Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 470 01. 09. 2011 Kleine Anfrage der Abg. Alexander Salomon und Wilhelm Halder GRÜNE und Antwort des Innenministeriums Feldversuch zur automatisierten Gesichtserkennung in Videoströmen in Karlsruhe K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Stimmt es, dass das Vorhaben des Forschungsprojektes „Parallele Gesichtserkennung in Videoströmen“ (PaGeVi) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) an drei Spieltagen im Karlsruher Wildparkstadion Feldversuche zu unternehmen , bei denen aus Videoaufzeichnungen der Besucher/-innen der Fußballspiele Testpersonen des KIT herausgefiltert werden sollten, erst aufgrund einer Intervention des Landesbeauftragten für Datenschutz gestoppt wurde? 2. Gab es bereits vor der öffentlichen Ankündigung des KIT, die Feldversuche unternehmen zu wollen, eine datenschutzrechtliche Bewertung der Feldversuche seitens des Landesbeauftragten für Datenschutz oder anderer öffentlicher Stellen ? 3. Wenn nein: In welcher Weise erhielt der Landesbeauftragte für Datenschutz Kenntnis von den geplanten Feldversuchen? 4. Das Projekt „PaGeVi“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „KMU innovativ“ gefördert. Liegen der Landesregierung Informationen dazu vor, inwieweit datenschutzrechtliche Argumente im Rahmen der Projektbeantragung durch das KIT bzw. bei der Bewertung des Forschungsantrags durch das BMBF berücksichtigt wurden? 5. Laut Projektwebsite von „PaGeVi“ haben der Karlsruher Sportclub (KSC), das KIT und der Karlsruher Sicherheitsdienstleister b.i.g. „einvernehmlich vereinbart , dieses Projekt auch künftig nicht beim KSC umzusetzen“. Liegen der Landesregierung Informationen darüber vor, in welcher Form die für dieses Projekt notwendigen Feldversuche zukünftig durchgeführt werden sollen? 6. Wie bewertet sie politisch die Kombination der Techniken der Videoüber wachung und der automatisierten Gesichtserkennung? Eingegangen: 01. 09. 2011 / Ausgegeben: 04. 10. 2011 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 470 2 7. Wie bewertet sie den Einsatz dieser Techniken im Zusammenhang mit „halb öffentlichen“ Orten wie Fußballstadien, Friedhöfen oder Flughäfen? 8. Welche Forschungs und Entwicklungsprojekte im Bereich der automatisierten Gesichtserkennung werden in welcher Form durch das Land BadenWürttemberg unterstützt? 01. 09. 2011 Salomon, Halder GRÜNE B e g r ü n d u n g Die Techniken der Videoüberwachung sowie der automatisierten Gesichtserkennung sind politisch hoch strittig. Auf Intervention des Landesbeauftragten für Datenschutz hin wurde der in dem Projekt „PaGeVi“ geplante Test einer automatisierten Gesichtserkennung in Videoströmen an einem „halböffentlichen“ Ort, nämlich dem Karlsruher Wildparkstadion, abgesagt. Das Projekt „PaGeVi“ wird durch das KIT, also durch eine öffentliche Einrichtung mit dem Status einer Universität des Landes BadenWürttemberg, durchgeführt und mit Mitteln aus dem Forschungshaushalt des BMBF finanziert. Diese Kombination legt es nahe, einen Maßstab mit besonders hohen Datenschutzerwartungen an das Projekt „PaGeVi“ anzulegen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 23. September 2011 Nr. 2–0557.3/1 beantwortet das Innenministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Stimmt es, dass das Vorhaben des Forschungsprojektes „Parallele Gesichtserkennung in Videoströmen“ (PaGeVi) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) an drei Spieltagen im Karlsruher Wildparkstadion Feldversuche zu unternehmen , bei denen aus Videoaufzeichnungen der Besucher/-innen der Fußballspiele Testpersonen des KIT herausgefiltert werden sollten, erst aufgrund einer Intervention des Landesbeauftragen für den Datenschutz gestoppt wurde? 2. Gab es bereits vor der öffentlichen Ankündigung des KIT, die Feldversuche unternehmen zu wollen, eine datenschutzrechtliche Bewertung der Feldversuche seitens des Landesbeauftragten für Datenschutz oder anderer öffentlicher Stellen ? 3. Wenn nein: In welcher Weise erhielt der Landesbeauftragte für Datenschutz Kenntnis von den geplanten Feldversuchen? Zu 1. bis 3.: Nach § 31 Absatz 3 Satz 2 des Landesdatenschutzgesetzes ist der Landesbeauftragte für den Datenschutz für die Beantwortung dieser Fragen zuständig. Dieser hat mit Schreiben vom 19. September 2011 unmittelbar gegenüber dem Landtag Stellung genommen (siehe Anlage). Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 470 3 4. Das Projekt „PaGeVi“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „KMU innovativ“ gefördert. Liegen der Landesregierung Informationen dazu vor, inwieweit datenschutzrechtliche Argumente im Rahmen der Projektbeantragung durch das KIT bzw. bei der Bewertung des Forschungsantrags durch das BMBF berücksichtigt wurden? Zu 4.: Nach Auskunft des KIT enthielt die dem BMBF vorgelegte Projektbeschreibung Erläuterungen hinsichtlich zu klärender rechtlicher – und damit auch datenschutzrechtlicher – Fragen als Bestandteil des Projekts „PaGeVi“. Das BMBF hat diese Ausführungen im Zuge der Prüfung des Projektvorhabens zur Kenntnis genommen und eine Förderung des Projekts „PaGeVi“ bewilligt. Zu Beginn des Projekts erfolgte eine datenschutzrechtliche Bewertung der geplanten Aufzeichnung von Videoströmen als Teil des Feldversuchs zur automatisierten Gesichtserkennung in Form eines Rechtsgutachtens durch einen Projektpartner. 5. Laut Projektwebsite von „PaGeVi“ haben der Karlsruher Sportclub (KSC), das KIT und der Karlsruher Sicherheitsdienstleister b.i.g. „einvernehmlich vereinbart , dieses Projekt auch künftig nicht beim KSC umzusetzen“. Liegen der Landesregierung Informationen darüber vor, in welcher Form die für dieses Projekt notwendigen Feldversuche zukünftig durchgeführt werden sollen? Zu 5.: Nach der Absage aller geplanten Videoaufzeichnungen im Karlsruher Wildparkstadion prüfen die beteiligten Projektpartner derzeit Alternativen für das weitere Vorgehen im Rahmen des Projekts PaGeVi. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Frage, unter welchen Rahmenbedingungen entsprechende Videoaufnahmen durchgeführt werden können und ob möglicherweise auf Feldversuche verzichtet werden kann, ohne dadurch den Projekterfolg zu gefährden. 6. Wie bewertet sie politisch die Kombination der Techniken der Videoüberwachung und der automatisierten Gesichtserkennung? 7. Wie bewertet sie den Einsatz dieser Techniken im Zusammenhang mit „halböffentlichen “ Orten wie Fußballstadien, Friedhöfen oder Flughäfen? Zu 6. und 7.: Die Kombination von Videotechnik und automatisierter Gesichtserkennung eignet sich in besonderer Weise zur Identifizierung von Personen. Als Anwender kommen sowohl öffentliche als auch nichtöffentliche Stellen in Betracht, die diese Techniken für unterschiedliche Zwecke und mit unterschiedlicher Ausgestaltung des Verfahrens einsetzen können. Da beim Einsatz personenbezogene Daten (automatisiert ) erhoben, verarbeitet und genutzt werden, bedarf es dafür jeweils einer Rechtsgrundlage oder einer datenschutzrechtlichen Erfordernissen genügenden Einwilligung der Betroffenen. Das Polizeigesetz enthält keine Rechtsgrundlage. Ob ein Erlaubnistatbestand oder eine Einwilligung der Betroffenen vorliegt, muss von der verantwortlichen Stelle im Einzelfall sorgfältig geprüft werden. An dieser Prüfung muss, soweit es das Datenschutzrecht vorschreibt, der behördliche oder betriebliche Datenschutzbeauftragte oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz beteiligt werden. Besondere Vorsicht ist beim Einsatz dieser Techniken an „sensiblen“ Orten wie Fußballstadien, Friedhöfen oder Flughäfen geboten. 