Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 4121 21. 10. 2013 1Eingegangen: 21. 10. 2013 / Ausgegeben: 21. 11. 2013 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Anforderungen müsste nach ihrer Kenntnis der Betrieb Maier für eine Anerkennung als „kulturelle Veranstaltung“ nach § 45 Absatz 2 Viehverkehrverordnung (ViehVerkVO) erfüllen? 2. Welche Anforderungen müsste der Betrieb Maier erfüllen, um nach ihrer Kenntnis weiterhin Direktzahlungen der Europäischen Union (EU) zu erhalten? 3. Wären beide Wege der Betriebsführung (sowohl als „kulturelle Einrichtung“ als auch als landwirtschaftlicher Produktionsbetrieb) aus ihrer Sicht miteinander verknüpfbar und wenn nicht, welche Gründe stehen dem entgegen? 4. Aus welchen rechtlichen Gründen ist eine Anerkennung des Betriebs Anette Maier als „kulturelle Veranstaltung“ im Sinne des § 45 Absatz 2 ViehVerkVO (Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr ) aus ihrer Sicht nicht möglich? 5. Sieht sie in der Kennzeichnung von Rindern mittels „Chipping“ eine technisch ausgereifte und alle Sicherheitsanforderungen erfüllende Alternative zur Ohrmarke , die zudem beim Injizieren und Weidegang mehr Tierschutz bietet? 6. Wie beurteilt sie aus ihrer Sicht die tierschutzrelevanten Aspekte der Haltung, Betäubung, Tötung und Schlachtung im Betrieb Maier? 7. Wird sie sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür einsetzen, dass in Anbetracht der technischen Entwicklung und unter Beachtung der Anforderungen des Verbraucherschutzes ausreichende Flexibilisierungsmöglichkeiten im Bereich der Tierkennzeichnung („Chipping“ u. a.) und der Schlachthygiene für Betriebe mit extensiven Tierhaltungsformen geschaffen werden? 26. 09. 2013 Pix GRÜNE Kleine Anfrage des Abg. Reinhold Pix GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Kennzeichnungsmethoden bei Rindern sowie behördliche Anordnungen gegenüber dem Biolandbetrieb Maier (URIA e. V.), Balingen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4121 2 B e g r ü n d u n g Das Landratsamt Zollernalbkreis wurde vom Regierungspräsidium Tübingen am 10. Juli 2013 angewiesen, eine dem rinderhaltenden Betrieb Maier (URIA e. V.) am 10. Juni 2013 erteilte Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Absatz 2 ViehVerkVO zurückzunehmen. Diese hatte dem Betrieb die Möglichkeit gegeben, auf die von der EU vorgeschriebenen Ohrmarken zu verzichten. Der Betrieb könne als „kulturelle Ver - anstaltung“ im Sinne des § 45 Absatz 2 ViehVerkVO anerkannt werden, da die Tiere gehalten würden, um interessierten Verbrauchern, Landwirten und Wissenschaftlern die Möglichkeit zu bieten, eine Rinderherde in ihrem ursprünglichen Wesen zu erleben. Die Rinderhaltung des Betriebs entspricht in den Grundzügen einer von Bündnis 90/DEN GRÜNEN sowie vielen Verbraucher/-innen und Tierschützer/-innen gewünschten Form artgerechter Tierhaltung: ganzjährige Weidehaltung, schallgedämpfte Betäubung der Rinder direkt auf der Weide, Abtransport in einer mobilen Schlachtbox. Die Chip-Kennzeichnung soll nun nicht mehr geduldet werden. Formal gesehen liegt auf Seiten des Betriebs ein Verstoß gegen die ViehVerkVO und die EU-Verordnung 1760/2000 vor, weil beide Regelwerke keine Ausnahme von der Ohrmarken-Kennzeichnung zulassen. Gleichzeitig lägen nicht die Voraussetzungen für eine Anerkennung im Sinne des § 45 Absatz 2 ViehVerkVO als sog. „kulturelle Veranstaltung“ vor. Die hier erfolgte Anordnung bedeutet faktisch das Aus für diese anerkennenswerte Form der Tierhaltung , da der Bezug der EU-Direktzahlungen an die Vorgaben der Verordnung geknüpft ist. Rechtlich liegt eine deutliche Regelungslücke vor. Die EU-Verordnung berücksichtigt nicht die Besonderheiten der extensiven Weidehaltung: Tiere streifen durch Gebüsch, Ohrmarken werden leicht abgerissen, Wunden entstehen. Die Tiere sind gegenüber menschlichen Eingriffen extrem stressanfällig. Da die im Jahr 2000 erlassene Verordnung nicht die neuen technischen Entwicklungen des Chippings berücksichtigt, ist sie heute als veraltet zu bezeichnen. Weder die EU noch der Bundesgesetzgeber haben bisher Initiativen ergriffen, um diese Regelungslücke zu schließen. Letztlich ist der Verstoß Maiers daher die Folge eines „gesetzgeberischen Unterlassens“. Baden-Württemberg sollte sich dafür einsetzen , dass die EU-Verordnung 1760/2000 dem aktuellen technischen Stand und den Erfordernissen artgerechter Tierhaltung baldmöglichst angepasst wird. A n t w o r t Mit Schreiben vom 11. November 2013 Nr. Z(33)-0141.5/295F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Anforderungen müsste nach ihrer Kenntnis der Betrieb Maier für eine Anerkennung als „kulturelle Veranstaltung“ nach § 45 Absatz 2 Viehverkehrverordnung (ViehVerkVO) erfüllen? Zu 1.: Voraussetzungen für die Anerkennung eines Betriebs als kulturelle Veranstaltung ergeben sich aus dem EU- und Bundesrecht sowie aufgrund der Rechtsprechung. Der Begriff „kulturelle Veranstaltung“ ist im EU-Recht verankert. In Artikel 4 der VO (EG) Nr. 1760/2000 ist ausgeführt, dass Rinder, die für kulturelle oder sportliche Veranstaltungen (mit Ausnahme von Messen und Ausstellun- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4121 gen) bestimmt sind, statt mit einer Ohrmarke nach einem von der Kommission genehmigten Kennzeichnungssystem gekennzeichnet werden können, das gleichwertige Garantien bietet. In der VO (EG) Nr. 644/2005 werden die Vorschriften für ein besonderes System zur Kennzeichnung von Rindern festgelegt, die von der zuständigen Behörde als Tiere anerkannt werden, die für kulturelle und historische Zwecke in einem von dieser Behörde zu diesem Zweck anerkannten Betrieb gehalten werden. Die VO (EG) Nr. 2680/1999 gilt für Stiere definierter spanischer, portugiesischer und französischer Rinderrassen. Der § 45 Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV) regelt hingegen die „Tierhaltung in besonderen Fällen“. Gemäß Absatz 2 kann die zuständige Behörde für nach der ViehVerkV kennzeichnungspflichtiges Vieh, das in Zoos, Wildparks, Zirkussen oder ähnlichen Einrichtungen gehalten wird, an - dere Kennzeichnungen genehmigen, soweit deren jederzeitige Ablesbarkeit gewährleistet ist. Das Wesensmerkmal eines Zoos, Zirkusses oder Wildparks ist in der Hauptsache eine Zurschaustellung von Tieren. Eine „ähnliche Einrichtung“ setzt daher ebenfalls diese Zurschaustellung im Hauptzweck voraus. Dies ist aber bei einem Betrieb, der das erzeugte Fleisch unter Gewinnerzielungsabsicht als Lebensmittel in den Verkehr bringt nicht der Fall. Hauptzweck ist hier eine typische landwirtschaftliche Tierhaltung und eine entsprechende landwirtschaftliche Flächen nutzung. Der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 25. Juli 2005 (Az 9 S 947/05) ausgeführt, dass die Freilandhaltung von Hinterwälder-Rindern keine kulturelle Veranstaltung im Sinne der VO (EG) 1760/2000 ist und nicht von der Pflicht der Ohrmarkenkennzeichnung befreit. Die 7. Kammer des VG Oldenburg stellt des weiteren in einem Urteil vom 19. Feb - ruar 2013 (Az 7 A 4030/12) fest, dass über die in der VO (EG) Nr. 2680/1999 abschließend aufgeführten Stierrassen und Organisationen hinaus weitere zugelassene Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht nicht bekannt sind. 2. Welche Anforderungen müsste der Betrieb Maier erfüllen, um nach ihrer Kenntnis weiterhin Direktzahlungen der Europäischen Union (EU) zu erhalten ? Zu 2.: Für die Gewährung von Direktzahlungen gibt es eine Vielzahl von Voraussetzungen , die sich aus unterschiedlichsten Rechtsgrundlagen ergeben. Exemplarisch sind in diesem Zusammenhang zu nennen die EU-Verordnungen (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (ABl. EU Nr. L 30, S. 16) und Nr. 1121/2009 der Kommission vom 29. Oktober 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates hinsichtlich der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe nach den Titeln IV und V der Verordnung (ABl. EU Nr. L 316, S. 27) sowie national das Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz – BetrPrämDurchfG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. November 2010 (BGBl. I S. 1720) und die Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung – BetrPrämDurchfV), in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2376), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 7. Mai 2010 (eBAnz 2010 AT51 V1) geändert worden ist. Stark vereinfachend dargestellt ergeben sich hieraus folgende Förderbedingungen und -kriterien: • Antragsteller ist Betriebsinhaber eines landwirtschaftlichen Unternehmens (landwirtschaftlicher Betrieb). Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4121 4 • Eigenverantwortliche Bewirtschaftung des Betriebes zum 15. Mai. • Die beantragten Flächen sind grundsätzlich während des gesamten Kalenderjahres beihilfefähig. • Grundsätzlich werden keine Direktzahlungen gewährt, wenn die beihilfefähige Fläche des Betriebs kleiner als 1 Hektar ist. • Die Höhe der Förderung ist abhängig von der Anzahl der Zahlungsansprüche, über die ein Antragsteller verfügen kann. • Je Hektar beihilfefähiger Fläche kann ein Zahlungsanspruch aktiviert werden. • Die Betriebsprämie unterliegt der Modulation, d. h. Zahlungen, die in der Summe 5.000 € übersteigen, werden gekürzt. Ferner ist die Gewährung von Direktzahlungen und anderen flächenbezogenen Maßnahmen (z. B. Agrarumweltmaßnahmen) zwingend an die Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Umwelt, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit sowie Tiergesundheit und Tierschutz (Cross Compliance) geknüpft. Verstöße gegen diese Vorschriften führen zu einer Kürzung bzw. sogar zu einem vollständigen Wegfall der Direktzahlungen. Diese für alle Antragsteller geltenden Cross Compliance Regelungen umfassen: – Regelungen zur Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand, – Regelungen zur Erhaltung von Dauergrünland, – 18 einschlägige Regelungen zu den Grundanforderungen an die Betriebsführung : Diese Fachrechts-Regelungen bestehen unabhängig von Cross Compliance . Als landwirtschaftlicher Betrieb gilt, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt. Landwirtschaftliche Tätigkeit ist die Erzeugung, die Zucht oder der Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, einschließlich Ernten, Melken, Zucht von Tieren und Haltung von Tieren für landwirtschaftliche Zwecke, oder die Erhaltung von Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand. Die EU-Kommission prüft in diesem Zusammenhang die Zahlstellen der Länder regelmäßig hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Kontroll- und Verwaltungsverfahren . Festgestellte Verstöße werden grundsätzlich mit hohen Anlastungszahlungen geahndet. 3. Wären beide Wege der Betriebsführung (sowohl als „kulturelle Einrichtung“ als auch als landwirtschaftlicher Produktionsbetrieb) aus ihrer Sicht miteinander verknüpfbar und wenn nicht, welche Gründe stehen dem entgegen? Zu 3.: Zu den Cross Compliance-relevanten Vorschriften gehört nach derzeit geltendem Recht unter anderem die grundsätzliche Verpflichtung von Rinderhaltern, alle im Betrieb gehaltenen Tiere durch zwei identische Ohrmarken identifizierbar zu machen. Soweit in der vorliegenden Anfrage zum einen der Begriff der „kulturellen Einrichtung“, zum anderen die Viehverkehrsverordnung angeführt worden sind, ist – wie teilweise bereits bei der Beantwortung zu Frage 1 ausgeführt – zweierlei zu unterscheiden: • Aus der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 konkretisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 644/2005 ergeben sich in bestimmten Fällen Ausnahmemöglichkeiten von der benannten Kennzeichnungspflicht. Durch die Rechtsprechung (u. a. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Juli 2005, 9 S 947/05) ist allerdings eindeutig klargestellt, dass die Freilandhaltung von Rindern keine kul - turelle Veranstaltung im Sinne der benannten Ausnahmevorschriften ist, selbst wenn das Abweiden von Wiesen der Erhaltung der Kulturlandschaft dient. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4121 Gleiches gilt selbst dann, wenn die Haltung von Rindern auf einem „Gnadenhof “ nicht der Erzeugung von Lebensmitteln, sondern nur Anschauungszwecken dient (VG Oldenburg, Urteil vom 19. Februar 2013, 7 A 4030//12). Die von § 45 Abs. 2 der Viehverkehrsverordnung („Vieh, das in Zoos, Wildparks , Zirkussen oder ähnlichen Einrichtungen gehalten wird“) erfassten Fälle können grundsätzlich dann angenommen werden, wenn die Zurschaustellung von Tieren Hauptweck der Tierhaltung ist. Der Haltungszweck „Erzeugung von Lebensmitteln“ lässt die Einstufung des Zwecks „Zurschaustellung“ allenfalls als Nebenzweck zu. Die Bewertung einer Einrichtung als „zoo- oder wildparkähnlich “ setzt ferner voraus, dass „lebende Tiere wild lebender Arten“ zur Schau gestellt werden. Die alleinige Tatsache, dass Rinder in Freilandhaltung gehalten werden, ermöglicht kategorial betrachtet derzeit nicht die Einstufung der Spezies als wildlebende Tierart. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Viehverkehrsverordnung der nationalrechtlichen Umsetzung europäischer Richtlinien dient. Soweit allerdings der Anwendungsbereich der unmittelbar geltenden und oben dargestellten europarechtlichen Verordnungen reicht, ist aufgrund des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts kein Raum für zusätzliche Ausnahmetatbestände aufgrund der Viehverkehrsverordnung. Nach alledem bleibt es bei den oben dargestellten Förderbedingungen, zu denen auch die Einhaltung der Cross Compliance-relevanten Verpflichtungen gehört. 4. Aus welchen rechtlichen Gründen ist eine Anerkennung des Betriebs Anette Maier als „kulturelle Veranstaltung“ im Sinne des § 45 Absatz 2 ViehVerkVO (Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr ) aus ihrer Sicht nicht möglich? Zu 4.: Aufgrund der zu Fragen 1 und 2 ausführlich dargestellten aktuellen Rechtslage und der daraufhin ergangenen Gerichtsurteile ist eine Anerkennung von landwirtschaftlichen Betrieben mit Rindern in Freilandhaltung als kulturelle Veranstaltung nicht möglich und würde den in der VO (EG) Nr. 1760/2000 genannten Erwägungsgründen zur Kennzeichnung von Rindern, die zu landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden, widersprechen. 5. Sieht sie in der Kennzeichnung von Rindern mittels „Chipping“ eine technisch ausgereifte und alle Sicherheitsanforderungen erfüllende Alternative zur Ohrmarke , die zudem beim Injizieren und Weidegang mehr Tierschutz bietet? Zu 5.: Die Kennzeichnung von Rindern mittels „Chipping“ ist eine technisch ausgereifte Alternative mit der Einschränkung, dass bei ausschließlicher Anwendung eine direkte Ablesung ohne zusätzliche technische Hilfsmittel nicht möglich ist. Im Gegensatz zum Ablesen der Ohrmarke (mit Fernglas auch aus größerer Ent - fernung möglich) muss bei der Chipkontrolle mit Lesegeräten eine Nähe von unter 50 cm gegeben sein, sodass scheue Tiere fixiert werden müssten. Ein Implantat bietet im Vergleich mit einer Ohrmarke nach derzeitiger Kenntnis allerdings nicht grundsätzlich mehr Tierschutz. Beide Kennzeichnungsverfahren sind kaum invasiv, ohne Betäubung zur Anwendung beim Tier zugelassen und können bei fachkundiger Anwendung in der Regel ohne nennenswerte Belas - tung der Tiere vorgenommen werden. Ebenso wie eine Ohrmarke ausreißen kann, besteht das Risiko beim Transponder, dass er im Einzelfall Entzündungen verursacht. Dies ist auch der Grund dafür, dass über 99 % der biologischen und konventionellen rinderhaltenden Betriebe keine Probleme mit den Ohrmarken haben. Abschließende wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich der Tierschutzre - levanz beider Systeme sind dem Ministerium für Ländlichen Raum und Ver - braucherschutz nicht bekannt. Ein signifikanter Unterschied in der Schwere der Maßnahme kann allerdings nicht angenommen werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4121 6 Hinsichtlich des Zwecks der Kennzeichnung macht der Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Möglichkeit der Einführung der elektronischen Kennzeichnung von Rindern (KOM/2005/0009 endg.) deutlich , dass der Lesefehler bei injizierbaren Transpondern bei ca. 0,7 % liegt, aber nur 80 % der Chips aus dem