Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 6321 07. 01. 2015 Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Justizministeriums Straf- und Disziplinarverfahren gegen Justizvollzugsbeamte K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Strafverfahren sind derzeit in Baden-Württemberg gegen Justizvollzugsbeamte anhängig? 2. Wie viele Disziplinarverfahren sind derzeit in Baden-Württemberg gegen Justizvollzugsbeamte anhängig? 3. Wann hat das Justizministerium davon erfahren, dass gegen einen Beamten der Jugendjustizvollzugsanstalt Pforzheim ermittelt wird? 4. Wie hat das Ministerium darauf zu jeweils welchem Zeitpunkt mit jeweils welcher Begründung reagiert? 23. 12. 2014 Dr. Rülke FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 27. Januar 2015 Nr. 2030.A / 0006 nimmt das Justizministerium zu der Kleinen Anfrage wie folgt Stellung: 1. Wie viele Strafverfahren sind derzeit in Baden-Württemberg gegen Justizvollzugsbeamte anhängig? 2. Wie viele Disziplinarverfahren sind derzeit in Baden-Württemberg gegen Justizvollzugsbeamte anhängig? Eingegangen: 07. 01. 2015 / Ausgegeben: 03. 02. 2015 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6321 2 Zu 1. und 2.: Im baden-württembergischen Justizvollzug waren im Dezember 2014 insgesamt 3.524 Beamtinnen und Beamte sowie 544 Tarifbeschäftigte tätig. Wie eine aktuelle Anfrage bei den Justizvollzugsanstalten im Land ergeben hat, werden derzeit von Staatsanwaltschaften insgesamt acht Ermittlungsverfahren gegen Beamtinnen bzw. Beamte sowie vier Ermittlungsverfahren gegen Tarifbeschäftigte mit dienstlichem Bezug geführt, somit gegen 0,29 % der Justizvollzugsbediensteten . Bei diesen Ermittlungsverfahren ist naturgemäß noch offen, ob diese in ein Strafverfahren münden werden. Außerdem sind bei Gerichten zwei Strafverfahren gegen Beamte mit dienstlichem Bezug anhängig. Des Weiteren sind den Justizvollzugsanstalten insgesamt drei staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen Beamtinnen bzw. Beamte ohne dienstlichen Bezug bekannt. Bei Verfahren ohne dienstlichen Bezug handelt es sich beispielsweise um solche wegen einer Trunkenheitsfahrt eines/einer Justizvollzugsbediensteten in der Freizeit. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass dem Justizministerium eigene Erkenntnisse, etwa in Form einer Statistik, nicht vorliegen. Das Kriterium „Justizvollzugsbedienstete/r“ wird den Ermittlungsbehörden und damit auch den Justizvollzugsanstalten – bei Ermittlungsverfahren ohne dienstlichen Bezug – möglicherweise nicht bekannt, wenn Justizvollzugsbedienstete bei einem gegen sie eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ihren Beruf bzw. ihre Tätigkeit nicht angeben und diese Tätigkeit nicht anderweitig bekannt wird. In einem solchen Fall ist auch eine Mitteilung gemäß Ziffer 15 MiStra (Anordnung des Justizministeriums über die Mitteilung in Strafsachen) an den zuständigen Dienstvorgesetzten des/der Justizvollzugsbediensteten nicht möglich. Außerdem sind in Baden-Württemberg derzeit 22 Disziplinarverfahren gegen Justizvollzugsbeamtinnen und Justizvollzugsbeamte anhängig, somit gegen 0,62 % aller baden-württembergischen Justizvollzugsbeamtinnen und Justizvollzugsbeamten . 3. Wann hat das Justizministerium davon erfahren, dass gegen einen Beamten der Jugendjustizvollzugsanstalt Pforzheim ermittelt wird? 4. Wie hat das Ministerium darauf zu jeweils welchem Zeitpunkt mit jeweils welcher Begründung reagiert? Zu 3. und 4.: Mit Bericht vom 22. November 2013, beim Justizministerium eingegangen am 25. November 2013, hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt Heimsheim, zu der auch die Jugendstrafanstalt Pforzheim gehört, unter Vorlage zahlreicher Unterlagen mitgeteilt, dass Tatsachen bekannt geworden seien, die den Verdacht eines durch den Beamten begangenen Dienstvergehens rechtfertigten, und angefragt, ob das Justizministerium von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß § 7 Abs. 2 Landesdisziplinargesetz (LDG) Gebrauch macht. Grundsätzlich sind für Disziplinarverfahren gegen Justizvollzugsbeamtinnen und Justizvollzugsbeamte die jeweilige Anstaltsleiterin bzw. der jeweilige Anstaltsleiter zuständig. Gemäß § 7 Abs. 2 LDG kann das Justizministerium als oberste Disziplinarbehörde jedoch ein Disziplinarverfahren im Einzelfall jederzeit an sich ziehen. Am 27. November 2013 wurde mit dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Heimsheim telefonisch Kontakt aufgenommen. Diesem wurde mitgeteilt, dass das Justizministerium von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, ein Disziplinarverfahren einleiten und Strafanzeige erstatten werde. Mit dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Heimsheim wurde dahingehend verblieben, dass dieser dem Beamten ab sofort Hausverbot erteilt. Noch am selben Tag sprach der Leiter der Justizvollzugsanstalt Heimsheim gegenüber dem Beamten telefonisch ein sofortiges Hausverbot für die Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6321 3 Außenstelle Pforzheim der Justizvollzugsanstalt Heimsheim aus und wiederholte dieses in einem an den Beamten gerichteten Schreiben. Mit Verfügung des Justizministeriums vom 2. Dezember 2013 wurde gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit Schreiben vom gleichen Tag erstattete das Justizministerium bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Zweigstelle Pforzheim, wegen des Sachverhalts Strafanzeige gegen den Beamten. Der Beamte wurde, nach der Gewährung von Akteneinsicht und rechtlichen Gehörs , mit Verfügung vom 6. März 2014 vorläufig des Dienstes enthoben. Mit Verfügung vom darauf folgenden Tag wurde das Disziplinarverfahren auf einen zwischenzeitlich bekannt gewordenen, weiteren Sachverhalt ausgedehnt. Diese Verfügung wurde auch der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Zweigstelle Pforzheim, zum hier bekannten Aktenzeichen übersandt. Schließlich wurde, nach Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten und der Gewährung rechtlichen Gehörs , mit Verfügung vom 30. Mai 2014 angeordnet, dass von den monatlichen Bezügen des Beamten 20 Prozent einbehalten werden. Im Hinblick auf das bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Zweigstelle Pforzheim, laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde das Disziplinarverfahren gegen den Beamten mit Verfügung vom 12. Juni 2014 ausgesetzt. Mittlerweile ist ein erstinstanzliches Urteil im Strafverfahren gegen den Beamten ergangen, gegen das Rechtsmittel eingelegt wurde. Spätestens nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens wird das Disziplinarverfahren wieder aufgenommen und fortgeführt werden. Stickelberger Justizminister