Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 5428 04. 07. 2014 1Eingegangen: 04. 07. 2014 / Ausgegeben: 05. 08. 2014 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Mit welchem Ziel der Änderung des deutschen Staatskirchenrechts/Religionsverfassungsrechts beabsichtigt sie auf Bundes- oder Landesebene tätig zu werden ? 2. Welche konkreten Änderungsvorschläge gibt es? 3. Mit welchem Verhandlungsziel plant sie Gespräche mit den christlichen Kirchen zur Änderung der Beziehungen des Landes zu den Kirchen zu führen? 4. Ist der Staat nach ihrer Ansicht auf die wertevermittelnde Kraft von Religionsgemeinschaften und das damit einhergehende Entstehen übereinstimmender Maßstäbe für Fragen z. B. nach Gerechtigkeit und Solidarität angewiesen? 5. Ist es nach ihrer Überzeugung nicht nur juristisch notwendig, sondern auch gesellschaftspolitisch richtig, Religionsgemeinschaften zu fördern? 6. Wenn ja, wie wirkt sich diese Überzeugung in ihrem exekutiven Handeln aus? 7. Ist die Präsenz organisierter Religionen in der Öffentlichkeit und ihr Einfluss auf die Politik beispielsweise im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren aus ihrer Sicht auszubauen, im Umfang beizubehalten oder einzuschränken? 8. Mit welchen Erwägungen bezog sie welche Position in der Diskussion um den Charakter und die Bedeutung der religiös motivierten Beschneidung von Jungen in Folge des allgemein bekannten Urteils des Landgerichts Köln vom Mai 2012? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP und Antwort des Staatsministeriums „Kooperative Trennung zwischen Staat und Kirche“ Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 5428 2 9. Welchen Änderungsbedarf sieht sie hinsichtlich des konfessionellen Reli - gionsunterrichts für die christlichen und nichtchristlichen Religionen? 10. Welche Pläne, einem Zeithorizont zugeordnet, verfolgt sie zum Ausbau des nichtchristlichen Religionsunterrichts (Islamunterricht, jüdischer Religions - unterricht, Unterricht für Buddhisten etc.)? 04. 07. 2014 Dr. Timm Kern FDP/DVP B e g r ü n d u n g Anlässlich der Amtseinführung des neuen Freiburger Erzbischofs Stephan Burger hat sich der Ministerpräsident laut Medienberichterstattung vom 25. Juni 2014 für eine „kooperative Trennung zwischen Staat und Kirche“ ausgesprochen. Das Verhältnis des Staates zu den Religionsgemeinschaften spielt in vielen Bereichen staatlichen Handelns eine Rolle. Die diesbezüglichen Überzeugungen und Handlungsmaximen der Landesregierung sollen daher thematisiert werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 30. Juli 2014 Nr. IV-7101 beantwortet das Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Mit welchem Ziel der Änderung des deutschen Staatskirchenrechts/Religionsverfassungsrechts beabsichtigt sie auf Bundes- oder Landesebene tätig zu werden ? 2. Welche konkreten Änderungsvorschläge gibt es? 3. Mit welchem Verhandlungsziel plant sie Gespräche mit den christlichen Kirchen zur Änderung der Beziehungen des Landes zu den Kirchen zu führen? Die Landesregierung sieht keinen grundsätzlichen Änderungsbedarf im Staatskirchenrecht , was im Übrigen nur durch eine entsprechende Änderung des Grund - gesetzes mit Zweidrittelmehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat erreicht werden könnte. Durch die zunehmende Pluralisierung und Ausdifferenzierung des Religiösen in unserer Gesellschaft stellen sich gleichwohl neue Herausforderungen . So sieht die Landesregierung insbesondere einen Klärungsbedarf in der Frage, wie die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Angehörigen aller Glaubensrichtungen und deren Institutionen mit Leben gefüllt werden können. Wesentliche Fragen in diesem Zusammenhang sind insbesondere der konfessionelle Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, die wissenschaftliche Ausbildung der Religionslehrkräfte und der Schutz religiöser Feiertage. Zu diesen Fragen steht die Landesregierung im engen und vertrauensvollen Kontakt mit Vertretern der unterschiedlichen Religionen. Darüber hinaus hatte der Ministerpräsident anlässlich des Treueids, den Erz - bischof Stephan Burger im Vorfeld seiner Bischofsweihe geleistet hat, angeregt, vor dem Hintergrund der verfassungsmäßig gebotenen religiös-weltanschaulichen 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 5428 Neutralität des Staates im Blick auf künftige Bischofsweihen im Land gemeinsam die Praxis des Treueids zu überdenken. Die Praxis geht auf Regelungen des 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich geschlossenen Konkordats zurück. 4. Ist der Staat nach ihrer Ansicht auf die wertevermittelnde Kraft von Religionsgemeinschaften und das damit einhergehende Entstehen übereinstimmender Maßstäbe für Fragen z. B. nach Gerechtigkeit und Solidarität angewiesen? 5. Ist es nach ihrer Überzeugung nicht nur juristisch notwendig, sondern auch gesellschaftspolitisch richtig, Religionsgemeinschaften zu fördern? 