Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 603 27. 09. 2011 Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung Situation des Katastrophenschutzes in Baden-Württemberg G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: I . U m s e t z u n g d e r K o n z e p t i o n z u r B e w ä l t i g u n g e i n e s M a s s e n - a n f a l l s v o n Ve r l e t z t e n u n d E r k r a n k t e n ( M A N V- K o n z e p t ) 1. Worin bestehen die wesentlichen Eckpunkte und Zielsetzungen des MANV- Konzepts des Innenministeriums? 2. Welche Anstrengungen wurden seitens des Landes unternommen, um für einen Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten ausstattungsseitig gerüstet zu sein? 3. Wie erfolgte die Ermittlung der notwendigen Transport- und Versorgungskapazität zur Bewältigung der Patientenzahl? 4. Wie wird sichergestellt, dass ausreichend Einsatzkräfte und Notärzte für MANV- Einsätze zur Verfügung stehen? 5. Wie sind die Funktionen der Krankenhäuser und das MANV-Konzept verzahnt? 6. Wie ist die Führungsorganisation bei MANV-Einsätzen, insbesondere die Abgrenzung zwischen sanitätsdienstlicher bzw. feuerwehrtechnischer Führung gelöst ? 7. Wer übernimmt bei einem MANV-Einsatz der Stufe 4 die Einsatzleitung? I I . N e u s t r u k t u r i e r u n g d e s K a t a s t r o p h e n s c h u t z d i e n s t s 1. Wie gestaltet sich nach dem teilweisen Rückzug des Bundes die neue Struktur des Katastrophenschutzdienstes in Baden-Württemberg? 2. Inwieweit ist mit einer Neufassung des Stärke- und Gliederungserlasses zu rechnen ? Eingegangen: 27. 09. 2011 / Ausgegeben: 14. 11. 2011 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 2 3. Welche Folgerungen ergeben sich aus der Neustrukturierung des Katastrophenschutzdienstes für die Qualifizierung der erforderlichen Führungskräfte in den Einsatzeinheiten des Bereichs Sanitätswesen und Betreuung? 4. Wie ist der Sachstand bei der Aufstellung der bundeseigenen Medizinischen Task Forces? I I I . A u s s t a t t u n g u n d F i n a n z i e r u n g 1. Wie beurteilt das Innenministerium die Notwendigkeit, die sog. „Helfer- und Fahrzeugpauschalen“ für die Fahrzeuge des Landes anzupassen, insbesondere auch im Hinblick auf die erfolgte Beschaffung neuer, technisch aufwändigerer Fahrzeuge? 2. Von wem werden die Kosten für die Beschaffung, Vorhaltung, Austausch und Ersatz von Material und Medikamenten getragen (mit Angabe, wer jeweils für die Durchführung der Maßnahme zuständig ist)? 3. Unter welchen Voraussetzungen werden von wem die Kosten für die Einsätze von Personal und Material bei einem MANV übernommen? 4. Welche mittelfristigen Investitionserfordernisse bestehen im Katastrophenschutz (mit einer Bewertung im Hinblick auf die mittelfristige Finanzplanung und ggf. steigende Zuschüsse)? I V. P e r s o n a l e n t w i c k l u n g i m E h r e n a m t 1. Wie bewertet sie die Personalstärke, Ausstattung und Ausbildung sowie die Entwicklung des Ehrenamts im Katastrophenschutz? 2. Wie kann die verlässliche Freistellung der Helferinnen und Helfer von ihrem Arbeitsplatz erfolgen? 3. Wie bewertet sie den Stand der Jugendarbeit der im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen? 4. Gibt es Überlegungen, den Wegfall der vom Wehr- bzw. Zivildienst freigestellten Helfer in geeigneter Weise zu kompensieren? 5. Wie bewertet sie die Einbindung der Landesschulen der Hilfsorganisationen in die Qualifizierung des ehrenamtlichen Personals? V. K a t a s t r o p h e n s c h u t z ü b u n g e n 1. Welche praktischen Erfahrungen wurden mit dem MANV-Konzept und der verwendeten Ausstattung bislang in der Einsatz- und Übungspraxis gemacht? 2. Ist in Baden-Württemberg geregelt, ob bzw. wie oft die Behörden und Hilfsdienste Übungen für Katastrophensituationen durchführen müssen? 3. Gibt es Überlegungen, die Katastrophenschutzplanungen zu veröffentlichen bzw. ins Internet zu stellen, damit sich interessierte Bürger informieren können? 4. Wie bewertet sie die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden, Einrichtungen und Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz? 5. Wie bewertet sie die Ressourcen der Bundeswehr, um im Katastrophenfall in Baden-Württemberg Hilfe zu leisten? 22. 09. 2011 Hauk und Fraktion Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 3 B e g r ü n d u n g Der Katastrophenschutz in Baden-Württemberg hält ein modernes und effizientes Hilfeleistungssystem vor, mit dem die Menschen in Baden-Württemberg bestmöglich gegen Naturkatastrophen und vergleichbare andere schwerwiegende Schadenslagen und Gefahren geschützt werden. Diesen Stand des Katastrophenschutzes gilt es auch zukünftig zu sichern und möglichst weiter auszubauen. Die demografische Entwicklung, die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte sowie die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger zu ehrenamtlicher Arbeit wird auch die im Katastrophenschutz tätigen Organisationen in den nächsten Jahren beeinflussen . Von besonderer Bedeutung, auch unterhalb der Schwelle eines Katastrophenfalls, ist die Bewältigung eines sogenannten Massenanfalls von Erkrankten oder Verletzten . Nachdem das Innenministerium im Jahr 2008 eine Konzeption hierfür entwickelt hat, ist es von Interesse, wie sich die Umsetzung der Konzeption in der Praxis bewährt. Eine