Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 4815 20. 02. 2014 1Eingegangen: 20. 02. 2014 / Ausgegeben: 25. 03. 2014 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie und nach welchen rechtlichen Kriterien werden Informationen, die in der öffentlichen Verwaltung und der Judikative gewonnen werden, mit Blick auf die Frage ihrer Weitergabe an Privatpersonen kategorisiert? 2. In welchem Maß und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen dürfen Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, politische Beamte und Regierungsmitglieder Informationen, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit erlangt haben, an Privatpersonen weitergeben? 3. Welche dienst- und strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei einer Informa - tionsweitergabe, die nicht die in Beantwortung der Frage 2 aufgeführten rechtlichen Voraussetzungen erfüllt? 4. Vor dem Hintergrund, dass Innenminister Gall im Interview mit dem „Mannheimer Morgen“ vom 19. Februar 2014 die Informierung von Herrn Gabriel durch den ehemaligen Bundesinnenminister Dr. Friedrich in Sachen „MdB (Mitglied des Bundestags) Edathy“ als rechtswidrig, aber anständig wertet, was findet sie an einem Verhalten (Weitergabe von Informationen an eine Privatperson ) anständig, welches im Falle „Edathy“ nicht nur abstrakt, sondern ggf. sogar konkret geeignet ist, Maßnahmen der Strafverfolgung einer Staatsanwaltschaft zu gefährden? 5. Vertritt sie wie Innenminister Gall entsprechend seiner Aussage gegenüber dem „Mannheimer Morgen“, das Verhalten des ehemaligen Bundesinnen - minis ters Dr. Friedrich sei rechtswidrig, aber anständig, die Ansicht, ein Verstoß gegen Geheimhaltungsvorschriften, rechtswidriges ggf. strafbewehrtes Verhalten, könne anständig sein? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP und Antwort des Innenministeriums Die Bedeutung von Geheimhaltungsvorschriften für die Landesregierung Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4815 2 6. Vor dem Hintergrund, dass Innenminister Gall mit seiner wertschätzenden Aussage des Verhaltens des ehemaligen Bundesinnenminister Dr. Friedrich politischen Belangen den Vorrang vor rechtsstaatlichen Vorschriften einräumt, können politische Belange, die nicht im geltenden Recht Berücksichtigung finden , einen Verstoß gegen rechtsstaatliche Vorschriften rechtfertigen? 7. Darf ein baden-württembergischer Minister, politischer Beamter oder sonstiger Angehöriger des öffentlichen Diensts nach der in Baden-Württemberg geltenden Rechtslage nicht öffentliche, dienstlich erlangte Kenntnisse über staatsanwaltschaftliche Maßnahmen gegen eine Person oder Organisation an Privatpersonen weitergeben? 20. 02. 2014 Dr. Goll FDP/DVP B e g r ü n d u n g In einem Interview mit dem „Mannheimer Morgen“, veröffentlicht am 19. Feb - ruar 2014, wurde Innenminister Gall die Frage gestellt: „Wie hätten Sie sich in der Situation Ihres früheren Ministerkollegen Hans-Peter Friedrich verhalten? Hätten Sie das Dienstgeheimnis gewahrt oder den künftigen Koalitionspartner informiert ?“ Darauf antwortete der Innenminister: „Ich weiß es nicht. Aber ich bin der Auffassung , dass sich Friedrich anständig verhalten hat.“ Auf Nachfrage des Journalisten, ob der ehemalige Bundesinnenminister Dr. Fried - rich „trotzdem gegen das Gesetz verstoßen hat“, er also rechtswidrig handelte, ergänzte Innenminister Gall: „Offensichtlich ja. In diese Gefahr kommt man gelegentlich auch, wenn man sich anständig verhält.“ Das durch diese öffentlichen Äußerungen von Innenminister Gall und die „Causa Edathy“ aufgezeigte Spannungsfeld zwischen Rechtsstaat und politischen Befindlichkeiten muss angesichts der immensen Bedeutung des Rechtsstaats hinterfragt werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 17. März 2014 Nr. Z-99-049/176 beantwortet das Innenminis - terium im Einvernehmen mit dem Justizministerium die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie und nach welchen rechtlichen Kriterien werden Informationen, die in der öffentlichen Verwaltung und der Judikative gewonnen werden, mit Blick auf die Frage ihrer Weitergabe an Privatpersonen kategorisiert? Zu 1.: Eine allgemeine Regelung im Hinblick auf eine Kategorisierung von Informationen , die in der öffentlichen Verwaltung und der Judikative gewonnen werden, mit Blick auf die Frage ihrer Weitergabe an Privatpersonen ist im Land Baden-Württemberg nicht vorhanden. Daher ist jeweils im Einzelfall am Maßstab der jeweils einschlägigen Vorschriften, insbesondere derjenigen des Datenschutzes, zu entscheiden , ob und ggf. welche Aktenbestandteile einem Privaten zugänglich gemacht werden können. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4815 Eine grundsätzliche Ausrichtung der Aktenführung in der öffentlichen Verwaltung und bei den Gerichten, Staatsanwaltschaften und sonstigen Stellen der Justiz nach der Eignung der Akteninhalte für die Weitergabe an Private erscheint weder erforderlich noch sachgerecht. Als praxisrelevantes Beispiel aus der Judikative kann jedoch auf die zum Prozess - kostenhilfeverfahren getroffene Regelung des § 117 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) hingewiesen werden. Diese Vorschrift findet über Verweisungsvorschriften in den Prozessordnungen der Arbeits-, Verwaltungs-, Sozialund Finanzgerichtsbarkeit auch in den Verfahren dieser Gerichtsbarkeiten Anwendung . Danach darf die vom Antragsteller abzugebende Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 117 Absatz 2 Satz 1 ZPO) dem Gegner grundsätzlich nur mit Zustimmung des Antragstellers zugänglich gemacht werden. Diese Regelung hat zur Folge, dass die Erklärung nach § 117 Absatz 2 Satz 1 ZPO außerhalb der Prozessakte in einer gesonderten Akte zum Prozess - kostenhilfeverfahren geführt wird (vgl. Geimer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Aufl. 2014, § 117 Rdnr. 20). 2. In welchem Maß und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen dürfen Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, politische Beamte und Regierungsmitglieder Informationen, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit erlangt haben, an Privatpersonen weitergeben? Zu 2. Die Übermittlung von personenbezogenen Daten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Landesdatenschutzgesetzes (LDSG) ist nach § 4 Absatz 1 LDSG nur zulässig, 1. wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder 2. soweit der Betroffene eingewilligt hat. Daran anknüpfend ist nach § 6 Satz 1 LDSG den bei öffentlichen Stellen beschäftigten Personen untersagt, personenbezogene Daten unbefugt zu verarbeiten oder sonst zu verwenden (Datengeheimnis). Für Verwaltungsverfahren ist darüber hinaus in § 3 b des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) bestimmt, dass personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht unbefugt offenbart werden dürfen. Einen Erlaubnistatbestand für die Übermittlung von personenbezogenen Daten an Privatpersonen enthält § 18 LDSG. Danach ist eine Übermittlung zulässig, wenn 1. sie zur Erfüllung der Aufgaben der übermittelnden Stelle erforderlich ist und für Zwecke erfolgt, für die eine Nutzung nach § 15 Absatz 1 bis 4 zulässig wäre , oder 2. der Dritte, an den die Daten übermittelt werden sollen, ein berechtigtes Inte - resse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft darlegt und der Betroffene kein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung hat. Soweit besondere Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes auf personenbezogene Daten anzuwenden sind, gehen sie nach § 2 Absatz 5 Satz 1 LDSG den Vorschriften des LDSG vor. Insoweit existieren erheblich mehr als 1.000 Rechtsvorschriften , die spezielle Regelungen für den Umgang mit personenbezogenen Daten enthalten. Hinsichtlich der Übermittlung an Private sei beispielsweise auf § 9 d Absatz 4 des Adoptionsvermittlungsgesetzes oder § 39 Absatz 1 des Justizvollzugsgesetzbuches hingewiesen. Neben dem allgemeinen Übermittlungstatbestand des § 18 LDSG existieren eine Vielzahl von speziellen Rechtsgrundlagen für die Übermittlung von Daten an Private , die nicht nur zur Übermittlung von personenbezogenen Daten, sondern auch die Weitergabe sonstiger Daten legitimieren können. Wichtige Beispiele dafür sind: • Artikel 45 der Landesverfassung Baden-Württemberg (Bundesverfassungsgericht , Nichtannahmebeschluss vom 12. August 2002 1 – BvR 1044/93 – Osho, Orientierungssatz 2 a: „Im Rahmen ihres Verantwortungsbereichs können auch die Landesregierungen nach Maßgabe des jeweiligen Landesverfassungsrechts unmittelbar von Verfassungs wegen zum Informationshandeln ermächtigt sein.“) Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4815 4 • § 29 LVwVfG (Akteneinsicht durch Beteiligte) • § 4 Landespressegesetz (Informationsrecht der Presse) • § 3 Landesumweltinformationsgesetz (Zugang zu und Verbreitung von Umweltinformationen ) • § 2 Verbraucherinformationsgesetz (Anspruch auf Zugang von Informationen) • Registerrecht (z. B. §§ 61 ff. Personenstandsgesetz, Benutzung der Personenstandsregister ) Außerdem bleiben nach § 2 Absatz 5 Satz 2 LDSG die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten und von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, unberührt. Exemplarisch sind insoweit das Steuergeheimnis in § 30 der Abgabenordnung, das Sozialgeheimnis nach § 35 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, das Statistikgeheimnis nach § 16 Absatz 1 Bundesstatistikgesetz und die Schweigepflicht von Beamten (§ 37 Beamtenstatusgesetz und § 57 Landesbeamtengesetz) zu nennen. Eine Weitergabe von Informationen an Privatpersonen scheidet in den Fällen aus, in denen die Information innerdienstlichen Geheimhaltungsvorschriften, wie beispielsweise der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA), unterfällt . Nach § 1 Absatz 2 VS-Anweisung dürfen von einer Verschlusssache nur Personen Kenntnis erhalten, die aufgrund ihrer Dienstpflichten von ihr Kenntnis haben müssen. Niemand darf über eine Verschlusssache umfassender oder eher unterrichtet werden, als dies aus dienstlichen Gründen unerlässlich ist. Soweit Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung in einem Beamtenverhältnis stehen , regelt § 37 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) in Verbindung mit § 57 des Landesbeamtengesetzes (LBG) die Verschwiegenheitspflicht. Nach § 37 Absatz 1 BeamtStG haben Beamtinnen und Beamte über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegen - heiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch über den Bereich des Dienstherrn hinaus sowie nach Beendigung des Beamtenverhältnisses. Ausnahmen von dieser Verschwiegenheitspflicht bestehen nach § 37 Absatz 2 Satz 1 BeamtStG in folgenden Fällen: • Für Mitteilungen, die im dienstlichen Verkehr geboten sind (Nummer 1). • Für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen (Nummer 2). • Wenn gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer nach Landesrecht bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle (vgl. dazu § 57 LBG „Vertrauensanwalt“) ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Korruptionsstraftat nach den §§ 331 bis 337 des Strafgesetzbuches (StGB) angezeigt wird (Nummer 3). Im Übrigen bleiben nach § 37 Absatz 2 Satz 2 BeamtStG die gesetzlich begründeten Pflichten, geplante Straftaten anzuzeigen (zum Beispiel § 138 Strafgesetzbuch ) und für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten von der Verschwiegenheitspflicht unberührt. Nach § 37 Absatz 3 BeamtStG dürfen Beamtinnen und Beamte ohne Genehmigung über Angelegenheiten, die unter § 37 Absatz 1 fallen, weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Soweit Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung in einem tarifvertraglichen Beschäftigungsverhältnis stehen, regelt § 3 Absatz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), dass die Beschäftigten über Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften vorgesehen oder vom Arbeitgeber angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren haben; dies gilt auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus. Sogenannte „politische Beamte“ (also gemäß § 30 Absatz 1 BeamtStG i. V. m. § 42 Absatz 1 LBG Beamtinnen und Beamte, die ein Amt bekleiden, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen) fallen als Beamte 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4815 ebenfalls unter die Vorschrift des § 37 BeamtStG. Für diese gilt daher das oben Gesagte. Die Mitglieder der Regierung stehen zum Land gemäß § 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Regierung (Ministergesetzes, MinG) in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Sie sind nach § 6 MinG verpflichtet über ihnen amtlich bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr oder über Tatsachen , die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Unberührt bleibt die gesetzlich begründete Pflicht, Straftaten anzuzeigen und bei Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung für deren Erhaltung einzutreten. 3. Welche dienst- und strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei einer Informa - tionsweitergabe, die nicht die in Beantwortung der Frage 2 aufgeführten rechtlichen Voraussetzungen erfüllt? Zu 3.: Bei Beamtinnen und Beamten kann die unbefugte Weitergabe von Informationen disziplinarrechtlich geahndet werden. Je nach Schwere des Verstoßes kommen bei aktiven Beamten auf Basis des Landesdisziplinargesetzes als Disziplinarmaßnahmen grundsätzlich ein Verweis, eine Geldbuße, die Kürzung der Bezüge, eine Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht. Bei Ruhestandsbeamten kommt eine Kürzung des Ruhegehalts oder die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht. Bei Tarifbeschäftigten können bei einem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht arbeitsrechtliche Maßnahmen von der Abmahnung bis hin zur außerordentlichen Kündigung ergriffen werden. Die unerlaubte Weitergabe von Informationen, die ein Amtsträger in dienstlicher Eigenschaft erlangt hat, kann insbesondere nach den § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) und § 353 b StGB (Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht) strafrechtliche Konsequenzen haben. Nach § 203 Absatz 2 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis , offenbart, das ihm als Amtsträger anvertraut oder sonst bekanntgeworden ist. Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt (§ 205 Absatz 1 StGB). Nach § 353 b Absatz 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Geheimnis, das ihm als Amtsträger anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet. Hat der Amtsträger die wichtigen öffentlichen Interessen nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig gefährdet, droht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar (§ 353 b Absatz 3 StGB). Die Tat wird nur mit Ermächtigung verfolgt, worüber der Präsident des Gesetzgebungsorgans , die oberste Bundesbehörde oder die oberste Landesbehörde zu entscheiden hat, je nachdem, bei welcher Tätigkeit dem Amtsträger das Geheimnis bekanntgeworden ist (§ 353 b Absatz 4 StGB). Für die Verletzung des Steuergeheimnisses droht § 355 StGB Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe an. 4. Vor dem Hintergrund, dass Innenminister Gall im Interview mit dem „Mannheimer Morgen“ vom 19. Februar 2014 die Informierung von Herrn Gabriel durch den ehemaligen Bundesinnenminister Dr. Friedrich in Sachen „MdB (Mitglied des Bundestages) Edathy“ als rechtswidrig, aber anständig wertet, was findet sie an einem Verhalten (Weitergabe von Informationen an eine Privatperson ) anständig, welches im Fall „Edathy“ nicht nur abstrakt, sondern ggf. sogar konkret geeignet ist, Maßnahmen der Strafverfolgung einer Staatsanwaltschaft zu gefährden? Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4815 6 5. Vertritt sie wie Innenminister Gall entsprechend seiner Aussage gegenüber dem „Mannheimer Morgen“, das Verhalten des ehemaligen Bundesinnenminis ters Dr. Friedrich sei rechtswidrig, aber anständig, die Ansicht, ein Verstoß gegen Geheimhaltungsvorschriften, rechtswidriges ggf. strafbewehrtes Verhalten, könne anständig sein? 6. Vor dem Hintergrund, dass Innenminister Gall mit seiner wertschätzenden Aussage des Verhaltens des ehemaligen Bundesinnenministers Dr. Friedrich politischen Belangen den Vorrang vor rechtsstaatlichen Vorschriften einräumt, können politische Belange, die nicht im geltenden Recht Berücksichtigung finden , einen Verstoß gegen rechtsstaatliche Vorschriften rechtfertigen? Zu 4., 5. und 6.: Die Landesregierung Baden-Württemberg gibt keine Stellungnahme oder Wertung der Unterrichtung des SPD-Bundesvorsitzenden und heutigen Bundesminis - ter für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel durch den ehemaligen Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich über mögliche Ermittlungen gegen den damaligen SPD-Abgeordneten Edathy ab. Eine Wertung des Verhaltens als rechtswidrig oder konkret geeignet, Maßnahmen der Strafverfolgung einer Staatsanwaltschaft zu gefährden, obliegt der Berliner Staatsanwaltschaft, die hierzu ausweislich der Presseberichterstattung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Neben den staatlichen Normen (Recht) bestehen auch soziale (Sitte, Moral, Anstand ) und persönliche Normen (Gewissen). Das Gewissen ist das individuelle Norm- und Wertsystem des Einzelnen, das sich aus vielfältigen Einflüssen und Eindrücken herausbildet und das zu den Normen des Rechtssystems und des Moralsystems in Konkurrenz treten kann (vgl. Weber-Grellet, Rechtsphilosophie, 1997, S. 123). Dementsprechend ist es möglich, dass der Einzelne seinem Gewissen folgt, von sittlichen Motiven (z. B. dem Ziel, von jemandem oder etwas Schaden abzuwenden) angeregt wird und dass sein Verhalten dennoch strafbewehrt ist. Potenzielle Konfliktsituationen sind angesichts konkurrierender Normensysteme (Recht, Moral, Gewissen) unvermeidlich. Kollidiert eine Gewissensentscheidung mit den Rechtsnormen, muss der Einzelne entscheiden, ob er den Rechtsverstoß (mit den dafür vorgesehenen Sanktionen) auf sich nehmen will oder ob er seine individuelle Entscheidung zurückstellt. Die unterschiedlichen Entscheidungsmöglichkeiten beruhen auf divergierenden Bewertungen , die der Gesetzgeber und der Einzelne treffen. Sie beruhen auch auf der Unvollkommenheit des Rechts und auf der Unvollkommenheit des Einzelnen. Weder dem Gesetzgeber noch dem einzelnen Bürger ist eine absolut richtige Beurteilung möglich (a. a. O., S. 124). Ob der Einzelne das Recht befolgt oder sich dem Recht verweigert, ist ein Akt seiner freien Entscheidung. Verweigert er sich, z. B. weil das Recht nicht seinen Anstandsregeln entspricht oder weil er das Recht für den Einzelfall als ungeeignet ansieht, stellt er sich außerhalb des Rechtssystems und muss die dafür vorgesehenen Sanktionen auf sich nehmen. Der Anspruch auf Verbindlichkeit und Geltung des Rechts ist ein wesentliches Merkmal des Rechts und beruht auf demokratisch legitimierter Vereinbarung (a. a. O., S. 121). Mit Ausnahme der anerkannten Rechtfertigungsgründe können sonstige Belange (auch politische Interessen) einen Verstoß gegen staatliche Normen nicht rechtfertigen. 7. Darf ein baden-württembergischer Minister, politischer Beamter oder sons - tiger Angehöriger des öffentlichen Dienstes nach der in Baden-Württemberg geltenden Rechtslage nicht öffentliche, dienstlich erlangte Kenntnisse über staatsanwaltschaftliche Maßnahmen gegen eine Person oder Organisation an Privatpersonen weitergeben? Zu 7.: Die Zulässigkeit der Weitergabe dienstlich erlangter Erkenntnisse über staatsanwaltschaftliche Maßnahmen an Dritte durch Mitglieder der Landesregierung bzw. Angehörige der Landesverwaltung richtet sich vorrangig nach den unter Ziff. 2 dargestellten Vorschriften zur Amtsverschwiegenheit im Gesetz über die Rechts- 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4815 verhältnisse der Mitglieder der Regierung (Ministergesetz), im Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern und im Landesbeamtengesetz . Diese Regelungen erfahren durch die Strafprozessordnung lediglich insoweit eine Modifikation, als im Achten Buch der Strafprozessordnung („Erteilung von Auskünften und Akteneinsicht, sonstige Verwendung von Daten für verfahrensübergreifende Zwecke, Dateiregelungen, länderübergreifendes Verfahrensregister “) Rechtsgrundlagen für die Erteilung von Auskünften aus Ermittlungsakten und für die Gewährung von Einsicht in Ermittlungsakten enthalten sind. Gall Innenminister << /ASCII85EncodePages false /AllowTransparency false /AutoPositionEPSFiles true /AutoRotatePages /None /Binding /Left /CalGrayProfile (None) /CalRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CalCMYKProfile (U.S. Web Coated \050SWOP\051 v2) /sRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CannotEmbedFontPolicy /Warning /CompatibilityLevel 1.6 /CompressObjects /Off /CompressPages true /ConvertImagesToIndexed true /PassThroughJPEGImages false /CreateJobTicket false /DefaultRenderingIntent /Default /DetectBlends true /DetectCurves 0.1000 /ColorConversionStrategy /LeaveColorUnchanged /DoThumbnails false /EmbedAllFonts true /EmbedOpenType false /ParseICCProfilesInComments true /EmbedJobOptions true /DSCReportingLevel 0 /EmitDSCWarnings false /EndPage -1 /ImageMemory 524288 /LockDistillerParams true /MaxSubsetPct 100 /Optimize true /OPM 1 /ParseDSCComments false /ParseDSCCommentsForDocInfo true /PreserveCopyPage true /PreserveDICMYKValues true /PreserveEPSInfo true /PreserveFlatness true /PreserveHalftoneInfo false /PreserveOPIComments true /PreserveOverprintSettings true /StartPage 1 /SubsetFonts true /TransferFunctionInfo /Preserve /UCRandBGInfo /Preserve /UsePrologue false /ColorSettingsFile () /AlwaysEmbed [ true ] /NeverEmbed [ true ] /AntiAliasColorImages false /CropColorImages true /ColorImageMinResolution 150 /ColorImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleColorImages true /ColorImageDownsampleType /Bicubic /ColorImageResolution 300 /ColorImageDepth 8 /ColorImageMinDownsampleDepth 1 /ColorImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeColorImages true /ColorImageFilter /FlateEncode /AutoFilterColorImages false /ColorImageAutoFilterStrategy /JPEG /ColorACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /ColorImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000ColorACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000ColorImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasGrayImages false /CropGrayImages true /GrayImageMinResolution 150 /GrayImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleGrayImages true /GrayImageDownsampleType /Bicubic /GrayImageResolution 600 /GrayImageDepth 8 /GrayImageMinDownsampleDepth 2 /GrayImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeGrayImages true /GrayImageFilter /FlateEncode /AutoFilterGrayImages false /GrayImageAutoFilterStrategy /JPEG /GrayACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /GrayImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000GrayACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000GrayImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasMonoImages false /CropMonoImages true /MonoImageMinResolution 1200 /MonoImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleMonoImages true /MonoImageDownsampleType /Bicubic /MonoImageResolution 600 /MonoImageDepth -1 /MonoImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeMonoImages true /MonoImageFilter /CCITTFaxEncode /MonoImageDict << /K -1 >> /AllowPSXObjects true /CheckCompliance [ /None ] /PDFX1aCheck false /PDFX3Check false /PDFXCompliantPDFOnly false /PDFXNoTrimBoxError true /PDFXTrimBoxToMediaBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXSetBleedBoxToMediaBox true /PDFXBleedBoxToTrimBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXOutputIntentProfile (None) /PDFXOutputConditionIdentifier () /PDFXOutputCondition () /PDFXRegistryName (http://www.color.org) /PDFXTrapped /False /CreateJDFFile false /SyntheticBoldness 1.000000 /Description << /DEU () >> >> setdistillerparams << /HWResolution [1200 1200] /PageSize [595.276 841.890] >> setpagedevice