6. Wenn ja, wie wirkt sich diese Überzeugung in ihrem exekutiven Handeln aus? Die Landesregierung erkennt und anerkennt die Kirchen und die weiteren Reli - gions- und Weltanschauungsgemeinschaften als wertegetragene und für das gesellschaftliche Zusammenleben und die staatliche Aufgabenerfüllung bedeutsame Gemeinschaften. Diese Haltung bringt die Landesregierung insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass sie mit entsprechenden Gesetzesinitiativen, Vereinbarungen und Projekten dafür sorgt, dass bei der Ausübung der Religionsfreiheit gleiche und förderliche Rahmenbedingungen für seelsorgliche und soziale Angebote, für den Bau und Erhalt religiöser Gebäude, für das Angebot konfessionellen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen und für die Pflege von Traditionen und Riten sichergestellt werden. So hat die Landesregierung im Rahmen der Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags erstmals dafür Sorge getragen, dass auch die Muslime mit einem Sitz im Rundfunkrat vertreten sind und so ihre Belange in den öffentlichen Rundfunk einbringen können. In diesem Sinne bewertet die Landesregierung auch die Novellierung des Bestattungsgesetzes, das es den muslimisch gläubigen Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, ihre verstorbenen Angehörigen entsprechend den muslimischen Traditionen zu bestatten. Der Stellenwert, den die Landesregierung dem Religiösen für den Zusammenhalt der Gesellschaft beimisst, kommt auch dadurch zu Ausdruck, dass der Ministerpräsident und der stellvertretende Ministerpräsident jeweils in ihrer Person die Funktion des sog. Kirchenbeauftragten und des stellvertretenden Kirchenbeauftragten der Landesregierung wahrnehmen. In dieser Funktion führen sie regelmäßige Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der unterschiedlichen Glaubensrichtungen , nehmen an deren Veranstaltungen und zentralen Feierlichkeiten teil und führen gemeinsame Veranstaltungen durch. Dadurch leistet die Landes - regierung zugleich einen Beitrag, dass in der Öffentlichkeit die gesellschaftliche Bedeutung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften bekannt ist. 7. Ist die Präsenz organisierter Religionen in der Öffentlichkeit und ihr Einfluss auf die Politik beispielsweise im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren aus ihrer Sicht auszubauen, im Umfang beizubehalten oder einzuschränken? Das Grundgesetz gewährleistet die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit sowie die ungestörte Religionsausübung. Dies ermöglicht den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, eigenverantwortlich über Umfang und Qualität ihrer öffentlichen Präsenz zu bestimmen. Es ist deshalb zunächst Aufgabe der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften selbst, ihre Präsenz im öffentlichen Raum zu gestalten. In den sie berührenden Gesetzgebungsverfahren werden die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Rahmen der Anhörung beteiligt. Darüber hinaus bestehen intensive und regelmäßige Kontakte der Landesregierung zu den christlichen Kirchen, den israelitischen Religionsgemeinschaften, weiteren Religionsund Weltanschauungsgemeinschaften sowie den islamischen Verbänden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 5428 4 8. Mit welchen Erwägungen bezog sie welche Position in der Diskussion um den Charakter und die Bedeutung der religiös motivierten Beschneidung von Jungen in Folge des allgemein bekannten Urteils des Landgerichts Köln vom Mai 2012? Bei der religiös motivierten Beschneidung sind verschiedene Grundrechte betroffen : Auf Seiten des Kindes sind es das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz) und sein Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG); auf Seiten der Eltern die Religionsfreiheit (Art. 4 GG) und das Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 GG). Die Landesregierung hat in der Diskussion um die religiös begründete Beschneidung von Jungen unterstrichen, dass das Grundrecht der Religionsfreiheit und das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften hohe, bei allen staatlichen Regelungen zu respektierende Rechtsgüter sind. Baden-Württemberg hat deshalb, gemeinsam mit den übrigen Ländern in der Bundesrepublik, einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung unterstützt. Die seit dem 28. Dezember 2012 im Kontext der Personensorge eingefügte Regelung in § 1631 d des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) stellt klar, dass das elterliche Sorgerecht auch die Einwilligung in eine Beschneidung des Sohnes umfasst und dass diese gegebenenfalls in den ersten sechs Monaten durch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen durchgeführt werden darf, sofern bestimmte Befähigungsvoraussetzungen erfüllt sind. 9. Welchen Änderungsbedarf sieht sie hinsichtlich des konfessionellen Religionsunterrichts für die christlichen und nichtchristlichen Religionen? Die Landesregierung sieht keinen Anlass, auf die Änderung der verfassungsrechtlichen Grundlagen für den Religionsunterricht hinzuwirken. Sie bekennt sich zu den Grundlagen des Religionsunterrichts, wie sie im Grundgesetz (Art. 7 Abs. 3 GG) und in der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (Art. 18 LV) geregelt sind. 10. Welche Pläne, einem Zeithorizont zugeordnet, verfolgt sie zum Ausbau des nichtchristlichen Religionsunterrichts (Islamunterricht, jüdischer Religionsunterricht , Unterricht für Buddhisten etc.)