Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 3407 22. 04. 2013 1Eingegangen: 22. 04. 2013 / Ausgegeben: 24. 05. 2013 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt sie die derzeitige Handhabung der Mülltrennung in den Stadtund Landkreisen des Landes? 2. Wie stellen sich die Ökobilanzen der verschiedenen Mülltrennungsregelungen in den Stadt- und Landkreisen dar? 3. Wie beurteilt sie die verschiedenen Vor- und Nachteile der Mülltrennungssys - teme im Sinne einer Gesamtökobilanz? 4. Trifft es zu, dass der Nutzen von Mülltrennungssystemen und der daraus folgenden stofflichen und thermischen Verwertung zum Teil fraglich ist? 5. Hält sie eine Novellierung des Landesabfallgesetzes in diesem Fall für erforderlich ? 22. 04. 2013 Dr. Bullinger FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Sinnhaftigkeit der Mülltrennung Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 3407 2 B e g r ü n d u n g Laut einer Pressemeldung der Südwest Presse vom 17. April 2013 hat nach eigenen Aussagen der Grünen-Politiker Rezzo Schlauch noch nie Müll getrennt. „Die Sinnhaftigkeit dieser ökologischen Errungenschaft hat sich mir nie erschlossen“, so Zitat des Ex-Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium gegenüber dem Magazin „Playboy“. Der Nutzen des Mülltrennens sei fraglich. Weiter warnt der ehemalige Staatssekretär vor dem Spießertum: „Diese überzogene political correctness , dieses mit dem Finger zeigen, wenn etwas nicht in den grünen Main - stream passt, ist ein Stil, der mir nicht gefällt.“ Weiter habe der Politiker „Prob - leme mit dem Spießertum, das zu Selbstgerechtigkeit und zu Intoleranz führe“. Die Sinnhaftigkeit einer übertriebenen Mülltrennung gilt es zu überprüfen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 14. Mai 2013 Nr. 23-8981.60/8 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt sie die derzeitige Handhabung der Mülltrennung in den Stadtund Landkreisen des Landes? Die Umsetzung der Mülltrennung ist in den Stadt- und Landkreisen für die Stoffströme Glas-, Kunststoff-, Metall- und Papierverpackungen sowie für Papier, Textilien und auf freiwilliger Basis auch für andere stoffgleiche Nichtverpackungen eingeführt und funktioniert qualitativ und quantitativ weitgehend hervorragend . Mit dem vom Bund geplanten, aber in dieser Legislaturperiode gescheiterten Wertstoffgesetz sollen künftig alle relevanten Stoffströme getrennt gesammelt erfasst werden. Die Kreise leisten viel Aufklärungsarbeit, um die Bürgerinnen und Bürger zum getrennten Müllsammeln zu motivieren, was aber offenbar nicht lückenlos gelingt. Der Erfolg der Mülltrennung wird bei der Entwicklung der Wertstoffströme deutlich , wie sie aus den jährlichen, seit über 20 Jahren erstellten Abfallbilanzen des Landes („Landesliga der Kreise“) ersichtlich ist. Darin dokumentiert ist auch der damit verbundene Rückgang des sogenannten Restmülls seit den 1990er-Jahren. Auch Bioabfall wird bislang in der weit überwiegenden Zahl der Kreise bereits getrennt erfasst, eine umfassende flächendeckende Sammlung ist ab dem Jahr 2015 obligatorisch. 2. Wie stellen sich die Ökobilanzen der verschiedenen Mülltrennungsregelungen in den Stadt- und Landkreisen dar? Ökobilanzen zu einzelnen Stadt- und Landkreisen zu den unterschiedlichen Mülltrennungsregelungen liegen dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft nicht vor. Die Kreise haben teilweise – mit den Beschlüssen ihrer kommunalen Gremien – sehr unterschiedliche Systeme z. B. bei der Erfassung (Bringund Holsysteme) und auch bei der Zusammensetzung der getrennten Sammlungen (z. B. Sondersammelsysteme oder traditionelle Trennung in Restmüll und Bioabfälle). Dank der Transparenz der jährlichen Abfallbilanzen sind bei den erfassten und verwerteten Wertstofferfassungen keine signifikant unterschiedlichen Ökobilanzen ableitbar oder zu befürchten. Dies gilt umso mehr, als die Transportwege und Siedlungsstrukturen landesweit sehr unterschiedlich sind. Es wird darauf hingewiesen, dass nicht trotz, sondern auch wegen der geringen Restmüllmengen und der hohen Wertstoffströme die baden-württembergischen Müllgebühren im bundesweiten Vergleich mit am niedrigsten sind. Mülltrennung lohnt sich also, weil die vermarkteten Wertstoffe die Müllgebühren spürbar entlasten. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 3407 3. Wie beurteilt sie die verschiedenen Vor- und Nachteile der Mülltrennungssys - teme im Sinne einer Gesamtökobilanz? 4. Trifft es zu, dass der Nutzen von Mülltrennungssystemen und der daraus folgenden stofflichen und thermischen Verwertung zum Teil fraglich ist? 5. Hält sie eine Novellierung des Landesabfallgesetzes in diesem Fall für erforderlich ? Es gibt eine Vielzahl von Gutachten, Studien und Ökobilanzen zu dieser Thematik , die die unterschiedlichsten Stoffströme (z. B. Baustoffe wie Gips, Öl, Glas, Phosphor, Kunststoffe, Papier, Textilien, Metalle, Bioabfälle, Grünschnitt, Altholz bzw. der Produktströme wie Batterien, Elektrogeräte, Altfahrzeuge, Verpackungen , gemischte Siedlungs- und Gewerbeabfälle, Klärschlämme) betrachten . Diese Gutachten haben stets den erhöhten Aufwand für stoffliche Verwertungen gegenüber der bloßen thermischen Verwertung (Nutzung des energetischen Inhalts) berücksichtigt. Im Ergebnis bestehen keine ernsthaften Zweifel, dass eine – wenn möglich – gute Sortierung der Stoffströme in den meisten Fällen der Müllbeseitigung (durch Verbrennung oder der Deponierung), aber auch der energetischen Nutzung für Energie und Wärmegewinnung überlegen ist und zwar nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aus ökonomischen. Die Mülltrennung für wesentliche Stoffströme wird von der Europäischen Abfallrahmenrichtlinie (RL 2008/98) verbindlich ab 2015 europaweit vorgegeben und zwar zumindest für Papier, Metall, Kunststoff und Glas aus Haushaltungen und haushaltsähnlichen Anfallstellen und mit einer verbindlichen Quote von 50 Prozent unterlegt. Sie schreibt mit guten Gründen europaweit eine fünfstufige Abfallhierarchie vor, welche der Stufe 3 (Recycling) vor Stufe 4 (sonstige Verwertung z. B. thermische Verwertung) oder gar der Stufe 5 (Beseitigung) einen klaren Vorrang einräumt. Dies hat der Bundesgesetzgeber mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz umgesetzt. An diesen auf gesicherten Erkenntnissen basierenden vorrangigen Rechtsgrundlagen könnte auch eine Landesgesetzgebung nichts ändern. Die in der Presse wiedergegebenen und in der Begründung der Landtagsanfrage ausgeführten Äußerungen basieren auf der seit langem überholten Meinung, dass eine energetische Nutzung der Abfälle (die heute rechtlich erst auf der vierten nachrangigen Stufe der Abfallhierarchie zulässig ist) ökologisch einem Recycling (stoffliche Verwertung) gleichwertig sei, zumal wenn aus den Schlacken die enthaltenen Massenmetalle wie Kupfer und Eisen zurückgewonnen werden könnten. Der Aufwand, welcher ein in den letzten Jahren technisch stark weiterentwickeltes und automatisiertes Recycling verursacht, wird dabei oft stark überschätzt. Beispielsweise können dank neu entwickelter Sortier- und Trenntechnologien aus den sortiertechnisch schwierigen Kunststoffgemischen, z. B. des „gelben Sacks“, Rohstoffströme und Kunststoffgranulate mit einer Quote von bis zu 60 Prozent generiert werden. Entgegen der durchaus verbreiteten Meinung, dass die in gelbem Sack oder gelber Tonne gesammelten Kunststoffverpackungen „am Ende nur verbrannt würden“, werden heute schon staatlich vorgeschrieben und kontrolliert 36 Prozent zwingend stofflich recycelt. Eine Steigerung der Recyclingquoten bis zu 60 Prozent ist in der Diskussion. Generell gilt: Je besser vorsortiert, desto besser die ökologische und ökonomische Ausbeute und Wiedergewinnung von Rohstoffen für den weiteren Produktionsprozess , ganz besonders aufgrund des geringeren Verschmutzungsgrades. Wenn Papier, Kunststoffe, Elektrogeräte oder auch Bioabfälle durch „Störstoffe“ (also andere Abfälle) verschmutzt sind, ist eine stoffliche Nutzung nicht oder nur noch sehr eingeschränkt möglich. Dies wurde zuletzt in einem umfangreichen Umweltforschungsgutachten des Umweltbundesamtes zur Fortentwicklung der Verpackungsverordnung („Bestimmung der Idealzusammensetzung der Wertstofftonne “, Cyclos GmbH, Osnabrück, HTP GmbH Aachen 2011) nochmals exemplarisch nachgewiesen und gilt als weitgehend unstrittig. Abfälle sind ein Rechtsbegriff, der heute umgangssprachlich und gedanklich noch immer für „Stoffe zum Wegwerfen und Entsorgen“ verwendet wird. Doch Abfall ist heute „werthaltig“, deshalb „Wertstoff“, der bei vielen Stoffströmen enorme Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 3407 4 Marktgewinne erzielt. Dass in 1 Tonne Handys rund 250 Gramm Gold enthalten sind, wurde in den letzen Jahren zunehmend thematisiert. Deshalb sind Elektrogeräte in besonderem Maße getrennt zu halten, was auch im Elektro- und Elektroaltgerätegesetz vorgeschrieben ist. Sortierte Kunststoffe erzielen je nach Marktlage 400 bis 800 Euro/t oder Altpapier über 100 Euro/t. Anhand einiger Beispiele soll aufgezeigt werden, wie verschwenderisch es wäre, Wertstoffe unsortiert thermisch zur bloßen Energieerzeugung zu nutzen, anstatt sie möglichst auf der Abfallhierarchiestufe „Recycling“ zu verwerten: – Mit der energetischen Ausbeutung durch Verbrennung von Kunststoffen ist maximal diejenige Menge Rohöl energetisch zu verwerten, welche als Rohstoff im Kunststoff enthalten ist. Auch wenn dies vordergründig zunächst ökologisch akzeptabel erscheint, geht damit die gleiche Menge Rohöl, die zuvor zur Erzeugung dieses Kunststoffs aufgewendet wurde, verloren. In einem „Liter“ Kunststoff sind energetisch nämlich 2 Liter Rohöl enthalten. Darauf weist auch das jüngst veröffentlichte „Grünbuch der Kommission zu einer europäischen Strategie für Kunststoffabfälle in der Umwelt COM(2013) 123“ hin. – Selbst die bloße energetische Nutzung von Bioabfall in hochwertigen Müllheizkraftwerken ist in der Regel einer Biovergärung mit nachgeschalteter stofflicher Nutzung als Kompost unterlegen. – Bei der Glasherstellung wird 77 Prozent weniger Energie benötigt, wenn Altglas eingesetzt wird. – Die Verwendung von Altpapier – je sortenreiner desto besser – ist heute ein wichtiger und unverzichtbarer Teil der gesamten Papierherstellung. – Aluminiumrecycling benötigt lediglich 5 % der Energie, die zur Herstellung von Aluminium aus Bauxit benötigt wird. Stahlschrott wird zu 100 Prozent im Kreislauf geführt und erspart gegenüber der Produktion von neuem Stahl aus Rohstoffen mindestens 50 Prozent Energie. Voraussetzung für eine komplette Kreislaufwirtschaft in diesem Bereich ist (nur) die möglichst gute und umfassende Erfassung. Es ist dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft nicht bekannt, ob der ehemalige Staatsekretär und Abgeordnete Rezzo Schlauch diese Äußerungen wie zitiert getätigt hat. Es ist auch nicht bekannt ob mögliche Äußerungen von dem in dieser Sache bisher noch nicht als abfallrechtlich kundig bekannten Printmedium richtig wiedergegeben worden sind, nachdem dessen Zielgruppenund Themenorientierung eher auf anderen Schwerpunkten basiert. Angesichts der weitverbreiteten Erkenntnis der hohen ökologischen Vorteilhaftigkeit der möglichst guten Trennung von Abfallströmen wären Äußerungen, die