Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 4283 05. 11. 2013 Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung Verkehrsinfrastrukturfinanzierung G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie beurteilt sie die von der Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung “ erzielten Ergebnisse? 2. Worin sieht sie den Mehrwert der Ergebnisse der Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ gegenüber den Ergebnissen der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“? 3. Stimmt sie der Feststellung der Verkehrsministerkonferenz, dass die Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur alle Verkehrsträger betrifft, auch in Bezug auf das Land Baden-Württemberg, zu? 4. Auf welchen Betrag beziffert sie auf Basis des Haushalts 2013/2014 das jährliche Finanzierungsdefizit im Bereich der Landesstraßen in Baden-Württemberg (unterteilt nach Neubau-, Ausbau- und Erhaltungsmaßnahmen)? 5. Plant sie vor diesem Hintergrund, die für die Landesstraßen verfügbaren Mittel für die Jahre nach 2014 zu erhöhen? 6. Bis wann wird sie – wie grundsätzlich von der Verkehrsministerkonferenz vorgeschlagen – die Einrichtung eines Infrastrukturfonds zur Verstetigung der Landesstraßenfinanzierung entsprechend auf der Landesebene umsetzen? 7. Welche Alternativen zu einer Fondslösung sieht sie für eine Verstetigung der Landesstraßenfinanzierung, wenn sich eine Fondslösung kurz- oder mittelfristig nicht als praktikabel erweisen sollte? 8. Plant sie, sich über das bereits begonnene Projekt „Priorisierung von Projekten nach definierten Kriterien“ hinaus an den von der Verkehrsministerkonferenz vorgeschlagenen Pilotprojekten zu einer bedarfsgerechten Bereitstellung der Verkehrsinfrastruktur zu beteiligen? Eingegangen: 05. 11. 2013 / Ausgegeben: 07. 01. 2014 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4283 2 9. Ist sie der Auffassung, dass im Land – wie von der Verkehrsministerkonferenz gefordert – ausreichend Personal im Infrastrukturbereich für Planung, Bauleitung und Gewährleistungsaufgaben zur Verfügung steht? 10. Wie beurteilt sie die folgenden, von der Verkehrsministerkonferenz genannten Optionen zur Ausweitung der Nutzerfinanzierung: a) Ausweitung der entfernungsabhängigen Maut für Lastkraftwagen (Lkw) ab 12 Tonnen (t) auf alle Bundesstraßen, b) Ausweitung der Lkw-Maut für Lkw ab 12 t auf Landesstraßen, c) Ausweitung der Lkw-Maut auf Lkw ab 7,5 t? 11. Bevorzugt sie zur (anteiligen) Schließung der Deckungslücke eine Erhöhung der Lkw-Maut gegenüber der Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr für Personenkraftwagen (Pkw)? 12. Worin sieht sie die Vorteile einer Erhöhung der Lkw-Maut gegenüber der Einführung von Straßenbenutzungsgebühren für Pkw? 13. Rechnet sie bei Erhöhung der Lkw-Maut in der von der Verkehrsministerkonferenz vorgeschlagenen Höhe von mindestens 2,3 Milliarden Euro jährlich mit Auswirkungen auf die Verbraucherpreise (mit Begründung)? 14. Plant sie, die von der Verkehrsministerkonferenz empfohlene Ausweitung der Fördertatbestände im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz auf Erhalt und Sanierung auch in das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für Baden-Württemberg zu übernehmen? 15. Führt sie aktuell Gespräche mit dem Bund über die von der Verkehrsministerkonferenz geforderte höhere Dynamisierung der Regionalisierungsmittel und wie beurteilt sie die Chancen, dass es – wie von der Verkehrsministerkonferenz gefordert – bis 2014 zu einer für das Land vorteilhaften Revision der Regionalisierungsmittel kommt? 16. Welche Initiativen hat sie bisher ergriffen und wird sie weiterhin im Hinblick auf die Entflechtungsmittel ergreifen? 