Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 429 17. 08. 2011 Kleine Anfrage des Abg. Georg Wacker CDU und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Schäden in der Landwirtschaft durch Krähen K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Hat sie darüber Kenntnis, wie sich die Krähenpopulation in Baden-Württemberg in den letzten zehn Jahren entwickelt hat, wie sich dies im Rhein-Neckar-Kreis darstellt und ob es lokale Schwerpunkte in der Nähe von Mülldeponien gibt? 2. Hat sie Erkenntnisse über eine Zunahme der durch diese Tiere verursachten Schäden in der Landwirtschaft? 3. Welche rechtlich zulässigen Vergrämungsmaßnahmen gibt es zur Vertreibung von Krähen? 4. Ist ihr bekannt, ob diese Maßnahmen bei Krähenpopulationen in der Nähe von Mülldeponien ebenso erfolgversprechend sind wie an anderer Stelle? 5. Gibt es von Seiten des Ministerims für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Maßnahmen, um Landwirte bei diesem Problem zu unterstützen? 6. Gibt es Entschädigungsleistungen von Seiten der öffentlichen Hand speziell bei Schäden, die durch wachsende Krähenpopulationen in der Nähe von Mülldeponien entstehen? 16. 08. 2011 Wacker CDU Eingegangen: 17. 08. 2011 / Ausgegeben: 04. 10. 2011 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 429 2 B e g r ü n d u n g Vermehrt beklagen landwirtschaftliche Betriebe in der Nähe von Mülldeponien, dass es durch steigende Mengen an Siedlungsmüll verbunden mit unzureichenden hygienischen Maßnahmen zu einer deutlichen Vermehrung der Krähenpopulation kommt und die üblichen Vergrämungsmaßnahmen nicht funktionieren. Dies führt zu einem bis zu hundertprozentigen Ernteausfall auf angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen. Für die häufig in Familienbesitz befindlichen landwirtschaftlichen Traditionsbetriebe ist eine gerichtliche Auseinandersetzung mit den meist zu großen Konzernen gehörenden Deponie-Betreibern kaum möglich, sodass eine Unterstützung durch das Land und die Landkreise nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen sondern auch im Sinne des Erhalts unserer Kulturlandschaft geboten ist. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 24. September 2011 Nr. 23–0141.5 beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Allgemeine Hinweise Nachdem seit 2005 keine unvorbehandelten Abfälle mehr auf Deponien abgelagert werden dürfen, werden auf den im Land noch betriebenen Deponien der Deponieklassen 0, I oder II nur noch mineralische Abfälle deponiert. Frühere Ablagerungen von unvorbehandeltem Hausmüll wurden im Rahmen der Deponienachsorge entsprechend den Anforderungen der Deponieverordnung abgedeckt. Dadurch befinden sich auf den durch öffentlich-rechtliche Träger betriebenen Deponien keine offen zugänglichen organischen Materialien mehr, die als Nahrung für Krähenpopulationen dienen könnten. Gelegentlich werden Deponien noch als Umschlaganlage für Abfälle genutzt. Soweit hier (noch für Krähen attraktive) Abfälle offen umgeschlagen werden, ist durch organisatorische Maßnahmen des Betreibers der Umschlagstelle sicherzustellen , dass keine Verbreitung der Abfälle durch Windflug oder Tiere erfolgt. In der Regel wird dies bei reinen Umschlaganlagen für Restmüll durch das Aufstellen von Schutzzäunen (Fangzäune) und die regelmäßige (werktägliche) Abfuhr der Abfälle erreicht. Eine Lagerung von größeren Abfallmengen darf nur in immissionsschutzrechtlich zugelassenen Anlagen erfolgen. Durch entsprechende Schutzmaßnahmen ist sicherzustellen, dass von den Anlagen keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können. Dies ist eine Betreiberpflicht. Als solche Nachteile oder Belästigungen sind auch hygienisch unzuträgliche Zustände zu sehen, die zu vermehrter Rattenpopulation oder zur Verbreitung von Abfällen durch Vögel führen. Als geeignete Maßnahmen bieten sich, je nach Art der Abfälle, die Lagerung in geschlossenen Gebäuden bzw. die Abdeckung mit Folien oder Planen sowie die Ballierung an. Auch das regelmäßige Einsammeln von auf dem Betriebsgelände verwehten oder verteilten Abfällen ist als organisatorische Maßnahme geeignet, unzuträgliche Zustände zu vermeiden. *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 429 3 1. Hat sie darüber Kenntnis, wie sich die Krähenpopulation in Baden-Württemberg in den letzten zehn Jahren entwickelt hat, wie sich dies im Rhein-Neckar- Kreis darstellt und ob es lokale Schwerpunkte in der Nähe von Mülldeponien gibt? Zu 1.: Der Bestand der Rabenkrähe (Corvus corone), die in Baden-Württemberg flächig verbreitet vorkommt, wird von Experten (Forschungsprogramm Wildvögel und Vogelgrippe, 2009) über die letzten 25 Jahre als stabil eingeschätzt, wobei sich lokale Zunahmen z. B. am Bodensee und am Oberrhein mit Abnahmen z. B. auf der Schwäbischen Alb insgesamt ausgleichen. Für den Zeitraum 2000 bis 2004 wird der Bestand auf 90.000 bis 100.000 Brutpaare geschätzt. Der Bestand der Saatkrähe (Corvus frugilegus) ist seit den 1980er-Jahren stark angewachsen, der Bestand wird für den Zeitraum 2000 bis 2004 auf 5.500 bis 6.000 Brutpaare geschätzt. Die Erfahrungen der Landkreise zur Entwicklung der Krähenpopulation sind unterschiedlich und reichen von unbedeutend bis stark zunehmend. Im Rhein-Neckar -Kreis gibt es eine Müllsortieranlage in Edingen-Neckarhausen. Dort wird der Müll auf einer ehemaligen Bauschuttrecyclinganlage flächig sortiert. In der von der Baurechtsbehörde vorgegebenen Bepflanzung siedelten sich Krähen an, die Schäden an benachbarten Kulturbeständen verursachen. Die untere Landwirtschaftsbehörde des Landratsamtes Rhein-Neckarkreis in Sinsheim wurde von dem Betroffenen darüber nicht unterrichtet. Lokale Schwerpunkte in der Nähe von Mülldeponien sind ansonsten nicht bekannt. 