Schlachtkörper entnommen werden konnten. Das Auffinden des Transponders ist jedoch aus Gründen des Verbraucherschutzes unumgänglich . Daher bietet die Kennzeichnung mittels Ohrmarke grundsätzlich mehr Sicherheit. Allerdings können Ohrmarken durch die Gefahr des Ausreißens zusätzlichen Aufwand verursachen. Insgesamt ist bei Ohrmarken mit einer Verlustquote von etwa 5 % zu rechnen. Für bestimmte Haltungsverfahren könnte die alternative Kennzeichnung mit einem injizierbaren Transponder dazu beitragen, Verletzungen der Tiere zu vermeiden . Eine entsprechende Genehmigung alternativer Kennzeichnungen ist in Anbetracht der bestehenden gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften nur über eine Änderung des EU-Rechts denkbar. 6. Wie beurteilt sie aus ihrer Sicht die tierschutzrelevanten Aspekte der Haltung, Betäubung, Tötung und Schlachtung im Betrieb Maier? Zu 6.: Eine Beurteilung der Haltungsverfahren und des Managements von Einzelbetrieben ist der Landesregierung nicht möglich. Daher können nur allgemeine Betrachtungen erwogen werden. Zur Haltung: Eine ganzjährige Freilandhaltung von Tieren ist in klimatisch geeigneten Gebieten grundsätzlich zu begrüßen. Dabei müssen die entsprechenden Voraussetzungen zur Befriedigung des gefahrlosen Bewegungs-, des Ernährungs- und Schutzbedürfnisses des Tieres vorliegen. Da in Baden-Württemberg die Haltung von Rindern räumlich gesehen nicht grenzenlos möglich ist, hat der Mensch ihnen gegenüber eine besondere Obsorgepflicht zu erfüllen. Anders als in der freien Natur kann er die Tiere unter diesen Umständen nicht sich selbst überlassen. So muss er sie beispielsweise auch behandeln können, wenn sie sich verletzen oder erkranken . Dazu muss eine entsprechende Infrastruktur vorhanden sein. Jede extensive Rinderhaltung muss diese Kriterien erfüllen. Zur Betäubung: Betäubung ist das Ausschalten der bewussten Wahrnehmung und Empfindung. Eine Betäubung kann reversibel oder irreversibel sein. Letztere führt zwangs - weise zum Tod. Der Zeitraum von der Betäubung bis zum Eintritt des Todes hängt von der angewandten Methode ab. Ein zielgerichteter Kugelschuss in das Gehirn führt relativ unmittelbar zum Tod, sodass in diesem Fall die Betäubung praktisch ohne Bedeutung ist. Allerdings zeigen begleitende Untersuchungen, dass es auch bei dieser Methode zu Fehlschüssen kommt (Zeitschrift Amtsärzt - liche Dienst und Lebensmittelkontrolle 2013, S. 173; Der Spiegel 14/2013 S. 107). Zur Schlachtung: Schlachtung ist nach Definition der EU die Tötung von Tieren zum Zweck des menschlichen Verzehrs. Ist die Zweckbestimmung eine andere, z. B. Bestands - regulierung, Erlösung von Noxen, Gewinnung von Futtermitteln oder anderes, handelt es sich rechtlich gesehen um eine schlichte Tötung. Was bei der Schlachtung als gegeben angesehen wird, ist bei einer Tötung immer zu prüfen, nämlich ob hierfür ein vernünftiger Grund vorliegt. 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4121 7. Wird sie sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür einsetzen, dass in Anbetracht der technischen Entwicklung und unter Beachtung der Anforderungen des Verbraucherschutzes ausreichende Flexibilisierungsmöglichkeiten im Bereich der Tierkennzeichnung („Chipping“ u. a.) und der Schlachthygiene für Betriebe mit extensiven Tierhaltungsformen geschaffen werden? Zu 7.: Die Landesregierung bereitet derzeit eine Bundesratsinitiative vor, mit der die Bundesregierung aufgefordert werden soll, sich auf EU-Ebene für die Kennzeichnung landwirtschaftlicher Nutztiere mit injizierbaren Transpondern einzusetzen und diese Methode nicht nur, wie auf EU-Ebene geplant, zusammen mit einer Ohrmarke zuzulassen, sondern auch als alternative Kennzeichnung. Die Vorgaben des Hygienerechts enthalten seit November 2011 eine nationale, bei der EU notifizierte Abweichungsregelung (§ 12 der Tier-LMHV), die die Schlachtung von Rindern im Herkunftsbetrieb – also auch auf der Weide – ermöglicht . Diese sieht keine Einschränkungen bei der Vermarktung des Fleischs vor. Das Hygienerecht der EU sieht