17. Bis wann wird sie im Bereich der Brücken, die nicht in die Baulast des Bundes fallen, die Nachberechnungen und Zustandserhebungen abgeschlossen haben und welcher Finanzierungsbedarf wird sich hieraus ergeben? 18. Wird sie für die Durchführung der o. g. Brückensanierungen einen Sonderfonds unter Angabe der Mittelausstattung einrichten bzw. in welcher Weise soll die Finanzierung erfolgen? 19. Nach welchen Kriterien wird die Sanierung dieser Brücken priorisiert und welcher konkrete Zeitplan für die Erledigung aller Arbeiten wird zugrunde gelegt? 20. Wird es in Erwägung gezogen, zur Beschleunigung dringlicher Brückensanierungsmaßnahmen die Deckungsfähigkeit von Haushaltsmitteln für den Radverkehr hin zum Straßenverkehr zu nutzen? 21. Gibt es aus ihrer Sicht einen Zielkonflikt zwischen Nettonull beim Flächenverbrauch und dem Neu- und Ausbau des Radverkehrsnetzes? 05. 11. 2013 Dr. Rülke, Haußmann und Fraktion Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4283 3 B e g r ü n d u n g Die Verkehrsinfrastruktur ist das Rückgrat für Wohlstand und Lebensqualität in Baden-Württemberg. Wirtschaft und Menschen sind auf eine leistungsfähige Infrastruktur angewiesen, die den Erfordernissen eines großen Flächenlandes gerecht wird. Es greifen Infrastrukturnetze unter Finanzierungshoheit des Bundes sowie des Landes ineinander, ebenso sind Planungsprozesse verwoben. In jüngerer Vergangenheit haben sich die zwei in der Fragestellung erwähnten Kommissionen mit den Herausfordernissen aus dem Themenbereich Verkehrsinfrastruktur befasst. Die Große Anfrage soll die Positionierung der Landesregierung darlegen sowie darstellen, welche konkrete Umsetzung sie in ihrem eigenen Kompetenzbereich in welchem Zeitrahmen realisieren wird. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 17. Dezemebr 2013 Nr. I–3800: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Krebs Ministerin im Staatsministerium Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4283 4 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 Nr. 51–0141.5/72 beantwortet das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und dem Innenministerium im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie beurteilt sie die von der Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung “ erzielten Ergebnisse? Die in der Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ („Bodewig -Kommission“) erzielten Ergebnisse stellen einen beachtlichen Erfolg dar. Mit dem Beschluss der Sonderverkehrsministerkonferenz vom 2. Oktober 2013 ist es gelungen, rechtzeitig vor dem Beginn der Koalitionsverhandlungen im Bund die Unterfinanzierung des Verkehrs in Deutschland in einem breiten politischen Konsens zu thematisieren, zu beziffern und konkrete Vorschläge an die Bundesregierung und den Bundestag zu richten, wie dem Zustand der Unterfinanzierung von Betrieb und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur abgeholfen werden kann. Aus Sicht der Landesregierung ist besonders zu begrüßen, dass die Zielvorstellung der nachhaltigen Mobilität erstmals in einem allstimmigen Beschluss der Verkehrsministerkonferenz verankert werden konnte. 