Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 4718 05. 02. 2014 1Eingegangen: 05. 02. 2014 / Ausgegeben: 10. 03. 2014 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welchen Stellenwert haben aus ihrer Sicht Gräber von Sinti und Roma für die heute in Baden-Württemberg lebenden Menschen dieser Volksgruppe sowie für die Landesregierung, darunter speziell die Gräber von Opfern national - sozialistischer Gewaltmaßnahmen? 2. Für wie viele der letztgenannten Gräber wird in Baden-Württemberg der Erhalt über Pauschalen nach dem Gräbergesetz gefördert? 3. Wie viele Gräber von Sinti und Roma, die Opfer nationalsozialistischer Gewalttaten wurden, jedoch nicht unter das Gräbergesetz fallen, sind heute noch in Baden-Württemberg vorhanden und in welcher Weise sind diese in ihrem Erhalt bedroht? 4. Wie bewertet sie die Praxis im Land Rheinland-Pfalz, wo den Kommunen als Träger der Friedhöfe empfohlen wurde, entsprechende Gräber auch über die üblichen Ruhezeiten hinaus zu erhalten? 5. Sieht sie Möglichkeiten, eine vergleichbare Praxis auch in Baden-Württemberg zu etablieren? 6. Inwiefern können nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags mit den Sinti und Roma neue Strukturen gebildet und Wege gefunden werden, um die im Erhalt bedrohten Gräber zu bewahren? 05. 02. 2014 Drexler SPD Kleine Anfrage des Abg. Wolfgang Drexler SPD und Antwort des Innenministeriums Erhalt von Gräbern von Sinti und Roma, die Opfer nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen wurden Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4718 2 B e g r ü n d u n g Der Erhalt aller Gräber der Sinti und Roma, die Opfer nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen wurden, ist ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur. Für den Erhalt der Gräber, die nicht unter das Gräbergesetz fallen, gibt es aber bisher weder Schutz noch eine finanzielle Regelförderung. Eine entsprechende Bundesratsinitiative im Jahr 2012 wurde im Bundestag nicht unterstützt. Im neuen Vertrag des Landes Baden-Württemberg mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg e. V. ist die Sicherstellung von Erhalt und Pflege der Grabstätten von Sinti und Roma, die der NS-Verfolgung ausgesetzt waren, als gemeinsame Aufgabe benannt. A n t w o r t Mit Schreiben vom 27. Februar 2014 Nr. 4-1041/66 beantwortet das Innenminis - terium im Einvernehmen mit dem Staatsministerium und dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welchen Stellenwert haben aus ihrer Sicht Gräber von Sinti und Roma für die heute in Baden-Württemberg lebenden Menschen dieser Volksgruppe sowie für die Landesregierung, darunter speziell die Gräber von Opfern nationalsozia - listischer Gewaltmaßnahmen? Zu 1.: Nach Mitteilung des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma und des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg ist die Erhaltung von Grabstätten von Sinti und Roma, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung gewesen sind, für die Minderheit der Sinti und Roma Teil ihrer kulturellen Identität. Sie seien Familiengedächtnisstätten für die während des NS-Regimes verfolgten Personen. Für die Familien der Sinti und Roma sei der Erhalt dieser Grabstätten daher als geschützte Gedenkorte von großer Bedeutung, auch weil es für die meisten ihrer im Nationalsozialismus ermordeten Angehörigen keine Grabstellen gebe. Die Gräber hätten vielfach eine besondere Gestaltung und auf vielen Grabsteinen werde ausdrücklich an Verwandte erinnert, die in KZ-Lagern umgekommen sind. Die kulturelle Identität der nachfolgenden Generationen der deutschen Sinti und Roma als nationale Minderheit sei durch den Holocaust nachhaltig geprägt worden. Zentralrat und Landesverband haben darüber hinaus deutlich gemacht , dass diese Grabstätten außerdem als Plätze von historischer Bedeutung und als Lernorte der Geschichte angesehen werden, insbesondere dort, wo mit besonderen Grabinschriften oder Hinweistafeln auf das Schicksal der Bestatteten hingewiesen wird. Die Landesregierung hat sich dieses Anliegens angenommen und zusammen mit den Ländern Bayern und Thüringen eine Entschließung im Bundesrat zum „Dauerhaften Erhalt der Gräber der Opfer nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen “ eingebracht, die am 12. Oktober 2012 durch den Bundesrat beschlossen wurde, Drucksache 543/12 (Beschluss). Das zuständige Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat dieses Anliegen mit einer Stellung - nahme gegenüber dem Bundesrat vom 18. März 2013 abgelehnt, gleichzeitig aber auch den Wunsch ausgedrückt, eine Lösung zu finden, die alle Betroffenen zufriedenstellt . Das Land Baden-Württemberg wird sich auch weiterhin auf Bundese - bene für einen dauerhaften Erhalt aller Gräber von Sinti und Roma, die der NSVerfolgung ausgesetzt waren, einsetzen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4718 2. Für wie viele der letztgenannten Gräber wird in Baden-Württemberg der Erhalt über Pauschalen nach dem Gräbergesetz gefördert? Zu 2.: In Baden-Württemberg werden insgesamt rd. 58.700 Einzelgräber und 19.134 qm Sammelgrabfläche über Pauschalen nach dem Gräbergesetz gefördert. Hinsichtlich einzelner Personengruppen der Begrabenen in diesen Gräbern nach dem Gräbergesetz liegen keine Erkenntnisse vor. 3. Wie viele Gräber von Sinti und Roma, die Opfer nationalsozialistischer Gewalttaten wurden, jedoch nicht unter das Gräbergesetz fallen, sind heute noch in Baden-Württemberg vorhanden und in welcher Weise sind diese in ihrem Erhalt bedroht? Zu 3.: Der Landesregierung liegen keine eigenen Daten hierzu vor. Es ist bekannt, dass der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma im Jahr 2009 innerhalb der Minderheit der deutschen Sinti und Roma eine Umfrage durchgeführt hat, wer die Gräber von Holocaust-Überlebenden Angehörigen pflegt. Der Zentralrat geht davon aus, dass mit der Umfrage schätzungsweise 70 bis 75 Prozent aller in Frage kommenden Grabstellen erfasst wurden. Es handelt sich nach diesen Daten bundesweit insgesamt um ungefähr 2.500 Grabstätten. Für Baden-Württemberg wurden durch den Zentralrat ca. 270 Gräber ermittelt, die nicht unter das Gräbergesetz fallen. Soweit kein besonderer Schutz der Gräber besteht, werden diese Grabstätten in der Regel nach Ablauf der Ruhezeiten durch den jeweiligen Friedhofsträger aufgelöst . Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen eine private Pflege der Grabstätten aufgrund abgelaufener Ruhezeiten nicht mehr möglich ist, in denen Angehörige die erforderlichen Gebühren nicht weiter tragen können oder keine Personen mehr vorhanden sind, die sich um die Grabpflege kümmern. 4. Wie bewertet sie die Praxis im Land Rheinland-Pfalz, wo Kommunen als Träger der Friedhöfe empfohlen wurde, entsprechende Gräber auch über die üblichen Ruhezeiten hinaus zu erhalten? 5. Sieht sie Möglichkeiten, eine vergleichbare Praxis auch in Baden-Württemberg zu etablieren? Zu 4. und 5.: Die Rheinland-Pfälzische Landesregierung hat sich für einen Erhalt der Gräber der Sinti und Roma, die der NS-Verfolgung ausgesetzt waren, eingesetzt. Auf der Grundlage des Artikel 3 der zwischen der Rheinland-Pfälzischen Landesregierung und dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Rheinland-Pfalz abgeschlossenen Rahmenvereinbarung im Jahr 2005 haben das Rheinland-Pfälzische Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit sowie das Rheinland -Pfälzische Ministerium des Innern und für Sport im Jahr 2006 ein gemein - sames Empfehlungsschreiben an die rheinland-pfälzischen