eine derartige Regelung für Hausrinder nicht vor, lediglich für Bisons ist im EU-Recht eine entsprechende Ausnahme vorge - sehen. Die Landesregierung wird auch weiterhin eine flexible Anwendung und Weiterentwicklung der hygienerechtlichen Bestimmungen unterstützen und vorantreiben , die fachlich angemessen sind und insbesondere den Belangen kleiner Unternehmen entgegenkommen. In Vertretung Reimer Ministerialdirektor << /ASCII85EncodePages false /AllowTransparency false /AutoPositionEPSFiles true /AutoRotatePages /None /Binding /Left /CalGrayProfile (None) /CalRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CalCMYKProfile (U.S. Web Coated \050SWOP\051 v2) /sRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CannotEmbedFontPolicy /Warning /CompatibilityLevel 1.6 /CompressObjects /Off /CompressPages true /ConvertImagesToIndexed true /PassThroughJPEGImages false /CreateJobTicket false /DefaultRenderingIntent /Default /DetectBlends true /DetectCurves 0.1000 /ColorConversionStrategy /LeaveColorUnchanged /DoThumbnails false /EmbedAllFonts true /EmbedOpenType false /ParseICCProfilesInComments true /EmbedJobOptions true /DSCReportingLevel 0 /EmitDSCWarnings false /EndPage -1 /ImageMemory 524288 /LockDistillerParams true /MaxSubsetPct 100 /Optimize true /OPM 1 /ParseDSCComments false /ParseDSCCommentsForDocInfo true /PreserveCopyPage true /PreserveDICMYKValues true /PreserveEPSInfo true /PreserveFlatness true /PreserveHalftoneInfo false /PreserveOPIComments true /PreserveOverprintSettings true /StartPage 1 /SubsetFonts true /TransferFunctionInfo /Preserve /UCRandBGInfo /Preserve /UsePrologue false /ColorSettingsFile () /AlwaysEmbed [ true ] /NeverEmbed [ true ] /AntiAliasColorImages false /CropColorImages true /ColorImageMinResolution 150 /ColorImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleColorImages true /ColorImageDownsampleType /Bicubic /ColorImageResolution 300 /ColorImageDepth 8 /ColorImageMinDownsampleDepth 1 /ColorImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeColorImages true /ColorImageFilter /FlateEncode /AutoFilterColorImages false /ColorImageAutoFilterStrategy /JPEG /ColorACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /ColorImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000ColorACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000ColorImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasGrayImages false /CropGrayImages true /GrayImageMinResolution 150 /GrayImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleGrayImages true /GrayImageDownsampleType /Bicubic /GrayImageResolution 600 /GrayImageDepth 8 /GrayImageMinDownsampleDepth 2 /GrayImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeGrayImages true /GrayImageFilter /FlateEncode /AutoFilterGrayImages false /GrayImageAutoFilterStrategy /JPEG /GrayACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /GrayImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000GrayACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000GrayImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasMonoImages false /CropMonoImages true /MonoImageMinResolution 1200 /MonoImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleMonoImages true /MonoImageDownsampleType /Bicubic /MonoImageResolution 600 /MonoImageDepth -1 /MonoImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeMonoImages true /MonoImageFilter /CCITTFaxEncode /MonoImageDict << /K -1 >> /AllowPSXObjects true /CheckCompliance [ /None ] /PDFX1aCheck false /PDFX3Check false /PDFXCompliantPDFOnly false /PDFXNoTrimBoxError true /PDFXTrimBoxToMediaBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXSetBleedBoxToMediaBox true /PDFXBleedBoxToTrimBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXOutputIntentProfile (None) /PDFXOutputConditionIdentifier () /PDFXOutputCondition () /PDFXRegistryName (http://www.color.org) /PDFXTrapped /False /CreateJDFFile false /SyntheticBoldness 1.000000 /Description << /DEU () >> >> setdistillerparams << /HWResolution [1200 1200] /PageSize [595.276 841.890] >> setpagedevice