umfassende Bestandsaufnahme der aktuellen Situation des Katastrophenschutzes in Baden-Württemberg soll Grundlage für künftige politische Entscheidungen sein. Ein leistungsfähiger Katastrophenschutz ist Garant für eine hohe Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 8. November 2011 Nr. I–1400.3: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Krebs Ministerin im Staatsministerium Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 4 Anlage: Schreiben des Innenministeriums Mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 Nr. 5–1400.0/21 beantwortet das Innenministerium im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: I . U m s e t z u n g d e r K o n z e p t i o n z u r B e w ä l t i g u n g e i n e s M a s s e n - a n f a l l s v o n Ve r l e t z t e n u n d E r k r a n k t e n ( M A N V- K o n z e p t ) 1. Worin bestehen die wesentlichen Eckpunkte und Zielsetzungen des MANV-Konzepts des Innenministeriums? Zu I. 1.: Wesentliche Zielsetzung der Konzeption des Innenministeriums für die Einsatzplanung und Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten und Erkrankten im Katastrophenschutz (MANV-Konzept) vom 7. Juli 2008 ist, bei einem Schadensereignis mit einer Vielzahl von Verletzten oder Erkrankten (MANV) so schnell wie möglich eine fachgerechte Versorgung aller betroffenen Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Ein MANV stellt die Katastrophenschutzbehörden, den Rettungsdienst, die Feuerwehren , die Hilfsorganisationen und die Krankenhäuser vor große Herausforderungen . Es ist davon auszugehen, dass die Versorgungskapazitäten der Regelstrukturen im MANV-Fall zunächst nicht ausreichen könnten. Das MANV-Konzept baut auf den bewährten Strukturen der Regelversorgung auf, legt Mindestanforderungen für die Bewältigung solcher Ereignisse fest und gibt den Stellen und Organisationen, die die Verletzten und Erkrankten zunächst vor Ort versorgen, eine Hilfestellung. Wesentliche Eckpunkte des Konzepts sind die Stärkung der Einsatzfähigkeit der Einsatzeinheiten und ihre bessere Ausstattung, die Harmonisierung und Standardisierung der Leistungen, Abläufe und Begriffe sowie die Schaffung eines integrierten Hilfeleistungssystems. Rettungsdienst, Schnelleinsatzgruppen und Katastrophenschutzeinheiten werden verzahnt und es werden Leistungsmodule gebildet, die einen definierten taktischen Einsatzwert haben und ein stufenförmiges Aufwachsen der benötigten Ressourcen in einem Wellenkonzept ermöglichen. Ausgehend von der Regelvorhaltung im Rettungsdienst können die Einsatzressourcen bedarfsorientiert auch von anderen Kreisen und benachbarten Bundesländern aufgestockt werden. Als Mindestanforderung muss nach dem MANV-Konzept grundsätzlich jeder Stadt- und Landkreis in der Lage sein, über die nach dem Bereichsplan für den Rettungsdienst hinausgehende Vorhaltung, 50 Patientinnen und Patienten versorgen zu können. 2. Welche Anstrengungen wurden seitens des Landes unternommen, um für einen Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten ausstattungsseitig gerüstet zu sein? Zu I. 2.: Seitens des Landes wurden personell und materiell zusammen mit den Hilfsorganisationen als Träger der Katastrophenhilfe große Anstrengungen unternommen, um für einen MANV gerüstet zu sein. Die Länder konnten erreichen, dass der Bund weiterhin Einsatzfahrzeuge und Ausstattung für den Zivildienst zur Verfügung stellt. Der Schwerpunkt wurde vom Bund im Sanitätsdienst gesetzt. Hierbei wurden sogenannte Medizinische Task Forces (MTF) gebildet. Diese sind starke Einsatzverbände, die auch über die Grenzen der Bundesländer hinweg schnell und effizient Hilfe leisten können. Die Länder konnten außerdem erreichen, dass die Einsatzfahrzeuge, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, nach dem Bevölkerungsschlüssel verteilt wer- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 5 den und dass der Bund den Ländern bei den von ihm gestellten Fahrzeugtypen Wahlmöglichkeiten zugesteht. Das heißt, dass die Länder bedarfsgerecht zwischen verschiedenen Typen von Einsatzfahrzeugen zur Ergänzung der landeseigenen Strukturen wählen können. Es ist außerdem gelungen, eine Dislozierung der MTF mit Bundesausstattung in der Fläche zu ermöglichen. Dadurch können die MTF in die Einsatzeinheiten des Landes integriert werden. Das Land hat insgesamt sieben Abrollbehälter für den Massenanfall von Verletzten (AB-MANV) mit umfangreicher Sanitäts- und Betreuungsausstattung sowie Dekontaminationsausstattung für Verletzte beschafft. Vier „AB-MANV 50“ sind in Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim und Ravensburg, drei „AB-MANV 25“ sind in Freiburg, Tuttlingen und Ulm stationiert. Sie sind insbesondere für einen Einsatz im Rahmen des MANV-Konzepts vorgesehen und können die materielle Ausstattung eines Behandlungsplatzes für 50 bzw. für 25 Verletzte an den Schadensort bringen. Das Innenministerium hat aus Mitteln des Zukunftsinvestitionsprogramms des Bundes (ZIP) in Höhe von 15 Mio. Euro und des Landesinvestitonsprogramms (LIP) in Höhe von 5 Mio. Euro sowie aus regulären Mitteln des Landeshaushalts für die Einsatzeinheiten „Sanität und Betreuung“ in den Jahren 2009 bis 2011 rund 200 Fahrzeuge (davon 83 vom Innenministerium für Baden-Württemberg entwickelte und sehr gut ausgestattete Gerätewagen Sanität für die Leistungsmodule „Erstversorgung und Behandlung“, 80 Krankentransportfahrzeuge, vier Fahrzeuge als mobile überregionale Kreisauskunftsbüros und Mannschaftstransportfahrzeuge ) sowie umfangreiche Dekontaminationsausstattung für Verletzte beschafft. Zwei Gerätewagen Sanität können gemeinsam das benötigte Material für einen Behandlungsplatz für 25 Verletzte bereitstellen. Zusammen mit den Bundesfahrzeugen , die in Kürze ausgeliefert werden sollen, verfügt jede Einsatzeinheit „Sanität und Betreuung“ dann über einen Gerätewagen Sanität. Daneben steht der Rettungsdienst nach Maßgabe des Rettungsdienstgesetzes (RDG) mit den als bedarfsgerecht in den Bereichsplänen festgelegten und einsatzbereiten Rettungsmitteln (Regelvorhaltung) bereit. Dies umfasst Rettungswagen (RTW) und Krankentransportwagen (KTW) samt rettungsdienstgesetzlicher Besetzung. Zudem stehen weitere in den Bereichsplänen festgeschriebene Reservefahrzeuge zur bedarfsabhängigen Aufstockung des örtlichen und überörtlichen regulären Rettungsdienstes zur Verfügung. 3. Wie erfolgte die Ermittlung der notwendigen Transport- und Versorgungskapazität zur Bewältigung der Patientenzahl? Zu I. 3.: Grundlage für die Ermittlung der notwendigen Kapazität bildeten die Ergebnisse der Konsenskonferenz „Sichtungskategorien bei Großschadensereignissen und Katastrophen“ der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) im März 2002. Danach wird die Annahme getroffen, dass bei einem Massenanfall von Verletzten die Behandlungsprioritäten wie folgt verteilt sind: 40 % Behandlungspriorität I (akut vital bedroht, Sofortbehandlung erforderlich ), 20 % Behandlungspriorität II (schwerverletzt, Behandlung dringend), 40 % Behandlungspriorität III (leichtverletzt, spätere Behandlung möglich). Darauf aufbauend ergibt sich der Transportbedarf: Je ein Rettungsmittel für die Patienten der Behandlungspriorität I (Qualität: Rettungswagen), je ein Rettungsmittel für 1,5 Patienten der Behandlungspriorität II (Qualität: Krankentransportwagen) und ein Sammeltransport (Bus oder Mannschaftstransportwagen) für die Patienten der Behandlungspriorität III. Für den Transport der Patienten der Behandlungspriorität I sind planerisch Fahrzeuge des Regelrettungsdienstes vorgesehen. Für den Transport der Patienten der Behandlungspriorität II ist das „Transportmodul“ aus dem MANV-Konzept vorgesehen . Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 6 4. Wie wird sichergestellt, dass ausreichend Einsatzkräfte und Notärzte für MANV- Einsätze zur Verfügung stehen? Zu I. 4.: Zur Bewältigung eines MANV steht zunächst der Rettungsdienst entsprechend seiner Aufgaben bereit, samt rettungsdienstgesetzlicher Besetzung mit Rettungsassistenten und Rettungssanitätern sowie mit seinen Fahrzeugen, Notärztinnen und Notärzten. Zudem stehen weitere im Bereichsplan festgeschriebene Reserven zur bedarfsabhängigen Aufstockung des örtlichen und überörtlichen regulären Rettungsdienstes zur Verfügung. Die Besetzung der örtlichen und überörtlichen rettungsdienstlichen Unterstützungseinheiten erfolgt insbesondere durch rettungsdienstliches Freischichtpersonal. Darüber hinaus stellen die Hilfsorganisationen im Land das erforderliche Personal und Material. Die Feuerwehren wirken beim Einsatz der AB-MANV mit. Die Helferzahlen und deren notwendige Qualifikation sind bei der Erstellung des MANV- Konzepts gemeinsam mit den Hilfsorganisationen erarbeitet worden. Zudem können Verstärkungen aus benachbarten Kreisen und Ländern angefordert werden. Jede Einsatzeinheit verfügt über einen Arzt bzw. eine Ärztin. Der Leitende Notarzt bzw. die Leitende Notärztin wird vom Regelrettungsdienst gestellt. In einigen Landkreisen gibt es auch einen Notärzte-Pool, auf den im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann. Im Katastrophenfall bestehen nach dem Landeskatastrophenschutzgesetz (LKatSG) besondere Hilfspflichten für die Angehörigen der Berufe des Gesundheitswesens . Bei Bedarf können daher auf dieser Grundlage weitere Ärztinnen und Ärzte herangezogen werden. 5. Wie sind die Funktionen der Krankenhäuser und das MANV-Konzept verzahnt? Zu I. 5.: Die Krankenhäuser sind im Rahmen ihrer Aufgabenstellung und Leistungsfähigkeit nach dem Landeskrankenhausgesetz (LKHG) zur Aufnahme und Versorgung von Patienten verpflichtet. Dies gilt auch bei einem MANV. Nach dem LKHG stellen die Krankenhäuser durch die Erstellung und Fortschreibung von Alarm- und Einsatzplänen sicher, dass auch bei einem MANV eine ordnungsgemäße Versorgung der Patienten gewährleistet werden kann. Die untere Verwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) ist berechtigt, sich diese Pläne vorlegen zu lassen. Die Regierungspräsidien sind im Rahmen der Umsetzung der Gemeinsamen Hinweise MANV vom Sozialministerium und vom Innenministerium aufgefordert , die unteren Gesundheitsbehörden zu veranlassen, sich diese Pläne jährlich vorlegen zu lassen und dem Sozialministerium und dem Innenministerium jährlich über den Umsetzungsstand zu berichten. Nach dem LKatSG wirken die öffentlich geförderten Akutkrankenhäuser im Rahmen ihres Aufgabenbereichs im Katastrophenschutz mit. Die Mitwirkung umfasst insbesondere die Verpflichtung, Alarm- und Einsatzpläne in Abstimmung mit den Alarm- und Einsatzplänen der Katastrophenschutzbehörde auszuarbeiten und weiterzuführen . Die Mitwirkung der Krankenhäuser im Katastrophenschutz umfasst weiterhin die Verpflichtung, auf Anforderung an Übungen unter einheitlicher Führung der Katastrophenschutzbehörde teilzunehmen. Die Alarm- und Einsatzpläne der Krankenhäuser berücksichtigen nach dem LKatSG die Unterstützungsmöglichkeiten durch benachbarte Krankenhäuser, durch niedergelassene Ärztinnen bzw. Ärzte und Zahnärztinnen bzw. -ärzte, öffentliche Apotheken, pharmazeutische Großhandlungen, Betriebe der Arzneimittelund Verbandstoffindustrie sowie durch Personal nichtakademischer Helferberufe des Gesundheitswesens. Sie berücksichtigen auch Maßnahmen zur Ausweitung der Bettenkapazität. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 7 6. Wie ist die Führungsorganisation bei MANV-Einsätzen, insbesondere die Abgrenzung zwischen sanitätsdienstlicher bzw. feuerwehrtechnischer Führung gelöst ? 7. Wer übernimmt bei einem MANV-Einsatz der Stufe 4 die Einsatzleitung? Zu I. 6. und I. 7.: Bei MANV-Einsätzen unterhalb der Katastrophenschwelle gelten die Regelungen des Feuerwehrgesetzes (FwG), des Rettungsdienstgesetzes (RDG) und des Polizeigesetzes (PolG) gleichrangig nebeneinander. Bei Einsätzen nach dem FwG liegt die Technische Einsatzleitung beim Einsatzleiter der Feuerwehr. Ihm unterstehen auch die Organisationen beziehungsweise Einrichtungen, einschließlich des Sanitätsdienstes, die von der Feuerwehr zur Aufgabenerfüllung nach § 2 FwG herangezogen werden. Ausgenommen hiervon ist der Rettungsdienst gemäß RDG. Er nimmt eigene Aufgaben wahr und erfüllt diese eigenverantwortlich und unter eigener Führung neben der Feuerwehr. Damit die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert, haben sich die Einsatzleiter von Feuerwehr und Rettungsdienst gegenseitig zu unterstützen, eng zusammenzuarbeiten und ihre Einsatzmaßnahmen abzustimmen. Das FwG regelt hierzu in § 27 Abs. 3, dass der Technische Einsatzleiter der Feuerwehr eine Führungseinheit bildet , wenn andere Organisationen eingesetzt werden und dass eine Verbindungsperson jeder beteiligten Organisation der Führungseinheit als Fachberatung angehört. Bei MANV-Einsätzen unterhalb der Katastrophenschwelle werden die Einsatzkräfte des Rettungsdienstes vom Leitenden Notarzt/von der Leitenden Notärztin geführt. Für die Aufgaben nach § 2 FwG unterstehen alle anderen Einheiten einschließlich der sanitätsdienstlichen Einsatzkräfte dem Technischen Einsatzleiter nach FwG. Der Technische Einsatzleiter wird für den gesamten MANV-Einsatz in aller Regel einen eigenen Einsatzabschnitt MANV bilden. Für diesen Einsatzabschnitt MANV wird regelmäßig ein Einsatzabschnittsleiter für den sanitäts- bzw. rettungsdienstlichen Bereich eingesetzt werden. Dies ist regelmäßig der Leitende Notarzt/die Leitende Notärztin. Für Aufgaben außerhalb des Geltungsbereichs des FwG ist regelmäßig die Gemeinde als Ortspolizeibehörde zuständig. Bei MANV-Einsätzen, bei denen ausschließlich rettungsdienstliche Maßnahmen notwendig sind, obliegt die Einsatzleitung dem Leitenden Notarzt/der Leitenden Notärztin. Die oben geschilderten Regelungen gelten für alle Stufen des MANV-Konzeptes. Die Hilfsorganisationen und die Feuerwehren wirken im Katastrophenschutz mit und sind im Katastrophenfall der jeweiligen Katastrophenschutzbehörde unterstellt . Diese leitet die Einsatzmaßnahmen. Die Ortspolizeibehörden der betroffenen Gemeinden werden an der Wahrnehmung der Einsatzaufgaben der unteren Katastrophenschutzbehörde beteiligt. Die Katastrophenschutzbehörde benennt einen Technischen Einsatzleiter, der die Führungsorganisationen lageabhängig festlegt und den Einsatz nach den Weisungen der Katastrophenschutzbehörde führt. Ihm sind alle eingesetzten Einsatzkräfte mit ihrem Führungspersonal für die Dauer des Einsatzes unterstellt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 8 I I . N e u s t r u k t u r i e r u n g d e s K a t a s t r o p h e n s c h u t z d i e n s t s 1. Wie gestaltet sich nach dem teilweisen Rückzug des Bundes die neue Struktur des Katastrophenschutzdienstes in Baden-Württemberg? Zu II. 1.: Mit dem teilweisen Rückzug des Bundes aus dem Zivilschutz musste die Struktur des Katastrophenschutzdienstes in Baden-Württemberg insbesondere an die deutlich geringeren Zahlen an Bundesfahrzeugen angepasst werden. Das Land hat im Jahr 2010 die Zahl der Einsatzeinheiten „Sanität und Betreuung“ neu gegliedert. Die ehemals 152 Einheiten wurden neu strukturiert und sind nun in 120 Einheiten zusammengefasst. Um die Schlagkraft des Katastrophenschutzes im Land zu steigern, wurden die Einsatzeinheiten mit neuen, modernen Fahrzeugen ausgestattet. Die neuen Einsatzeinheiten haben ihre Einsatzfähigkeit bei Einsätzen, Übungen und bei der Absicherung von Großveranstaltungen wie dem Papstbesuch in Freiburg im September 2011 sowie der Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft 2011 unter Beweis gestellt. Der Katastrophenschutzdienst ist entsprechend dem LKatSG in nach Fachdiensten gegliederte Einheiten strukturiert. Im Rahmen der Neufassung der Verwaltungsvorschrift „Stärke und Gliederung“ ist vorgesehen, die Einheiten der Feuerwehr neu zu gliedern und die Wasserrettung als eigenen Fachdienst zu definieren. 2. Inwieweit ist mit einer Neufassung des Stärke- und Gliederungserlasses zu rechnen ? Zu II. 2.: Eine Neufassung der Verwaltungsvorschrift „Stärke und Gliederung“, die die neue Struktur des Katastrophenschutzdienstes in Baden-Württemberg abbildet, wird derzeit verwaltungsintern abgestimmt und geht danach in die Anhörung. Sie soll in der ersten Hälfte des nächsten Jahres in Kraft treten. 3. Welche Folgerungen ergeben sich aus der Neustrukturierung des Katastrophenschutzdienstes für die Qualifizierung der erforderlichen Führungskräfte in den Einsatzeinheiten des Bereichs Sanitätswesen und Betreuung? Zu II. 3.: Die Neustrukturierung des Katastrophenschutzdienstes hat grundsätzlich keine Auswirkung auf die Qualifizierung der erforderlichen Führungskräfte in den Einsatzeinheiten „Sanitätswesen und Betreuung“. Allerdings stellt der Bund für die MTF, die in die landesspezifischen Einsatzeinheiten „Sanität und Betreuung“ integriert sind, höhere Anforderungen an die Ausbildung. Insbesondere betrifft dies die Zahl der Kräfte mit der Qualifikation zum Rettungssanitäter. Bezüglich dieser Anforderungen sind die Bundesländer und die Hilfsorganisationen mit dem Bund im Dialog. Insgesamt wird künftig die organisationsübergreifende Zusammenarbeit gerade auch bei der Ausbildung an Bedeutung gewinnen. Zuletzt hat sich beim Papstbesuch 2011 positiv gezeigt, wie wichtig die organisationsübergreifende Zusammenarbeit im Führungsbereich ist. Diese Erkenntnisse werden bei der Weiterentwicklung der Ausbildungskonzeption zu berücksichtigen sein. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 9 4. Wie ist der Sachstand bei der Aufstellung der bundeseigenen Medizinischen Task Forces? Zu II. 4.: Die Aufstellung der bundeseigenen MTF ist bislang nicht abgeschlossen, da der Bund noch nicht alle Fahrzeuge bereitgestellt hat. Die Einheiten sind daher zwar organisatorisch weitgehend aufgestellt, sie sind aber noch nicht voll einsatzfähig. I I I . A u s s t a t t u n g u n d F i n a n z i e r u n g 1. Wie beurteilt das Innenministerium die Notwendigkeit, die sog. „Helfer- und Fahrzeugpauschalen“ für die Fahrzeuge des Landes anzupassen, insbesondere auch im Hinblick auf die erfolgte Beschaffung neuer, technisch aufwändigerer Fahrzeuge? Zu III. 1.: Das Land gewährt den Hilfsorganisationen nach dem LKatSG pauschale Zuschüsse zu ihren Aufwendungen für Aufstellung, Ausbildung, Ausstattung und Unterbringung von Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzdienstes. Die jährlichen pauschalen Zuschüsse des Landes an die Träger der Katastrophenhilfe sind insbesondere im Hinblick auf die erfolgte Beschaffung neuer Fahrzeuge mit technisch aufwändigerer und medizinisch leistungsfähigerer Beladung anzupassen . Die Unterhaltung dieser Fahrzeuge, die infolge der Neubeschaffungen kostenintensiver ist, obliegt den Hilfsorganisationen als Nutzern. Das Land gewährt ihnen dazu auf der Grundlage des LKatSG jährliche pauschale Zuschüsse. Diese pauschalen Zuschüsse wurden seit dem Jahr 1995 nicht mehr verändert. Die Zuschüsse werden deshalb derzeit rückwirkend zum 1. Januar 2011 unter Berücksichtigung der neuen Fahrzeuge und der Preisentwicklung erhöht. Gleichzeitig wird das Zuschusssystem für alle Beteiligten deutlich vereinfacht. Die Erhöhung und das neue Zuschusssystem wurden vom Landesbeirat für den Katastrophenschutz am 6. Oktober 2011 zustimmend zur Kenntnis genommen. Die pauschalen Zuschüsse des Landes nach dem LKatSG decken nicht den gesamten Aufwand der Hilfsorganisationen ab. Dafür können die Hilfsorganisationen die Fahrzeuge nach den Vorgaben des Landes grundsätzlich auch für organisationseigene Zwecke nutzen. 2. Von wem werden die Kosten für die Beschaffung, Vorhaltung, Austausch und Ersatz von Material und Medikamenten getragen (mit Angabe, wer jeweils für die Durchführung der Maßnahme zuständig ist)? Zu III. 2.: Das Land beschafft für den Katastrophenschutz auf der Grundlage des LKatSG Fahrzeuge, Geräte und Spezialausrüstung und stellt sie den Trägern der Katastrophenhilfe für Zwecke des Katastrophenschutzes mit kompletter Erstausstattung zur Verfügung. Dazu gehören auch die notwendige medizinische Ausstattung der Fahrzeuge sowie Medikamente. Ersatzbeschaffungen von Material und Medikamenten für Landesfahrzeuge werden grundsätzlich auch mit der in Ziffer III. 1. dargestellten Pauschale abgedeckt. Im Einzelfall sind Zuschüsse an die Hilfsorganisationen für aufwändige Ersatzbeschaffungen möglich. Die vom Bund finanzierten Fahrzeuge sind mit fahrzeugspezifischem Material ausgestattet und werden vom Bund unterhalten. Der Bund betreibt daneben Materialund Medikamentendepots in Baden-Württemberg. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 10 Nach der Apothekenbetriebsordnung müssen öffentliche Apotheken die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendigen Arzneimittel in einer Menge vorrätig halten, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche entspricht. Darüber hinaus müssen bestimmte Notfallarzneimittel ggf. kurzfristig beschafft werden können; dafür hat die Landesapothekerkammer sechs über das Land verteilte Notfalldepots eingerichtet . Für Krankenhäuser gilt, dass die für die Arzneimittelversorgung der Patienten notwendigen Arzneimittel in ausreichender Menge für zwei Wochen vorrätig zu halten sind. Die Kosten für diese Vorratshaltung trägt der Inhaber der Betriebserlaubnis bzw. der Träger des Krankenhauses. Das Sozialministerium hat gemeinsam mit dem Innenministerium, der Landesapothekerkammer und dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg sowie den pharmazeutischen Großhandlungen einen Notfallplan entwickelt. Apotheken können dabei in außergewöhnlichen Notsituationen rund um die Uhr über das Lagezentrum des Landes beim Innenministerium Notfallnummern des Großhandels erhalten, sodass auch im Notdienst, an Wochenenden oder an Feiertagen dringend notwendige Arzneimittel bereitgestellt werden können. 3. Unter welchen Voraussetzungen werden von wem die Kosten für die Einsätze von Personal und Material bei einem MANV übernommen? Zu III. 3.: Laut LKatSG tragen grundsätzlich die Stadt- und Landkreise die Kosten, die bei der in ihrem Gebiet erfolgenden Bekämpfung von Katastrophen und Mitwirkung bei der unmittelbar anschließenden vorläufigen Beseitigung erheblicher Katastrophenschäden entstehen, insbesondere die Kosten für die Verwendung der Ausstattung der Einsatzkräfte. Die sonstigen im Katastrophenschutz Mitwirkenden, insbesondere die der Katastrophenschutzbehörde gleich- oder nachgeordneten Behörden einschließlich der Gemeinden, die öffentlich geförderten Akutkrankenhäuser und ihre Träger, die Träger und Einrichtungen des Rettungsdienstes tragen die sich aus der Erfüllung ihrer Aufgaben im Katastrophenschutz ergebenden Kosten selbst. Unterhalb der Katastrophenschwelle richtet sich die Kostentragung nach dem Recht der für die Aufgabenerfüllung zuständigen Stelle. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 FwG tragen die Gemeinden die Kosten der Feuerwehreinsätze, sofern sie nicht Kostenersatz nach § 34 FwG verlangen können. Die Gemeinden tragen nach § 82 Abs. 1 Satz 1 PolG auch die Kosten der Polizeibehörde. Die Kosten des Rettungsdienstes werden von den Kostenträgern übernommen. 4. Welche mittelfristigen Investitionserfordernisse bestehen im Katastrophenschutz (mit einer Bewertung im Hinblick auf die mittelfristige Finanzplanung und ggf. steigende Zuschüsse)? Zu III. 4.: Zur Gewährleistung der Einsatzfähigkeit der Einheiten des Katastrophenschutzes, zur Bewältigung von Großschadenslagen und zum Schutz der Bevölkerung für den Fall eines Unfalls in einer kerntechnischen Anlage sind in den nächsten Jahren weitere Beschaffungen erforderlich. Ein großer Teil der Ausstattung der Katastrophenschutzeinheiten des Landes war vor dem Start der Zukunftsinvestitionsprogramme (ZIP/LIP) stark veraltet. Etwa die Hälfte der Fahrzeuge war älter als 15 Jahre. Durch das ZIP/LIP konnten zwar deutliche Verbesserungen erzielt werden, es besteht aber immer noch Investitionsbedarf . Die Anlagenbuchhaltung des Landes sieht für die Landesfahrzeuge Abschreibungszeiträume von in der Regel 16 oder 24 Jahren vor. In Anlehnung an diese vorgegebene Abschreibung sollten die Fahrzeuge ersetzt werden. Dadurch kann verhindert werden, dass die Landesfahrzeuge erneut überaltern. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 11 Im Bereich der Notfallvorsorge für kerntechnische Unfälle besteht im Land ebenfalls Beschaffungsbedarf. Derzeit gibt es im Land nur Ausstattung für eine Notfallstation zur Versorgung und Dekontamination Betroffener bei einem Unfall in einer kerntechnischen Anlage. Die Ausstattung für eine Notfallstation kostet rund 80.000 €. In den nächsten Jahren sollte Ausstattung für mehrere Notfallstationen beschafft werden. Durch die Erhöhung der Zuschüsse an die Hilfsorganisationen im Land besteht ab dem Haushaltsjahr 2011 ein insofern um 450.000 € höherer Bedarf. I V. P e r s o n a l e n t w i c k l u n g i m E h r e n a m t 1. Wie bewertet sie die Personalstärke, Ausstattung und Ausbildung sowie die Entwicklung des Ehrenamts im Katastrophenschutz? 4. Gibt es Überlegungen, den Wegfall der vom Wehr- bzw. Zivildienst freigestellten Helfer in geeigneter Weise zu kompensieren? Zu IV. 1. und IV. 4.: Die Personalstärke, Ausstattung und Ausbildung des Katastrophenschutzdienstes wird grundsätzlich als gut bewertet. Die neuen Einsatzeinheiten „Sanität und Betreuung “ haben sich bewährt, und die Ausstattung hat durch die Beschaffungen in den letzten beiden Jahren deutlich an Qualität gewonnen. Die Landesschulen der Hilfsorganisationen, die Landesfeuerwehrschule und die THW-Bundesschule leisten gute Arbeit bei der Ausbildung der Einsatzkräfte. Um das gute Niveau zu erhalten, sind in den kommenden Jahren weitere Anstrengungen erforderlich. Um das ehrenamtliche Engagement im Katastrophenschutz zu halten, muss das Land die Hilfsorganisationen bei der Werbung für das Ehrenamt zum Wohl der Allgemeinheit unterstützen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels stehen die Hilfsorganisationen vor großen Herausforderungen bei der Nachwuchsgewinnung. Die Realisierung der geforderten Doppelbesetzung in den Einsatzeinheiten des Landes, die auch von den Hilfsorganisationen für erforderlich erachtet wird, verlangt besondere Anstrengungen. Die neue und hochwertige Ausstattung der Einsatzeinheiten durch das Land und den Bund hat sich positiv auf die Motivation der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bei den Hilfsorganisationen ausgewirkt. Bei den Hilfsorganisationen stehen Mitgliederbindung und Nachwuchsgewinnung an erster Stelle bei ihren strategischen Überlegungen. Es gibt beim Land, bei den Hilfsorganisationen, den Feuerwehren und den sonstigen Mitwirkenden im Katastrophenschutz, vielfältige Überlegungen, wie der Wegfall der freigestellten Helfer in geeigneter Weise kompensiert werden kann. Neben der Jugendarbeit wenden sich die Organisationen den älteren Menschen zu, die nach ihrem aktiven Berufsleben gerne eine sinnvolle Aufgabe übernehmen . Diesen können gezielte Angebote im Rahmen der Aufgabenpalette des Bevölkerungsschutzes unterbreitet werden. Daneben werden gezielt Menschen mit Migrationshintergrund und Frauen auf die Aufgaben im Bevölkerungsschutz angesprochen und beworben. Insgesamt wird es zunehmend wichtiger, auf die Unverzichtbarkeit des Ehrenamtes für das Wohl unserer Gesellschaft hinzuweisen. Im Hinblick auf das Bundesfreiwilligengesetz ist das Innenministerium im Gespräch mit den Hilfsorganisationen um für die ehrenamtlich aufgestellten Organisationen angepasste Angebote und Lösungen zu entwickeln, die sich in das Freiwilligenkonzept des Bundes einpassen lassen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 12 2. Wie kann die verlässliche Freistellung der Helferinnen und Helfer von ihrem Arbeitsplatz erfolgen? Zu IV. 2.: Die Helferinnen und Helfer im Katastrophenschutzdienst haben nach dem LKatSG während der Dauer der Teilnahme an Einsätzen und dienstlichen Veranstaltungen einen Anspruch auf Freistellung von ihrem Arbeitsplatz. Die Arbeitgeber oder Dienstherren sind verpflichtet, für diesen Zeitraum Arbeitsentgelte oder Dienstbezüge einschließlich aller Nebenleistungen und Zulagen fortzuzahlen. Die Arbeitgeber erhalten die Beträge auf Antrag von der Katastrophenschutzbehörde ersetzt. Selbstständige sind gleichgestellt. Das Innenministerium beabsichtigt, künftig eine Arbeitgeberförderplakette auszuloben , mit der die Unterstützung des Ehrenamtes durch die Arbeitgeber gewürdigt werden soll. Daneben soll auf diese Weise bei den Arbeitgebern im Land für die Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements zum Wohle der Gesellschaft geworben werden. Auch die Hilfsorganisationen vergeben entsprechende Auszeichnungen . 3. Wie bewertet sie den Stand der Jugendarbeit der im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen? Zu IV. 3.: Die im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen sind in der Jugendarbeit sehr engagiert. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist eine gute Jugendarbeit für die Organisationen existentiell wichtig. Neben der Jugendarbeit widmen sich Organisationen auch der Schularbeit, beispielsweise bei der Ausbildung und Betreuung von Schulsanitätern. Die Schularbeit hat in jüngster Zeit zugenommen und findet an allen Schularten statt. Im Vorschulbereich gibt es Angebote in Kindertagesstätten, im Grundschulbereich besondere Angebote wie beispielsweise Projekttage. Es gibt Jugendbegleiter mit Angeboten im Rahmen der Ganztagesschule, geförderte Erste-Hilfe-Kurse an Schulen und entsprechende Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern. Schularbeit ist ein wichtiges Element der Nachwuchsarbeit, über das viele neue Mitglieder gewonnen werden können. 5. Wie bewertet sie die Einbindung der Landesschulen der Hilfsorganisationen in die Qualifizierung des ehrenamtlichen Personals? Zu IV. 5.: Die Einbindung der Landesschulen der Hilfsorganisationen bei der Qualifizierung des Personals ist sehr gut. Sie stellen einen wichtigen Partner bei der Qualifizierung der Helferinnen und Helfer im Bevölkerungsschutz dar. Die Landesschulen der Hilfsorganisationen bilden das ehrenamtliche und hauptamtliche Personal der Hilfsorganisationen aus und bieten Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten für die ehrenamtlich Tätigen an, die den Ausbildungsbedarf vor Ort decken. Ein besonderer Schwerpunkt stellt dabei die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Führungs-, Leitungs- und Fachkräften sowie die Qualifizierung von Ausbildern im Bereich der Ersten Hilfe, des Bevölkerungsschutzes und der psychosozialen Vor- und Nachsorge dar. Die Landesschulen der Hilfsorganisationen arbeiten auf einem hohen Niveau und unterstützen sich gegenseitig mit ihren Angeboten. Gleiches gilt für die Landesfeuerwehrschule. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 13 V. K a t a s t r o p h e n s c h u t z ü b u n g e n 1. Welche praktischen Erfahrungen wurden mit dem MANV-Konzept und der verwendeten Ausstattung bislang in der Einsatz- und Übungspraxis gemacht? Zu V. 1.: Vor dem Hintergrund zunehmender Risiken bezüglich Naturkatastrophen und der weiterhin bestehenden abstrakten Gefahr von Terroranschlägen hat die Durchführung von Katastrophenschutzübungen hohe Priorität. Nur durch ständiges Üben ist eine effektive und effiziente Bekämpfung von Katastrophen möglich. Das Innenministerium legt großen Wert darauf, dass dabei auch das MANV-Konzept regelmäßig beübt wird. Dies wird von den Stadt- und Landkreisen entsprechend umgesetzt. In den letzten drei Jahren wurden landesweit insgesamt 15 Katastrophenschutzübungen mit MANV-Bezug durchgeführt. Dabei wurden mit dem MANV-Konzept und der zur Verfügung gestellten Ausstattung positive Erfahrungen gemacht. Soweit Optimierungsbedarf festgestellt wurde, wird dies in die Weiterentwicklung einfließen. Strukturelle Änderungen des Konzepts werden