Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 5971 22. 10. 2014 1Eingegangen: 22. 10. 2014 / Ausgegeben: 25. 11. 2014 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Inwiefern erachtet sie Nachrangdarlehen in Windkraftanlagen als ein geeignetes Instrument, um Bürger an der Energiewende zu beteiligen? 2. Wie genau ist die entsprechende Geldanlage des EnBW-Tochterunternehmens Wind Onshore I finanztechnisch aufgebaut? 3. Welche Rechte und Pflichten für Darlehensgeber sind mit dieser Geldanlage verbunden? 4. Welche Risiken sind für die Darlehensgeber mit dieser Geldanlage verbunden? 5. Wodurch genau unterscheidet sich diese Geldanlage nach ihrer Kenntnis von einschlägigen Anlagen beim insolventen Windkraftfinanzierer Prokon? 6. Wie genau legt sie die Aussage des Leiters der Konzernfinanzen und Investor Relations der EnBW aus, dass die EnBW AG für etwaige Verluste des Tochterunternehmens haftet (siehe Berichterstattung der Stuttgarter Nachrichten vom 22. Oktober 2014)? 7. Inwieweit haftet das Land als Eigentümer der EnBW AG letztlich teilweise oder vollständig für die Verluste bzw. im Fall einer Insolvenz des EnBW- Tochterunternehmens? 22. 10. 2014 Dr. Bullinger FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Verbraucherschutz bei Finanzprodukten der Windenergiebranche Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 5971 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 12. November 2014 Nr. 5-3221.EBWAG/114 beantwortet das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Inwiefern erachtet sie Nachrangdarlehen in Windkraftanlagen als ein geeignetes Instrument, um Bürger an der Energiewende zu beteiligen? Zu 1.: Bei Nachrangdarlehen handelt es sich um eine Form von Unternehmensbeteiligung bzw. Direktinvestition in ein bestimmtes Projekt. Diese Anlageform zeichnet sich durch hohe Risiken für den Geldgeber aus: Im Falle der Insolvenz des Unternehmens wird das Darlehen nachrangig zu den Forderungen anderer Gläubiger zurückbezahlt. Damit droht dem Anleger der Totalverlust seines investierten Kapitals. Eine gesetzliche Einlagensicherung existiert bei dieser Anlageform nicht. Auch die versprochenen Renditen hängen vom Ertrag des jeweiligen Unternehmens ab – im Falle von Windkraftanlagen also auch vom tatsächlichen Wind - aufkommen – und sind damit keineswegs sicher. Für diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihr Geld sicher anlegen wollen, werden Nachrangdar - lehen folglich grundsätzlich für ungeeignet gehalten. Allerdings ist das Risiko für den Darlehensgeber umso geringer je besser die Bonität des Darlehensnehmers ist. 2. Wie genau ist die entsprechende Geldanlage des EnBW-Tochterunternehmens Wind Onshore I finanztechnisch aufgebaut? Zu 2.: Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG (im Folgenden: EnBW AG) teilt mit, dass der Darlehensgeber ein qualifiziertes Nachrangdarlehen an die EnBW Wind Onshore 1 GmbH (im Folgenden: Gesellschaft), eine 100 %ige Tochter - gesellschaft der EnBW AG, gewährt. Zwischen der Gesellschaft und der EnBW AG besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die Gesellschaft führt demnach ihr Ergebnis an die EnBW AG ab und die EnBW AG gleicht etwaige Verluste der Gesellschaft aus. Die Gesellschaft hält die Mehrheit der Anteile an der EnBW Wind Onshore Portfolio GmbH, die ein Portfolio von Windkraftanlagen hält (17 Windparks, 156 MW installierte Leistung). Weitere Anteilseigner der EnBW Wind Onshore Portfolio GmbH sind u. a. regionale Energieversorgungsunternehmen. 3. Welche Rechte und Pflichten für Darlehensgeber sind mit dieser Geldanlage verbunden? Zu 3.: Nach Auskunft der EnBW AG schuldet der Darlehensgeber die vertragsgemäße Bereitstellung des Darlehensbetrags und erhält im Gegenzug dafür einen Anspruch auf die jährlichen Zinszahlungen von 2,5 % p. a. und einen Anspruch auf Rückzahlung von 100 % des Darlehensbetrags am Ende der Laufzeit (November 2021). Weitere Rechte und Pflichten entstehen nicht. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 5971 4. Welche Risiken sind für die Darlehensgeber mit dieser Geldanlage verbunden? Zu 4.: Hierzu teilte die EnBW AG mit, dass Nachrangdarlehen die Eigenschaften von Eigen- und Fremdkapital vereinen und somit zu den hybriden beziehungsweise mezzaninen Finanzierungsformen zählen, ebenso wie Genussrechte und stille Beteiligungen . Sie sind eine unternehmerische Risikobeteiligung. Der Darlehens - geber hat das Risiko des Totalverlustes seiner Anlage im Fall, dass der Darlehensnehmer zahlungsunfähig wird (Befriedigung nachrangig gegenüber anderen nichtnachrangigen Gläubigern). Dieses Risiko entsteht bei der vorliegenden Beteiligungsmöglichkeit jedoch nur dann, wenn die EnBW AG als Muttergesellschaft der EnBW Wind Onshore 1 GmbH ihren Verlustausgleichspflichten aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags nicht nachkommen kann. 5. Wodurch genau unterscheidet sich diese Geldanlage nach ihrer Kenntnis von einschlägigen Anlagen beim insolventen Windkraftfinanzierer Prokon? Zu 5.: Man muss zwischen rechtlichem und wirtschaftlichem Vergleich unterscheiden. Die Bedingungen der Genussrechte, die eine Tochtergesellschaft der Prokon- Gruppe begeben hat, kennt die Landesregierung im Einzelnen nicht; sie mögen in Teilen den Bedingungen des Nachrangdarlehens ähneln. Wirtschaftlich hat der Schuldner des EnBW-Darlehens aber eine andere Bonität als der Schuldner der Prokon-Genussrechte: Die Anlagen des EnBW Wind Onshore Portfolios befinden sich vollständig in Betrieb. Die EnBW AG als A-geratetes Unternehmen ist verpflichtet , etwaige Verluste der Tochtergesellschaft EnBW Wind Onshore 1 GmbH auszugleichen. Zusätzlich unterstehen die Geschäftsführer dieser Gesellschaft einer Weisungsbefugnis des Managements der EnBW AG. 6. Wie genau legt sie die Aussage des Leiters der Konzernfinanzen und Investor Relations der EnBW aus, dass die EnBW AG für etwaige Verluste des Tochterunternehmens haftet (siehe Berichterstattung der Stuttgarter Nachrichten vom 22. Oktober 2014)? Zu 6.: Die EnBW AG hält 100 % der Anteile an der EnBW Wind Onshore 1 GmbH. Es besteht seit dem 1. März 2011 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der EnBW AG. Die Gesellschaft führt demnach ihr Ergebnis an die EnBW AG ab und die EnBW AG gleicht etwaige Verluste der Gesellschaft aus. 7. Inwieweit haftet das Land als Eigentümer der EnBW AG letztlich teilweise oder vollständig für die Verluste bzw. im Fall einer Insolvenz des EnBW-Tochter - unternehmens? Zu 7.: Eine Haftung des Landes Baden-Württemberg besteht nicht, da kein Anspruch gegenüber den Eigentümern der EnBW AG entsteht. In Vertretung Rust Staatssekretär