Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 6514 24. 02. 2015 1Eingegangen: 24. 02. 2015 / Ausgegeben: 02. 04. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Was versteht sie grundsätzlich unter „verhaltenswissenschaftlicher Interven - tion“ als Instrument der Verbraucherpolitik (siehe „Verbraucherpolitische Strategie 2014 bis 2020“ der Landesregierung, Seite 42)? 2. Für welche verbraucherpolitischen Problemlagen erachtet sie die Anwendung dieses Instruments als geeignet? 3. Bei welcher ihrer verbraucherpolitischen Regulierungen hat sie bisher „verhaltenswissenschaftliche Interventionen“ einfließen lassen oder in Betracht gezogen? 4. Bei welcher ihrer sonstigen verbraucherpolitischen Maßnahmen hat sie „verhaltenswissenschaftliche Interventionen“ einfließen lassen oder in Betracht gezogen ? 5. Auf welche verbraucherpolitische beziehungsweise theoretische Begründung gründet sie die Anwendung „verhaltenswissenschaftlicher Interventionen“ grundsätzlich sowie bezogen auf die jeweilige Anwendungsform (Regulierung, sonstige verbraucherpolitische Maßnahmen)? 6. Inwiefern geht sie davon aus, dass sich mit der Anwendung „verhaltenswissenschaftlicher Interventionen“ die Regulierungsqualität erhöht? 7. In welchen anderen Ressorts der Landesregierung werden „verhaltenswissenschaftliche Interventionen“ angewandt oder als geeignetes Instrument betrachtet? 8. In welchen Tätigkeitsbereichen wenden baden-württembergische Verbraucherorganisationen das Instrument der „verhaltenswissenschaftlichen Intervention“ an? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz „Verhaltenswissenschaftliche Interventionen“ im Verbraucherschutz? Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6514 2 9. Welche Erfahrungswerte liegen ihr diesbezüglich vor? 10. Welche Kenntnis hat sie darüber, inwieweit „verhaltenswissenschaftliche Interventionen “ im Bund als Instrument der Verbraucherpolitik diskutiert werden beziehungsweise Anwendung finden oder in Betracht gezogen werden? 24. 02. 2015 Dr. Bullinger FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 19. März 2015 Nr. Z(37)-01415/503F beantwortet das Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Was versteht sie grundsätzlich unter „verhaltenswissenschaftlicher Interven - tion“ als Instrument der Verbraucherpolitik (siehe „Verbraucherpolitische Strategie 2014 bis 2020“ der Landesregierung, Seite 42)? Zu 1.: In der Verbraucherpolitik und -forschung wird schon seit längerem sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene die Frage diskutiert, wie die Regulierungsqualität bzw. die Wirksamkeit der Regulierung verbessert werden kann, und ob Maßnahmen (Interventionen), die auf verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, hierzu beitragen können. Die Informationsmaßnahmen sollen aufgrund der sozial- und verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnisse so gestaltet und zur Verfügung gestellt werden, dass sie vom Verbraucher tatsächlich erfasst und in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden. Hierzu zählen beispielsweise die Gestaltung von Entscheidungskontexten (etwa durch Voreinstellungen/Defaults), Komplexitätsreduktion und Vereinfachungen sowie eine zielgruppenspezifische Gestaltung von Verbraucherinformationen. Diese Regulierungsinstrumente sollen durch die Gestaltung der Entscheidungs - situation wirken, dabei transparent und nicht mit Zwang, Androhung von Strafen oder dem Versprechen materieller Belohnungen verbunden sein. Die individuelle Entscheidungsfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher bleibt erhalten. 2. Für welche verbraucherpolitischen Problemlagen erachtet sie die Anwendung dieses Instruments als geeignet? 5. Auf welche verbraucherpolitische beziehungsweise theoretische Begründung gründet sie die Anwendung „verhaltenswissenschaftlicher Interventionen“ grundsätzlich sowie bezogen auf die jeweilige Anwendungsform (Regulierung, sonstige verbraucherpolitische Maßnahmen)? Zu 2. und 5.: Inwieweit derartige Instrumente zur Anwendung in verbraucherpolitischen Prob - lemlagen geeignet sein können, ist aktuell Gegenstand der Verbraucherforschung. Wissenschaftler wie Daniel Kahnemann, Richard Thaler, Cass Sunstein und Lucia Reisch widmen sich aktuell diesem Forschungsgebiet. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass Menschen bestimmte Verhaltenstendenzen haben (Biases) und sich Entscheidungsregeln (Heuristiken) aneignen und diese auch bei Konsument- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6514 scheidungen anwenden. Verhaltenswissenschaftlich basierte Regulierung berücksichtigt diese Biases und Heuristiken in der Ausgestaltung ihrer Maßnahmen und Instrumente. Bei dieser Art von Regulierung wird die Freiheit des Einzelnen nicht eingeschränkt. Verbraucherinnen und Verbraucher werden dabei unterstützt, die für sie beste Entscheidung zu treffen. 3. Bei welcher ihrer verbraucherpolitischen Regulierungen hat sie bisher „verhaltenswissenschaftliche Interventionen“ einfließen lassen oder in Betracht gezogen ? 4. Bei welcher ihrer sonstigen verbraucherpolitischen Maßnahmen hat sie „verhaltenswissenschaftliche Interventionen“ einfließen lassen oder in Betracht gezogen ? Zu 3. und 4.: Die Landesregierung ist im Verbraucherschutz nicht selbst regulierend tätig. Die verbraucherpolitischen Rahmenbedingungen legt mit Verordnungen, Richtlinien und einer Vielzahl weiterer Maßnahmen die Europäische Union fest. In Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Kompetenzvorgaben werden diese europäischen Vorgaben anschließend vom Bundesgesetzgeber umgesetzt. Landesrechtliche Regelungen konzentrieren sich in erster Linie darauf, die für die Überwachung zuständigen Behörden zu benennen sowie den Vollzug zu organisieren . Ein Beispiel, bei dem sich die Landesregierung für eine Regulierung eingesetzt hat, die verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse einbezieht ist die sogenannte „Button-Lösung“. Ziel war die Verhinderung von „Abo-Fallen“ im Internet. Die Informationen über die Kosten eines Abonnements waren ursprünglich regelmäßig auf den einschlägigen Websites vorhanden, sie wurden von den Ver - braucherinnen und Verbrauchern aber häufig nicht wahrgenommen und die kosten pflichtigen Folgen konnten nicht erkannt werden. Die „Button-Lösung“ regelt nun, dass ein Angebot nur dann als angenommen gilt, wenn bestimmte Gestaltungsvorschriften („jetzt kostenpflichtig bestellen“) vorhanden sind. Diese können von den Verbraucherinnen und Verbrauchern bewusst wahrgenommen und verstanden werden. 6. Inwiefern geht sie davon aus, dass sich mit der Anwendung „verhaltenswissenschaftlicher Interventionen“ die Regulierungsqualität erhöht? Zu 6.: Die Regulierungsqualität kann dadurch verbessert werden, dass bereits im Vorfeld der geplanten Regulierung geprüft wird, welche Auswirkungen die Regelungen im Hinblick auf das Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern haben können, welche Einzelmaßnahme für die Problemlage angemessen erscheint und ob die Ziele der Regulierung mit einem angemessenen Aufwand erreicht werden können. Dabei kommen Instrumente wie Gesetzesfolgenabschätzung und ExPost -Evaluationen zum Einsatz. Die verhaltenswissenschaftlich basierten Interventionen ersetzen nicht die Politikinstrumente per se, sondern ergänzen sinnvoll bestehende Instrumentarien, beispielsweise in der Vereinfachung von Verfahren und Formularen. 7. In welchen anderen Ressorts der Landesregierung werden „verhaltenswissenschaftliche Interventionen“ angewandt oder als geeignetes Instrument betrachtet ? Zu 7.: Die Anwendung von verhaltenswissenschaftlichen Interventionen im Verbraucherschutz findet in anderen Ressorts der Landesregierung nicht statt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6514 4 8. In welchen Tätigkeitsbereichen wenden baden-württembergische Verbraucherorganisationen das Instrument der „verhaltenswissenschaftlichen Interven tion“ an? 9. Welche Erfahrungswerte liegen ihr diesbezüglich vor? Zu 8. und 9.: Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. bezieht in ihrer Tätigkeit verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse mit ein. So hat sie u. a. auch verbraucherfreundliche Voreinstellungen bei Online-Buchungen und bei Preisvergleichsportalen sowie die Button-Lösung gefordert (siehe auch Frage 3 und 4). Bei der Energieeinsparberatung macht sich die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. den Umstand zunutze, dass Energieeinsparung in ökologischer und ökonomischer Hinsicht von der Mehrheit der Gesellschaft als positiv empfunden wird. Die soziale Norm unterstützt als sogenannter Nudget das erwünschte Verbraucherverhalten , Energie einzusparen. Das Zentrum für europäischen Verbraucherschutz e. V. wendet nach eigener Aussage selbst keine Instrumente der „Verhaltenswissenschaftlichen Interventionen“ an, leiste mit seiner Arbeit insbesondere seiner Informations- und Beratungstätigkeit aber einen wesentlichen Beitrag zu einer verbesserten Entscheidungsfähigkeit von Verbraucherinnen und Verbrauchern. 10. Welche Kenntnis hat sie darüber, inwieweit „verhaltenswissenschaftliche Interventionen “ im Bund als Instrument der Verbraucherpolitik diskutiert werden beziehungsweise Anwendung finden oder in Betracht gezogen werden? Zu 10.: Die Landesregierung hat keine näheren Kenntnisse, inwieweit verhaltenswissenschaftliche Interventionen im Bund Verwendung finden. In Vertretung Reimer Ministerialdirektor << /ASCII85EncodePages false /AllowTransparency false /AutoPositionEPSFiles true /AutoRotatePages /None /Binding /Left /CalGrayProfile (None) /CalRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CalCMYKProfile (U.S. Web Coated \050SWOP\051 v2) /sRGBProfile (sRGB IEC61966-2.1) /CannotEmbedFontPolicy /Warning /CompatibilityLevel 1.6 /CompressObjects /Off /CompressPages true /ConvertImagesToIndexed true /PassThroughJPEGImages false /CreateJobTicket false /DefaultRenderingIntent /Default /DetectBlends true /DetectCurves 0.1000 /ColorConversionStrategy /LeaveColorUnchanged /DoThumbnails false /EmbedAllFonts true /EmbedOpenType false /ParseICCProfilesInComments true /EmbedJobOptions true /DSCReportingLevel 0 /EmitDSCWarnings false /EndPage -1 /ImageMemory 524288 /LockDistillerParams true /MaxSubsetPct 100 /Optimize true /OPM 1 /ParseDSCComments false /ParseDSCCommentsForDocInfo true /PreserveCopyPage true /PreserveDICMYKValues true /PreserveEPSInfo true /PreserveFlatness true /PreserveHalftoneInfo false /PreserveOPIComments true /PreserveOverprintSettings true /StartPage 1 /SubsetFonts true /TransferFunctionInfo /Preserve /UCRandBGInfo /Preserve /UsePrologue false /ColorSettingsFile () /AlwaysEmbed [ true ] /NeverEmbed [ true ] /AntiAliasColorImages false /CropColorImages true /ColorImageMinResolution 150 /ColorImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleColorImages true /ColorImageDownsampleType /Bicubic /ColorImageResolution 300 /ColorImageDepth 8 /ColorImageMinDownsampleDepth 1 /ColorImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeColorImages true /ColorImageFilter /FlateEncode /AutoFilterColorImages false /ColorImageAutoFilterStrategy /JPEG /ColorACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /ColorImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000ColorACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000ColorImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasGrayImages false /CropGrayImages true /GrayImageMinResolution 150 /GrayImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleGrayImages true /GrayImageDownsampleType /Bicubic /GrayImageResolution 600 /GrayImageDepth 8 /GrayImageMinDownsampleDepth 2 /GrayImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeGrayImages true /GrayImageFilter /FlateEncode /AutoFilterGrayImages false /GrayImageAutoFilterStrategy /JPEG /GrayACSImageDict << /QFactor 0.40 /HSamples [1 1 1 1] /VSamples [1 1 1 1] >> /GrayImageDict << /QFactor 0.76 /HSamples [2 1 1 2] /VSamples [2 1 1 2] >> /JPEG2000GrayACSImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /JPEG2000GrayImageDict << /TileWidth 256 /TileHeight 256 /Quality 15 >> /AntiAliasMonoImages false /CropMonoImages true /MonoImageMinResolution 1200 /MonoImageMinResolutionPolicy /OK /DownsampleMonoImages true /MonoImageDownsampleType /Bicubic /MonoImageResolution 600 /MonoImageDepth -1 /MonoImageDownsampleThreshold 1.50000 /EncodeMonoImages true /MonoImageFilter /CCITTFaxEncode /MonoImageDict << /K -1 >> /AllowPSXObjects true /CheckCompliance [ /None ] /PDFX1aCheck false /PDFX3Check false /PDFXCompliantPDFOnly false /PDFXNoTrimBoxError true /PDFXTrimBoxToMediaBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXSetBleedBoxToMediaBox true /PDFXBleedBoxToTrimBoxOffset [ 0.00000 0.00000 0.00000 0.00000 ] /PDFXOutputIntentProfile (None) /PDFXOutputConditionIdentifier () /PDFXOutputCondition () /PDFXRegistryName (http://www.color.org) /PDFXTrapped /False /CreateJDFFile false /SyntheticBoldness 1.000000 /Description << /DEU () >> >> setdistillerparams << /HWResolution [1200 1200] /PageSize [595.276 841.890] >> setpagedevice