2. Worin sieht sie den Mehrwert der Ergebnisse der Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ gegenüber den Ergebnissen der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“? Die vorlaufende Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ (Daehre) hatte die klare Aufgabe, eine sachliche Grundlage für die Diskussion um den Finanzbedarf als auch um die Möglichkeiten der Mittelbereitstellung zu schaffen. Dieses Ziel hat sie mit Vorlage des umfangreichen Abschlussberichtes im Dezember 2012 erreicht. Dieser Bericht enthält nicht nur die valide Datengrundlage für die Beschreibung des Gesamtdefizites von 7,2 Mrd. Euro, sondern auch in kurzer Bewertung alle möglichen Instrumente zur Ausweitung der Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur. Der Mehrwert der Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung “ (Bodewig) besteht darin, dass sie sich auf eine Auswahl der von der Daehre-Kommission aufgezeigten Instrumente verständigt hat. Die politische Entscheidung der parteiübergreifend besetzten Kommission hat den einstimmigen Beschluss der Sonderverkehrsministerkonferenz (Bodewig-Beschluss) erst ermöglicht. Mit diesem Beschluss wird der künftigen Bundesregierung die verkehrs- und gesellschaftspolitische Zielsetzung, ein abgestimmtes Paket an Maßnahmen und Instrumenten sowie eine sinnvolle zeitliche Schrittfolge für die Umsetzung neuer Finanzierungsmodell aufgezeigt. 3. Stimmt sie der Feststellung der Verkehrsministerkonferenz, dass die Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur alle Verkehrsträger betrifft, auch in Bezug auf das Land Baden-Württemberg, zu? Die Verkehrsministerkonferenz hat das Defizit in Höhe von 7,2 Mrd. Euro pro Jahr festgestellt. Es bezieht sich ausschließlich auf die Summe aus strukturellem Defizit für den Bedarf an Betrieb und Erhaltung und dem Bedarf für die nachholende Sanierung der Infrastruktur aller Verkehrsträger. Ein Bedarf für Aus- und Neubau ist hierin nicht enthalten. Aus Sicht der Landesregierung trifft die Feststellung der Verkehrsministerkonferenz zum Defizit auch für Baden-Württemberg grundsätzlich zu. Im Detail weicht die auf Deutschland bezogene Verteilung von der auf das Land Baden-Württemberg bezogene Verteilung auf die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße sowie auf die Baulastträger Bund, Land und Kommunen voneinander ab. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4283 5 4. Auf welchen Betrag beziffert sie auf Basis des Haushalts 2013/2014 das jährliche Finanzierungsdefizit im Bereich der Landesstraßen in Baden-Württemberg (unterteilt nach Neubau-, Ausbau- und Erhaltungsmaßnahmen)? Im Jahr 2013 wird es bei den Aus- und Neubaumaßnahmen an Landesstraßen kein Finanzierungsdefizit geben. Der Mittelbedarf 2014 wird an die verfügbaren Mittel angepasst. Für die Erhaltung der Landesstraßen hat eine im Jahr 2008 durchgeführte gutachterliche Abschätzung einen jährlichen Bedarf von rund 80 Mio. Euro zur Beibehaltung des Zustandes ergeben. Um eine Verbesserung durch Abbau des Sanierungsrückstands zu erreichen, sind jährlich mindestens 100 Mio. Euro notwendig. Die zur Verfügung stehenden Mittel lagen in den letzten Jahren unter dem Bedarf . Auch die Verstärkung der Erhaltungsmittel im Haushalt 2013 auf insgesamt 100 Mio. Euro hat noch keine Verbesserung der Situation gebracht, da diese Summe aufgrund von Rückzahlungsverpflichtungen aus dem Landesinfrastrukturprogramm der Vorgängerregierung effektiv noch nicht voll zur Verfügung standen. Mit dem Nachtragshaushalt 2014 soll eine weitere Verstärkung der Mittel für die Erhaltung der Landesstraßen um 25 Mio. Euro auf insgesamt 125 Mio. Euro erfolgen . 5. Plant sie vor diesem Hintergrund, die für die Landesstraßen verfügbaren Mittel für die Jahre nach 2014 zu erhöhen? Mit dem Doppelhaushalt 2013/2014 und dem Nachtrag 2014 konnten die Mittel für die Erhaltung der Landesstraßen einschließlich der notwendigen Mittel für die Ertüchtigung von Brücken erforderlichen Mittel bereits maßgeblich auf insg. 125 Mio. Euro erhöht werden. Die Abdeckung des Bedarfs wird Gegenstand der nächsten Planberatungen sein. Gegenüber dem Bund werden wir uns für angemessene kostenorientierte Lkw-Mautsätze einsetzen. 