aber nicht für erforderlich gehalten. Weitere wertvolle Erfahrungen mit dem MANV-Konzept konnten daneben bei planbaren realen Ereignissen wie der Fußball-WM 2006, dem NATO-Gipfel 2009, der Frauen-Fußball-WM und dem Papstbesuch 2011 gewonnen werden. Erfahrungen aus Einsätzen bei Großschadensereignissen liegen bisher erfreulicherweise nicht vor. 2. Ist in Baden-Württemberg geregelt, ob bzw. wie oft die Behörden und Hilfsdienste Übungen für Katastrophensituationen durchführen müssen? Zu V. 2.: Seit dem Jahre 2003 wird durch ein Vierjahresprogramm des Innenministeriums (Übungsoffensive) sichergestellt, dass in einem Vierjahreszeitraum jeder Stadtund Landkreis in Baden-Württemberg mindestens eine eintägige Vollübung oder eine Stabsrahmenübung durchführt. Für jedes einzelne Jahr wird dazu ein Übungsprogramm erstellt. Bei Vollübungen werden nach Möglichkeit mehrere Fachdienste einschließlich Hilfsorganisationen, Bundeswehr, Feuerwehr, THW, Leitende Notärzte und -ärztinnen sowie die Notfallseelsorge und die Kreisauskunftsbüros des Deutschen Roten Kreuzes in den Übungsverlauf mit einbezogen. Stabsrahmenübungen werden möglichst unter Beteiligung aller Verwaltungsstabsbereiche durchgeführt. Dabei wird insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Verwaltungsstab und Führungsstab intensiv beübt. Die Fachberatungen (namentlich Hilfsorganisationen und die Beauftragten der Bundeswehr, aber auch z. B. von Energieversorgungsunternehmen) sowie die übrigen Bereiche werden eng eingebunden. Das Innenministerium bezuschusst die einzelnen Übungen je nach Übungsumfang mit jeweils bis zu 5.000 €. Die Zielsetzung der Übungsoffensive wurde erreicht. Das Bewusstsein für die große Bedeutung des Bevölkerungsschutzes auch auf Stadt- und Landkreisebene konnte weiter verstärkt und die Motivation für die Durchführung von Übungen erheblich gesteigert werden. Die Erfahrungsberichte zeigen, dass die fachliche Qualität der Übenden sich in hohem Maße weiter verbessert hat. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 603 14 3. Gibt es Überlegungen, die Katastrophenschutzplanungen zu veröffentlichen bzw. ins Internet zu stellen, damit sich interessierte Bürger informieren können? Zu V. 3.: Die Katastrophenschutzbehörden auf den unterschiedlichen Ebenen und die Hilfsorganisationen haben wesentliche Informationen zum Bevölkerungsschutz für ihren Zuständigkeitsbereich zur Information der Bürgerinnen und Bürger in das Internet eingestellt. Jede Behörde und Organisation entscheidet in einer Zuständigkeit , welche Informationen wichtig oder von Interesse sind. Durch die Beiträge der Institutionen ist der Zugang zu den Informationen für die Bürgerinnen und Bürger gewährleistet. Alle Behörden und Organisationen unterziehen sich dabei einem ständigen Verbesserungsprozess und sind auch für Anregungen offen. Vor dem Hintergrund der Koalitionsvereinbarung und der anstehenden Diskussion zu „Open Data“ werden gegebenenfalls auch diese Aktivitäten neu zu bewerten sein. 4. Wie bewertet sie die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden, Einrichtungen und Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz? Zu V. 4.: Die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden, Einrichtungen und Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz ist gut. Die verschiedenen Akteure im Bevölkerungsschutz haben bei gemeinsamen Übungen, Einsätzen und bei der Absicherung von Großveranstaltungen wiederholt bewiesen, dass sie professionell und zuverlässig handeln und gut zusammenarbeiten. Für Beobachter ist es beeindruckend, wie routiniert und von gegenseitigem Respekt getragen die verschiedenen Bereiche im Bevölkerungsschutz die Einsätze bewältigen und engagiert zusammenwirken. Sie haben in der Praxis bewiesen, dass sie in der Lage sind, einen Massenanfall von Verletzten zu bewältigen. 5. Wie bewertet sie die Ressourcen der Bundeswehr, um im Katastrophenfall in Baden-Württemberg Hilfe zu leisten? Zu V. 5.: Die Landesregierung bewertet die derzeitigen Hilfeleistungspotenziale der Bundeswehr als ausreichend für eine subsidiäre Unterstützung der Katastrophenschutzbehörden zur Bewältigung entsprechender Ereignisse. Zur Begründung wird auf die Antwort der Landesregierung vom 20. Dezember 2006 auf Abschnitt II. der Großen Anfrage der Fraktion der FDP/DVP „Die Bundeswehr in Baden- Württemberg und die zukünftige Zivil-Militärische Zusammenarbeit im Land“ (Drs. 14/531) verwiesen. Allerdings wird die derzeit anstehende Strukturreform der Bundeswehr erneut Auswirkungen auf die Einbindung der Bundeswehr in das Bevölkerungsschutzkonzept haben. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder hat deshalb gegenüber dem Bundesministerium der Verteidigung gefordert, dass die Strukturreform der Bundeswehr nicht einseitig zu Lasten der gesamtstaatlichen Verantwortung für einen wirksamen Bevölkerungsschutz in Deutschland ausfallen darf. Die Bundeswehr müsse auch zukünftig personell, materiell und organisatorisch in der Lage sein, die nach Artikel 35 Grundgesetz subsidiär vorgesehenen Hilfeleistungen zur Bewältigung von schweren Unglücksfällen oder Katastrophen zu erbringen . Welche Ressourcen dafür in welchen Zeitfenstern zur Verfügung stehen, wird wesentlich von den Stationierungs- und Reservistenkonzepten abhängen. Gall Innenminister