sich gegen das Recycling richten, nicht als fachlich fundiert einzuschätzen. In Vertretung Meinel Ministerialdirektor << /ASCII85EncodePages false /AllowTransparency false /AutoPositionEPSFiles true /AutoRotatePages /None /Binding /Left /CalGrayProfile (None) /CalRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CalCMYKProfile (U.S. Web Coated \050SWOP\051 v2) /sRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CannotEmbedFontPolicy /Warning /CompatibilityLevel 1.6 /CompressObjects /Off /CompressPages true /ConvertImagesToIndexed true /PassThroughJPEGImages false /CreateJobTicket false /DefaultRenderingIntent /Default /DetectBlends true /DetectCurves 0.1000 /ColorConversionStrategy /LeaveColorUnchanged /DoThumbnails false /EmbedAllFonts true /EmbedOpenType false /ParseICCProfilesInComments true /EmbedJobOptions true /DSCReportingLevel 0 /EmitDSCWarnings false /EndPage -1 /ImageMemory 524288 /LockDistillerParams true /MaxSubsetPct 100 /Optimize true /OPM 1 /ParseDSCComments false /ParseDSCCommentsForDocInfo true /PreserveCopyPage true /PreserveDICMYKValues true /PreserveEPSInfo true /PreserveFlatness true /PreserveHalftoneInfo false /PreserveOPIComments true /PreserveOverprintSettings true /StartPage 1 /SubsetFonts true /TransferFunctionInfo /Preserve /UCRandBGInfo /Preserve /UsePrologue false /ColorSettingsFile () /AlwaysEmbed [ true ] /NeverEmbed [ true ] /AntiAliasColorImages false /CropColorImages true /ColorImageMinResolution 150 /ColorImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleColorImages true /ColorImageDownsampleType /Bicubic /ColorImageResolution 300 /ColorImageDepth 8 /ColorImageMinDownsampleDepth 1 /ColorImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeColorImages true /ColorImageFilter /FlateEncode /AutoFilterColorImages false /ColorImageAutoFilterStrategy /JPEG /ColorACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /ColorImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000ColorACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000ColorImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasGrayImages false /CropGrayImages true /GrayImageMinResolution 150 /GrayImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleGrayImages true /GrayImageDownsampleType /Bicubic /GrayImageResolution 600 /GrayImageDepth 8 /GrayImageMinDownsampleDepth 2 /GrayImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeGrayImages true /GrayImageFilter /FlateEncode /AutoFilterGrayImages false /GrayImageAutoFilterStrategy /JPEG /GrayACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /GrayImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000GrayACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000GrayImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasMonoImages false /CropMonoImages true /MonoImageMinResolution 1200 /MonoImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleMonoImages true /MonoImageDownsampleType /Bicubic /MonoImageResolution 600 /MonoImageDepth -1 /MonoImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeMonoImages true /MonoImageFilter /CCITTFaxEncode /MonoImageDict << /K -1 >> /AllowPSXObjects true /CheckCompliance [ /None ] /PDFX1aCheck false /PDFX3Check false /PDFXCompliantPDFOnly false /PDFXNoTrimBoxError true /PDFXTrimBoxToMediaBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXSetBleedBoxToMediaBox true /PDFXBleedBoxToTrimBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXOutputIntentProfile (None) /PDFXOutputConditionIdentifier () /PDFXOutputCondition () /PDFXRegistryName (http://www.color.org) /PDFXTrapped /False /CreateJDFFile false /SyntheticBoldness 1.000000 /Description << /DEU () >> >> setdistillerparams << /HWResolution [1200 1200] /PageSize [595.276 841.890] >> setpagedevice