6. Bis wann wird sie – wie grundsätzlich von der Verkehrsministerkonferenz vorgeschlagen – die Einrichtung eines Infrastrukturfonds zur Verstetigung der Landesstraßenfinanzierung entsprechend auf der Landesebene umsetzen? Die Sonderverkehrsministerkonferenz hat beschlossen, dass Fonds unter parlamentarischer Kontrolle oder vergleichbare Strukturen (etwa Sondervermögen) Mittel vor allem und zuerst für die Sanierung überjährig und zweckgebunden sichern können. Bei der Umsetzung neuer Finanzierungsmodelle und der Reform der Infrastrukturfinanzierung muss der Bund die Länder über eine Steuerungsgruppe einbeziehen und eine Clearingstelle einsetzen. Gemäß Beschluss der Verkehrsministerkonferenz sind die Bundesregierung und der Bundestag am Zug. Erst anschließend ist der Aufbau neuer Strukturen auf Landesebene sinnvoll. Ein Zeitpunkt kann daher nicht angegeben werden. 7. Welche Alternativen zu einer Fondslösung sieht sie für eine Verstetigung der Landesstraßenfinanzierung, wenn sich eine Fondslösung kurz- oder mittelfristig nicht als praktikabel erweisen sollte? Das Land wird sich auf den von der Verkehrsministerkonferenz beschlossenen bevorzugten Lösungsvorschlag des Fonds oder vergleichbare Vorschläge für die Finanzierung des notwendigen Bedarfs für Erhaltung und Betrieb und des Nachholbedarfs für die Erhaltung und Sanierung konzentrieren. Nachdem die Vorteile von Fondslösungen in der Daehre-Kommission ermittelt und von der BodewigKommission bestätigt wurden, geht das Land davon aus, dass es gelingen wird, eine praktikable Lösung zu finden. Gleichwohl sieht das Land zu den Fondsmodellen noch eine Vielzahl offener Fragen. 8. Plant sie, sich über das bereits begonnene Projekt „Priorisierung von Projekten nach definierten Kriterien“ hinaus an den von der Verkehrsministerkonferenz vorgeschlagenen Pilotprojekten zu einer bedarfsgerechten Bereitstellung der Verkehrsinfrastruktur zu beteiligen? Die Landesregierung ist grundsätzlich bereit, sich in Umsetzung des Beschlusses der Sonderverkehrsministerkonferenz vom 2. Oktober 2013 an Pilotprojekten Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4283 6 zu beteiligen. Derzeit ist jedoch nicht absehbar, wann, zu welchen Themen und in welcher Beteiligungskonstellation Pilotprojekte begonnen werden. Hier ist zunächst der Bund gefragt. 9. Ist sie der Auffassung, dass im Land – wie von der Verkehrsministerkonferenz gefordert – ausreichend Personal im Infrastrukturbereich für Planung, Bauleitung und Gewährleistungsaufgaben zur Verfügung steht? Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal und dessen Finanzierung zur Sicherung einer nachhaltigen Verkehrsinfrastruktur unabdingbar ist. Der Bereich der Straßenverkehrsinfrastruktur war in der Vergangenheit von Stelleneinsparungen nicht ausgenommen. Nur durch eine verstärkte Einbindung privater Dritter bei Planung und Bauleitung konnte bislang sichergestellt werden, dass vorhandene Investitionsmittel trotz Personalabbaus von der Straßenbauverwaltung umgesetzt werden konnten. Auf den Beschluss der Sonderverkehrsministerkonferenz Ziffer 9 wird verwiesen. Das Land ist im Infrastrukturbereich Schienenwege, Binnenwasserstraßen, Bergbahnen , Flughäfen nicht selbst Vorhabenträger, sodass zwar für die Verwaltungsaufgaben , nicht aber für Planung, Bauleitung und Gewährleistungsaufgaben eigenes Personal erforderlich ist. Neubau oder Änderungen solcher Infrastrukturen erfordern jedoch eine Genehmigung , im Regelfall ein Planfeststellungsverfahren. Damit sind im Land BadenWürttemberg die Regierungspräsidien als Planfeststellungsbehörden oder als Anhörungsbehörden betraut. Für diese Genehmigungsfunktion steht ausreichend Personal zur Verfügung. Anders stellt sich die Situation beim Eisenbahnbundesamt dar. Hier sieht das Land zusätzlichen Personalbedarf. 