Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 692 13. 10. 2011 Kleine Anfrage der Abg. Thomas Marwein, Jörg Fritz, Thomas Poreski und Muhterem Aras GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport WLAN-freie Schulen in Baden-Württemberg K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Gibt es Gesetze, Vorschriften und/oder Dienstanweisungen vom Kultusministerium , alle Schulen in Baden-Württemberg WLAN-frei zu halten? Falls nicht, wie steht das Kultusministerium dazu, die Schulen im Land zu WLAN-freien Zonen zu erklären? 2. Gibt es von Seiten des Kultusministeriums Planungen, gesetzgeberisch tätig zu werden im Hinblick auf neue Rechtsgrundlagen für die WLAN-Freiheit an Schulen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie sehen diese konkret aus? 3. Liegen dem Kultusministerium Beispiele für Schulen vor, die sich explizit zu einer WLAN-freien Schule erklärt haben? Wenn ja, um welche Schulen handelt es sich? 4. Sind dem Kultusministerium Schulen bekannt, die sich ausdrücklich gegen die WLAN-Freiheit aufgrund gesundheitlicher Schädigungen ausgesprochen haben? Wenn ja, um welche Schulen handelt es sich? 13. 10. 2011 Marwein, Fritz, Poreski, Aras GRÜNE Eingegangen: 13. 10. 2011 / Ausgegeben: 10. 11. 2011 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 692 2 B e g r ü n d u n g Immer mehr Schulen wollen WLAN-Netze einsetzen, Tendenz steigend. Dabei werden immer nur die Vorteile hervorgehoben: WLAN-Komponenten ermöglichen digital gestütztes Lernen jederzeit und von jedem Ort; über WLAN-Komponenten sind alle Endgeräte in einem Raum mit dem Netzwerk verbunden, eine Verkabelung der einzelnen Endgeräte wird dadurch überfl üssig. Aber auch die potenziellen Gefahren durch nicht-ionisierende Strahlung sind hinlänglich bekannt. Verbraucherschutzorganisationen, wie zum Beispiel Diagnose Funk, warnen seit Jahren eindringlich vor den gesundheitlichen Folgen durch nicht-ionisierende Strahlung. Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) hat in diesem Jahr hochfrequente elektromagnetische Felder als „potenziell krebserregend“ eingestuft (Gruppe 2 B). Und auch der Europarat hat im Mai ein grundsätzliches Umsteuern in der Mobilfunkpolitik gefordert. Er empfi ehlt u. a. sämtliche WLAN-Systeme in Klassenzimmern und Schulen zu verbieten (Resolution vom 27. Mai 2011, 8.3.2.). Das Vorsorgeprinzip gebietet, dass besonders Kinder und Heranwachsende vor potenziellen gesundheitlichen Risiken geschützt werden müssen. WLAN potenziert diese Risiken. Deshalb empfahl beispielsweise auch der Bayerische Landtag bereits im März 2007 den Schulen, auf WLAN zu verzichten (22. März 2007). Der dringende Handlungsbedarf begründet diese Initiative. A n t w o r t Mit Schreiben vom 31. Oktober 2011 Nr. 6534.40/247/1 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren die Kleine Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Gibt es Gesetze, Vorschriften und/oder Dienstanweisungen vom Kultusministerium alle Schulen in Baden-Württemberg WLAN-frei zu halten? Falls nicht, wie steht das Kultusministerium dazu, die Schulen im Land zu WLAN-freien Zonen zu erklären? Gesetze, Vorschriften und/oder Dienstanweisungen des Kultusministeriums, alle Schulen in Baden-Württemberg WLAN-frei zu halten, gibt es für den Geschäftsbereich des Kultusministeriums nicht. Gem. § 48 Abs. 2 Schulgesetz ist die sächliche Ausstattung der Schulen originäre Aufgabe des Schulträgers. Grundsätzlich ist die Ausstattung von Schulen für das Lernen mit Computern, also neben der Ausstattung mit PCs selbst auch die Bereitstellung der entsprechenden Anschlüsse nach der gesetzlichen Schullastenverteilung eine kommunale Aufgabe. Die Schulen entscheiden zusammen mit den Schulträgern und im Rahmen ihrer pädagogischen Verantwortung, in welchem Umfang und mit welchen Anforderungen sie Anschlüsse nutzen. Eine Entscheidung zwischen einer festen Verkabelung und einem drahtlosen Funknetz hängt von den Nutzungsbedingungen ab. Die eine Technologie kann die andere nicht ersetzen. Feste Verkabelungen gewährleisten eine hohe Bandbreite. Dies wird vor allem beim Übertragen von großen Dateien (z. B. beim Wiederherstellen von defekten Softwareinstallationen) benötigt. Internetanschluss, Schulserver und auch die fest installierten Computer in Computerräumen und Medienecken sollten alle daran angeschlossen sein. So wird dies explizit in den Multimedia-Empfehlungen für Schulen des Landes Baden-Württemberg empfohlen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 692 3 WLAN hingegen bietet die Möglichkeit, mit mobilen Endgeräten ins schulische Netzwerk zu gelangen. Dies ermöglicht sowohl das Recherchieren und Kommunizieren im Internet sowie serverseitiges Arbeiten im pädagogischen-schulischen Netz. Daraus folgt, dass die Wireless-LAN Technologie insbesondere als Erweiterung des vorhandenen schulischen Netzwerkes dient und die fl exible Einbindung von Notebooks in die Schule bzw. den Unterricht für mobiles Lernen ermöglicht. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und der derzeit bestehenden Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz sind durch WLAN bei Einhaltung der derzeitig gültigen Grenzwerte für die Spezifi sche Absorptionsrate (SAR) keine Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten. Genauso wie bei Mobilfunkantennen lässt sich aufgrund der Entfernungsabhängigkeit von der Strahlungsquelle (hier: Access-Point) ableiten, dass die individuelle Exposition für Personen, die sich im WLAN-Bereich aufhalten, primär durch das Endgerät bestimmt wird. Aber selbst dort (z. B. am Laptop oder am PC) sind die elektromagnetischen Felder so schwach, dass die gültigen Grenzwerte nur zu einem Bruchteil (weniger als 0,1 % bis max. 1,2 %) ausgeschöpft werden. Die geltenden Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) werden vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und der deutschen Strahlenschutzkommission (SSK) als ausreichend angesehen , um die Bevölkerung zuverlässig zu schützen. Unabhängig hiervon empfi ehlt das Bundesamt für Strahlenschutz, die persönliche Strahlenbelastung durch hochfrequente elektromagnetische Felder zu reduzieren, indem herkömmliche Kabelverbindungen bevorzugt eingesetzt und die Aufstellungen von zentralen WLAN-Zugangspunkten in unmittelbarer Nähe von Orten, an denen sich Personen ständig aufhalten, vermieden werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz geht davon aus, dass die geltenden Grenzwerte für die Strahlung von Mobilfunk-Geräten auch Kinder und Jugendliche schützen. Die Strahlung von WLAN-Geräten ist bei sachgerechter Auswahl und Installation um ein Vielfaches geringer. Auch aus Sicht des Kultusministeriums ist ein bewusster, eigenverantwortlicher Umgang bei der Nutzung von Handys, WLAN-Netzen oder schnurlosen Telefonen wichtig und die persönliche Strahlenexposition durch hochfrequente elektromagnetische Felder sollte so gering wie möglich gehalten werden. Letzteres kann in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten z. B. durch die bevorzugte Verwendung von herkömmlichen Kabelverbindungen erreicht werden, wenn auf den Einsatz von funkgestützten Lösungen verzichtet werden kann. Nach Auffassung des Kultusministeriums sollte die Wireless-LAN Technologie deshalb außerhalb des Schulverwaltungsnetzes primär als Erweiterung des vorhandenen schulischen Netzes dienen, wenn dies aus methodisch-didaktischen, pädagogischen oder organisatorisch-technischen Gründen sinnvoll ist. So kann beispielsweise mobiles Lernen und die fl exible Einbindung von Notebooks oder anderen mobilen Geräten in den Unterricht häufi g nur durch WLAN-Lösungen ermöglicht werden. 2. Gibt es von Seiten des Kultusministeriums Planungen, gesetzgeberisch tätig zu werden im Hinblick auf neue Rechtsgrundlagen für die WLAN-Freiheit an Schulen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie sehen diese konkret aus? Eine gesetzliche Regelung zum Verbot von WLAN ist bei der geschilderten Ausgangslage nicht erforderlich. Obwohl nach Untersuchungen die gesundheitlichen Risiken durch die Nutzung drahtloser Internet-Netzwerke als gering einzustufen sind, vertritt das Kultusministerium den Grundsatz, dass eine Strahlungsexposition wann immer möglich minimiert werden soll. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 692 4 3. Liegen dem Kultusministerium Beispiele für Schulen vor, die sich explizit zu einer WLAN-freien Schule erklärt haben? Wenn ja, um welche Schulen handelt es sich? Es wurde bisher keine Erhebung über die Ausstattung in Bezug auf kabelgebundene Netzwerke bzw. WLAN durchgeführt. Zur Beantwortung der Frage wäre eine Sondererhebung beim Schulträger erforderlich, da dieser gemäß § 48 Abs. 2 Schulgesetz für die Ausstattung mit sächlichen Mitteln zuständig ist. 4. Sind dem Kultusministerium Schulen bekannt, die sich ausdrücklich gegen die WLAN-Freiheit aufgrund gesundheitlicher Schädigungen ausgesprochen haben? Wenn ja, um welche Schulen handelt es sich? Eine stichprobenartig durchgeführte Erhebung über die Schulnetzberater hat ergeben, dass sich das Gymnasium Spaichingen gegen eine Versorgung mit WLAN ausgesprochen hat. Sofern einzelne Lehrkräfte sich durch nicht-ionisierte Strahlungen gesundheitlich beeinträchtigt fühlen, können diese sich an die unter Vertrag stehenden überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienste wenden. Über der Anzahl der diesbezüglichen Beratungen liegen dem Kultusministerium keine Informationen vor. In Vertretung Dr. Mentrup Staatssekretär