf die die von ihr angelegten Parameter zutreffen? In den Justizvollzugsanstalten Rottenburg, Waldshut-Tiengen und Rottweil mit Außenstellen sowie in den Justizvollzugsanstalten Offenburg und Freiburg sind entsprechend den Vorgaben des geltenden Vollstreckungsplans zwischen 400 und 500 Gefangene untergebracht. Diese sollen im Neubauvorhaben heimatnah und verfassungskonform untergebracht werden. Stickelberger Justizminister << /ASCII85EncodePages false /AllowTransparency false /AutoPositionEPSFiles true /AutoRotatePages /None /Binding /Left /CalGrayProfile (None) /CalRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CalCMYKProfile (U.S. Web Coated \050SWOP\051 v2) /sRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CannotEmbedFontPolicy /Warning /CompatibilityLevel 1.6 /CompressObjects /Off /CompressPages true /ConvertImagesToIndexed true /PassThroughJPEGImages false /CreateJobTicket false /DefaultRenderingIntent /Default /DetectBlends true /DetectCurves 0.1000 /ColorConversionStrategy /LeaveColorUnchanged /DoThumbnails false /EmbedAllFonts true /EmbedOpenType false /ParseICCProfilesInComments true /EmbedJobOptions true /DSCReportingLevel 0 /EmitDSCWarnings false /EndPage -1 /ImageMemory 524288 /LockDistillerParams true /MaxSubsetPct 100 /Optimize true /OPM 1 /ParseDSCComments false /ParseDSCCommentsForDocInfo true /PreserveCopyPage true /PreserveDICMYKValues true /PreserveEPSInfo true /PreserveFlatness true /PreserveHalftoneInfo false /PreserveOPIComments true /PreserveOverprintSettings true /StartPage 1 /SubsetFonts true /TransferFunctionInfo /Preserve /UCRandBGInfo /Preserve /UsePrologue false /ColorSettingsFile () /AlwaysEmbed [ true ] /NeverEmbed [ true ] /AntiAliasColorImages false /CropColorImages true /ColorImageMinResolution 150 /ColorImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleColorImages true /ColorImageDownsampleType /Bicubic /ColorImageResolution 300 /ColorImageDepth 8 /ColorImageMinDownsampleDepth 1 /ColorImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeColorImages true /ColorImageFilter /FlateEncode /AutoFilterColorImages false /ColorImageAutoFilterStrategy /JPEG /ColorACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /ColorImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000ColorACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000ColorImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasGrayImages false /CropGrayImages true /GrayImageMinResolution 150 /GrayImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleGrayImages true /GrayImageDownsampleType /Bicubic /GrayImageResolution 600 /GrayImageDepth 8 /GrayImageMinDownsampleDepth 2 /GrayImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeGrayImages true /GrayImageFilter /FlateEncode /AutoFilterGrayImages false /GrayImageAutoFilterStrategy /JPEG /GrayACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /GrayImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000GrayACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000GrayImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasMonoImages false /CropMonoImages true /MonoImageMinResolution 1200 /MonoImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleMonoImages true /MonoImageDownsampleType /Bicubic /MonoImageResolution 600 /MonoImageDepth -1 /MonoImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeMonoImages true /MonoImageFilter /CCITTFaxEncode /MonoImageDict << /K -1 >> /AllowPSXObjects true /CheckCompliance [ /None ] /PDFX1aCheck false /PDFX3Check false /PDFXCompliantPDFOnly false /PDFXNoTrimBoxError true /PDFXTrimBoxToMediaBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXSetBleedBoxToMediaBox true /PDFXBleedBoxToTrimBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXOutputIntentProfile (None) /PDFXOutputConditionIdentifier () /PDFXOutputCondition () /PDFXRegistryName (http://www.color.org) /PDFXTrapped /False /CreateJDFFile false /SyntheticBoldness 1.000000 /Description << /DEU () >> >> setdistillerparams << /HWResolution [1200 1200] /PageSize [595.276 841.890] >> setpagedevice