Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 664 07. 10. 2011 1Eingegangen: 07. 10. 2011 / Ausgegeben: 08. 11. 2011 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Umfang verursachten Maikäfer und Engerlinge in Sonderkulturen, dem Weinbau und der Landwirtschaft im Jahr 2010 in Baden-Württemberg insgesamt und am Kaiserstuhl im Besonderen Schäden? 2. Wie haben sich die Zahlen der Maikäfer und Engerlinge sowie der jeweils von ihnen verursachten Schäden in den letzten zehn Jahren in Baden-Württemberg entwickelt? 3. Welche Maßnahmen wurden bisher zur Reduktion von Maikäfern und aus ihnen resultierenden Schäden getroffen? Was gedenkt sie zur Bekämpfung von Maikäfern und Engerlingen zu tun, insbesondere in Bezug auf das Hauptflugjahr 2012? 4. Wie haben sich in den letzten Jahren die Ausbreitungsgebiete des Maikäfers im Kaiserstuhl und in ganz Baden-Württemberg entwickelt? 07. 10. 2011 Schwehr CDU Kleine Anfrage des Abg. Marcel Schwehr CDU und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Maikäfer Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 664 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 28. Oktober 2011 Nr. Z(23)-0141.5/47 F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Umfang verursachten Maikäfer und Engerlinge in Sonderkulturen, dem Weinbau und der Landwirtschaft im Jahr 2010 in Baden-Württemberg insgesamt und am Kaiserstuhl im Besonderen Schäden? Zu 1.: Statistische Erhebungen zur Erfassung der durch die Engerlinge des Feldmaikäfers verursachten Schäden in Baden-Württemberg liegen nicht vor. Im Jahr 2010 wurden am Kaiserstuhl Schäden durch Engerlinge in Rebschulen, in Rebjunganlagen sowie an Junganlagen von Süßkirschen und Zwetschgen in erheblichem Umfang festgestellt. In den an den nördlichen Kaiserstuhl angrenzenden Gemeinden (Weisweil, Wyhl, Forchheim) gab es starke Schäden in Erdbeeranlagen. Dort ansässige Baumschulen verzeichneten auf einzelnen Flächen bis zu 95 % Ausfälle an verkaufsfähiger Ware. Im Kraichgau und im Bauland verursachen Engerlinge des Feldmaikäfers auf einer Kernobstanbaufläche von ca. 47 ha und auf ca. 3,3 ha Spargelfläche immer wieder Schäden. Im Weinbau werden in erster Linie im Kraichgau Junganlagen in den ersten Standjahren geschädigt. 2. Wie haben sich die Zahlen der Maikäfer und Engerlinge sowie der jeweils von ihnen verursachten Schäden in den letzten zehn Jahren in Baden-Württemberg entwickelt? Zu 2.: Der Feldmaikäfer kommt in Baden-Württemberg am Kaiserstuhl, im Kraichgau, im Bauland, in der Vorbergzone im Breisgau, im Wiesental im Landkreis Lörrach und im Landkreis Waldshut in schadensrelevantem Umfang vor. Er hat in den letzten Jahren fast den gesamten Kaiserstuhl besiedelt. Anfangs war nur der nördliche Kaiserstuhl betroffen. Dort gab es in den 1990er-Jahren (z. B. 1994/1997) besonders hohe Feldmaikäferdichten. Ab dem Hauptflugjahr 1997 wurden regelmäßig Bekämpfungsmaßnahmen mit Insektiziden an stark beflogenen Waldrändern mit dem Hubschrauber durchgeführt. 2003 konnte daher wegen der vorübergehend reduzierten Engerlingszahlen auf eine Bekämpfung verzichtet werden. Danach nahmen die Populationen des Feldmaikäfers so stark zu, dass im Frühjahr 2011 das erste Mal ein Zwischenflug bekämpft werden musste. In den letzten Jahren wurde bei empfindlichen Kulturen wie Erdbeeren, Reben, Baumschulge - hölzen, Intensivobst auf schwach wachsenden Unterlagen die Schadschwelle von 1 bis 2 Engerlingen pro m² erheblich überschritten (Tab. 1). 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 664 Tab. 1: Verlauf der Engerlings-/Maikäferdichten in ausgewählten Kaiserstuhlgemeinden Das zweite große Gebiet, in dem der Feldmaikäfer auftritt, ist der Kraichgau. Dort sind insbesondere Obstanlagen durch Engerlingsschäden betroffen (Tab. 2). Neben dem Absterben von Jungbäumen sind Ertragsausfälle und stärkere Berostungen an den Früchten in den Apfelanlagen zu beobachten. Tab. 2: Maikäferschäden, Kraichgau und Bauland (RP Karlsruhe) trotz Bekämpfungsmaßnahmen (Netze während des Maikäferfluges und Beauveria- Pilzgetreide) Neben dem Feldmaikäfer und dessen Schäden in der Landwirtschaft sowie im Wein- und Obstbau haben seit Mitte der 1980er-Jahre auch die Schadflächen in den Wäldern Baden Württembergs, die durch den Engerlingsfraß des Waldmai - käfers verursacht werden, stetig zugenommen. So lag die von den Forstbehörden in Baden-Württemberg gemeldete Schadfläche durch Engerlingsfraß vor 1985 bei kontinuierlich unter 100 ha. Großflächige Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Waldmaikäfer endeten in Baden-Württemberg Mitte der 1970er-Jahre. Seit Ende der 1990er-Jahre hat sich die Schadfläche im Wald auf fast 3.000 ha erhöht. 3. Welche Maßnahmen wurden bisher zur Reduktion von Maikäfern und aus ihnen resultierenden Schäden getroffen? Was gedenkt sie zur Bekämpfung von Maikäfern und Engerlingen zu tun, insbesondere in Bezug auf das Hauptflugjahr 2012? Zu 3.: In den beiden durch den Feldmaikäfer am stärksten betroffenen Regionen, dem Kaiserstuhl und dem Kraichgau, wurden regelmäßig folgende Bekämpfungsmaßnahmen durchgeführt: Frühjahr Engerlinge bzw. Maikäfer* / m² Leiselheim Amoltern Endingen Bahlingen Bötzingen 1999 2,6 11,8 9,0 1,9 2,2 2000 0,5 3,8 4,6 10,9 2001 3,0 9,3 2002 2,2 2,6 1,6 2003 13,0 9,0 2004 8,0 11,0 9,0 2005 9,0 8,0 2006 M* 1,4 3,1 3,2 2008 0,2 5,7 5,0 2,6 5,6 2009 M 1,2 0,5 1,0 4,2 0,7 2010 3,5 6,4 15,4 5,6 13,5 2011 1,5 2,4 3,2 Ort Fläche (ha) Schäden Horrenberg 6,0 Kernobst, Junganlagen bis 10 % Ausfall, Dielheim-Horrenberg 10,0 Kernobst, Junganlagen bis 30 % Ausfall Dielheim-Horrenberg 3,3 Spargel Katzental 20,0 Kernobst, Junganlagen bis 30 % Ausfall Tiefenbach 5,4 Kernobst, Junganlagen bis 95 % Ausfall Jöhlingen 6,0 Kernobst, Junganlagen bis 20 % Ausfall Obergrombach 1,0 3,0 Kernobst, Junganlagen bis 50 % Ausfall Weinbau, Junganlagen bis 30 % Ausfall Summe 54,7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 664 4 • partielle Käferbekämpfung am Waldrand mit Insektiziden (Kaiserstuhl) • biologische Bekämpfung der Engerlinge mit dem Engerlingspilz Beauveria brongniartii • Auslegen von Hagelschutznetzen zwischen den Baumreihen mit anschließender Insektizidbehandlung In den Befallsgebieten werden die Obstbauern und Winzer über die möglichen Maßnahmen regelmäßig durch die Fachberatung informiert (Tab. 3). Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg testet seit 2010 in Zusammenarbeit mit den Baumschulbetrieben biologische und chemische Verfahren auf ihre Praxiseignung. Zur Vorbereitung der Entscheidung über Bekämpfungsmaßnahmen im Jahr 2012, dem nächsten Hauptflugjahr des Feldmaikäfers, finden Mitte November 2011 und im kommenden Frühjahr Gespräche mit den zu beteiligenden Behörden und Verbänden statt. Dabei werden insbesondere auch die naturschutzrechtlichen Voraussetzungen intensiv geprüft. Eventuelle Maßnahmen im Jahr 2012 werden sich an dem in den vergangenen Jahren bei Feldmaikäferflügen durchgeführten Maß - nahmenpaket orientieren (Tab. 3). Tab 3.: Verfahren zur Bekämpfung des Feldmaikäfers Beim Waldmaikäfer sind derzeit noch keine Bekämpfungsmaßnahmen im Jahr 2012 geplant. Ergänzend zur Bekämpfungsstrategie gegen den Feldmaikäfer ist beim Waldmaikäfer dafür Sorge zu tragen, dass auch künftig Behandlungsoptionen im Wald aufrecht erhalten bleiben. 4. Wie haben sich in den letzten Jahren die Ausbreitungsgebiete des Maikäfers im Kaiserstuhl und in ganz Baden-Württemberg entwickelt? Zu 4.: Vorkommen mit Schäden durch den Feldmaikäfer wurden im Jahr 2011 aus sechs Regionen gemeldet. 1. Kaiserstuhl: Feldmaikäferflüge werden seit Mitte der 80er-Jahre zuerst regional eng begrenzt und seither mit zunehmender Tendenz gebietsübergreifend be - obachtet. In den nördlich angrenzenden Gemeinden Weisweil, Wyhl und Forchheim sind Baumschulkulturen und Kartoffeln, teils auch Erdbeeren stark betroffen. 2011 fand ein starker Zwischenflug statt, 2012 findet voraussichtlich ein starker Hauptflug statt. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 664 2. Regierungsbezirk Karlsruhe: Der Feldmaikäfer ist auf den Fluren mehrerer Ortschaften im Kraichgau (Jöhlingen, Dielheim, Horrenberg, Östringen, Obergrombach ) und im Bauland (Katzental) vorhanden. Geschädigt werden Baumobst , teilweise auch Erdbeeren und Reben. In 2010 fand ein Hauptflug statt. Wegen der mittlerweile relativ starken Zwischenflüge wird auch in diesen Jahren der Beauveria-Pilz ausgebracht. Von einem Golfplatz auf der Gemarkung Bruchsal wurden vor kurzem starke Schäden an der Grasnarbe gemeldet. 3. Blaubeuren-Weiler (Landkreis Ulm): Der Feldmaikäfer hat eine gemeinde - eigene Streuobstwiese besiedelt. Die Schäden durch Baumausfälle nehmen zu. In 2012 findet ein Hauptflug statt. 4. Landkreis Ravensburg: Ein Bioobstbaubetrieb hat auf mehreren Hektar zu - nehmende Schäden in Baum- und Beerenobst. 2012 ist wieder ein Feldmai - käferflugjahr. 5. Gersbach (Landkreis Lörrach): Auf einem biologisch wirtschaftenden Grünlandbetrieb mit Pferdehaltung hat der Feldmaikäfer eine Fläche von ca. 7 ha besiedelt. Auf mehreren Hektar besteht ein Totalausfall des Grünlandes. 6. Baden Airport (Baden-Baden): 2009 wurde ein auffälliger Feldmaikäferflug beobachtet. Der nächste Hauptflug findet in 2012 statt. Schäden wurden noch nicht berichtet. Die Forstverwaltung hat jedoch in der Umgebung des Flugplatzes Engerlinge des Feldmaikäfers in forstlichen Junganlagen festgestellt. Die Verbreitung des Waldmaikäfers ist in Baden-Württemberg seit den 80er-Jahren ebenfalls in kontinuierlicher Expansion begriffen. Sie hat mittlerweile fast das gesamte Lebensraumpotenzial für diese Art ausgeschöpft (Tab. 4). Schwerpunkt der Verbreitung ist die Oberrheinebene, wo vor allem die Hardtwälder betroffen sind. Tab. 4: Ausbreitung des Waldmaikäfers in der nordbadischen Oberrheinebene 2001 bis 2010 Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Jahr Größe des Befallsgebietes [ha] in % der potenziellen Habitatfläche Noch besiedelbare Habitatfläche [ha] 2001 19.500 74 6.900 2002 19.500 74 6.900 2003 19.500 74 6.900 2004 20.250 77 6.150 2005 20.500 78 5.900 2006 20.500 78 5.900 2007 21.100 80 5.300 2008 21.100 80 5.300 2009 22.200 84 4.200 2010 22.500 85 3.900 2011 25.060 95 1.340 Das Befallsgebiet sind Waldflächen, auf denen sich bereits Waldmaikäfer-Engerlinge im Boden entwickeln. Die potenzielle Habitatfläche (26.400 ha) ist die Waldfläche, die von den Bodeneigenschaften her (sandiges Substrat und tiefer Grundwasserpegel) für die Entwicklung der Engerlinge geeignet ist. Quelle: FVA- Abt. Waldschutz