10. Wie beurteilt sie die folgenden, von der Verkehrsministerkonferenz genannten Optionen zur Ausweitung der Nutzerfinanzierung: a) Ausweitung der entfernungsabhängigen Maut für Lastkraftwagen (Lkw) ab 12 Tonnen (t) auf alle Bundesstraßen, b) Ausweitung der Lkw-Maut für Lkw ab 12 t auf Landesstraßen, c) Ausweitung der Lkw-Maut auf Lkw ab 7,5 t? Alle Optionen sind Forderungen eines einstimmigen Beschlusses der Verkehrsministerkonferenz . Die Landesregierung erwartet, dass durch eine angepasste Mautausweitung die Verursachergerechtigkeit erhöht, die externen Kosten des Verkehrs stärker anerkannt und die Verlagerung des Güterverkehrs auf die umweltfreundlichere Schiene befördert wird. 11. Bevorzugt sie zur (anteiligen) Schließung der Deckungslücke eine Erhöhung der Lkw-Maut gegenüber der Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr für Personenkraftwagen (Pkw)? Ja. 12. Worin sieht sie die Vorteile einer Erhöhung der Lkw-Maut gegenüber der Einführung von Straßenbenutzungsgebühren für Pkw? Die Belastung und Abnutzung von Straßenkörper und Brücken wird weit überwiegend von Lastkraftwagen (Lkw) verursacht. Im Weiteren trägt der Lkw-Verkehr einen erheblichen Teil zur Emission von Luftschadstoffen bei. Außerdem ist die Mauterfassung wegen der geringeren Fahrzeugzahlen bei Lkw leichter. Eine PkwMaut in Form einer Vignette bepreist die Infrastruktur hingegen nicht leistungsbezogen und verursachergerecht und wirkt daher verkehrswirtschaftlich und ökologisch kontraproduktiv. Eine Lkw-Maut-Erhöhung ist daher insgesamt vorteilhafter. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4283 7 13. Rechnet sie bei Erhöhung der Lkw-Maut in der von der Verkehrsministerkonferenz vorgeschlagenen Höhe von mindestens 2,3 Milliarden Euro jährlich mit Auswirkungen auf die Verbraucherpreise (mit Begründung)? Die wirtschaftlichen Beziehungen in dieser Frage sind so komplex, dass ein Zusammenhang zwischen einer Erhöhung der Lkw-Maut und einem Anstieg der Verbraucherpreise nur schwer nachweisbar ist. 14. Plant sie, die von der Verkehrsministerkonferenz empfohlene Ausweitung der Fördertatbestände im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz auf Erhalt und Sanierung auch in das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für Baden -Württemberg zu übernehmen? Der Ministerrat hat am 1. Oktober 2013 Eckpunkte für die Novellierung des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) beschlossen. In diesem Zusammenhang sollen die bereits heute im LGVFG enthaltenen Fördertatbestände überprüft und neue Fördertatbestände, insbesondere im Bereich des ÖPNV aufgenommen werden. Hierzu wird im Gesetzgebungsverfahren auch über die Aufnahme der von der Verkehrsministerkonferenz vorgeschlagenen Fördertatbestände zu entscheiden sein. Eine Ausweitung der Fördertatbestände für die Erhaltung und Sanierung von kommunalen Straßen ist nicht vorgesehen. Das Land gewährt ausschließlich Zuwendungen zum Bau oder Ausbau von kommunalen Straßen (Erstinvestitionen). Laufende und pauschale Zuweisungen für den Neu-, Um- und Ausbau sowie für den Erhalt und die Unterhaltung ihrer Straßen erhalten die Kommunen nach dem Finanzausgleichsgesetz. 15. Führt sie aktuell Gespräche mit dem Bund über die von der Verkehrsministerkonferenz geforderte höhere Dynamisierung der Regionalisierungsmittel und wie beurteilt sie die Chancen, dass es – wie von der Verkehrsministerkonferenz gefordert – bis 2014 zu einer für das Land vorteilhaften Revision der Regionalisierungsmittel kommt? Die Länder haben zur fachlichen Unterstützung der Einschätzung des Bedarfes an Regionalisierungsmitteln ab dem Jahr 2015 gemeinsam ein Gutachterkonsortium beauftragt, eine entsprechende Bewertung vorzunehmen. Auf dieser Grundlage soll die Diskussion mit dem Bund über den zukünftigen Bedarf an Regionalisierungsmitteln und deren horizontale Verteilung zwischen den Ländern geführt werden . Mit der Bekräftigung durch den Beschluss der Verkehrsministerkonferenz, dass eine Lösung noch in 2014 gefunden werden muss, sieht die Landesregierung eine gute Chance zur vorteilhaften Revision. 16. Welche Initiativen hat sie bisher ergriffen und wird sie weiterhin im Hinblick auf die Entflechtungsmittel ergreifen? Im Rahmen der zwischenzeitlich erfolgten Revision, die eine Überprüfung der Kompensationszahlungen des Bundes nach dem Entflechtungsgesetz der Höhe und dem Grunde nach vorsah, ist es den Ländern gelungen, die vom Bund vorgesehene Kürzung dieser Mittel in den Jahren 2014 bis 2019 zu vermeiden. Die Entflechtungsmittel bleiben also bis zum Ende des Jahres 2019 auf dem bisherigen Niveau erhalten. Das Land war maßgeblich an den notwendigen Verhandlungen beteiligt. In verschiedenen Kommissionen, an denen Baden-Württemberg ebenfalls beteiligt war, wurde der weiterhin bestehende Bedarf der Bundeszahlungen für Verkehrsinvestitionen nach dem Entflechtungsgesetz und Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) ermittelt. Die Verkehrsministerkonferenz hat hierzu aktuell entsprechende Beschlüsse gefasst. Eine Umsetzung seitens des Bundes hierzu wird erwartet. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4283 8 17. Bis wann wird sie im Bereich der Brücken, die nicht in die Baulast des Bundes fallen, die Nachberechnungen und Zustandserhebungen abgeschlossen haben und welcher Finanzierungsbedarf wird sich hieraus ergeben? Wird wegen des engen Sachzusammenhanges mit Frage 19 beantwortet. 18. Wird sie für die Durchführung der o. g. Brückensanierungen einen Sonderfonds unter Angabe der Mittelausstattung einrichten bzw. in welcher Weise soll die Finanzierung erfolgen? Die Einrichtung eines Sonderfonds zur Erhaltung und Ertüchtigung ist eine Möglichkeit zur längerfristigen Bereitstellung des Mittelbedarfs. Maßgeblich ist, dass die Erhaltungsmittel insgesamt und dauerhaft in der erforderlichen Höhe zur Verfügung stehen. Deshalb soll mit dem Nachtragshaushalt 2014 eine Verstärkung der Mittel für die Erhaltung der Landesstraßen um 25 Mio. Euro auf insgesamt 125 Mio. Euro erfolgen. Mit diesen zusätzlichen Mitteln soll neben dringlichen Fahrbahndeckensanierungen insbesondere auch die Erhaltung der Ingenieurbauwerke (insb. Brücken) verstärkt werden. 19. Nach welchen Kriterien wird die Sanierung dieser Brücken priorisiert und welcher konkrete Zeitplan für die Erledigung aller Arbeiten wird zugrunde gelegt? Im Hinblick auf eine verkehrsgerechte Verfügbarkeit des Brückenbestandes ist zwischen dem Erhaltungszustand und der durch die statische Dimensionierung festgelegten Tragfähigkeit der Bauwerke zu unterscheiden. Der Erhaltungszustand wird durch die gemäß DIN 1076 in regelmäßigen Abständen durchzuführenden Bauwerksprüfungen festgestellt. Die Ergebnisse dieser Zustandserhebungen sind Grundlage für das Erhaltungsmanagement an den Ingenieurbauwerken. Die vorgesehene Nachrechnung ausgesuchter Brücken zielt auf die Sicherstellung der statischen Leistungsfähigkeit des Brückenbestandes