Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 6596 10. 03. 2015 Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung Maßnahmen zur Prävention und Deradikalisierung im Bereich des religiös motivierten Extremismus G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Inwieweit setzt sie ein ressort- und phänomenübergreifendes Konzept zur Prävention im Bereich des religiös motivierten Extremismus und zur Deradikalisierung betroffener Personen um? 2. In welcher Höhe sind Haushaltsmittel in den jeweiligen Einzelplänen des Doppelhaushalts 2015/16 für Maßnahmen zur Prävention im Bereich des religiös motivierten Extremismus eingestellt (mit Angabe der jeweiligen Kapitel und Titel)? 3. In welcher Höhe stehen Haushaltsmittel für Aussteigerprogramme und Maßnahmen zur Deradikalisierung und Reintegration von religiös motivierten Extremisten im Staatshaushaltsplan 2015 zur Verfügung (mit Angabe der jeweiligen Kapitel und Titel)? 4. Wie viele Personalstellen stehen im Ministerium für Integration, im Innenministerium , im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport sowie gegebenenfalls in anderen Fachministerien für den Aufgabenbereich Prävention und Deradikalisierung im Bereich des religiös motivierten Extremismus jeweils zur Verfügung? 5. Erachtet sie die Bündelung der Expertise der verschiedenen Ministerien in einem zentralen Kompetenzzentrum für Extremismus für sinnvoll, welches als Koordinierungs- und Anlaufstelle dienen könnte? 6. Auf welche Weise findet eine interministerielle Abstimmung oder Kooperation bei den verschiedenen präventiven und repressiven Maßnahmen gegen religiös motivierten Extremismus in Baden-Württemberg statt? 7. Welche Maßnahmen hat sie bislang ergriffen, um als religiös motivierte Extremisten identifizierte Personen zum Ausstieg zu bewegen und mit welchem Erfolg wurden solche Maßnahmen durchgeführt? Eingegangen: 10. 03. 2015 / Ausgegeben: 20. 05. 2015 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 2 8. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden und den mit Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen befassten Stellen in Baden-Württemberg? 9. Bietet sie ein Programm für Aussteiger und Rückkehrer aus Bürgerkriegsgebieten , wie Syrien, Irak und Afghanistan, an? 10. Inwieweit sind die Sicherheitsbehörden in solche Aussteiger- bzw. Rückkehrerprogramme eingebunden und wie erfolgt die Überwachung der radikalisierten Rückkehrer? 11. Wie viel zusätzliches Personal bedarf es in welchen Ressorts, um dauerhaft eine möglichst effiziente Beobachtung von Islamisten allgemein bzw. radikalisierten Rückkehrern im Speziellen gewährleisten zu können? 12. Bietet sie Fortbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte im Bereich Prävention sowie Umgang mit religiös motivierten Extremisten an? 13. Welche Erkenntnisse hat sie über die Bedeutung der Schule als Ausgangsort bzw. Umfeld für eine Radikalisierung von Jugendlichen und welche Konsequenzen zieht sie daraus? 14. Hält das Land Hilfe und Beratungsmöglichkeiten für Lehrkräfte vor, die mit Schülerinnen und Schülern mit Anzeichen zu religiösem Extremismus konfrontiert sind und sind die Schulpsychologischen Beratungsstellen auf diese spezifische Aufgabe in ausreichendem Maße vorbereitet? 15. Welche Rolle spielen baden-württembergische Hochschulen bzw. das studentische Umfeld bei der Gruppierung von Islamisten bzw. bei der Bildung von islamistischen Vereinigungen? 16. Gibt es Forschungsstellen an den Hochschulen des Landes, die sich mit dem Thema Radikalisierung und religiös motiviertem Extremismus befassen? 17. Wie viele Personen, die der islamistischen Szene zugerechnet werden, sitzen derzeit in baden-württembergischen Gefängnissen ein (mit Angabe der Verteilung auf die einzelnen Justizvollzugsanstalten sowie dem prozentualen Anteil an der Gesamtgefangenenzahl)? 18. Welche Erkenntnisse hat sie über die Bedeutung von Justizvollzugsanstalten als Umfeld für eine Radikalisierung von Insassen (mit Angabe, wie die Justizvollzugsanstalten in eine entsprechende Präventionsarbeit eingezogen werden )? 19. Hat sie Maßnahmen ergriffen, um zu verhindern, dass es zu einer Vernetzung von Salafisten oder zu einer weiteren Verbreitung von salafistischem Gedankengut innerhalb der Justizvollzugsanstalten kommt (z. B. durch eine räumliche Trennung)? 20. Bestehen Kontakte zu den Arbeitgebern in Baden-Württemberg, um Aussteigern Möglichkeiten zur Reintegration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu eröffnen? 21. Welche Beratungsmöglichkeiten für betroffene Angehörige gibt es in BadenWürttemberg mit welcher Förderung des Landes? 22. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Kommunen im Bereich Prävention von religiös motiviertem Extremismus? 23. Sind die zuständigen kommunalen Stellen beispielsweise im Bereich Soziales, Wohnen, Familien in die Präventionsarbeit und in Programme zur Deradikalisierung bzw. für Aussteiger eingebunden? 24. Inwieweit sind die Moscheegemeinden in die Maßnahmen zur Prävention und Deradikalisierung im Bereich des religiös motivierten Extremismus eingebunden (mit Darstellung einer Bewertung dieser Zusammenarbeit)? Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 3 25. Wie beurteilt sie aus ihrer Sicht die Einrichtung des Fachbeirats des Hessischen Präventionsnetzwerks gegen Salafismus im Hinblick auf die Einbeziehung aller öffentlichen Stellen und gesellschaftlichen Akteure? 10. 03. 2015 Wolf, Dr. Lasotta, Blenke, Hitzler, Wacker und Fraktion B e g r ü n d u n g Nach Auskunft der Landesregierung gehören derzeit in Baden-Württemberg rund 550 Personen zur Anhängerschaft des Salafismus. Die Landesregierung geht auch davon aus, dass die Zahl religiös motivierter Extremisten weiter ansteigen wird. Die jüngsten Ereignisse in Frankreich und Belgien machen den Handlungsbedarf deutlich. Neben der wichtigen Arbeit der Sicherheitsbehörden sind die Präventionsarbeit und Maßnahmen zur Deradikalisierung sowie Aussteigerprogramme zentrale Säulen einer umfassenden Sicherheitspolitik. Die Hessische Landesregierung verfolgt mit dem landesweiten Präventionsnetzwerk gegen Salafismus einen übergreifenden Ansatz. Das Hessische Kompetenzzentrum gegen Extremismus ist in diesem Netzwerk zentrale Anlauf- und Koordinationsstelle. Der ressortübergreifende Ansatz und die enge Verzahnung zwischen den Sicherheitsbehörden, den Kommunen, den gesellschaftlichen Akteuren und den Akteuren in der Präventions - und Ausstiegsarbeit kennzeichnen die Arbeit des hessischen Netzwerks. Da insbesondere Jugendliche eine Zielgruppe der Salafisten sind, ist eine Einbindung der Schulen und Familien erforderlich, um Erfolge bei der Prävention bzw. Deradikalisierung erzielen zu können. Ziel der vorliegenden Großen Anfrage ist es, in Erfahrung zu bringen, welche Maßnahmen die Landesregierung für Baden-Württemberg in diesem Bereich ergriffen hat und inwieweit das hessische Vorbild Anregungen für eigene Aktivitäten im Land bietet. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 12. Mai 2015 Nr. I-1080/LT: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Krebs Ministerin im Staatsministerium Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 4 Anlage: Schreiben des Innenministeriums Mit Schreiben vom 12. Mai 2015 Nr. 3-1228.3/470 beantwortet das Innenministerium im Einvernehmen mit dem Justizministerium, dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, dem Ministerium für Integration, dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren, dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sowie dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: 1. Inwieweit setzt sie ein ressort- und phänomenübergreifendes Konzept zur Prävention im Bereich des religiös motivierten Extremismus und zur Deradikalisierung betroffener Personen um? Zu 1.: In Baden-Württemberg wird aktuell mit einem ganzen Bündel ressort- und phänomenübergreifender Maßnahmen zur Prävention im Bereich des religiös motivierten Extremismus und zur Deradikalisierung betroffener Personen gearbeitet. Im Zuge des Anti-Terror-Pakets („Sonderprogramm der Landesregierung zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus“) hat die Landesregierung mit Ministerratsbeschluss vom 3. Februar 2015 die Einrichtung eines „Kompetenzzentrums zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen (islamistischen) Extremismus in Baden-Württemberg“ (KPEBW) beschlossen. Das KPEBW soll die zentrale Steuerung und Koordinierung der Maßnahmen der Präventions- und Interventionsbemühungen gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen im Zusammenhang mit dem (islamistischen) Extremismus übernehmen und den Informationsfluss zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, inklusive den Sicherheitsbehörden, gewährleisten. Interventionsmaßnahmen bei Radikalisierten bzw. deren Umfeldpersonen sollen durch einen externen Träger erfolgen. Weitere Zielsetzungen sind eine strategische Konzept- und Projektentwicklung zur Bewältigung dieses Themenfelds sowie die ressortübergreifende Beratung der Landesregierung. Hierdurch sollen die bestehenden interdisziplinären und gesamtgesellschaftlichen Präventionsaktivitäten auf dem Gebiet des (islamistischen) Extremismus weiter optimiert und die Maßnahmen und Projekte der einzelnen Ressorts noch besser als bisher koordiniert werden. Aktuell werden die Anforderungsprofile der Mitarbeiter des künftigen Kompetenzzentrums erstellt sowie die Aufgabenbeschreibung an den externen Träger vorbereitet . Das KPEBW soll noch im Laufe dieses Jahres seine Arbeit aufnehmen. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ist im Bereich der Prävention und Deradikalisierung des religiös motivierten Extremismus, und hier besonders der gewaltaffinen Formen des Salafismus, seit 2008 im Vergleich zu anderen Bundesländern in besonders hohem Maße aktiv und präsent. Damals war das LfV federführend bei der Erarbeitung konzeptioneller Vorschläge für eine „personenbezogene Präventionskampagne“, die das Ziel verfolgte, deradikalisierend auf Einzelpersonen einzuwirken. Seit 2009 werden diese beiden Themenfelder als eine besonders dringliche Aufgabe wahrgenommen. Ende 2009 wurde die BundLänder -Arbeitsgruppe (BLAG) „Deradikalisierung“ im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) eingesetzt, in der sich Vertreterinnen und Vertreter aller relevanten Akteure der Sicherheitsbehörden (Polizei, Verfassungsschutz, Generalbundesanwalt , Bundesministerium des Innern [BMI] usw.) zunächst zweimal jährlich trafen. In sechs Unterarbeitsgruppen, von denen eine das LfV leitete („Dekonstruktion jihadistischer Ideologie“), wurde eine Vielzahl an Konzepten und Maßnahmen erarbeitet, die nach Verabschiedung in den Gremien der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) inzwischen in verschiedenen Bundesländern teilweise umgesetzt werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LfV gingen dabei neue Wege, indem sie sich nicht nur an den zahlreichen Arbeitsgruppen auf Bundesebene intensiv und teilweise federführend beteiligten, sondern auch Projekte, wie das bundesweit bekannte „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus“ seit 2008 als kompetenter Kooperationspartner zu einem erfolgreichen Abschluss führten. Die Verstetigung und Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 5 Institutionalisierung dieses Ansatzes, der in der Schulung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren durch die Landeszentrale für politische Bildung (LpB) besteht , macht dies deutlich. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich das LfV als äußerst kompetenter und erfahrener, bundesweit vernetzter Ansprechpartner etabliert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit entsprechenden wissenschaftlichen Befähigungen wurden und werden daher bundesweit als Referentinnen und Referenten angefragt, etwa von der Akademie für Verfassungsschutz sowie für verschiedene Fachsymposien an Universitäten und Forschungseinrichtungen. Diese Vernetzung ist eine der elementaren Voraussetzungen erfolgreicher Arbeit auf den Feldern der Prävention und Deradikalisierung, begreift man diese Aufgabenfelder als nachhaltige und kontinuierlich zu bearbeitende Herausforderung. Aus diesem Grund nahmen 2014 zum ersten Mal Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LfV am 19. Deutschen Präventionstag in Karlsruhe teil und gestalteten dort eine eintägige Sonderveranstaltung mit. Darüber hinaus stehen die Kolleginnen und Kollegen der „Analysegruppe Internationaler Extremismus und Terrorismus“ mit Fachkolleginnen und Fachkollegen in zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie „ufuq.de“, der Beratungsstelle „Hayat“, dem „Zentrum demokratischer Kultur “ oder dem Verein „Violence Prevention Network“ (VPN), um nur einige zu nennen, in regem Austausch. Die bereits zuvor genannte BLAG „Deradikalisierung“ erkannte dabei die drei elementaren Handlungsfelder „Sensibilisierung“, „Qualifizierung“ und „Deradikalisierung “. Das Handlungsfeld „Sensibilisierung“ umfasst Beratung und Vorträge. Dazu gehören Öffentlichkeitsarbeit, Schulungen und Fachtagungen zur Informationsübermittlung und Vernetzung wie beispielsweise vom LfV zuletzt im Dezember 2014 durchgeführt (vgl. Antwort zu Frage 12). Die Schulung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren wie im Rahmen des Projekts „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus“ zählt hierzu ebenso wie die Information der interessierten Öffentlichkeit durch Vorträge oder die Beratung entsprechend besorgter Bürgerinnen und Bürger. Unter den Begriff „Qualifizierung“ fallen gezielte Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung etwa im Verfassungsschutz, bei der Polizei oder in der Justiz. Dabei werden inzwischen auch neue didaktische Methoden angewandt, die über reine Vorträge hinausreichen. Zuletzt wurden im Oktober 2014 gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) Jugendsachbearbeiterinnen und Jugendsachbearbeiter in den zwölf regionalen Polizeipräsidien für die Thematik Syrienreisende „Jihadisten“ und radikalisierte Jugendliche sensibilisiert. Zur Deradikalisierung zählt das LfV u. a. die Bemühungen, Zugang zu sich radikalisierenden Extremisten zu bekommen und diese in Irritationsgesprächen von ihrem falschen Handeln abzubringen und konkret Ausreisen beispielsweise nach Syrien zu verhindern. Darüber hinaus können Sicherheitsgespräche eine analoge Wirkung entfalten, die mit ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern geführt werden. Indirekt sind hier auch Beratungsgespräche mit einzubeziehen, die etwa mit besorgten Angehörigen oder Menschen im engsten persönlichen Umfeld gefährdeter Personen geführt werden. Aktuell arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LfV in dem Bereich Prävention und Deradikalisierung nach wie vor intensiv in den verschiedenen BLAG im Verfassungsschutzverbund mit und konzeptionieren neue Möglichkeiten für diese Herausforderungen. In Stuttgart sind sie Ansprechpartner für das neue, vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderte Projekt „Inside Out“ der „Stuttgarter Jugendhausgesellschaften STJG“. Sie kooperieren weiterhin mit der LpB etwa bei Fortbildungen der Mitglieder des „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus“. Darüber hinaus findet ein reger Austausch mit den Verantwortlichen der polizeilichen Kriminalprävention (Landesprävention des LKA oder des Programms Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes [ProPK]) auf dem Feld der Auseinandersetzung mit salafistischen Radikalisierungsverläufen statt. Zuletzt besuchten jeweils ein Vertreter des LfV Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 6 und des ProPK die Hochschule Weingarten und diskutierten dort mit Studentinnen und Studenten über die Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit Internetpropaganda (vgl. Antwort zu Frage 16). Zeitintensiver wird der Aufwand etwa für Gespräche mit sich Radikalisierenden oder Syrienrückkehrern sowie der Beratung von Angehörigen. So finden regelmäßig Beratungsgespräche statt, die auch zur Vermittlung weiterer Partner, wie beispielsweise an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) führen, zu dem ebenfalls Kontakt besteht. Für die unterschiedlichen Gespräche bilden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intensiv fort und gehen auch in der Konzeption der Gespräche, etwa mit Inhaftierten, neue Wege. Die ersten Erfahrungen der Präventionsprojekte in Hessen, Hamburg und Nordrhein -Westfalen wurden zuletzt bei einem Bund-Länder-Treffen im März 2015 thematisiert. Aufgrund erkannter Radikalisierungsverläufe an Schulen in BadenWürttemberg steht das LfV auch im Austausch mit dem Kultusministerium und nimmt am 4. Juli 2015 an einer entsprechenden Veranstaltung teil. Vor dem Hintergrund der Anschläge von Paris, Kopenhagen und Tunis haben die Anfragen nach Referentinnen und Referenten für entsprechende Auseinandersetzungen an Schulen in jüngster Zeit stark zugenommen. Die beim LKA angesiedelte Landesprävention ist Partner des „Demokratiezentrum Baden-Württemberg“ und als eines der Gründungsmitglieder des „Landesnetzwerks für Menschenrechte und Demokratieentwicklung – gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit“ an der Ausgestaltung eines gesellschaftlichen, sowie behördlichen und dabei ressortübergreifenden Präventionsverbunds aktiv beteiligt. Das „Demokratiezentrum Baden-Württemberg“ wird vom Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren und dem BMFSFJ im Rahmen des Programms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ gefördert und von der Jugendstiftung Baden-Württemberg umgesetzt. Es beschäftigt sich neben dem Schwerpunkt Rechtsextremismus in vorbeugender Weise auch mit dem Phänomenbereich Islamismus. Aktuell erarbeitet das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren im Rahmen des o. g. Bundesprogramms Konzepte zur Einrichtung einer „Vernetzungs- und Koordinierungsstelle Salafismusprävention“ und zum Aufbau einer „Fachstelle Salafismusprävention“. Entsprechende Förderanträge sollen bei der Regiestelle des o. g. Bundesprogramms gestellt werden. Die Konzepte sehen eine fachliche Zusammenarbeit mit dem künftig beim Innenministerium angesiedelten KPEBW sowie mit weiteren Akteuren aus anderen Ressorts, beispielsweise zum Informationsaustausch oder zur Abstimmung von Maßnahmen auf Landesebene, vor. Weiterhin unterstützt die vom Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren finanzierte Mobile Jugendarbeit besonders benachteiligte und gefährdete Jugendliche und junge Erwachsene in sozialen Brennpunkten, die von herkömmlichen Angeboten der Jugendhilfe nicht mehr erreicht werden. Mit den niedrigschwelligen Angeboten der Mobilen Jugendarbeit besteht die Möglichkeit, ein Abgleiten in eine extremistische Szene zu verhindern oder gar zu einem Ausstieg zu verhelfen. Auch die Jugendsozialarbeit an öffentlichen Schulen (Schulsozialarbeit) leistet eine wertvolle Unterstützung ergänzend zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule und hat positive Auswirkungen auf das Schulleben insgesamt. Schulsozialarbeit ist ein Leistungsangebot der Jugendhilfe an der Schule. Mit dem differenzierten Instrumentarium der Schulsozialarbeit, die auch Eltern erreicht und einbindet, können soziale Benachteiligungen ausgeglichen und individuelle Problemlagen besser bewältigt werden. Schulsozialarbeit trägt so zur Stabilisierung des Schulerfolgs, zur Eingliederung in die Arbeitswelt sowie zur gesellschaftlichen Integration bei und beugt so einem Abgleiten u. a. in extremistische Kreise vor. Im Rahmen des „Zukunftsplan Jugend“ soll außerdem ein Aktionsplan zur Prävention gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit erstellt werden. Zur Vorbereitung des Aktionsplans wurde die Expertise „Eckpunkte und Elemente eines landesweiten Aktionsplan gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 7 in Baden-Württemberg“ in Auftrag gegeben. Bestandteile des Aktionsplans sollen das oben genannte „Demokratiezentrum Baden-Württemberg“ sowie eine Opferberatungsstelle für Baden-Württemberg werden. Beide Bestandteile sollen auch den religiös motivierten Extremismus in den Blick nehmen. Im Bereich des Kultusministeriums kann die Einführung und der flächendeckende Ausbau des islamischen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen des Landes im Rahmen des Modellprojekts u. a. als Konzept zur Prävention im Bereich des religiös motivierten Extremismus und zur Deradikalisierung betroffener Personen verstanden werden. Er ist eine Möglichkeit für junge Muslime, sich mit ihrer Religion fundiert und konstruktiv auseinanderzusetzen. Evaluationsergebnisse zeigen, dass durch eine Teilnahme am islamischen Religionsunterricht das Verständnis der Schülerinnen und Schüler für religiöse Traditionen und Rituale nachhaltig gestärkt wird. Außerdem fühlen sich die jungen Muslime durch dieses Angebot als Persönlichkeiten wertgeschätzt und geachtet. Viele integrieren sich so besser und aktiver in die Schulgemeinde. Die Maßnahmen des Integrationsministeriums zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung sind grundsätzlich und phänomenübergreifend geeignet, zur Prävention im Bereich des religiös motivierten Extremismus und zur Deradikalisierung betroffener Personen beizutragen. Sie können dem Gefühl des Fremdseins in der Gesellschaft entgegenwirken und betroffene Jugendliche dabei unterstützen, Identität, Gemeinschaft und Anerkennung zu erfahren. Dabei legt das Ministerium einen besonderen Schwerpunkt auf die Präventionsarbeit an Schulen. Mit dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage “ unterstützt das Ministerium eine frühzeitige Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit . Das seit Juni 2012 gemeinsam mit dem Kultusministerium geförderte Netzwerk zielt darauf ab, dass Schülerinnen und Schüler an ihrer Schule Verantwortung übernehmen und sich für demokratische Grundwerte und Zivilcourage einsetzen. Aktuell gehören dem Netzwerk in Baden-Württemberg 125 Schulen an; bundesweit sind es mehr als 1.700 Schulen. Einen präventiven Ansatz verfolgt auch das vom Integrationsministerium geförderte internationale Theaterprojekt „Instant Acts gegen Gewalt und Rassismus“. Im Rahmen von Projekttagen setzen sich Schülerinnen und Schüler zwischen 13 und 19 Jahren mit anderen Kulturen auseinander und entwickeln eine stärkere Akzeptanz und Respekt. Seit dem Jahr 2012 wurden 17 Projekttage an baden-württembergischen Schulen und in der Justizvollzugsanstalt Adelsheim angeboten. Im Jahr 2013 nahmen an den insgesamt sieben Projekttagen über 1.000 Jugendliche und über 2.000 Zuschauer teil. Seit 2014 behandelt das Theaterprojekt auch das Thema Islamophobie. Im Jahr 2015 sind weitere neun Projekttage geplant. Außerdem unterstützt das Integrationsministerium zusammen mit dem Kultusministerium seit dem Jahr 2014 das Anti-Rassismus- und Gewaltpräventionsprojekt „Schritte gegen Tritte“. Das Projekt simuliert unter anderem Ausgrenzungserfahrungen . Dadurch werden die Jugendlichen sensibilisiert, ihr Interesse gefördert und Empathie geweckt. Ziel ist, bis Ende 2016 insgesamt rund 60 Projekttage in ganz Baden-Württemberg durchzuführen. Ein Erfahrungs- und Wissensaustausch kann dazu beitragen, Kräfte zu bündeln und Rassismus effektiver und nachhaltiger zu bekämpfen. Das Integrationsministerium fördert deshalb seit dem Jahr 2013 eine neu eingerichtete, landesweit tätige Vernetzungs- und Anlaufstelle gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus bei der Landesarbeitsgemeinschaft Offene Jugendbildung e. V. Diese Stelle hat die Aufgabe, die Projektarbeit von Vereinen, Verbänden und Organisationen in Baden-Württemberg zu vernetzen sowie Initiativen vor Ort zu beraten und zu unterstützen. Lokale Prozesse sollen aktiviert und die Bevölkerung sensibilisiert werden. Des Weiteren führt das Integrationsministerium Fachtagungen, Podiumsdiskussionen und andere öffentliche Veranstaltungen durch, um die Menschen in BadenWürttemberg für den Kampf gegen Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu gewinnen und zu sensibilisieren. Außerdem ist das Ministerium Anlaufstelle für Personen, die wegen ihrer ethnischen Herkunft oder Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 8 aus rassistischen Gründen benachteiligt werden und bietet eine Ersteinschätzung sowie Informationen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Diese Beratung kann jedoch eine persönliche Betreuung vor Ort nicht ersetzen. Lokale Angebote sind eher in der Lage, eine intensivere Begleitung zu gewährleisten und können neben einer rechtlichen Aufklärung gegebenenfalls auch persönliche Hilfestellung anbieten. Das Integrationsministerium verfolgt daher das Ziel, Antidiskriminierungsnetzwerke vor Ort auf- bzw. auszubauen und damit die Beratungsstruktur landesweit zu erweitern. Derzeit werden in Baden-Württemberg sechs Antidiskriminierungsnetzwerke gefördert. Ferner hat das Integrationsministerium das Modellprojekt „Anonymisierte Bewerbungsverfahren “ initiiert und die Umsetzbarkeit des Verfahrens in Baden-Württemberg getestet. Elf Arbeitgeber nahmen bis Ende 2013 für ein Jahr freiwillig teil. Insgesamt gab es 29 Bewerbungsverfahren, 981 Bewerbungen, 354 Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch oder Eignungstest und 67 Stellenangebote (Arbeitsoder Ausbildungsplatz). Das Projekt wurde vom Institut zur Zukunft der Arbeit wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Im Ergebnis hat das Projekt gezeigt, dass ein standardisiertes anonymisiertes Bewerbungsverfahren eine moderne und effiziente Möglichkeit ist, um Transparenz, Objektivität und Chancengleichheit bei der Personalauswahl zu steigern. Bewerbende bewerten ein solches Verfahren als positiv – insbesondere Menschen, die bereits Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt aufgrund ihres Alters oder Geschlechts oder ihrer Herkunft erfahren mussten. Das Ministerium und andere teilnehmende Arbeitgeber wollen zukünftig weiterhin anonymisierte Bewerbungsverfahren bei der Personalauswahl nutzen. Überdies trägt die Etablierung einer Willkommenskultur im Land zur Prävention im gesamten Spektrum der Bekämpfung radikaler Weltanschauungen bei, indem sie ein zeitgemäßes Verständnis für die Potenziale von Vielfalt in den Institutionen und in der Gesellschaft des Landes nachhaltig verankert. Aktuell hat das Integrationsministerium gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden, dem DBB Beamtenbund und Tarifunion Baden-Württemberg und dem Deutschen Gewerkschaftsbund Bezirk Baden-Württemberg eine Werbekampagne für die interkulturelle Öffnung des öffentlichen Dienstes „Vielfalt macht bei uns Karriere. Willkommen im öffentlichen Dienst!“ gestartet. Hier und in vielen weiteren Projekten des Ministeriums (vgl. LT-Drucksache 15/3038, S. 33 ff. und LT-Drucksache 15/3799, S. 9 ff.) kommt zum Ausdruck, dass eine Vielfaltsgesellschaft wie Baden-Württemberg aktiv gestaltet werden muss und unter anderem mit einer vielfältig zusammengesetzten Belegschaft der Verwaltung im Land nachhaltig gestärkt werden kann. 2. In welcher Höhe sind Haushaltsmittel in den jeweiligen Einzelplänen des Doppelhaushalts 2015/16 für Maßnahmen zur Prävention im Bereich des religiös motivierten Extremismus eingestellt (mit Angabe der jeweiligen Kapitel und Titel )? 3. In welcher Höhe stehen Haushaltsmittel für Aussteigerprogramme und Maßnahmen zur Deradikalisierung und Reintegration von religiös motivierten Extremisten im Staatshaushaltsplan 2015 zur Verfügung (mit Angabe der jeweiligen Kapitel und Titel)? Zu 2. und 3.: Für die Polizei (Kapitel 0314) sind im Doppelhaushalt 2015/2016 Mittel für Maßnahmen zur Prävention im Bereich des religiös motivierten Extremismus nicht gesondert ausgewiesen. Im Zuge des „Sonderprogramms der Landesregierung zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus“ sind im Nachtragshaushalt 2015/2016 für dieses und kommendes Jahr jeweils 450.000 Euro (Kapitel 0314 Titel 534 01) für Dienstleistungen Dritter (externe Beauftragung) und je 50.000 Euro pro Jahr Sachaufwand für den Betrieb der Geschäftsstelle des KPEBW (Kapitel 0314 Titel 54702) veranschlagt . Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 9 Für präventive Maßnahmen stehen beim LKA in den Jahren 2015 und 2016 jeweils 124.600 Euro (Kapitel 0318 Titel 545 02) und bei den regionalen Polizeipräsidien jeweils 35.100 Euro für die vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung in den Kapiteln 0335 – 0346 unter dem Titel 545 02 zur Verfügung. Im Bereich des LfV sind für Maßnahmen der Islamismusprävention im Doppelhaushalt 2015/2016 ebenfalls keine gesonderten Mittel für die Präventionsarbeit ausgewiesen. Die vielfältigen Präventionsbemühungen von Vorträgen bis zu den Gesprächen mit Betroffenen werden aus dem laufenden Haushalt finanziert, wie z. B. aus den Ausgaben für Dienstreisen (Kapitel 0319 Titel 527 01) und für Öffentlichkeitsarbeit (Kapitel 0319 Titel 531 02). Dem Integrationsministerium stehen im Einzelplan 15 des Staatshaushaltsplans 2015/2016 Haushaltsmittel bei Kapitel 1503 Titel 70 (Maßnahmen und Projekte zur Integration) von je rund 6,7 Millionen Euro zur Verfügung. Von den dort eingestellten Haushaltsmitteln entfällt ein derzeit nicht bezifferbarer Teil auf die in der Antwort zu Frage 1 dargestellten Maßnahmen. Im Bereich des Kultusministeriums sind für Maßnahmen mit präventivem Charakter Haushaltsmittel ausgebracht, wie beispielsweise für Präventivmaßnahmen an Schulen (Kapitel 0436 Titel 70), den Einsatz von Schulpsychologinnen und Schulpsychologen (Kapitel 0403 und Kapitel 0404 jeweils Titel 422 01), für die Förderung von Fanprojekten (Kapitel 0460 Titel 73) sowie für Fragen sogenannter Sekten und Psychogruppen (Kapitel 0465 Titel 94). Im Staatshaushaltsplan 2015/2016 sind im Geschäftsbereich des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren für die Extremismusprävention keine Haushaltsmittel gesondert ausgewiesen. Förderungen – wie die Kofinanzierung des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus , Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ – erfolgen über Haushaltsmittel des Kapitels 0918 Jugendhilfe. Für die LpB stehen im Einzelplan 01 des Staatshaushaltsplans 2015/2016 im Kapitel 0104 Titel 547 76 für die Jahre 2015 und 2016 jeweils 124.500 Euro Sachmittel für die Extremismusprävention bzw. das „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus “ zur Verfügung. Veranschlagt sind die Mittel für die Durchführung von Veranstaltungen für Jugendliche sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, Fortbildungen und Fachvorträge. Etwa ein Drittel der Sachmittel ist für Maßnahmen im Bereich der Islamismusprävention veranschlagt. 4. Wie viele Personalstellen stehen im Ministerium für Integration, im Innenministerium , im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport sowie gegebenenfalls in anderen Fachministerien für den Aufgabenbereich Prävention und Deradikalisierung im Bereich des religiös motivierten Extremismus jeweils zur Verfügung? Zu 4.: Beim Innenministerium werden künftig vier Stellen für den Aufgabenbereich Prävention im Bereich des religiös motivierten Extremismus durch die Einsetzung des KPEBW zur Verfügung stehen. Bereits derzeit sind im Geschäftsbereich des Innenministeriums mehrere Personen mit Präventionsthemen betraut. Eine quantifizierende Aussage, welchen Anteil hierbei die Extremismusprävention in Personalstellen einnimmt, ist nicht möglich. In den in der Antwort zu Frage 1 dargestellten Tätigkeitsfeldern (Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung bzw. Interkulturelle Öffnung) sind im Integrationsministerium derzeit sechs Personen mit unterschiedlichen Arbeitsanteilen tätig. Im Bereich des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren ist die Extremismusprävention Bestandteil in der Kinder- und Jugendarbeit . Eine Aussage, welcher Anteil hierbei in Personalstellen verwendet wird, ist nicht möglich. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 10 Der LpB stehen zwei Personalstellen für die Extremismusprävention zur Verfügung . Etwa ein Drittel der Arbeitszeit ist für Maßnahmen im Bereich der Islamismusprävention veranschlagt. 5. Erachtet sie die Bündelung der Expertise der verschiedenen Ministerien in einem zentralen Kompetenzzentrum für Extremismus für sinnvoll, welches als Koordinierungs - und Anlaufstelle dienen könnte? Zu 5.: Die vielfältigen und komplexen Herausforderungen in der Extremismusprävention sind nur als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ressortübergreifend zu bewältigen. Dabei ist unbestritten, dass Präventionsarbeit umso nachhaltiger und wirkungsvoller ist, wenn hierbei ein möglichst umfassender und mit allen relevanten Akteuren abgestimmter und nachhaltig vernetzter Ansatz verfolgt wird. Die Bündelung der Expertise der verschiedenen Ministerien in einem zentralen Kompetenzzentrum für Extremismus, das als Koordinierungs- und Anlaufstelle dient, wird als zielführend erachtet. Wie in der Antwort zu Frage 1 dargestellt, soll das KPEBW insbesondere dafür sorgen, dass die baden-württembergischen Präventionsaktivitäten im Bereich des (islamistischen) Extremismus zentral koordiniert , Parallelmaßnahmen der verschiedenen Ressorts minimiert werden können und ein Ansprechpartner für alle relevanten Akteure zur Verfügung steht. Die in den Fachministerien vorhandene Kenntnis der Zielgruppen und Strukturen ermöglicht eine zeitnahe und effiziente Durchführung von Projekten und Programmen. Die Bündelung der Expertise der Fachministerien soll künftig in einer Lenkungsgruppe , die für die strategische Ausrichtung und Fortentwicklung des KPEBW zuständig sein wird, eingebracht werden. Hierdurch sollen Doppelstrukturen nicht zuletzt auch im Hinblick auf die eingeschränkten personellen und finanziellen Ressourcen vermieden werden. 6. Auf welche Weise findet eine interministerielle Abstimmung oder Kooperation bei den verschiedenen präventiven und repressiven Maßnahmen gegen religiös motivierten Extremismus in Baden-Württemberg statt? Zu 6.: Eine Reihe von Maßnahmen, die interministeriell abgestimmt und koordiniert werden , sind bereits in der Antwort zu Frage 1 dargestellt. Die beteiligten Ministerien stimmen sich bereits heute im Bereich der Prävention intensiv in den bewährten Zusammenarbeitsstrukturen, wie beispielsweise dem Projektbüro Kommunale Kriminalprävention (KKP), ab. Darüber hinaus wurde bereits im Jahr 2001 im Innenministerium die Arbeitsgruppe „Aufenthaltsbeendigung als gefährlich einzustufender Ausländer“ eingerichtet. Sie besteht aus Vertretern verschiedener Fachabteilungen des Innenministeriums, des Integrationsministeriums, der Regierungspräsidien, des LfV, des LKA und des BAMF. An den Besprechungen, die in der Regel in zweimonatlichen Abständen stattfinden, nehmen ferner anlassbezogen Vertreter der Polizeidienststellen im Land teil. Die Arbeitsgruppe hat den Auftrag, als gefährlich einzustufende Ausländer zu erkennen, den Informationsaustausch der beteiligten Behörden zu koordinieren und dafür Sorge zu tragen, dass die erforderlichen ausländerrechtlichen Maßnahmen möglichst rasch ergriffen werden. Eine beispielhafte Form der interministeriellen Kooperation zwischen dem Innenund dem Justizressort besteht in der regelmäßigen Erstellung gemeinsamer Informationsschreiben für den jeweiligen nachgeordneten Bereich. So bestehen sogenannte Indikatorenlisten für Justizvollzugsbeschäftigte bzw. Staatsanwälte. Die Justizvollzugsanstalten sollen beispielsweise durch die zielorientierte Sensibilisierung Verbindungen Inhaftierter zu islamistisch-terroristischen Kreisen frühzeitig erkennen, um so etwaige Rekrutierungsversuche im Kreis der Insassen frühzeitig Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 11 unterbinden zu können. Anhand der Indikatorenlisten sollen den Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten Hinweise zum Erkennen islamistisch-terroristischer Zusammenhänge gegeben und die Zusammenarbeit der beteiligten Strafverfolgungsbehörden in Verbindung mit einem bundesweiten Netz von festen Ansprechpartnern bei Staatsanwaltschaft und Polizei weiter verbessert werden. Zudem werden darin beispielhaft Maßnahmen für Beschäftigte der Justizvollzugsanstalten dargestellt, die bei Vorliegen der Kriterien ergriffen werden können. Ferner besteht ein institutionalisierter Informationsaustausch zwischen dem Innenministerium und dem Integrationsministerium. Sowohl Bundes- als auch Landesgesetze sehen so genannte Zuverlässigkeits- und Sicherheitsüberprüfungen (ZSÜ) u. a. in ausländer- bzw. einbürgerungsrechtlichen Verfahren von Personen vor, wobei die zuständigen Ausländer- bzw. Einbürgerungsbehörden entsprechende Anfragen an die Polizeibehörden richten. Ziel der ZSÜ ist, dass die anfragende Behörde die Zuverlässigkeit oder Geeignetheit der zur überprüfenden Person in Bezug auf den jeweiligen Anfragezweck unter Berücksichtigung eventuell vorliegender polizeilicher Erkenntnisse feststellen bzw. bewerten kann. Weiterhin wurden in der Vergangenheit durch das Innen- und Kultusministerium bereits mehrfach sogenannte Informationsbriefe „Hinweise des Innenministeriums auf mögliche Ausreisebestrebungen radikalisierter schulpflichtiger Personen nach Syrien/in Richtung Kampfgebiete“ an die Schulleitungen, das Lehrpersonal, Eltern und Schülerinnen und Schüler versandt, um sie für Radikalisierungsprozesse zu sensibilisieren und Erreichbarkeiten bzw. Hilfestellungen für Betroffene anzubieten (vgl. Antwort zu Frage 13). Darüber hinaus leitet das Innenministerium auch einzelne Hinweise an andere Ministerien weiter, sobald ihre Ressorts von bekannt gewordenen sicherheitsrelevanten Aspekten betroffen sind. Folglich werden gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen im Einzelfall zwischen den jeweiligen Ministerien abgestimmt. Bei phänomenbezogenen Neuerungen oder nach terroristischen Ereignissen, wie beispielsweise dem islamistischen Anschlag auf die Pariser Zeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar 2015, werden Informationsschreiben zum Thema „Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in Sicherheitsfragen“ an die Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft e. V., die Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft e.V. und die Mitglieder der Global Player-Initiative des Bundeskriminalamts (BKA) übersandt, um diese über sicherheitsrelevante Themen zu unterrichten. Grundlage für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist dabei die „Rahmenregelung für die Zusammenarbeit mit der gewerblichen Wirtschaft auf Bundesebene in Sicherheitsfragen “ vom Jahr 2008, in der das BMI hinweist, relevante Sicherheitserkenntnisse nach eingehender Prüfung an die Wirtschaft weiterzuleiten. Diese werden regelmäßig an die Bedarfsträger im Land umgesetzt. Zur Sensibilisierung der Bediensteten in der Aus- und Fortbildung erfährt der Justizvollzug nachhaltige Unterstützung durch das LfV, das auch in die Ausbildung der Anwärterinnen und Anwärter eingebunden ist. In Umsetzung der Empfehlungen der länderübergreifenden gemeinsamen Projektgruppe „Zusammenarbeit von Polizei und Justiz auf dem Gebiet der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus “ werden die Bediensteten in regelmäßigen Abständen auf Neuerungen im Bereich der Indikatoren zum Erkennen islamistisch-terroristischer Zusammenhänge, etwa durch Kenntnisgabe des gemeinsamen Merkblatts des Generalbundesanwalts und des BKA für Justizvollzugsbedienstete in der jeweils aktuellen Fassung, aufmerksam gemacht. Auch ist seit dem Jahr 2008 ein im Rahmen eines EU-Projekts entstandenes Handbuch zu dieser Thematik in den Anstalten verfügbar. Die gewaltpräventiven Projekte und Maßnahmen für Gefangene, die am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet sind und sich daher nicht speziell bzw. nicht ausschließlich an extremistisch motivierte Gefangene richten, machten eine zusätzliche interministerielle Kooperation bisher nicht erforderlich. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 12 7. Welche Maßnahmen hat sie bislang ergriffen, um als religiös motivierte Extremisten identifizierte Personen zum Ausstieg zu bewegen und mit welchem Erfolg wurden solche Maßnahmen durchgeführt? Zu 7.: Über die in den Antworten zu den Fragen 1 und 6 skizzierten Maßnahmen hinaus verfügt das LfV über entsprechend kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in zeitintensiven herausfordernden Gesprächen versuchen, die Distanzierung von entsprechenden radikalisierungsfördernden Szenen zu ermöglichen. Vertreter des LfV führen immer wieder Gespräche, z. B. Sicherheitsgespräche und in Einzelfällen auch Gespräche mit Inhaftierten. Eine besondere Herausforderung stellen Gespräche mit Angehörigen dar, die mit dem Ziel einer Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts geführt werden. Im Bedarfsfall kann mit Ausreisewilligen ein Gespräch geführt werden, um sie von ihren Ausreiseplänen abzubringen und um ihnen die Konsequenzen ihrer Ausreise aufzuzeigen. Das BAMF betreibt eine Beratungsstelle Radikalisierung, die Angehörige sich radikalisierender Personen telefonisch berät. Sie vermittelt zudem eine Vor-OrtBeratung , die in Baden-Württemberg durch einen Mitarbeiter des Vereins VPN durchgeführt wird. 8. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden und den mit Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen befassten Stellen in Baden-Württemberg? Zu 8.: Als eine Form der Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Justizbehörden in Baden-Württemberg werden regelmäßig Arbeitskreise bzw. gemeinsame Besprechungen auf unterschiedlichen Behördenebenen durchgeführt. Dort werden auch aktuelle Themen oder (längerfristig) erkannte Handlungsfelder im Bereich des politisch motivierten Phänomenbereichs Islamismus diskutiert und gemeinsam Vorgehensweisen bzw. Strategien festgelegt. Die Dienstbesprechungen sind in der VwV „Zusammenarbeit Justiz und Polizei“ verbindlich vereinbart. Das Demokratiezentrum Baden-Württemberg soll neben dem Schwerpunkt Rechtsextremismus auch im Bereich des religiös motivierten Extremismus beratend tätig werden (vgl. Antwort zu Frage 1). Das LKA arbeitet als Partner des „Demokratiezentrums Baden-Württemberg“ intensiv mit dessen Angeboten, die auf eine Distanzierung ausgerichtet sind (z. B. der Fachstelle Ausstiegsberatung bei der Landesarbeitsgemeinschaft Mobile Jugendarbeit oder der Fachstelle Mobile Beratung bei der Jugendstiftung). Das LKA arbeitet ebenfalls vertrauensvoll mit der LpB und insbesondere dem Fachbereich Extremismusprävention („Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus “) zusammen. Ebenso bestehen enge Verbindungen zum LfV. Beide Institutionen halten entsprechende Angebote vor. Von 2008 bis 2014 hat die LpB das „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus “ als durch die Baden-Württemberg Stiftung finanziertes Projekt in Kooperation mit dem LfV durchgeführt. Das LfV hält insbesondere zu den entsprechenden Stellen der Polizei intensiven Kontakt und Austausch, sei es die Prävention (u. a. ProPK), seien es die Ansprechpartner Muslime u. ä. oder der polizeiliche Staatsschutz bei der Landespolizei. Zur Beratungsstelle Radikalisierung beim BAMF besteht ebenfalls dann ein reger Kontakt, wenn sicherheitsrelevante Vorkommnisse zu verzeichnen sind, also wenn sich etwa Angehörige von Syrienrückkehrern an das BAMF wenden. Hier unterstützt das LfV mit seinen islamwissenschaftlichen Erfahrungen und den entsprechenden Kenntnissen. Zu einer umfassenden Präventionsarbeit im Bereich des religiös motivierten Extremismus zählen auch reiseverhindernde Maßnahmen, die die Pass- und Personalausweisbehörden in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden im Land treffen . Ausreisewillige Salafisten sollen mittels Entzug von Reisepass und künftig Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 13 Personalausweis an der Ausreise in Krisengebiete und somit der Teilnahme an Kampfhandlungen gehindert werden. Gleichzeitig sollen dadurch die Risiken minimiert werden, dass die an solchen Kämpfen teilnehmenden Personen nach ihrer Rückkehr in Deutschland oder Europa Anschläge verüben. Um staatsschutzrelevante Reisen besser verhindern zu können, hat der Bund einen Gesetzentwurf zur Änderung des Personalausweisgesetzes vorgelegt. Damit soll auch der Entzug des Personalausweises und die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises , dessen Geltungsbereich auf Deutschland beschränkt ist, ermöglicht werden. Während beispielsweise ausreisewilligen Salafisten der (Reise-)Pass gemäß §§ 7 und 8 PassG entzogen werden kann, fehlt es bisher an einem Entziehungstatbestand für den Personalausweis im Personalausweisgesetz. Dieser reicht indes für Reisen innerhalb des Schengenraums und in bestimmte Drittstaaten aus, sodass eine räumliche Beschränkung des Personalausweises (die bisher schon möglich ist), und der Entzug des Reisepasses eine unberechtigte Reise nicht verhindern können. Zu diesem Gesetzentwurf fanden Anfang dieses Jahres eine erste Beratung und eine öffentliche Anhörung im Bundestag statt. Der Erlass all dieser reisebeschränkenden Maßnahmen setzt einen engen Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden und den zuständigen Passund Personalausweisbehörden im Land voraus. Derzeit werden vom Bund und den Ländern Konzeptionen entwickelt, die einen institutionalisierten Informationsaustausch und regelmäßige Sensibilisierungen zu grundsätzlichen Fragen der Gefahrentwicklung und Erscheinungsformen des Salafismus beinhalten sollen. Außerdem sollen die Ordnungsbehörden Handlungsempfehlungen erhalten, wie mit salafistisch geprägten Benefizveranstaltungen, wie zum Beispiel der salafistisch geprägten „Lies!“-Kampagne, mit der junge Menschen für den Salafismus angeworben werden sollen, umzugehen ist. 9. Bietet sie ein Programm für Aussteiger und Rückkehrer aus Bürgerkriegsgebieten , wie Syrien, Irak und Afghanistan, an? Zu 9.: In Baden-Württemberg können sich Radikalisierte und ihre Angehörigen an das BAMF (vgl. Antworten zu den Fragen 7 und 10) wenden. Aktuell befasst sich die IMK auf Initiative Baden-Württembergs mit dem Thema Aussteigerprogramme für „Gewaltbereite Islamisten“ und hat hierzu eine Arbeitsgruppe unter Federführung Baden-Württembergs eingesetzt. Diese wird die Erfolgsfaktoren bestehender Aussteigerprogramme in den Phänomenbereichen der politisch motivierten Kriminalität auf mögliche Übertragbarkeit prüfen und darauf aufbauend Empfehlungen für die Etablierung solcher zielgruppenorientierter Ausstiegshilfen unter Berücksichtigung länderspezifischer Gegebenheiten entwickeln. Das Konzept zur Einrichtung des KPEBW sieht bereits jetzt im Zusammenhang mit einem externen Träger auch Angebote für Ausstiegswillige und deren Umfeldpersonen vor (vgl. Antwort zu Frage 1). 10. Inwieweit sind die Sicherheitsbehörden in solche Aussteiger- bzw. Rückkehrerprogramme eingebunden und wie erfolgt die Überwachung der radikalisierten Rückkehrer? Zu 10.: Erkenntnisse aus polizeilichen Ermittlungen über radikalisierte Personen werden, nach Einzelfallprüfung und in Absprache mit dem Betroffenen selbst oder seinem sozialen Umfeld (Erziehungsberechtigte, Familie), an das BAMF weitergegeben. Dort werden diese Informationen nach entsprechender Prüfung für konkrete personenbezogene Deradikalisierungsmaßnahmen, z. B. im Rahmen des VPN, eingesetzt (vgl. Antworten zu den Fragen 7 und 9). Die Überwachung radikalisierter Rückkehrer erfolgt entweder im Zuge von Ermittlungsverfahren nach Maßgabe der Strafprozessordnung bei hinreichendem Tatverdacht auf eine terroristische Straftat oder als polizeiliche Ermittlungsmaßnahme nach den Vorschriften des Polizeigesetzes zur Gefahrenabwehr. Sowohl Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 14 für die strafprozessualen als auch polizeirechtlichen Ermittlungen werden bundeseinheitliche Standards bei der Bearbeitung der „Rückkehrer“ angewendet. Diese Standardmaßnahmen für Gefährder und relevante Personen im Phänomenbereich Islamismus stellen die Minimalanforderungen für Maßnahmen gegen Rückkehrer dar. Jeder Einzelfall wird individuell geprüft und die taktisch und rechtlich notwendigen Maßnahmen werden im erforderlichen Umfang zeitlich befristet, verdeckt oder offen, durchgeführt. Durch interdisziplinäre Fallkonferenzen wird sichergestellt, dass auch Institutionen außerhalb der Sicherheitsbehörden, wie Ausländer- oder Passämter, beteiligt werden. Das LKA hat ergänzend dazu eine Handlungskonzeption zur Intensivierung der Maßnahmen gegen „Reisende Jihadisten“ im März dieses Jahres für die Dienststellen der Landespolizei herausgegeben. Wichtige Elemente u. a. bei der Koordination der Überwachungsmaßnahmen von radikalisierten Rückkehrern bilden auch die Gemeinsamen Zentren; im Fall von islamistischen Personen das GTAZ und das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismus -Abwehrzentrum im Phänomenbereich Ausländerkriminalität (GETZ-A). Der schnelle Austausch und die umfassende Analyse sowie Bewertung aller verfügbaren und relevanten Informationen sind Grundvoraussetzung für eine wirksame Terrorismusbekämpfung. Zudem wird durch die räumliche Nähe aller 40 Behörden die Abstimmung operativer Maßnahmen wesentlich erleichtert. Im GTAZ arbeiten täglich Vertreterinnen und Vertreter des Bundesamts für Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes, Bundesnachrichtendienstes, Generalbundesanwalts , BAMF, Zollkriminalamts, der Bundespolizei, der 16 LKÄ sowie LfV und des BKA in verschiedenen Arbeitszusammenhängen und Konstellationen zusammen . Dies gewährleistet eine größtmögliche Nähe und Kooperation bei gleichzeitiger Beachtung des sogenannten Trennungsgebots zwischen Nachrichtendiensten und Polizei. Im Falle von in Richtung Kampfgebiete ausgereisten radikalisierten Islamisten gilt es, die Wiedereinreise der in Rede stehenden Personen nach Deutschland zu überwachen bzw. zu verhindern. Dies ist anhand von Ausschreibungen in polizeilichen Fahndungssystemen in Verbindung mit verschiedenen – offenen und verdeckten – Folgemaßnahmen möglich. Obwohl eine 24-Stundenüberwachung solcher Personen aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, können hier beispielhaft die Durchführung von (längerfristigen) Observationen von Personen zur Erstellung von Kontakt- und Bewegungsbildern oder der Einsatz von technischen Mitteln als verdeckte Maßnahmen aufgeführt werden. Im Bereich der offenen Maßnahmen werden polizeiliche Gefährderansprachen durchgeführt sowie Meldeauflagen und Ausreisebeschränkungen gegenüber entsprechenden Personen ausgesprochen. Mithin bestehen hierfür polizeiinterne, der Verschlusssachenanweisung unterliegende Handlungskonzepte, die Regelungen zu Zuständigkeiten der Ermittlungsführung, des Informationsaustauschs und damit verknüpften Maßnahmen festlegen. So werden die nach Baden-Württemberg zurückkehrenden Personen in der Regel polizeilich eingestuft, zudem wird durch die zuständige Staatsanwaltschaft die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens geprüft. Sollte kein Strafverfahren eingeleitet werden, wird ein polizeirechtliches Ermittlungsverfahren durchgeführt. In beiden Fällen wird durch die Sicherheitsbehörden ein individuelles Maßnahmenkonzept zur Beobachtung bzw. Überwachung der betroffenen Person erstellt. 11. Wie viel zusätzliches Personal bedarf es in welchen Ressorts, um dauerhaft eine möglichst effiziente Beobachtung von Islamisten allgemein bzw. radikalisierten Rückkehrern im Speziellen gewährleisten zu können? Zu 11.: Mit dem „Sonderprogramm der Landesregierung zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus“ hat die Landesregierung nach den Terroranschlägen von Paris und Kopenhagen zeitnah und konsequent auf die hohe abstrakte Gefährdungslage durch islamistisch motivierte Täter in Baden-Württemberg reagiert. Mit diesem Sonderprogramm sollen die Organisationseinheiten von Polizei und LfV sowie die Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 15 Staatsanwaltschaften und Gerichte im Land auf verschiedenen Ebenen personell zeitnah verstärkt werden. Dies macht eine Schwerpunktsetzung in Höhe von 105 neuen Stellen für die Polizei, 15 neuen Stellen für das LfV und elf neuen Stellen für die Justiz erforderlich. Diese erforderlichen Stellenzugänge wurden in den ersten Nachtragshaushalt 2015/2016 aufgenommen. Im Bereich der Polizei werden beispielsweise die Kriminalpolizeidirektionen bei den regionalen Polizeipräsidien um 48 Stellen, das LKA in den Bereichen Staatsschutz, Einsatz- und Ermittlungsunterstützung , Kriminaltechnik um 23 Stellen und die Mobilen Einsatzkommandos beim Polizeipräsidium Einsatz um 22 Stellen verstärkt. Im Rahmen des Konzepts zur Bekämpfung des islamistischen Terrors sind aufgrund der Stärkung der Organisationseinheiten der Polizei auf verschiedenen Ebenen durch die Umsetzung erfahrener Polizeibeamtinnen und Polizeibeamter in neue Aufgabenbereiche in der Folge auch Neueinstellungen in einer Größenordnung um 70 Polizeikommissaranwärterinnen und Polizeikommissaranwärter notwendig, um die von erfahrenen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hinterlassenen Lücken schnellstmöglich zu schließen. Die beim LfV neu zu schaffenden Stellen sollen insbesondere mit Spezialisten aus dem Bereich Islamwissenschaften sowie Beamtinnen und Beamten des gehobenen Dienstes besetzt werden. Zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit der baden-württembergischen Justiz und Sicherstellung einer angemessenen Reaktion des Rechtsstaats auf die terroristische Bedrohungslage, ist neben der Erhöhung der Zahl der Staatsschutzdezernenten bei den Staatsanwaltschaften auch die Einrichtung eines dritten Staatschutzsenats beim Oberlandesgericht Stuttgart und einer weiteren Staatsschutzkammer beim Landgericht Stuttgart bzw. Karlsruhe erforderlich. Im Justizvollzug umfasst die Strukturbeobachtung sämtliche subkulturellen Phänomene und dient darüber hinaus der Früherkennung von Konflikten allgemeiner Art. Sollte deshalb die befürchtete Zunahme von Inhaftierungen religiös motivierter Extremisten eintreten, kann ein erhöhter Personalaufwand im Justizvollzug nicht ausgeschlossen werden. 12. Bietet sie Fortbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte im Bereich Prävention sowie Umgang mit religiös motivierten Extremisten an? Zu 12.: Im Bereich der Lehrkräftefortbildung bieten speziell qualifizierte Lehrkräfte als sogenannte Demokratieberaterinnen und -berater landesweite Fortbildungen u. a. für Verbindungslehrerinnen und -lehrer an. Der Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung von Formen des demokratischen Umgangs miteinander, des Aufbaus von Zivilcourage, des Verhandelns und Debattierens oder der Lösung von Konflikten ohne Gewalt („KEEP COOL“, „ABS – Anti-Bullying-Strategie“, „Klassenrat“, KMDD – Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion“ etc.). In Fachfortbildungen werden anhand von ethischen und religionsphilosophischen Fragen der Einfluss und die Herausforderungen von Social Media sowie von Gewalt , Terror, Extremismus und Krieg thematisiert und diskutiert, wie eine gelingende Auseinandersetzung mit diesen Fragen in Unterricht und Schulleben aussehen kann. Im Rahmen von überfachlichen Fortbildungen haben Lehrkräfte Gelegenheit, sich mit der Gefährdung Jugendlicher durch sogenannte Sekten und Psychogruppen in einer säkularisierten Gesellschaft auseinanderzusetzen und sich damit zu beschäftigen , wie sich Schülerinnen und Schüler gegenüber sektenartigen und weltanschaulich extremen Positionen wappnen können. So zuletzt vom 4. bis 6. März 2015 in Kooperation mit dem Zentrum für Islamische Theologie der Universität Tübingen u. a. Am 4. Juli 2015 findet an der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen Bad Wildbad ein Symposium mit dem Titel „Islamismus, Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 16 Salafismus, Jihadismus“ statt. Für die Vorträge und Workshops konnten ausgewiesene Experten von Universitäten, Verfassungsschutz, der LpB und muslimischer Verbände gewonnen werden. Das Kultusministerium führt an o. g. Landesakademie jährlich eine 2,5-tägige Fortbildung für Lehrkräfte durch, die für den Modellversuch „Islamischer Religionsunterricht “ qualifiziert wurden. Die eintägige Fortbildung „Jugendszenen zwischen Islam und Islamismus“ der LpB erörtert islamische Jugendkulturen, Kleidungsstile, Musik und Glaubensgrundlagen . Ausgehend davon sollen Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, normale Religionsausübung von extremistischen Ideologieelementen zu unterscheiden . Eigene Berührungsängste können angesprochen werden. Die Methode der kollegialen Fallberatung wird mit den Teilnehmenden an Beispielen erprobt. Folgende Fachvorträge ergänzen das Fortbildungsangebot: • Islamistische Organisationen in Deutschland und ihre Strategien zur Anwerbung Jugendlicher • Die Retter des Abendlandes? Rechtspopulismus und antimuslimischer Rassismus • Antisemitismus in der Migrationsgesellschaft • Auf dem Weg ins Paradies? Radikalisierungsverläufe in islamistischen Kontexten und mögliche Ursachen • Salafismus – ein politisches Phänomen. Ziele, Strukturen und jugendkulturelle Ausprägungen Auf Anfrage vermitteln Referentinnen und Referenten des LfV entsprechende Kenntnisse und helfen bei der schwierigen Grenzziehung zwischen individueller grundgesetzlich geschützter religiöser Überzeugung und politischer, religiösfundamentalistischer sowie totalitärer, gewaltaffiner Ideologie. Es geht in den Fortbildungen um Kompetenzstärkung im Umgang mit sich radikalisierenden Jugendlichen. Dies wurde zuletzt besonders deutlich bei einer vom LfV veranstalteten Fachtagung im Dezember 2014 zum Thema „Wege in den gewalttätigen Extremismus – Fachliche Auseinandersetzung mit den Radikalisierungsprozessen in Rechtsextremismus und Salafismus“, in deren Folge die Zahl der Anfragen stieg. 13. Welche Erkenntnisse hat sie über die Bedeutung der Schule als Ausgangsort bzw. Umfeld für eine Radikalisierung von Jugendlichen und welche Konsequenzen zieht sie daraus? 14. Hält das Land Hilfe und Beratungsmöglichkeiten für Lehrkräfte vor, die mit Schülerinnen und Schülern mit Anzeichen zu religiösem Extremismus konfrontiert sind und sind die Schulpsychologischen Beratungsstellen auf diese spezifische Aufgabe in ausreichendem Maße vorbereitet? Zu 13. und 14.: Schulen an sich können nicht als Ausgangspunkt der Radikalisierung von Schülerinnen und Schülern gesehen werden. Gleichwohl kommen dort täglich viele junge Menschen zusammen, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass dort auch entsprechendes Gedankengut unter den Jugendlichen weitergetragen werden kann. Neben Eltern, Angehörigen und Freunden gehören häufig auch Mitschülerinnen und Mitschüler sowie Lehrerinnen und Lehrer zu den ersten, denen die Radikalisierung eines jungen Menschen auffällt. Damit kommt den Schulen bei Prävention und Intervention im Hinblick auf Extremismus und Radikalisierung eine bedeutsame Aufgabe zu, die allerdings im Zusammenwirken mit dem gesamten Umfeld einer Schülerin oder eines Schülers am besten bewältigt werden kann. Ziel der schulischen Arbeit und Auseinandersetzung mit Radikalisierung und Extremismus ist es u. a., Schülerinnen und Schülern aus unterschiedlichen Perspektiven neben zentralen inhaltlichen Kategorien die grundlegende Bedeutung von Toleranz, solidarischem Verhalten und ethischer Verantwortung zu vermitteln, die für das Funktionieren und den Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 17 unverzichtbar sind. Dadurch soll der Entwicklung – auch religiös bedingter – radikaler und extremistischer Einstellungs- und Verhaltensmuster vorgebeugt werden. Um die Themen von Radikalisierung und Extremismus aufzugreifen, bieten die Bildungs- und Lehrpläne aller allgemein bildenden und beruflichen Schulen zahlreiche Anknüpfungspunkte, beispielsweise in den Fächern Gemeinschaftskunde, Religionslehre und Ethik. Die bestehenden Bildungs- und Lehrpläne ermöglichen bereits heute breite Gestaltungsspielräume für Schulen. Auch in den neuen Bildungsplänen 2016 der allgemein bildenden Schulen wird der Themenbereich eine Rolle spielen. Präventive Maßnahmen im schulischen Bereich müssen frühzeitig ansetzen und gehen über eine rein kognitive Wissensvermittlung im Rahmen des Fachunterrichts im engeren Sinne hinaus. Bezogen auf religiös motivierten Extremismus ist hier insbesondere an fächerübergreifende Maßnahmen wie Projekttage und/oder auf Dauer angelegte Projektaktivitäten zu denken. Dabei können Schulen in besonderem Maße auch von der Expertise externer Partner profitieren. Hierbei kann auf die Angebote der LpB verwiesen werden, auf welche die Schulen im Land zurückgreifen können: Insbesondere spielt hier das Projekt „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus“ eine zentrale Rolle, das die LpB in Kooperation mit dem LfV durchführt. Im Rahmen des Projektteils „Islamismusprävention “ gibt es hier beispielsweise Schulungen zum Themenbereich „Jugendszenen zwischen Islam und Islamismus“, die sich an Adressaten in Jugend- und Bildungsarbeit richten. Zudem wird das Veranstaltungsangebot durch einschlägige Publikationen im Print- und Onlinebereich ergänzt. Auch bezogen auf Beratungs- und Präventionsangebote sowie Informationen zur Früherkennung von Radikalisierungsprozessen leisten externe Partner wie das LfV oder das BAMF unverzichtbare Beiträge. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Schulen anlassbezogen beispielsweise über elektronische Informationsdienste des Kultusministeriums darauf hingewiesen werden bzw. wurden, wenn besorgniserregende Sachverhalte gehäuft im schulischen Bereich auftreten bzw. aufgetreten sind. So wurden etwa in mehreren Infodiensten („Infodienst Schulleitung“ 228/Januar 2014 und 237/Juli 2014 sowie „Infodienst Schule“ 74/September/Oktober 2014) Hinweise des Innenministeriums auf mögliche Ausreisebestrebungen radikalisierter schulpflichtiger Personen nach Syrien veröffentlicht , die u. a. auf Beratungs- und Präventionsangebote sowie Informationen zur Früherkennung von Radikalisierungsprozessen des LfV hinweisen (vgl. Antwort zu Frage 6). Auch in einem Schreiben des Kultusministers vom 13. Januar 2015 an die Schulleitungen der öffentlichen und privaten Schulen im Land wurde auf einschlägige Beratungs- und Präventionsangebote hingewiesen. Lehrkräfte können sich zu verschiedenen Anliegen bei den Schulpsychologischen Beratungsstellen beraten lassen. Inhaltliche Schwerpunkte bei diesen Beratungen sind u. a. Schulschwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern im Leistungs- und Verhaltensbereich, Konfliktmoderationen oder auch berufliche Belastungen von Lehrkräften. Eine zielgerichtete Beratung zum Umgang mit Schülerinnen und Schülern im Bereich des religiösen Extremismus ist Schulpsychologischen Beratungsstellen jedoch nicht möglich. Aus Sicht des Verfassungsschutzes zeigt sich in den letzten Jahren, dass der Beginn eines Radikalisierungsprozesses bereits bei Minderjährigen unter 14 Jahren einsetzen kann. Es handelt sich also um schulpflichtige Kinder, die mehrere Stunden am Tag in der Obhut von Pädagoginnen und Pädagogen sind. Daher besteht vonseiten des LfV das ständige Angebot, sich mit Bedenken oder Fragen, bei Unklarheiten und Schwierigkeiten, konkretes Verhalten zu beurteilen, an den Verfassungsschutz zu wenden. Von diesem Angebot wurde in den letzten Monaten verstärkt Gebrauch gemacht. So konnten in einigen Fällen mit der gebotenen Diskretion bedenklichere Entwicklungen und ein Abgleiten in extremistische Szenen aufgehalten werden. Die Polizei wird hierbei hinzugezogen, sobald konkrete Verdachtsmomente für Straftaten in den Bereichen der Propagandadelikte bis hin zur Unterstützung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung entstehen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 18 Auch nach Erkenntnissen des LKA sind öffentliche Bildungsstätten in Deutschland kein Ort der Radikalisierung von Jugendlichen. Schulen treten häufig nur als Anlaufstellen von Kindern und Jugendlichen in Erscheinung, die durch andere, externe Einflüsse radikalisiert worden sind. Weiterhin leistet auch hier die Schulsozialarbeit einen wertvollen Beitrag ergänzend zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule und hat positive Auswirkungen auf das Schulleben insgesamt. 15. Welche Rolle spielen baden-württembergische Hochschulen bzw. das studentische Umfeld bei der Gruppierung von Islamisten bzw. bei der Bildung von islamistischen Vereinigungen? Zu 15.: Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden deuten darauf hin, dass Personen aller Bildungsschichten zu islamistischen/politischen Gewalttätern werden können. Insbesondere lassen sich Radikalisierungsprozesse in dem bezogen auf Studenten üblicherweise relevanten Lebensalter nicht ausschließen. Erworbenes Wissen, insbesondere im Bereich des Ingenieurwesens, könnte möglicherweise zu nichtzivilen , terroristischen bzw. paramilitärischen Zwecken genutzt werden. Nach Erkenntnissen des LfV scheint die Rolle studentischer Gruppierungen im Zusammenhang von Radikalisierungsverläufen, die in die Beteiligung am Jihad münden können, nach den bisherigen Erfahrungen und ersten Auswertungen von Biographien von Jihadisten, die nach Syrien reisten, eher gering zu sein. 16. Gibt es Forschungsstellen an den Hochschulen des Landes, die sich mit dem Thema Radikalisierung und religiös motiviertem Extremismus befassen? Zu 16.: Anfang des Jahres 2015 unterstützte das Innenministerium die Hochschule Ravensburg -Weingarten für Technik, Wirtschaft und Sozialwesen bei einem Projekt zur Begegnung von Beeinflussung und Rekrutierung durch extremistische Gruppierungen und Personen im Internet (z. B. Soziale Netzwerke). Mithin befassten sich Studenten im Rahmen des Projekts u. a. mit den Themen Radikalisierung und religiös motivierte Extremismus (vgl. Antwort zu Frage 1). Darüber hinaus sind weder dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, noch dem Innenministerium weitere Forschungsstellen an Hochschulen des Landes Baden-Württemberg bekannt, die sich mit dieser Thematik befassen. Vereinzelt wird das Thema jedoch in Lehrveranstaltungen oder Veröffentlichungen (mit-)thematisiert. In der Vergangenheit führte die Polizei einzelne Seminare zur Kriminalprävention an Hochschulen des Landes durch die Landesprävention durch, bei dem das Thema religiös motivierter Extremismus aufgegriffen wurde. 17. Wie viele Personen, die der islamistischen Szene zugerechnet werden, sitzen derzeit in baden-württembergischen Gefängnissen ein (mit Angabe der Verteilung auf die einzelnen Justizvollzugsanstalten sowie dem prozentualen Anteil an der Gesamtgefangenenzahl)? Zu 17.: In Baden-Württemberg sind nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes etwa 3.500 Personen der islamistischen Szene zuzurechnen. Nur wenige Islamisten/ Salafisten sind wegen politisch motivierter Kriminalität bzw. terroristischen Delikten bisher in Baden-Württemberg inhaftiert. Im Justizvollzug des Landes liegt der Präventionsschwerpunkt angesichts bisher nur in äußerst überschaubarem Umfang auftretender extremistischer Phänomene auf dem frühzeitigen Erkennen entsprechender Entwicklungen und Tendenzen. Mit der Erfassung und Verarbeitung entsprechender Erkenntnisse sind sogenannte Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 19 Strukturbeobachter betraut, die auch die Beobachtungen anderer Bediensteter bewerten und an die Anstaltsleitungen weitergeben. Anstaltsübergreifende Aspekte sind Gegenstand einer unter Beteiligung dieser sogenannten Strukturbeobachter landesweit einmal jährlich tagenden Arbeitsgruppe. Nach den regelmäßigen Abfragen und den ergänzenden Mitteilungen sind derzeit (Stand: 31. März 2015) fünf Personen in baden-württembergischen Justizvollzugsanstalten inhaftiert, die entweder aufgrund ihrer Straftat oder durch ihr Verhalten der islamistischen Szene zugerechnet werden können. Auch diese Personen entfalten jedoch nicht überwiegend missionarische oder gar radikalisierende Aktivitäten. Zwei dieser Gefangenen befinden sich aufgrund eines laufenden Strafverfahrens in derselben Anstalt in Untersuchungshaft. Die anderen drei Gefangenen sind in verschiedenen Anstalten des Landes untergebracht. An der landesweiten Gesamtbelegung machen diese Gefangenen einen Anteil von rd. 0,075 % aus. 18. Welche Erkenntnisse hat sie über die Bedeutung von Justizvollzugsanstalten als Umfeld für eine Radikalisierung von Insassen (mit Angabe, wie die Justizvollzugsanstalten in eine entsprechende Präventionsarbeit eingezogen werden)? Zu 18.: Im baden-württembergischen Justizvollzug gibt es keine Anhaltspunkte für Radikalisierungstendenzen oder islamisch-salafistische Netzwerke, die über Briefkontakte zwischen einzelnen Gefangenen mit gleicher Gesinnung hinausgehen. Zur Einbeziehung der Justizvollzugsanstalten in die Präventionsarbeit wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Auf Bundesebene haben sich die IMK und die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) mit der Thematik „Radikalisierung in Justizvollzugsanstalten “ befasst. Die Förderung effektiver Deradikalisierungsprogramme wird als zielführend erachtet. Eine abschließende Entscheidung der IMK bzw. JuMiKo zur Anbindung und Umsetzung derartiger Trainingsprogramme steht noch aus. Die Landesprävention des LKA beteiligt sich zusammen mit dem Polizeipräsidium Stuttgart (Referat Prävention) an der Ausbildung ehrenamtlicher muslimischer Seelsorger, die in den Justizvollzugsanstalten des Landes eingesetzt werden sollen. Die beiden für 2015 geplanten, mehrtägigen Fortbildungsreihen werden durch das „Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog e. V.“ organisiert und finanziell von mehreren Stellen gefördert. Seit Jahren stellt das LfV Referentinnen und Referenten bei der Fort- und Weiterbildung von Justizvollzugsbediensteten an der Justizvollzugsschule in Stammheim sowie der Justizakademie in Schwetzingen und steht in regelmäßigem Austausch mit den Sicherheitsbeauftragten der Justizvollzugsanstalten. In Einzelfällen wird das LfV bei der Beurteilung einer möglichen Gefährdung, die von einem Inhaftierten ausgeht, hinzugezogen und um ein fachliches Gutachten gebeten. Darüber hinaus werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LfV immer wieder im Einzelfall beratend hinzugezogen, etwa bei der Beurteilung von Schriften, Büchern oder Aufklebern. Bei konkretem Bedarf finden Fortbildungen für die Justizvollzugsbediensteten hinsichtlich islamistischer Bestrebungen und zum Erkennen von Anzeichen für eine Radikalisierung von Inhaftierten statt. 19. Hat sie Maßnahmen ergriffen, um zu verhindern, dass es zu einer Vernetzung von Salafisten oder zu einer weiteren Verbreitung von salafistischem Gedankengut innerhalb der Justizvollzugsanstalten kommt (z. B. durch eine räumliche Trennung)? Zu 19.: Die Beobachtung von Salafisten und deren gegebenenfalls erforderliche Trennung von Gesinnungsgenossen wie auch von sonstigen Gefangenen ist durch das Instrumentarium des Justizvollzugsgesetzbuchs und dabei insbesondere durch die Möglichkeiten zur Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen ohne weiteres möglich und wird in den festgestellten Fällen bei Bedarf auch praktiziert. Auch kommen anstaltsübergreifende Verlegungen in Betracht, die in Einzelfällen schon Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 20 thematisiert, aber letztlich noch nicht notwendig wurden. Inwieweit die zwingend erforderliche Beobachtung der weiteren Entwicklung eine Intensivierung der Maßnahmen nahelegen wird, bleibt abzuwarten. Die Gefahr einer Verbreitung salafistischen Gedankenguts innerhalb der Justizvollzugsanstalten des Landes wurde bei der 6. und 7. Sitzung des Runden Tisches Islam im Mai und Oktober 2014 diskutiert. Das Justizministerium und das Integrationsministerium prüfen derzeit, inwieweit in den Justizvollzugsanstalten des Landes eine islamische Gefangenenseelsorge eingeführt werden kann, die salafistische Interpretationen des Islams einzudämmen hilft. Aufbauend auf den positiven Erfahrungen , die im Bereich der islamischen Krankenhausseelsorge bereits gemacht wurden, kann hier möglicherweise ein Modellprojekt für eine unter anderem präventiv ansetzende islamische Gefangenenseelsorge entwickelt werden. Im Bereich der islamischen Krankenhausseelsorge finanziert das Integrationsministerium – unterstützt mit Mitteln aus der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes – aktuell bis zum Jahr 2018 ein Projekt des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiösen Dialog e. V. zum flächendeckenden Aufbau einer islamischen Krankenhausseelsorge (vgl. Antwort zu Frage 18). 20. Bestehen Kontakte zu den Arbeitgebern in Baden-Württemberg, um Aussteigern Möglichkeiten zur Reintegration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu eröffnen? Zu 20.: Eine der Aufgaben des KPEBW wird die Beauftragung externer Träger sein, die auch Maßnahmen der Reintegration von radikalisierten Personen durchführen. Die Handlungsschwerpunkte liegen neben der Deradikalisierung somit u. a. auch in der begleiteten Rückkehr in das soziale Umfeld, der (Neu-)Strukturierung des Alltags, dem Herstellen von stabilen sozialen Beziehungen und der Integration in Ausbildung und Arbeit, um nur einige wichtige Bausteine zu nennen. 21. Welche Beratungsmöglichkeiten für betroffene Angehörige gibt es in BadenWürttemberg mit welcher Förderung des Landes? Zu 21.: Das BAMF bietet mit der Beratungsstelle Radikalisierung telefonische Beratung von Angehörigen sich radikalisierender Personen. Sie vermittelt zudem eine VorOrt -Beratung, die in Baden-Württemberg durch einen Mitarbeiter des VPN durchgeführt wird (vgl. Antworten zu den Fragen 7, 9 und 10). Mit Einsetzung des KPEBW sollen ausstiegswillige Personen, aber auch Angehörige und andere Personen (Lehrkräfte etc.) aus dem sozialen Umfeld die Möglichkeit haben, sich direkt an eine in freier Trägerschaft arbeitende Beratungsperson zu wenden oder auch weiterhin über eine Hotline beim BAMF einen ersten Kontakt herzustellen, wenn sie sich um die Radikalisierung eines Angehörigen oder Bekannten sorgen und/oder zu diesem Themenbereich Fragen haben. Die im BAMF arbeitenden erfahrenen Expertinnen und Experten leiten die Anfragen entsprechend an eine externe Beratungsstelle weiter (vgl. Antworten zu den Fragen 7 und 9). Das LfV unterhält ein vertrauliches Telefon, über das Beratungs- und Präventionsangebote vermittelt werden können sowie Informationen zur Früherkennung von Radikalisierungsprozessen erteilt werden. Anrufe können neben Standardsprachen auch in arabischer und türkischer Sprache angenommen und geführt werden. In Einzelfällen wird das LfV selbst beratend tätig, vor allem wenn andere Anlaufstellen nicht zur Verfügung stehen. 22. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Kommunen im Bereich Prävention von religiös motiviertem Extremismus? Zu 22.: Die behördenübergreifende Einführung der Online-Anwendung „Dokumenteninformationssystem “ (DOKIS) trägt grundsätzlich zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und Ausländerbehörden bei. In DOKIS sind Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 21 sämtliche Informationen und Abbildungen zu in- und ausländischen Dokumenten sowie ausländerrechtliche Bestimmungen enthalten. Anhand dessen können verfälschte und gefälschte Dokumente leichter erkannt werden, sodass damit sowohl den Polizeidienststellen als auch den Ausländerbehörden ein effizientes Hilfsmittel zur Erkenntnisgewinnung u. a. in Bezug auf Personen aus dem islamistischen Spektrum zur Verfügung gestellt wird. Neben der Dokumentenfälschung ist jedoch auch denkbar, dass potenzielle islamistische Gewalttäterinnen und Gewalttäter bei deutschen Behörden vorstellig werden, um dort neue Dokumente zur Legalisierung ihres Aufenthaltes (Duldung, Aufenthaltserlaubnis etc.) oder Leistungen zu erlangen. Bei den Kontakten von Ausländerbehörden mit solchen Personen sollen Informationen gewonnen werden , die Hinweise auf mögliche Gewalttäter geben können. Zu einer solchen Informationsgewinnung können insbesondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörden beitragen. Deshalb wird das „Merkblatt für Ausländerbehörden zum Erkennen von potenziellen islamistischen Gewalttätern“ regelmäßig in Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern in der Polizeilichen Informations - und Analysestelle des GTAZ an aktuelle Erkenntnisse aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus angepasst. Es wurde zusammengestellt, um die Ausländerbehörden bei der täglichen Aufgabenwahrnehmung für den Bereich des islamistischen Terrorismus zu sensibilisieren. Hierzu können die darin beschriebenen Indikatoren eine Hilfestellung bieten; jedoch begründen diese weder ein strafbares oder ein gefährliches Verhalten, noch besteht ein Generalverdacht gegenüber ethnischen Gruppen. Im Bereich der regionalen Polizeipräsidien findet regelmäßig auf kommunaler Ebene ein Informationsaustausch im Rahmen der KKP statt, bei dem einzelfallbezogen auch religiös motivierte, extremistische Tendenzen angesprochen werden. Spezielle Arbeitskreise zum Thema „Integration“ bestehen etwa in den Polizeipräsidien Mannheim und Reutlingen. Daneben existieren mehrere lokale Projekte mit polizeiexternen Partnern. Das Polizeipräsidium Mannheim initiierte beispielsweise mit der Stadt Mannheim das Projekt „Sicherheit gemeinsam gestalten – Polizei und Migranten im offenen Gespräch “. Ziel des Projekts, das vom „Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog e. V.“ und dem Präventionsverein „Sicherheit in Mannheim e. V.“ unterstützt wird, ist die Förderung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Polizei und der muslimischen Gemeinschaft. Das LKA erarbeitet aktuell einen ausführlichen Standardvortrag zum religiös motivierten Extremismus, der durch Beamtinnen und Beamte, die zu „Ansprechpartnern für Muslime“ ausgebildet wurden, sowie durch Jugendsachbearbeiterinnen und Jugendsachbearbeiter genutzt werden kann. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LfV werden seit Jahren in vielfältiger Weise, etwa bei Veranstaltungen oder bei der Auseinandersetzung mit entsprechenden Szenen, bei den Kommunen beratend tätig. Über das Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ (vgl. Antwort zu Frage 1) ist die Landeskoordinierungsstelle des „Demokratiezentrum Baden-Württemberg“ bei der Jugendstiftung Baden-Württemberg gut mit den neuen „Lokalen Partnerschaften für Demokratie “ aus Städten, Landkreisen und sonstigen kommunalen Zusammenschlüssen vernetzt, von denen sich einzelne mit der Prävention von religiös motiviertem Extremismus befassen. Hier findet mindestens ein jährlicher Austausch statt, der – im Falle einer Bewilligung – der in der Antwort zu Frage 1 genannten „Vernetzungsund Koordinierungsstelle Salafismusprävention“ intensiviert werden soll. Die Angebote des „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus“ stehen Kommunen und Landkreisen in Baden-Württemberg grundsätzlich offen. Vor allem Träger der Offenen Kinder- und Jugendarbeit haben bisher auf die Angebote zugegriffen. Es besteht eine Kooperation mit „Inside Out“, einem Projekt zur Radikalisierungsprävention mit dem Schwerpunkt gewaltbereiter Islamismus in Stuttgart . Dieses Projekt wird von der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft getragen und Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 22 durch das Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ finanziert (vgl. Antwort zu Frage 1). 23. Sind die zuständigen kommunalen Stellen beispielsweise im Bereich Soziales, Wohnen, Familien in die Präventionsarbeit und in Programme zur Deradikalisierung bzw. für Aussteiger eingebunden? Zu 23.: Über den Umfang der konkreten Einbindung bestimmter kommunaler Stellen in die Präventionsarbeit im Zusammenhang mit dem religiös motivierten Extremismus liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor (vgl. Antwort zu Frage 22). 24. Inwieweit sind die Moscheegemeinden in die Maßnahmen zur Prävention und Deradikalisierung im Bereich des religiös motivierten Extremismus eingebunden (mit Darstellung einer Bewertung dieser Zusammenarbeit)? Zu 24.: Die beim Runden Tisch Islam vertretenen islamischen Verbände und muslimischen Einzelpersönlichkeiten vertreten regelmäßig und einhellig die Auffassung, dass sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland mit Nachdruck unterstützen. Im Gremium besteht auch Einigkeit dahingehend, dass die Moscheevereine einen wesentlichen Beitrag im Bereich der Prävention und Deradikalisierung zur Vermeidung bzw. Eindämmung salafistischer bzw. anderweitiger radikaler Islaminterpretationen leisten müssen und können. Die Verbände sind im Vorfeld der Erarbeitung von Materialien als Expertinnen und Experten einbezogen worden. Vereinzelt gibt es Veranstaltungen mit einzelnen Gemeinden wie z. B. der alevitischen Gemeinde Friedrichshafen. Die Zusammenarbeit erfordert vertrauensbildende Maßnahmen oder Brückenbauer, die glaubhaft vermitteln können, dass die Zusammenarbeit mit der LpB gerade keine Unterstellung ist, extremistisch zu sein. Schwierig zu vermitteln kann sein, dass die Angebote mit islamwissenschaftlicher Expertise, ohne formal-islamtheologischer Expertise , entwickelt worden sind. Bei der 7. Sitzung des Runden Tisches Islam wurden Fragen zu den extremistischen bzw. salafistischen Gruppierungen mit Islambezug im Hinblick auf die innere Sicherheit im Land thematisiert. Die Mitglieder des Runden Tisches Islam haben dabei die Bedeutung der Koordination geeigneter Initiativen im Bereich der Prävention gegen salafistische Akteure unterstrichen. Die „Handlungsempfehlungen zur Fortentwicklung der Zusammenarbeit der Polizei mit Muslimen im Rahmen der polizeilichen Prävention (Empfehlungen Polizei und Muslime)“ vom 11. Juni 2014 haben in erster Linie zum Ziel, für den muslimischen Bevölkerungsanteil eine bürgernahe Polizei zu sein, in dienstlichen Alltagssituationen einen kultursensiblen Umgang mit Migranten zu pflegen sowie die dauerhafte Einbindung der Muslime in bestehende Netzwerke der KKP bzw. der örtlichen Verkehrssicherheitsarbeit zu erreichen. Die Polizei Baden-Württemberg verfügt über 150 operative und 35 strategische Ansprechpartner für Muslime, die im Kontakt mit 356 der 673 gemeldeten muslimischen Vereinigungen in Baden-Württemberg stehen. Bei der Zusammenarbeit konnten im vergangenen Jahr 111 gemeinsame Veranstaltungen oder Projekte realisiert werden. In 35 Fällen konnte eine Einbindung der muslimischen Vereinigungen in Gremien der KKP erreicht werden. Inhaltlich stehen bei diesen Kontakten aktuelle Themen zu Kriminalitätsgefahren bzw. der Verkehrssicherheitsarbeit im Vordergrund (z. B. Jugend- und Eigentumskriminalität , Gefahren im Umgang mit digitalen Medien, Kinder im Straßenverkehr und der sichere Schulweg, Gewaltprävention für Kinder und Jugendliche, legale/illegale Drogen sowie Weitergabe von Berufsinformationen und Zivilcourage ). Die Zusammenarbeit mit der überwiegenden Mehrheit der Moscheevereine wird als positiv und kooperativ beschrieben. In einzelnen Fällen wurden, dank des Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 6596 23 aufgebauten Vertrauensverhältnisses, auch einzelne Sachverhalte angesprochen, die einen Bezug zur Radikalisierung Einzelner aufwiesen. Im Bereich der regionalen Polizeipräsidien Heilbronn und Ulm wurden im Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris im Januar 2015 die Verantwortlichen der Moscheen von den Ansprechpartnern für Muslime gezielt sensibilisiert. Im Bereich des Präsidiums Tuttlingen wurden bislang mit zwei Moscheevereinen umfangreichere Projekte zum Thema Radikalisierung durchgeführt. An einer Berufsschule, an der zwei Schüler durch salafistische Äußerungen aufgefallen waren, wurde die Präventionsveranstaltung „Frag den Imam!“ durchgeführt. Diese fand über die Dauer von einer Woche in Kooperation mit Vertretern einer lokalen DITIB-Moschee und Mitarbeitern von der Landesprävention statt und erreichte dabei mehr als 370 Schüler der Schule. 25. Wie beurteilt sie aus ihrer Sicht die Einrichtung des Fachbeirats des Hessischen Präventionsnetzwerks gegen Salafismus im Hinblick auf die Einbeziehung aller öffentlichen Stellen und gesellschaftlichen Akteure? Zu 25.: Das derzeitige Konzept zur Einrichtung des KPEBW sieht ausdrücklich die Einbeziehung aller öffentlichen Stellen und Akteure vor und orientiert sich damit grundsätzlich am Ansatz des Fachbeirats des Hessischen Präventionsnetzwerks gegen Salafismus. In welchem institutionellen Rahmen und unter welcher konkreten Bezeichnung dies neben dem geplanten Lenkungsgremium (vgl. Antwort zu Frage 5) erfolgen wird, ist derzeit noch nicht abschließend festgelegt. Aufgabe soll die fachliche Beratung und Unterstützung des Lenkungsgremiums und der Geschäftsstelle des KPEBW sein. Gall Innenminister