Städte und Gemeinden sowie deren Zweckverbände als Träger von Bestattungsplätzen gerichtet. Darin wird auf das Anliegen des Landesverbandes hingewiesen, die Ruhezeiten auf den kommunalen Friedhöfen auf ausdrücklichen Wunsch von Angehörigen auch über die üblichen Zeiten hinaus zu verlängern. Die Rheinland-Pfälzische Landesregierung hat außerdem an die Kommunen appelliert, die Verlängerung von Ruhe - zeiten zu erleichtern sowie im Einzelfall vertretbare Ausnahmeentscheidungen zu treffen. Die Landesregierung bewertet die rheinland-pfälzische Praxis als positiv und hat einen ähnlichen Weg beschritten. Anlässlich der Bundesratsinitiative zum „Dauerhaften Erhalt der Gräber der Opfer nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen“ im Jahr 2012, hat die Landesregierung mit Schreiben des Staatsministeriums an die Regierungspräsidenten sowie an den Städtetag Baden-Württemberg und den Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4718 4 Gemeindetag Baden-Württemberg dafür geworben, den Erhalt und die Pflege von Gräbern der Sinti und Roma, die der NS-Verfolgung ausgesetzt waren und die nicht unter dem Schutz des Gräbergesetzes fallen, zu ermöglichen. Das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg enthält in § 15 Absatz 1 die Ermächtigung für die Friedhofsträger, eine Friedhofsordnung als Satzung zu erlassen. Der Erlass einer Friedhofsordnung ist verpflichtend; die enthaltenen Regelungen können jederzeit den Umständen entsprechend angepasst werden. Es besteht für die Friedhofsträger damit die Möglichkeit, zu regeln, ob die Gräber von NS-Opfern, die nicht unter den Schutz des Gräbergesetzes fallen, neu belegt werden dürfen oder ob sie als „geschützte Gräber“ auf Dauer erhalten werden. Insbesondere unter Hinweis auf die mittlerweile verabschiedete Regelung im Staatsvertrag ist es den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg daher möglich, Gräber von Sinti und Roma, die der NS-Verfolgung ausgesetzt waren und nicht unter den Schutz des Gräbergesetzes fallen, im Rahmen ihrer Friedhofssatzungen zum Beispiel als besonders geschützte Gräber auszuweisen. Nach einem Rundschreiben des Deutschen Städtetages an die unmittelbaren Mitgliedsstädte und die Mitgliedsverbände vom September 2013 haben mittlerweile Städte in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen sowie Berlin und Hamburg mit Hilfe ihrer Friedhofssatzungen den Erhalt derartiger Gräber geregelt. Der Deutsche Städtetag bittet in diesem Rundschreiben außerdem darum, der Verlängerung von Grabnutzungsrechten an Gräbern von Sinti und Roma – auch ohne Zahlung einer Gebühr durch den Grabnutzungsberechtigten – zuzustimmen und diese Gräber dauerhaft zu erhalten. 6. Inwiefern können nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags mit den Sinti und Roma neue Strukturen gebildet und Wege gefunden werden, um die im Erhalt bedrohten Gräber zu bewahren? Zu 6.: Das Land hat mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg e. V. einen Staatsvertrag abgeschlossen, der die Rechts- und Finanzbeziehungen des Landes Baden-Württemberg zum Landesverband als Vertreter der Minderheit deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg regelt. Im Vertrag ist unter anderem die Etablierung eines „Rats für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg“ vorgesehen, dem Vertreterinnen /Vertreter des Landes sowie Vertreterinnen/Vertreter von Sinti und Roma angehören werden. Als gemeinsame Aufgabe und Ziel wird, wie es in Artikel 1 Absatz 2 des Vertrages vorgesehen ist, angestrebt, den Erhalt und die Pflege der Grabstätten von Sinti und Roma, die der NS-Verfolgung ausgesetzt waren, im Rahmen des geltenden Bestattungsrechts zu sichern. Dieses Thema soll im Rat für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg besprochen werden, mit dem Ziel hier weitere Lösungen für Baden-Württemberg zu entwickeln. Gall Innenminister << /ASCII85EncodePages false /AllowTransparency false /AutoPositionEPSFiles true /AutoRotatePages /None /Binding /Left /CalGrayProfile (None) /CalRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CalCMYKProfile (U.S. Web Coated \050SWOP\051 v2) /sRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CannotEmbedFontPolicy /Warning /CompatibilityLevel 1.6 /CompressObjects /Off /CompressPages true /ConvertImagesToIndexed true /PassThroughJPEGImages false /CreateJobTicket false /DefaultRenderingIntent /Default /DetectBlends true /DetectCurves 0.1000 /ColorConversionStrategy /LeaveColorUnchanged /DoThumbnails false /EmbedAllFonts true /EmbedOpenType false /ParseICCProfilesInComments true /EmbedJobOptions true /DSCReportingLevel 0 /EmitDSCWarnings false /EndPage -1 /ImageMemory 524288 /LockDistillerParams true /MaxSubsetPct 100 /Optimize true /OPM 1 /ParseDSCComments false /ParseDSCCommentsForDocInfo true /PreserveCopyPage true /PreserveDICMYKValues true /PreserveEPSInfo true /PreserveFlatness true /PreserveHalftoneInfo false /PreserveOPIComments true /PreserveOverprintSettings true /StartPage 1 /SubsetFonts true /TransferFunctionInfo /Preserve /UCRandBGInfo /Preserve /UsePrologue false /ColorSettingsFile () /AlwaysEmbed [ true ] /NeverEmbed [ true ] /AntiAliasColorImages false /CropColorImages true /ColorImageMinResolution 150 /ColorImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleColorImages true /ColorImageDownsampleType /Bicubic /ColorImageResolution 300 /ColorImageDepth 8 /ColorImageMinDownsampleDepth 1 /ColorImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeColorImages true /ColorImageFilter /FlateEncode /AutoFilterColorImages false /ColorImageAutoFilterStrategy /JPEG /ColorACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /ColorImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000ColorACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000ColorImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasGrayImages false /CropGrayImages true /GrayImageMinResolution 150 /GrayImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleGrayImages true /GrayImageDownsampleType /Bicubic /GrayImageResolution 600 /GrayImageDepth 8 /GrayImageMinDownsampleDepth 2 /GrayImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeGrayImages true /GrayImageFilter /FlateEncode /AutoFilterGrayImages false /GrayImageAutoFilterStrategy /JPEG /GrayACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /GrayImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000GrayACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000GrayImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasMonoImages false /CropMonoImages true /MonoImageMinResolution 1200 /MonoImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleMonoImages true /MonoImageDownsampleType /Bicubic /MonoImageResolution 600 /MonoImageDepth -1 /MonoImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeMonoImages true /MonoImageFilter /CCITTFaxEncode /MonoImageDict << /K -1 >> /AllowPSXObjects true /CheckCompliance [ /None ] /PDFX1aCheck false /PDFX3Check false /PDFXCompliantPDFOnly false /PDFXNoTrimBoxError true /PDFXTrimBoxToMediaBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXSetBleedBoxToMediaBox true /PDFXBleedBoxToTrimBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXOutputIntentProfile (None) /PDFXOutputConditionIdentifier () /PDFXOutputCondition () /PDFXRegistryName (http://www.color.org) /PDFXTrapped /False /CreateJDFFile false /SyntheticBoldness 1.000000 /Description << /DEU () >> >> setdistillerparams << /HWResolution [1200 1200] /PageSize [595.276 841.890] >> setpagedevice