Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 4877 03. 03. 2014 1Eingegangen: 03. 03. 2014 / Ausgegeben: 08. 04. 2014 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie konkret sind die Städte Reutlingen und Tübingen durch die Novellierung des § 65 WG, mit Blick auf das hundertjährige Hochwasser (HQ100), in ihrer Siedlungsentwicklung eingeschränkt? 2. Wie haben sich die Kommunalen Landesverbände im Rahmen der Anhörung zu der Novellierung des § 65 WG geäußert? 3. Hat speziell der Städtetag auf die massiven Belastungen, die im Rahmen der Änderung bzw. Verschärfung des § 65 WG auf die Städte zukommen, hingewiesen ? 4. Welche – bis zum Inkrafttreten der Wassergesetznovelle – bestehenden Baurechte , insbesondere in rechtsverbindlichen Bebauungsplänen, werden durch die Novelle eingeschränkt bzw. aufgehoben? 5. Gibt das Land Vorgaben in Form einer Verwaltungsvorschrift bzw. Richtlinie, in der die ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen weiterhin gegebenen Möglichkeiten ein neues Baugebiet in einem Überschwemmungsgebiet aus - weisen zu können, definiert sind? 6. In welcher Form gibt das Land den Kommunen Hilfestellung für die Schaffung eines Hochwasserschutzregisters? 7. Sind die Festsetzungen in den Hochwassergefahrenkarten verbindlich oder sind Ausnahmen in den Festlegungen vorgesehen und ggf. welche? Kleine Anfrage des Abg. Dieter Hillebrand CDU und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Auswirkungen der Änderung des § 65 Wassergesetzes (WG) auf die Bebaubarkeit von Flächen in den Städten Reutlingen und Tübingen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4877 2 8. Haben Grundstückseigentümer, deren bisherige Baurechte (aufgrund eines Bebauungsplans oder aufgrund von § 34 Baugesetzbuch) infolge dieser Gesetzesnovellierung obsolet geworden sind, einen Anspruch auf Entschädigung (z. B. wegen enteignungsgleichem Eingriff) und wenn ja, gegen die Stadt oder gegen das Land? 03. 03. 2014 Hillebrand CDU B e g r ü n d u n g Es ist von Interesse, welche Konsequenzen durch die Änderung des § 65 Wassergesetzes , mit Blick auf das HQ100, auf die Städte Reutlingen und Tübingen zukommen . Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass ausweislich der Bericht - erstattung des Onlineportals www.schwaebische.de vom 16. Februar 2014 selbst der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer davon spricht, „dass es ihm zu weit gehe, dass Stadtrückbau zum Zwecke des Hochwasserschutzes betrieben werde und eine Innenentwicklung massiv erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht werde.“ A n t w o r t Mit Schreiben vom 26. März 2014 Nr. 5-0141.5/455 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie konkret sind die Städte Reutlingen und Tübingen durch die Novellierung des § 65 WG, mit Blick auf das hundertjährige Hochwasser (HQ100), in ihrer Siedlungsentwicklung eingeschränkt? In Tübingen sind rund 760 Hektar von der flächigen Ausbreitung eines Hochwasserereignisses , das statistisch gesehen einmal in einhundert Jahren eintritt (HQ100), betroffen. 7 % davon umfassen Siedlungsflächen, 7 % Industrie- und Gewerbeflä - chen, 4 % Verkehrsflächen, 71 % Forst, landwirtschaftliche und sonstige Flächen sowie 11 % Gewässerflächen. In Reutlingen sind mit rund 192 Hektar insgesamt deutlich weniger Flächen betroffen . Davon sind 9 % Siedlungsflächen, 5 % Industrie- und Gewerbeflächen, 4 % Verkehrsflächen, 61 % Forst, landwirtschaftliche und sonstige Flächen sowie 21 % Gewässerflächen. Nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen sind die Bebauungspläne „Technisches Rathaus“ (Tübingen), „Lustnauer Mühle“ (Tübingen), „Sindelfinger Straße“ (Tübingen) sowie „Pflegeheim Reichenbachstraße“ (Reutlingen ) durch ein Überschwemmungsgebiet nach § 65 WG betroffen und somit durch die zuständige Fachbehörde im Hinblick auf die Regelungen des § 78 WHG zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die durch § 78 WHG bedingten Einschränkungen der Siedlungsentwicklung entfallen, wenn ein Gebiet durch Maßnahmen des Hochwasserschutzes vor einem HQ100 geschützt wird und infolge dessen automatisch seine Einstufung als Überschwemmungsgebiet verliert. Maßnahmen des Hochwasserschutzes sind nach § 78 Absatz 1 Satz 2 WHG von den Verboten des § 78 Absatz 1 Satz 1 WHG ausgenommen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4877 Für Einzelbauvorhaben, die in Überschwemmungsgebieten innerhalb eines bestehenden Bebauungsplans liegen, gilt § 78 Abs. 1 Nummer 2 WHG. Diese Vorhaben benötigen neben einer Baugenehmigung eine Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 3 WHG. Dies hat Bedeutung für die bauliche Nachverdichtung im Rahmen älterer Bau - gebiete, besonders aber für erst kurz vor dem Stichtag genehmigte Baugebiete, die faktisch noch unbebaut sind. Letzteres betrifft nach aktuellem Kenntnisstand lediglich den Bebauungsplan „Steinlachwasen“ (Tübingen). 2. Wie haben sich die Kommunalen Landesverbände im Rahmen der Anhörung zu der Novellierung des § 65 WG geäußert? 3. Hat speziell der Städtetag auf die massiven Belastungen, die im Rahmen der Änderung bzw. Verschärfung des § 65 WG zukommen, hingewiesen? Vorab ist darauf hinzuweisen, dass § 65 WG selbst keine Beschränkungen/Belas - tungen regelt. § 65 Absatz 1 Nummer 2 WG bestimmt, dass als festgesetzte Überschwemmungsgebiete solche Gebiete gelten, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist. Der Landesgesetzgeber ist damit der Vorgabe des Bundesrechts gefolgt, bis zum 22. Dezember 2013 namentlich die Gebiete, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, als Überschwemmungsgebiete festzusetzen (§ 76 Absatz 2 WHG). Sowohl der Gemeindetag als auch der Städtetag sowie neben anderen Kommunen die hier angesprochene Stadt Tübingen haben frühzeitig erkannt, dass damit auch für den Innenbereich die besonderen Schutzvorschriften des § 78 WHG mit den dort genannten Beschränkungen gelten und dies im Rahmen der Anhörung vorgetragen . Die Problematik wurde mit den kommunalen Landesverbänden intensiv erörtert. Im Rahmen der Verständigung mit den kommunalen Verbänden über die Inhalte des Wassergesetzes hat dieses Thema eine gewichtige Rolle gespielt. Unter Berücksichtigung, dass das Land kompetenzrechtlich nicht von den bundesrechtlichen Vorgaben des § 78 WHG abweichen kann, wurden Lösungsmöglichkeiten ausgelotet. Ein auch von kommunaler Seite anerkannter Gesichtspunkt war, dass es speziell im Innenbereich auf die faktische Gefährdungslage für Sachwerte und Menschen ankommt. Soweit eine Kommune durch Hochwasserschutzmaßnahmen diese HQ100-Gefährdung beseitigt, entfallen – wie schon erwähnt – die Restriktionen. Als besonders hohe Hürde wurde von kommunaler Seite die Forderung des § 78 Absatz 3 WHG nach einem zeitgleichen Ausgleich für verloren gehenden Rückhalteraum für Einzelbaumaßnahmen im Innenbereich angesehen. Um hier den Kommunen Handlungsspielräume zu eröffnen, aber Widersprüche zum Bundesrecht zu vermeiden, wurde in § 65 Absatz 3 folgende Bestimmung aufgenommen: „Der zeitgleiche Ausgleich des Verlusts von verloren gehendem Rückhalteraum (§ 78 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 WHG) kann über ein Hochwasserschutzregister erfolgen, dem kommunale Maßnahmen zur Schaffung von Rückhalteraum zugrunde liegen.“ Ferner sind die Gemeinden zuständig für die wasserrechtliche Ausnahmeentscheidung nach § 78 Absatz 3 Satz 1 WHG. 4. Welche – bis zum Inkrafttreten der Wassergesetznovelle – bestehenden Baurechte , insbesondere in rechtsverbindlichen Bebauungsplänen, werden durch die Novelle eingeschränkt bzw. aufgehoben? In der Folge des Inkrafttretens der WG-Novelle werden keine bestehenden Bebauungspläne eingeschränkt oder aufgehoben. Die gesetzliche Festsetzung der Überschwemmungsgebiete führt jedoch zur Anwendung des § 78 WHG. Nach § 78 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 WHG ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Errichtung oder Erweiterung baulicher An - lagen nach den §§ 30, 33, 34 und 35 des Baugesetzbuchs untersagt. Dementsprechend ist für Einzelbauvorhaben eine Ausnahmegenehmigung nach § 78 Absatz 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 4877 4 erforderlich, die an verschiedene Voraussetzungen wie ein hochwasserangepasstes Bauen und die Vermeidung nachteiliger Veränderungen des Hochwasserabflusses , z. B. zum Nachteil anderer, sowie den erwähnten zeitgleichen Ausgleich von Rückhalteraum anknüpft. Die Einschränkungen der Bebaubarkeit werden von der Kommentarliteratur übereinstimmend als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Absatz 1 Satz 2 GG eingeordnet, die vom Eigentümer grund - sätzlich entschädigungslos hinzunehmen sind. Das Bundesverwaltungsgericht teilt diese Auffassung (vgl. BVerwGE 121, 283). 5. Gibt das Land Vorgaben in Form einer Verwaltungsvorschrift bzw. Richtlinie, in der die ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen weiterhin gegebenen Möglichkeiten ein neues Baugebiet in einem Überschwemmungsgebiet aus - weisen zu können, definiert sind? Eine Verwaltungsvorschrift bzw. Richtlinie des Landes zur Ausnahmevorschrift des § 78 Absatz 2 WHG ist derzeit nicht vorgesehen. Da § 78 WHG das gesamte Bundesgebiet betrifft, wäre es im Sinne einer einheitlichen Praxis sinnvoll, übergreifende Fragestellungen auf Bund-Länder-Ebene zu klären. Die Fachkommis - sion Städtebau der Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGE BAU) hat bereits mit Stand 26. August 2010 eine mit der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) abgestimmte Handlungsanleitung für den Einsatz rechtlicher und technischer Instrumente zum Hochwasserschutz in der Raumordnung, in der Bauleitplanung und bei der Zulassung von Einzelbauvorhaben veröffentlicht. In dieser finden sich auch detaillierte Erläuterungen zu § 78 Absatz 2 WHG. 6. In welcher Form gibt das Land den Kommunen Hilfestellung für die Schaffung eines Hochwasserschutzregisters? Das Land arbeitet in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit den kommunalen Landesverbänden zusammen, um eine Handreichung zu bieten. 7. Sind die Festsetzungen in den Hochwassergefahrenkarten verbindlich oder sind Ausnahmen in den Festlegungen vorgesehen und ggfs. welche? Die Überschwemmungsgebiete werden nach § 65 Absatz 1 Satz 2 WG in Karten mit deklaratorischer Bedeutung eingetragen. Maßgeblich für die Frage, ob ein Grundstück im Überschwemmungsgebiet liegt oder nicht, ist damit die tatsäch - liche Gefährdungslage. 8. Haben Grundstückseigentümer, deren bisherige Baurechte (aufgrund eines Bebauungsplans oder aufgrund von § 34 Baugesetzbuch) infolge dieser Gesetzesnovellierung obsolet geworden sind, einen Anspruch auf Entschädigung (z. B. wegen enteignungsgleichem Eingriff) und wenn ja, gegen die Stadt oder gegen das Land? Auf die Stellungnahme zu Ziffer 4 sowie zu Ziffer 8 der Drucksache 15/4804, Antrag des Abg. Andreas Glück u. a. FDP/DVP und des Abg. Paal CDU, wird verwiesen. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft << /ASCII85EncodePages false /AllowTransparency false /AutoPositionEPSFiles true /AutoRotatePages /None /Binding /Left /CalGrayProfile (None) /CalRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CalCMYKProfile (U.S. Web Coated \050SWOP\051 v2) /sRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CannotEmbedFontPolicy /Warning /CompatibilityLevel 1.6 /CompressObjects /Off /CompressPages true /ConvertImagesToIndexed true /PassThroughJPEGImages false /CreateJobTicket false /DefaultRenderingIntent /Default /DetectBlends true /DetectCurves 0.1000 /ColorConversionStrategy /LeaveColorUnchanged /DoThumbnails false /EmbedAllFonts true /EmbedOpenType false /ParseICCProfilesInComments true /EmbedJobOptions true /DSCReportingLevel 0 /EmitDSCWarnings false /EndPage -1 /ImageMemory 524288 /LockDistillerParams true /MaxSubsetPct 100 /Optimize true /OPM 1 /ParseDSCComments false /ParseDSCCommentsForDocInfo true /PreserveCopyPage true /PreserveDICMYKValues true /PreserveEPSInfo true /PreserveFlatness true /PreserveHalftoneInfo false /PreserveOPIComments true /PreserveOverprintSettings true /StartPage 1 /SubsetFonts true /TransferFunctionInfo /Preserve /UCRandBGInfo /Preserve /UsePrologue false /ColorSettingsFile () /AlwaysEmbed [ true ] /NeverEmbed [ true ] /AntiAliasColorImages false /CropColorImages true /ColorImageMinResolution 150 /ColorImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleColorImages true /ColorImageDownsampleType /Bicubic /ColorImageResolution 300 /ColorImageDepth 8 /ColorImageMinDownsampleDepth 1 /ColorImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeColorImages true /ColorImageFilter /FlateEncode /AutoFilterColorImages false /ColorImageAutoFilterStrategy /JPEG /ColorACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /ColorImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000ColorACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000ColorImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasGrayImages false /CropGrayImages true /GrayImageMinResolution 150 /GrayImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleGrayImages true /GrayImageDownsampleType /Bicubic /GrayImageResolution 600 /GrayImageDepth 8 /GrayImageMinDownsampleDepth 2 /GrayImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeGrayImages true /GrayImageFilter /FlateEncode /AutoFilterGrayImages false /GrayImageAutoFilterStrategy /JPEG /GrayACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /GrayImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000GrayACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000GrayImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasMonoImages false /CropMonoImages true /MonoImageMinResolution 1200 /MonoImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleMonoImages true /MonoImageDownsampleType /Bicubic /MonoImageResolution 600 /MonoImageDepth -1 /MonoImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeMonoImages true /MonoImageFilter /CCITTFaxEncode /MonoImageDict << /K -1 >> /AllowPSXObjects true /CheckCompliance [ /None ] /PDFX1aCheck false /PDFX3Check false /PDFXCompliantPDFOnly false /PDFXNoTrimBoxError true /PDFXTrimBoxToMediaBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXSetBleedBoxToMediaBox true /PDFXBleedBoxToTrimBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXOutputIntentProfile (None) /PDFXOutputConditionIdentifier () /PDFXOutputCondition () /PDFXRegistryName (http://www.color.org) /PDFXTrapped /False /CreateJDFFile false /SyntheticBoldness 1.000000 /Description << /DEU () >> >> setdistillerparams << /HWResolution [1200 1200] /PageSize [595.276 841.890] >> setpagedevice