8. Welche Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich der automatisierten Gesichtserkennung werden in welcher Form durch das Land Baden-Württemberg unterstützt? Zu 8.: Eine unmittelbare Unterstützung von Forschungs und Entwicklungsprojekten im Bereich der automatisierten Gesichtserkennung durch das Land Baden-Württemberg findet derzeit nicht statt. Das KIT – Universitätsbereich – erhält allerdings eine Grundfinanzierung durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 470 4 Ergänzend wird mitgeteilt, dass die Landespolizeidirektion Karlsruhe beabsichtigt, aufgrund einer seit 2007 bestehenden Kooperationsvereinbarung mit dem Fraunhofer -Institut IOSB in Karlsruhe das Forschungsvorhaben „MisPel“ beratend zu unterstützen. Für dieses Projekt sind ausdrücklich keine Aufzeichnungen im öffentlichen Raum vorgesehen. Gall Innenminister Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 470 5 Anlage Stellungnahme des Landesbeauftragten für den Datenschutz zu der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Alexander Salomon und Wilhelm Halder GRÜ- NE – Feldversuch zur automatisierten Gesichtserkennung in Videoströmen in Karlsruhe – Drucksache 15/470 Mit Schreiben vom 19. September 2011 Nr. D 1000/162 beantwortet der Landesbeauftragte für den Datenschutz die Fragen 1 bis 3 der Kleinen Anfrage wie folgt: Zu Fragen 1 und 3: Der Landesbeauftragte für den Datenschutz BadenWürttemberg (LfD) wurde erstmals am 26. Juli 2011 durch Bürger, durch einen Fanclub und durch Medien auf eine Pressemitteilung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) vom Vortag über das Projekt „Parallele Gesichtserkennung in Videoströmen“ (PaGeVi) hingewiesen , bei dem es um die „Weiterentwicklung eines Verfahrens zum Identifizieren gesuchter Personen bei Großveranstaltungen“ ging und in dessen Rahmen u. a. ein Versuch mit Testpersonen einer Sicherheitsfirma am 31. Juli 2011 bei einem Heimspiel des Karlsruher SC im Karlsruher Wildparkstadion stattfinden sollte. Daraufhin richtete der LfD am 26. Juli 2011 eine Anfrage an das KIT zu den Hintergründen des Vorhabens und zu den datenschutzrechtlichen Problemstellungen. Bereits am 27. Juli 2011 wurde der LfD durch Vertreter des Fanclubs und von Medien darüber unterrichtet, dass der geplante Test am 31. Juli 2011 verschoben werde. Dies wurde durch das KIT am 28. Juli 2011 bestätigt. In seiner ausführlichen Stellungnahme vom 16. August 2011 erklärte das KIT, dass nicht mehr geplant sei, Testaufnahmen für Forschungszwecke bei Heimspielen des KSC durchzuführen. Wie es im Rahmen des Projekts PaGeVi weitergehe, sei noch nicht geklärt. Was letztlich den Ausschlag dafür gab, den geplanten Test am 31. Juli 2011 nicht durchzuführen , kann durch den LfD nicht eindeutig beantwortet werden. Die Proteste von Fanclubs und die kritische Medienberichterstattung dürften als wesentliche weitere Ursachen zu nennen sein. Zu Frage 2: Nein, zumindest nicht seitens des LfD oder des sog. Datenschutzteams des KIT. Das Innenministerium BadenWürttemberg erhält eine Mehrfertigung dieses Schreibens. Mit freundlichen Grüßen Jörg Klingbeil