Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 6275 16. 12. 2014 Kleine Anfrage des Abg. Joachim Kößler CDU und Antwort des Innenministeriums Kooperation Rettungsdienst und Feuerwehr K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen werden bereits heute Rettungsdienstfahrten durch die Feuerwehren durchgeführt (mit Angabe, welche Maßnahmen durch die Feuerwehr erfolgen können)? 2. Wie steht sie zu der Forderung, künftig verstärkt auch Feuerwehren mit der Wahrnehmung von Aufgaben des Rettungsdiensts zu betrauen? 3. Welche Folgen gehen mit dem Einsatz der Feuerwehr im Rettungsdienst für deren Ausbildung, deren Einsatzkonzepte und deren Ausstattung einher? 4. Welche Meinung vertreten die betroffenen Akteure (Feuerwehr, Rettungsdienst) angesichts der verstärkten Wahrnehmung von Aufgaben des Rettungsdiensts durch die Feuerwehr? 5. Inwieweit erkennt sie in einer möglichen verstärkten Wahrnehmung von Rettungsdienstleistungen durch die Feuerwehr Probleme oder Vorteile? 15. 12. 2014 Kößler CDU B e g r ü n d u n g Feuerwehren verfügen bereits heute über entsprechende technische Ausstattungen für Rettungsdienste. Auch theoretisch ist der Einsatz der Feuerwehr im Rettungsdienst möglich – vgl. Rettungsdienstgesetz. Dennoch wirft in der Praxis der verstärkte Einsatz von Feuerwehren im Rettungsdienst verschiedenste Fragen auf. Eingegangen: 16. 12. 2014 / Ausgegeben: 04. 02. 2015 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6275 2 A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 28. Januar 2015 Nr. 4-1506.0/61/2 beantwortet das Innenministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. In welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen werden bereits heute Rettungsdienstfahrten durch die Feuerwehren durchgeführt (mit Angabe, welche Maßnahmen durch die Feuerwehr erfolgen können)? Zu 1.: Die Feuerwehren gehören nicht zu den in § 2 Absatz 1 Rettungsdienstgesetz (RDG) festgelegten Rettungsdienstorganisationen, mit denen das Land einen Rahmenvertrag zur Durchführung der Notfallrettung geschlossen hat. Feuerwehren beziehungsweise die Kommunen können bei Bedarf durch eine mit den Rettungsdienstorganisationen auf Bereichsebene abgeschlossene Kooperationsvereinbarung als sogenannte andere Stellen nach § 2 Absatz 2 RDG mitwirken. In Baden-Württemberg ist derzeit nur im Rettungsdienstbereich Stuttgart zwischen dem DRK-Kreisverband und der Stadt Stuttgart ein Rahmenvertrag zur Mitwirkung der Feuerwehr geschlossen. Die Feuerwehren sind für rettungsdienstliche Einsätze demgemäß auch nicht ausgebildet und ausgestattet. Sie führen daher grundsätzlich keine Rettungsdienstfahrten durch. Einzige Ausnahme ist der Rettungsdienstbereich Stuttgart, wo die Feuerwehr einen Rettungswagen rund um die Uhr, einen zweiten Rettungswagen zwischen 7.00 Uhr und 19.00 Uhr, ein Notarzteinsatzfahrzeug und ein zweites Notarztfahrzeug als Ausfallreserve rund um die Uhr besetzt und den vom Land beschafften Großraumrettungswagen zum Transport adipöser Patienten einsetzt. Darüber hinaus ist dem Innenministerium bekannt, dass außerhalb der oben genannten gesetzlichen Regelung und in Einzelfällen auf Anforderung des Rettungsdienstes Gerätewagen der Feuerwehr zum behelfsmäßigen Transport von Notfallpatienten eingesetzt werden. Da diese Gerätewagen zum Transport von Patienten nicht ausgestattet sind, kann in diesen Fällen nicht von Rettungsdienstfahrten oder Einsätzen gesprochen werden; es handelt sich allenfalls um Transportunterstützung als Ultima Ratio. Mit der landesweiten Ausstattung des Rettungsdienstes mit besonders ausgestatteten Schwerlast-Rettungswagen zum Transport adipöser Patienten dürfte diese Notwendigkeit zwischenzeitlich entfallen sein. In den letzten Jahren haben sich sogenannte