? Die Einrichtung bekenntnisgebundener religionsunterrichtlicher Angebote setzt den Antrag einer Religionsgemeinschaft nach Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 18 LV voraus. In Baden-Württemberg ist an öffentlichen Schulen derzeit evangelischer, katholischer , altkatholischer, syrisch-orthodoxer, jüdischer und alevitischer Religions - unterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 18 LV eingerichtet. Seit dem Schuljahr 2006/2007 besteht zudem das Unterrichtsangebot „Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung“ im Rahmen eines Modellprojekts, das sowohl verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch bildungspolitischen Erwägungen zum Religions - unterricht Rechnung trägt. Die Landesregierung hat im Mai dieses Jahres die Weiterführung des Modellprojekts um weitere vier Jahre und die gleichzeitige Ausweitung um jährlich bis zu 20 Schulen unter Einbeziehung von drei Gymnasien beschlossen. Im Schuljahr 2013/2014 nehmen ca. 2.000 Schülerinnen und Schüler aus bis zu vierzehn Herkunftsländern an 24 Grundschulstandorten, sechs Hauptschulstandorten und einer Realschule am Unterricht „Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung“ teil. Das Kultusministerium prüft darüber hinaus bereits eingereichte Anträge islamischer Verbände auf Erteilung jeweils eigenen, bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts . Krebs Ministerin im Staatsministerium << /ASCII85EncodePages false /AllowTransparency false /AutoPositionEPSFiles true /AutoRotatePages /None /Binding /Left /CalGrayProfile (None) /CalRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CalCMYKProfile (U.S. Web Coated \050SWOP\051 v2) /sRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CannotEmbedFontPolicy /Warning /CompatibilityLevel 1.6 /CompressObjects /Off /CompressPages true /ConvertImagesToIndexed true /PassThroughJPEGImages false /CreateJobTicket false /DefaultRenderingIntent /Default /DetectBlends true /DetectCurves 0.1000 /ColorConversionStrategy /LeaveColorUnchanged /DoThumbnails false /EmbedAllFonts true /EmbedOpenType false /ParseICCProfilesInComments true /EmbedJobOptions true /DSCReportingLevel 0 /EmitDSCWarnings false /EndPage -1 /ImageMemory 524288 /LockDistillerParams true /MaxSubsetPct 100 /Optimize true /OPM 1 /ParseDSCComments false /ParseDSCCommentsForDocInfo true /PreserveCopyPage true /PreserveDICMYKValues true /PreserveEPSInfo true /PreserveFlatness true /PreserveHalftoneInfo false /PreserveOPIComments true /PreserveOverprintSettings true /StartPage 1 /SubsetFonts true /TransferFunctionInfo /Preserve /UCRandBGInfo /Preserve /UsePrologue false /ColorSettingsFile () /AlwaysEmbed [ true ] /NeverEmbed [ true ] /AntiAliasColorImages false /CropColorImages true /ColorImageMinResolution 150 /ColorImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleColorImages true /ColorImageDownsampleType /Bicubic /ColorImageResolution 300 /ColorImageDepth 8 /ColorImageMinDownsampleDepth 1 /ColorImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeColorImages true /ColorImageFilter /FlateEncode /AutoFilterColorImages false /ColorImageAutoFilterStrategy /JPEG /ColorACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /ColorImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000ColorACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000ColorImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasGrayImages false /CropGrayImages true /GrayImageMinResolution 150 /GrayImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleGrayImages true /GrayImageDownsampleType /Bicubic /GrayImageResolution 600 /GrayImageDepth 8 /GrayImageMinDownsampleDepth 2 /GrayImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeGrayImages true /GrayImageFilter /FlateEncode /AutoFilterGrayImages false /GrayImageAutoFilterStrategy /JPEG /GrayACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /GrayImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000GrayACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000GrayImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasMonoImages false /CropMonoImages true /MonoImageMinResolution 1200 /MonoImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleMonoImages true /MonoImageDownsampleType /Bicubic /MonoImageResolution 600 /MonoImageDepth -1 /MonoImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeMonoImages true /MonoImageFilter /CCITTFaxEncode /MonoImageDict << /K -1 >> /AllowPSXObjects true /CheckCompliance [ /None ] /PDFX1aCheck false /PDFX3Check false /PDFXCompliantPDFOnly false /PDFXNoTrimBoxError true /PDFXTrimBoxToMediaBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXSetBleedBoxToMediaBox true /PDFXBleedBoxToTrimBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXOutputIntentProfile (None) /PDFXOutputConditionIdentifier () /PDFXOutputCondition () /PDFXRegistryName (http://www.color.org) /PDFXTrapped /False /CreateJDFFile false /SyntheticBoldness 1.000000 /Description << /DEU () >> >> setdistillerparams << /HWResolution [1200 1200] /PageSize [595.276 841.890] >> setpagedevice