ab. Ausgangspunkt für die Nachrechnungen ist die Erkenntnis, dass viele Brücken aufgrund der überproportional gestiegenen Güterverkehrsleistung in Verbindung mit der Anhebung der zulässigen Gesamtgewichte der Lkw von 24 t im Jahr 1956 auf inzwischen 44 t sowie des extremen Anstiegs der genehmigten Schwerlasttransporte den heutigen verkehrlichen Anforderungen unabhängig von ihrem Erhaltungszustand nicht mehr gewachsen sind. Um die Funktion dieser Bauwerke zu sichern, ist eine Verstärkung und Ertüchtigung auf den tatsächlichen Nutzungsgrad hin erforderlich. Die Auswertung der rund 3.150 Brücken in der Baulast des Landes hat ergeben, dass 200 Brücken vordringlich zu behandeln sind. Die genaue Prioritätenliste wird bis zum Jahresende 2013 vorliegen. Auf dieser Grundlage werden die priorisierten Brücken dann ab dem Jahr 2014 nachgerechnet und bei Bedarf verstärkt oder ersetzt. In Verbindung mit den Maßnahmen im Bereich der Bundesfernstraßen ist hierfür ein Zeithorizont von mindestens 15 Jahren erforderlich. Mit der Nachrechnung und Ertüchtigung ist ein erheblicher finanzieller und personeller Aufwand verbunden. So wird allein der Finanzbedarf für die externen Ingenieurleistungen zur Nachrechnung der Landesstraßenbrücken ohne die ggf. notwendig werdenden weiteren Betrachtungen und Planungen auf rund 10 Mio. Euro geschätzt. Der Gesamtbedarf für die baulichen Maßnahmen zur Ertüchtigung der 200 priorisierten Brücken (einschließlich Ersatzneubauten) beträgt voraussichtlich rund 600 Mio. Euro. Mit dem oben dargestellten Zeithorizont ergibt sich somit rechnerisch ein jährlicher Bedarf für die Ertüchtigung von 40 Mio. Euro, der zusätzlich zum Bedarf in Höhe von 100 Mio. Euro pro Jahr für die dauerhafte Erhaltung der Fahrbahnen und der Ingenieurbauwerke in der Baulast des Landes anfällt. 20. Wird es in Erwägung gezogen, zur Beschleunigung dringlicher Brückensanierungsmaßnahmen die Deckungsfähigkeit von Haushaltsmitteln für den Radverkehr hin zum Straßenverkehr zu nutzen? Nein. Der Nachholbedarf bei Infrastrukturmaßnahmen des Radverkehrs ist zurzeit ca. 4 Mal höher als das verfügbare Finanzvolumen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4283 9 21. Gibt es aus ihrer Sicht einen Zielkonflikt zwischen Nettonull beim Flächenverbrauch und dem Neu- und Ausbau des Radverkehrsnetzes? Die von der Landesregierung angestrebte deutliche Erhöhung des Radverkehrsanteils ist aufgrund der Flächeneffizienz des Radverkehrs gegenüber dem motorisierten Individualverkehr (MIV) unverzichtbar, um das Ziel einer Nettonull beim Flächenverbrauch im Verkehrsbereich zu erreichen. Einerseits müssen Radverkehrsanlagen geschaffen werden, um die angestrebte Erhöhung des Radverkehrsanteils zu ermöglichen. Innerorts werden dafür in der Regel keine neuen Flächen versiegelt, sondern bereits jetzt für Verkehrszwecke verwendete Flächen umgenutzt. Außerorts geht der Ausbau von Radverkehrsinfrastruktur zwar meist mit Flächeninanspruchnahme einher. Demgegenüber stehen aber neue Potenziale für Flächeneinsparungen, die sich aus der Verlagerung des Verkehrs ergeben. Beim ruhenden Verkehr benötigt ein Fahrrad beispielsweise nur 1/8 der Fläche eines Kfz. Je mehr Menschen mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren, desto flächensparsamer können dort die Stellplätze und Abstellanlagen dimensioniert werden. Die Landesregierung fördert explizit die Entwicklung flächeneffizienter Führungsformen des Radverkehrs wie Schutzstreifen, Radfahrstreifen und Fahrradstraßen, die in der Regel ohne zusätzliche Flächeninanspruchnahme realisiert werden können . Hermann Minister für Verkehr und Infrastruktur