Helfer-vor-Ort-Einheiten oder auch als First Responder bezeichnete Systeme außerhalb der gesetzlichen Regelungen des RDG und des Feuerwehrgesetzes (FwG) eigenständig und auf freiwilliger Basis entwickelt. Die Helfer-vor-Ort-Einheiten werden in der Regel von den Integrierten Leitstellen ergänzend zum Rettungsdienst alarmiert, wenn ein Notfall vorliegt, bei dem möglichst sofort Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten sind und ein früheres Eintreffen als der Rettungsdienst am Notfallort zu erwarten ist. Die Maßnahmen der Helfer-vor-Ort-Einheiten orientieren sich im Wesentlichen an denjenigen lebenserhaltenden Sofortmaßnahmen, die jede Bürgerin oder jeder Bürger im Rahmen der Selbsthilfefähigkeit leistet. Hierzu gehören insbesondere die Reanimation, Schockbekämpfung und -prophylaxe, das Stillen von Blutungen und das Freihalten der Atemwege. Die Helfer-vor-Ort-Einheiten sind überwiegend in den sanitätsdienstlichen Organisationen entstanden. In einigen Fällen arbeiten in diesen Einheiten auch Personen mit, die gleichzeitig einer Gemeindefeuerwehr angehören, oder Gemeinden haben selbst in ihren Feuerwehren solche Einheiten gebildet. Diese wirken dann außerhalb der Zuständigkeit des Feuerwehrgesetzes mit. *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6275 3 2. Wie steht sie zu der Forderung, künftig verstärkt auch Feuerwehren mit der Wahrnehmung von Aufgaben des Rettungsdiensts zu betrauen? 3. Welche Folgen gehen mit dem Einsatz der Feuerwehr im Rettungsdienst für deren Ausbildung, deren Einsatzkonzepte und deren Ausstattung einher? 4. Welche Meinung vertreten die betroffenen Akteure (Feuerwehr, Rettungsdienst) angesichts der verstärkten Wahrnehmung von Aufgaben des Rettungsdiensts durch die Feuerwehr? 5. Inwieweit erkennt sie in einer möglichen verstärkten Wahrnehmung von Rettungsdienstleistungen durch die Feuerwehr Probleme oder Vorteile? Zu 2., 3., 4. und 5.: Dem Innenministerium sind keine Forderungen und Bestrebungen bekannt, die Feuerwehren künftig verstärkt mit Aufgaben des Rettungsdienstes zu betrauen. Sofern Verbesserungs- beziehungsweise Nachsteuerungsnotwendigkeiten im Rettungsdienst bestehen, dürfen diese nicht auf Kosten und zu Lasten Ehrenamtlicher kompensiert werden, sondern müssen durch das System des hauptberuflich organisierten Rettungsdienstes erfüllt werden. Insbesondere die Freiwilligen Feuerwehren sind heute mit einer Vielzahl von Aufgaben belastet. Allein schon deshalb verbietet sich eine Ausweitung. Ebenso macht die zukünftige neue Qualität der Ausbildung des Rettungsdienstpersonals als Notfallsanitäter eine Übernahme der Aufgabe durch Freiwillige Feuerwehren unmöglich. Der den Beruf des Rettungsassistenten oder der Rettungsassistentin ablösende neue Gesundheitsfachberuf des Notfallsanitäters oder der Notfallsanitäterin erfordert eine dreijährige Ausbildung. Denkbar wäre allenfalls eine Einbindung von Berufsfeuerwehren über Kooperationsvereinbarungen mit den gesetzlichen Leistungsträgern auf der Grundlage von § 2 Absatz 2 RDG; Bestrebungen in diese Richtung sind aber nicht bekannt. Das Innenministerium hält es für geboten, die Helfer-vor-Ort-Einheiten stärker in den Rettungsdienst einzubinden. Helfer-vor-Ort-Einheiten erfüllen wertvolle Aufgaben ; sie sind derzeit jedoch nur unzureichend rechtlich geregelt. Im Rahmen einer Änderung des Rettungsdienstgesetzes soll dieses System daher zur weiteren Verbesserung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger explizit als Vorsystem zum Rettungsdienst und auf Basis der Ehrenamtlichkeit im Gesetz niedergelegt werden. In diesem Rahmen sollen auch eventuell bestehende Rechtsunsicherheiten für die dort tätigen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer beseitigt werden. Gall Innenminister