2. Hat sie Erkenntnisse über eine Zunahme der durch diese Tiere verursachten Schäden in der Landwirtschaft? Zu 2.: Eine Zunahme der durch Krähen verursachten Schäden ist allenfalls lokal festzustellen . Die Bandbreite der Schäden geht von Schäden an Saaten von Leguminosen und Mais (ohne Beizung mit Vergrämungsmittel) im Ackerbau, Pickschäden an reifen Früchten im Obstbau, Narbenschäden auf Grünland durch Suchen nach Larven bis zu den üblichen Folienbeschädigungen im Zusammenhang mit foliertem Gemüse oder Silomais bzw. bei Fahrsilos. Bei hochwertigen Kulturen (Obst, Gemüse) können dadurch hohe Verluste durch nicht vermarktbare Ware entstehen. 3. Welche rechtlich zulässigen Vergrämungsmaßnahmen gibt es zur Vertreibung von Krähen? Zu 3.: Die Verordnung der Landesregierung über Ausnahmen von den Schutzvorschriften für Rabenvögel vom 15. Juli 1996 (GBl. S. 489), ermöglicht es dem Jagdausübungsberechtigten oder einem Jagdscheininhaber mit Erlaubnis des Jagdausübungsberechtigten , zur Abwendung erheblicher landwirtschaftlicher Schäden wildlebenden Tieren der Arten Rabenkrähe (Corvus corone corone) und Elster (Pica pica) außerhalb von befriedeten Bezirken, von Naturschutzgebieten, von Naturdenkmalen und außerhalb der Brutzeit (15. März bis 15. Juli) nachzustellen und diese zu töten. Was die Störung anderer Arten durch das auf der Basis der Rabenvogelverordnung erlaubte Nachstellen oder Töten angeht, sind die artenschutzrechtlichen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes (NatSchG) zu beachten. Im Rahmen dieser Bestimmungen ist auch eine präventive letale Vergrämung möglich. Während der Brutzeit bedarf der Abschuss der genannten Arten einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG. Eine solche Ausnahmegenehmigung setzt das Vorliegen erheblicher landwirtschaftlicher Schäden voraus. Außerdem ist es erforderlich, dass für diese Vorgehensweise keine zumutbare Alternative besteht. Ferner ist zu prüfen, ob durch den Abschuss gegen das Störungsverbot streng geschützter Arten verstoßen wird. Wenn die letale Vergrämung in einem Natura 2000-Gebiet oder mit Wirkung auf ein Natura 2000-Gebiet stattfinden soll, ist außerdem der Nachweis Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 429 4 erforderlich, dass diese Maßnahme keine erhebliche Beeinträchtigung der Schutzund Erhaltungsziele des betroffenen Gebiets darstellt. Für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist die höhere Naturschutzbehörde beim örtlich zuständigen Regierungspräsidium zuständig. Im Jagdjahr 2009/2010 wurden insgesamt 30.874 Rabenkrähen erlegt (Jagdbericht der Wildforschungsstelle 2010). 4. Ist ihr bekannt, ob diese Maßnahmen bei Krähenpopulationen in der Nähe von Mülldeponien ebenso erfolgversprechend sind wie an anderer Stelle? Zu 4.: Dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz liegen hierzu keine differenzierten Erkenntnisse vor. Vergrämungsmaßnahmen gegen Krähen haben nur eine kurze Wirkungsdauer. Dies gilt für Attrappen, Schussanlagen und das Vertreiben durch Personen. Der Vergrämungsabschuss von zwei bis drei Krähen an einem Futterplatz besitzt eine nachhaltigere Wirkung. 5. Gibt es von Seiten des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Maßnahmen, um Landwirte bei diesem Problem zu unterstützen? Zu 5.: Siehe hierzu Antworten zu Frage 3. und 6. Die Landwirte werden im Rahmen der örtlichen Beratung durch die unteren Landwirtschaftsbehörden bei den Landratsämtern über Maßnahmen zur Krähenabwehr informiert und dabei unterstützt. 6. Gibt es Entschädigungsleistungen von Seiten der öffentlichen Hand speziell bei Schäden, die durch wachsende Krähenpopulationen in der Nähe von Mülldeponien entstehen? Zu 6.: Dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz sind diesbezüglich Entschädigungsleistungen von Seiten der öffentlichen Hand nicht bekannt. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Antwort zu Frage 4. der Kleinen Anfrage Drucksache 12/3119 verwiesen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Urteil vom 6. April 2010 AZ. 12 U 11/10 ausgeführt, dass für den durch Rabenkrähen verursachten Schaden an landwirtschaftlichen Kulturen kein Entschädigungsanspruch gegenüber dem Land besteht. Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz