Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 523 20. 09. 2011 1Eingegangen: 20. 09. 2011 / Ausgegeben: 18. 10. 2011 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Ist ihr bekannt, mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen Vereine und ehrenamtliche Organisationen zu kämpfen haben, um bei Straßen- und Vereinsfesten die hygiene- und lebensmittelrechtlichen Vorschriften, die in gleicher Form für gewerbliche Betriebe gelten, zu gewährleisten? 2. Welche Möglichkeiten sieht sie, Vereine und nicht professionelle Anbieter auf Vereins- und Straßenfesten von den Bestimmungen für gewerbliche Betriebe – zumindest teilweise – zu entlasten, ohne dabei den Verbraucherschutz zu vernachlässigen ? 20. 09. 2011 Kleinböck SPD Kleine Anfrage des Abg. Gerhard Kleinböck SPD und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Lebensmittelüberwachung auf Vereins- und Straßenfesten Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 523 2 B e g r ü n d u n g Der sachgerechte Umgang mit Lebensmitteln bei Vereins- und Straßenfesten ist von großer Bedeutung für den Gesundheitsschutz. Er schützt die Bürgerinnen und Bürger vor möglichen schwerwiegenden Erkrankungen durch Lebensmittelinfektionen . Vereine klagen allerdings in wachsendem Maße über große finanzielle und personelle Schwierigkeiten bei der Erfüllung der hygiene- und lebensmittelrechtlichen Vorschriften. Generell müssen die ehrenamtlichen Organisationen die gleichen Vorschriften erfüllen, die auch für gewerbliche Betriebe gelten. Dies führt vermehrt zu finanziellen und personellen Überforderungen der Vereine und gefährdet langfristig deren unverzichtbare Teilnahme an Straßenfesten. Zwei Beispiele verdeutlichen die unzumutbaren Belastungen der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer durch die überzogenen Vorschriften: 1. Die erforderliche Angabe von möglichen Zusatzstoffen in Lebensmitteln schränkt die Spendenbereitschaft von Vereinsmitgliedern für selbst gebackenen Kuchen erheblich ein und nimmt den Vereinen eine wichtige Einnahmequelle. 2. Die Anforderung, die Wasserversorgung mit Trinkwasserschlauchleitungen nach DVGW-Zertifikat (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) sicherzustellen und diese nach Benutzung fachmännisch zu reinigen, ist für ehrenamtliche Organisationen weder finanziell noch personell darstellbar. Zum langfristigen Erhalt einer aktiven Vereinslandschaft und der traditionellen Straßenfeste sind daher Entlastungen für Vereine und nicht professionelle Anbieter auf Vereins- und Straßenfesten unverzichtbar. A n t w o r t Mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 Nr. Z(36)-0141.5/266F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Ist der Landesregierung bekannt, mit welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen Vereine und ehrenamtliche Organisationen zu kämpfen haben, um bei Straßen- und Vereinsfesten die hygiene- und lebensmittelrechtlichen Vorschriften , die in gleicher Form für gewerbliche Betriebe gelten, zu gewährleisten? 2. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, Vereine und nicht professionelle Anbieter auf Vereins- und Straßenfesten von den Bestimmungen für gewerbliche Betriebe – zumindest teilweise – zu entlasten, ohne dabei den Verbraucherschutz zu vernachlässigen? Zu 1. und 2.: Der Landesregierung sind die lebensmittelhygienerechtlichen Bestimmungen bekannt . Das risikoorientierte Grundprinzip der Lebensmittelkontrolle gilt auch für Stände auf Straßen- und Vereinsfesten, falls diese als „Lebensmittelunternehmen“ erfasst sind bzw. werden müssen. Lebensmittelhygienerechtliche Bestimmungen sind nach dem Zweck der Rechtsetzung – sichere und hygienisch einwandfreie Lebensmittel in den Verkehr zu bringen – nach den Vorstellungen der EU-Kommission flexibel und daher einzelfallbezogen umzusetzen. Es gibt also nur sehr wenige konkrete Vorgaben, die von allen Lebensmittelbetrieben einheitlich zu erfüllen sind (z. B. geeignete Handwaschgelegenheit). Überforderungen kleinerer bzw. traditionell arbeitender Einheiten sollen so vermieden werden. Doch selbstverständlich erwartet der Verbraucher, dass auch hier die Hygieneanforderungen grundsätzlich eingehalten werden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 523 Zur Einbeziehung von Vereins- und Straßenfesten gibt die EU-Kommission1 Auslegungshinweise . Folgende Kriterien können Anhaltspunkte für die Einordnung von Vereins- und Straßenfesten als überwachungspflichtig liefern: Ist es eine Festveranstaltung , – die nicht nur gelegentlich stattfindet? – die einen für den häuslichen Bereich üblichen Organisationsgrad überschreitet? – die in größerem Rahmen stattfindet? – die überregional in Zeitungen/Zeitschriften und auf Plakaten beworben wird? Derjenige, der gelegentlich und im kleinen Rahmen Lebensmittel handhabt, zu - bereitet, lagert oder Speisen zubereitet (z. B. Kirchen, Schulen oder anlässlich von Dorffesten oder anderen Ereignissen, wie etwa Wohlfahrtsveranstaltungen, für die freiwillige Helfer Lebensmittel zubereiten) ist dagegen nicht als ein „Unternehmen “ anzusehen. Für derartige Veranstaltungen greifen lediglich die Grundlagen des Lebensmittelrechts, d. h. es dürfen nur sichere Lebensmittel, die zudem keiner nachteiligen Beeinflussung ausgesetzt werden, in den Verkehr gebracht werden. Dies ist aus Verbraucherschutzsicht berechtigt; denn nicht selten übertrifft der mengenmäßige Tagesumsatz an Lebensmitteln eines Verkaufsstandes an einem Vereins- oder Straßenfest den der ortsansässigen Gaststätte um ein Vielfaches. Das potentielle Gefahrenrisiko für die Verbraucherinnen und Verbraucher darf daher nicht unterschätzt werden, insbesondere vor dem Hintergrund der tatsäch - lichen Rahmenbedingungen (wie Hitze und schlechte Kühlmöglichkeiten im Sommer, mobile Stände, fehlender Sachverstand etc.). Die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden sind sich der Bedeutung nicht professioneller Anbieter auf Straßen- und Vereinsfesten für das Ehrenamt bewusst. Die erforderlichen Maßnahmen werden in aller Regel in einem kooperativen partnerschaftlichen Stil umgesetzt. Vielfach bieten die zuständigen Behörden auch Informationsveranstaltungen vor Beginn der Festsaison an. Dadurch können viele Hygienefehler bereits im Vorfeld vermieden werden. Das Ministe - rium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat einen rechtlich unverbindlichen aber empfehlenden Leitfaden für den Umgang mit Lebensmitteln auf Vereins - und Straßenfesten2 herausgegeben. Dessen Inhalt wird in regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen der Akademie Ländlicher Raum den ehrenamtlich Tätigen vermittelt. Die Nachfrage nach solchen Veranstaltungen ist groß. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat den zuständigen Behörden keine Weisung erteilt, die Angabe von möglichen Zusatzstoffen in Lebensmitteln auf Vereins- und Straßenfesten besonders zu überprüfen. Auch hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz nicht den Eindruck, dass die zuständigen Behörden dies flächendeckend einfordern, noch dass ein Mangel an ehrenamtlich angebotenem Kuchen besteht. Die Empfehlung, für die Wasserversorgung auf Festen Trinkwasserschlauchleitungen mit DVGW-Zertifikat (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) zu verwenden, wird im o. g. Leitfaden gegeben. Grund hierfür ist, dass ungeeignete Schlauchleitungen, z. B. mit rauer Innenoberfläche, stark zur Verkeimung neigen oder unerwünschte oder gesundheitlich bedenkliche Stoffe in das Trinkwasser abgeben können. Eine fachmännische Reinigung vor der Benutzung wird dort jedoch aus Gründen der Praktikabilität und Verhältnismäßigkeit nicht ausdrücklich gefordert. Es wird lediglich empfohlen, die Leitungen vor Gebrauch gründlich durchzuspülen. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) die lebensmittelrechtlichen Anforderungen, die an die Betreiber von Vereins- und Straßenfesten gestellt werden im Gegenteil für viel zu gering hält. Der DEHOGA fordert deshalb bereits seit Jahren, dass für die Vereins - und Straßenfeste die gleichen Anforderungen wie für die Gaststätten gelten müssen, da sie unter Wettbewerbsgesichtspunkten als Konkurrenz auftreten. _____________________________________ 1 http://ec.europa.eu/food/food/biosafety/hygienelegislation/guidance_doc_852-2004_de.pdf, Ziffer 3.8, Seite 11 2 http://www.mlr.baden-wuerttemberg.de/mlr/allgemein/bro_leitfaden.pdf Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 523 4 Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz verfolgt die Linie, entsprechend den Zielen des gemeinschaftlichen Lebensmittelrechts zu handeln und dabei die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher angemessen zu vertreten, ohne die Interessen der ehrenamtlich Tätigen und der hauptamtlichen Gastwirte zu vernachlässigen. Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz