Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 659 05. 10. 2011 1Eingegangen: 05. 10. 2011 / Ausgegeben: 03. 11. 2011 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie steht sie zum Bau und zur Errichtung neuer Factory-Outlet-Center in Baden -Württemberg? 2. Nach welchen Kriterien werden derartige Factory-Outlet-Center genehmigt? 3. Sieht sie Chancen für die Genehmigung des beantragten Factory-Outlet-Centers in Sinsheim? 4. Befürwortet sie die Einrichtung des Factory-Outlet-Centers in Sinsheim? 5. Wie schätzt sie die Auswirkungen der Errichtung eines Factory-Outlet-Centers in Sinsheim auf die umliegenden Städte und Gemeinden, insbesondere die Stadt Heilbronn sowie die Gemeinden im Landkreis Heilbronn, aber auch beispielsweise in Heidelberg ein? 6. Liegt ein konkreter Antrag auf Genehmigung für das vorgenannte Factory-Outlet -Center vor? 7. Wenn ja, wie wird sie mit einem derartigen Antrag verfahren? 30. 09. 2011 Throm CDU B e g r ü n d u n g Die Stadt Sinsheim hält nach aktuellen Berichten an der Planung eines Factory- Outlet-Centers fest und hat hier weitere planungsrechtliche Schritte eingeleitet. Kleine Anfrage des Abg. Alexander Throm CDU und Antwort des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Factory-Outlet-Center Sinsheim Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 659 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 Nr. 56-2400.17/195 beantwortet das Minis - terium für Verkehr und Infrastruktur im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie steht sie zum Bau und zur Errichtung neuer Factory-Outlet-Center in Baden -Württemberg? Die Landesregierung steht dem Bau und der Errichtung neuer Factory-Outlet- Center in Baden-Württemberg skeptisch gegenüber. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Factory-Outlet-Center an raumordnerisch nicht geeigneten Stand - orten, die sich nicht in das zentralörtliche Versorgungssystem einfügen. 2. Nach welchen Kriterien werden derartige Factory-Outlet-Center genehmigt? Der Landesentwicklungsplan 2002 Baden-Württemberg enthält die Zielvorgabe, dass Factory-Outlet-Center als besondere Form des großflächigen Einzelhandels grundsätzlich nur in Oberzentren zulässig sind. Lediglich bei einer Geschoss - fläche von weniger als 5.000 m2 sind ausnahmsweise auch Standorte in einem Mittelzentrum (wie Sinsheim) möglich. Darüber hinaus muss ein Factory-Outlet- Center wie jeder andere großflächige Einzelhandelsbetrieb auch den landes- und regionalplanerischen Zielvorgaben für Einzelhandelsgroßprojekte entsprechen (Integrationsgebot, Kongruenzgebot und Beeinträchtigungsverbot, vgl. Plansatz 3.3.7 des Landesentwicklungsplans). 3. Sieht sie Chancen für die Genehmigung des beantragten Factory-Outlet-Centers in Sinsheim? Beim gegenwärtigen Kenntnisstand über das Vorhaben ist davon auszugehen, dass ein Factory-Outlet-Center an dem vorgesehenen Standort in Sinsheim gegen mehrere verbindliche Ziele des Landesentwicklungsplans 2002 und des Regionalplans Rhein-Neckar (Teilregionalplan „Plankapitel 2.2.5 Einzelhandel“) verstößt. Eine Realisierung des Vorhabens wäre daher allenfalls dann möglich, wenn für die Zielverstöße Zielabweichungen zugelassen werden könnten. Dies würde wiederum voraussetzen, dass die Zielabweichungen unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar sind und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden . Ob diese Voraussetzungen vorliegen, wird gegebenenfalls im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens zu prüfen sein (vgl. Ziffer 6 und 7). 4. Befürwortet sie die Einrichtung des Factory-Outlet-Centers in Sinsheim? Die Landesregierung befürwortet dieses Vorhaben nicht. 5. Wie schätzt sie die Auswirkungen der Errichtung eines Factory-Outlet-Centers in Sinsheim auf die umliegenden Städte und Gemeinden, insbesondere die Stadt Heilbronn sowie die Gemeinden im Landkreis Heilbronn, aber auch beispielsweise in Heidelberg ein? Aufgrund der angestrebten Verkaufsfläche des geplanten Factory-Outlet-Centers (zunächst 10.000 m2, mittelfristig 20.000 m2), der vorgesehenen zentrenrelevanten Warensortimente (Textilien, Schuhe, Lederwaren) und der für den motorisierten Individualverkehr verkehrsgünstigen Lage des Vorhabenstandortes an der Autobahn A 6 sind bei einer Realisierung des Vorhabens erhebliche beeinträchtigende Auswirkungen auf den Einzelhandel und die innerstädtischen zentralen Versorgungsbereiche insbesondere in benachbarten Mittelzentren und im nahen Oberzentrum Heilbronn, aber auch in etwas weiter entfernten Ober- und Mittelzentren der Regionen Rhein-Neckar, Heilbronn-Franken und Mittlerer Oberrhein zu befürchten . Beim gegenwärtigen Kenntnisstand über das Vorhaben können die Auswirkungen derzeit jedoch noch nicht im Einzelnen bestimmt und quantifiziert werden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 659 Die Interessenorganisationen des Einzelhandels gehen insgesamt davon aus, dass sich im Einzugsbereich des Vorhabens der Druck auf den Einzelhandel, insbesondere den meist innerstädtischen Fachhandel, deutlich verstärken wird und es zu einem intensivierten Verdrängungswettbewerb kommen wird mit der Folge möglicher Geschäftsaufgaben und eines Attraktivitätsverlusts der Innenstädte und Ortszentren in den besonders betroffenen Räumen. Für die Innenstädte dürften sich nach derzeitigem Kenntnisstand voraussichtlich auch keine nennenswerten positiven Kopplungseffekte derart ergeben, dass Kunden im Zusammenhang mit einem Factory-Outlet-Center-Besuch auch benachbarte Innenstädte besuchen und die dortigen Einkaufs-, Gastronomie- oder Kulturangebote nutzen. 6. Liegt ein konkreter Antrag auf Genehmigung für das vorgenannte Factory- Out let-Center vor? 7. Wenn ja, wie wird sie mit einem derartigen Antrag verfahren? Der Gemeinderat der Stadt Sinsheim hat am 27. September 2011 die Stadtverwaltung beauftragt, beim dafür zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe (höhere Raum ordnungsbehörde) ein Raumordnungsverfahren und ein Zielabweichungsverfahren für das Factory-Outlet-Center zu beantragen. Das Regierungspräsidium hat der Stadt zugesagt, sie zeitnah über die erforderlichen Verfahren und Antragsunterlagen für das Vorhaben zu informieren. Förmliche Anträge sind beim Regierungspräsidium bislang nicht gestellt worden. Da das Vorhaben gegen eine ganze Reihe von Zielen der Raumordnung verstößt, die im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens die maßgeblichen Bewertungskriterien für die im Raumordnungsverfahren zu prüfende „Raumverträglichkeit“ des Vorhabens darstellen, beabsichtigt das Regierungspräsidium in Abstimmung mit dem für Raumordnung zuständigen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur, zunächst nur ein Zielabweichungsverfahren durchzuführen und von der Durchführung eines Raumordnungsverfahren vorerst abzusehen, solange nicht erkennbar ist, dass alle beantragten Zielabweichungen zugelassen werden können. In Abhängigkeit des Ausganges des Zielabweichungsverfahrens wäre dann zu gegebener Zeit zu entscheiden, ob im Anschluss daran noch ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist. Dr. Splett Staatssekretärin