Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7237 29. 07. 2015 1Eingegangen: 29. 07. 2015 / Ausgegeben: 02. 09. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Ist es nach ihrer Kenntnis zutreffend, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nur dann einen Antrag auf Asyl bearbeitet, wenn dem Bundesamt die Gesundheitsuntersuchung mit Ergebnis und Diagnose vorliegt? 2. Sofern diese Regelung zwischenzeitlich geändert wurde – wie viele Asylan - träge wurden wegen fehlender Gesundheitsuntersuchung zurückgewiesen und trifft es zu, dass die Antragsdauer auf Asyl in Einzelfällen bis zu zwölf Monate dauert? 3. Wie hoch ist die Zahl der Asylbewerber, die schon in Stadt- und Landkreisen untergebracht sind, obwohl noch gar kein Antrag auf Asyl gestellt werden konnte? 4. Inwieweit ist es zutreffend, dass die Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Karlsruhe für 1.000 Flüchtlinge ausgelegt ist, aber die Zahl der Asylbewerber, die derzeit vor Ort sind, auf 6.000 angestiegen ist? 5. Welche Maßnahmen wurden seitens der Landesregierung hinsichtlich Personal und Unterbringungssituation bisher unternommen, um der großen Anzahl an Personen vor Ort in Karlsruhe gerecht zu werden bzw. um die katastrophalen Zustände vor Ort zu beseitigen? 6. Inwieweit erfolgt die Weitergabe von Gesundheitsdaten in den LEAs unter Berücksichtigung des entsprechenden Datenschutzes (mit Angabe, welche gesetzlichen Grundlagen das Verwaltungshandeln begründen bzw. inwieweit der Landesbeauftragte für den Datenschutz darüber informiert wurde)? 7. Welche Maßnahmen zur Einhaltung des Datenschutzes im Rahmen des Asylverfahrens bzw. im Rahmen der Gesundheitsprüfungen hat sie bisher ergriffen? Kleine Anfrage des Abg. Joachim Kößler CDU und Antwort des Ministeriums für Integration Asylverfahren – Zustände in den Landeserstaufnahmestellen und Umgang mit Datenschutz Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7237 2 8. Inwieweit stimmt sie der Aussage zu, dass es bereits gravierende Gesetzesverstöße im Rahmen des Datenschutzes gab (mit Angabe, welcher Verantwortungsbereich hiervon betroffen ist)? 28. 07. 2015 Kößler CDU A n t w o r t Mit Schreiben vom 20. August 2015 Nr. 2-0141.5/15/7237 beantwortet das Minis - terium für Integration im Einvernehmen mit dem Sozialministerium und dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Ist es nach ihrer Kenntnis zutreffend, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nur dann einen Antrag auf Asyl bearbeitet, wenn dem Bundesamt die Gesundheitsuntersuchung mit Ergebnis und Diagnose vorliegt? 2. Sofern diese Regelung zwischenzeitlich geändert wurde – wie viele Asylanträge wurden wegen fehlender Gesundheitsuntersuchung zurückgewiesen und trifft es zu, dass die Antragsdauer auf Asyl in Einzelfällen bis zu zwölf Monate dauert ? Zu 1. und 2: Nach der Ankunft von Asylsuchenden sind nach dem Asylverfahrensgesetz mehrere Verfahrensschritte (Registrierung, erkennungsdienstliche Behandlung, Gesundheitsuntersuchung , Asylantragstellung und Anhörung beim BAMF) vorge - sehen. Die Landeserstaufnahmeeinrichtungen stellen den Asylsuchenden bei der Registrierung eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) aus, auf deren Rückseite die Erledigung dieser Verfahrensschritte einzutragen und abzuarbeiten ist. Die Gesundheitsuntersuchung durch das Gesundheitsamt erfolgt in zwei Schritten : Zunächst eine Inaugenscheinnahme und anschließend eine Röntgenunter - suchung für alle Personen ab Vollendung des 15. Lebensjahres mit Ausnahme von Schwangeren mit dem Ziel, das Vorliegen einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose ausschließen zu können (§ 36 Absatz 4 Satz 2 Infektionsschutzgesetz ). Erst nach Vorliegen des Befundes der Röntgenuntersuchung wird das Gesundheitszeugnis erstellt und an die Landeserstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet . Ebenso wird auf der BüMA vom Gesundheitsamt vermerkt, dass die Gesundheitsuntersuchung erfolgt ist. Im Anschluss daran kann bei der persönlichen Asylantragstellung beim Bundesamt anhand der BüMA nachvollzogen werden, ob die Gesundheitsuntersuchung bereits erfolgt ist. Eine Übermittlung des Gesundheitszeugnisses findet nicht statt; in der Vergangenheit zeitweilig – mit schriftlichem Einverständnis der Betroffenen – erfolgte Übermittlungen an das BAMF wurden im Einvernehmen der beteiligten Behörden bereits im Frühjahr 2015 eingestellt. In wie vielen Fällen ausstehende bzw. versäumte Gesundheitsuntersuchungen zu einer verzögerten Asylantragstellung geführt haben, lässt sich zahlenmäßig nicht nachvollziehen. Im Ergebnis ist keine Asylantragstellung am Fehlen der gesetzlich vorgesehenen Gesundheitsuntersuchung gescheitert. Ungeachtet dessen mussten und müssen aufgrund der hohen Zugangszahlen von Asylsuchenden und nicht ausreichender Bearbeitungskapazitäten beim BAMF seit Herbst 2014 Asylsuchende ohne vorherige Asylantragstellung in die Stadtund Landkreise verlegt werden. Die Regierungspräsidien koordinieren mit dem BAMF sukzessive auch für diese Fälle die noch ausstehende Asylantragstellung. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7237 Dadurch kann es in Einzelfällen auch zu überdurchschnittlich langen Wartezeiten bis zur Asylantragstellung kommen. 3. Wie hoch ist die Zahl der Asylbewerber, die schon in Stadt- und Landkreisen untergebracht sind, obwohl noch gar kein Antrag auf Asyl gestellt werden konnte? Zu 3.: Aufgrund der weiterhin überproportional steigenden Zugangszahlen in BadenWürttemberg (derzeit ca. 500 bis 600 Asylsuchende pro Tag) und nicht aus - reichender Bearbeitungskapazitäten beim BAMF müssen Asylsuchende zum Teil auch ohne Antragstellung in die Kreise verlegt werden. Die Gesamtzahl der sich in den Kreisen befindlichen Asylsuchenden ohne Asylantragstellung beläuft sich derzeit (Stand: 10. August 2015) auf 10.830. 4. Inwieweit ist es zutreffend, dass die Landerstaufnahmestelle (LEA) in Karlsruhe für 1.000 Flüchtlinge ausgelegt ist, aber die Zahl der Asylbewerber, die derzeit vor Ort sind, auf 6.000 angestiegen ist? Zu 4.: Die Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe verfügt im Stadtgebiet derzeit (Stand: 10. August 2015) über insgesamt ca. 3.100 Unterbringungsplätze, welche sich auf zwei Hauptstandorte in der Durlacher Allee 100 und Felsstraße 2–4, sieben weitere Außenstellen sowie eine Notunterkunft verteilen. Darüber hinaus betreibt das Regierungspräsidium Karlsruhe noch weitere Außenstellen, Bedarfsabhängige Erstaufnahmeeinrichtungen (BEA) sowie Notunterkünfte außerhalb des Stadtgebiets an den Standorten Heidelberg, Mannheim, Bruchsal und Philippsburg -Huttenheim mit insgesamt ca. 3.800 Unterbringungsplätzen. Alle Kapazitäten sind derzeit ausgelastet. Grund für den großen Umfang von Unterbringungskapazitäten sowie deren Auslastung sind die immer weiter überdurchschnittlich steigenden Zugänge von Asylsuchenden in Baden-Württemberg. Hatte Baden-Württemberg im gesamten Jahr 2011 5.262 Erstantragsteller aufzunehmen, ist beruhend auf der Prognose des BAMF von Mai 2015 von einem Landeszugang von mindestens 52.000 Erst - antragstellern und bis zu 7.000 Folgeantragstellern auszugehen. Allein in den Monaten Juni und Juli dieses Jahres kamen so viele Asylsuchende nach Baden-Württemberg wie im gesamten Jahr 2013. 5. Welche Maßnahmen wurden seitens der Landesregierung hinsichtlich Personal und Unterbringungssituation bisher unternommen, um der großen Anzahl an Personen vor Ort in Karlsruhe gerecht zu werden bzw. um die katastrophalen Zustände vor Ort zu beseitigen? Zu 5.: Die Erstaufnahme von Asylsuchenden in Baden-Württemberg wurde durch Rechtsänderungen im Frühjahr 2015 dezentralisiert, sodass nunmehr alle Regierungspräsidien zuständig sind. Dadurch wird eine dezentrale Verteilung der laufenden Zugänge auf Standorte in Meßstetten, Ellwangen und Mannheim ermöglicht . Weitere Standorte für Erstaufnahmeeinrichtungen sind in Wertheim, Freiburg und Schwäbisch Hall bereits in Vorbereitung oder Planung. Zur Überbrückung werden mehrere Bedarfsabhängige Erstaufnahmeeinrichtungen unter anderem an den Standorten Heidelberg, Mannheim, Tübingen, Freiburg und Sigmaringen betrieben bzw. eingerichtet. Die Erstaufnahmeplätze wurden seit 2012 bereits verzehnfacht – von 900 auf mehr als 9.000 Plätze. Bis Ende 2015 werden die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen um weitere 5.700 Plätze erhöht. Im nächsten Jahr kommen mindes - tens 5.000 weitere Plätze hinzu. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7237 4 Zur Bewältigung des gestiegenen Flüchtlingszugangs wurden im Rahmen der Verabschiedung des Staatshaushaltsplans 2015/2016 und dem entsprechenden ersten Nachtrag unter anderem 117 Stellen bzw. Beschäftigungsmöglichkeiten im Einzelplan des Innenministeriums für den Bereich Asylrecht, Rückführung und Ausweisung sowie für die Aufnahmeverwaltung in den Landeserstaufnahmestellen des Landes bei den Regierungspräsidien neu geschaffen. Im Übrigen wird auch auf die Stellungnahmen des Integrationsministeriums vom 26. März 2015 zum Antrag der Abgeordneten Dr. Bernhard Lasotta u. a. CDU „Kritik an den Zuständen in der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Karlsruhe“ (Drs. 15/6578) und vom 23. April 2015 zum Antrag der Abgeordneten Dr. Bernhard Lasotta u. a. CDU „Neuorganisation der Zuständigkeiten bei Erstaufnahme von Flüchtlingen bei den Regierungspräsidien“ (Drs. 15/6700) verwiesen . 6. Inwieweit erfolgt die Weitergabe von Gesundheitsdaten in den LEAs unter Berücksichtigung des entsprechenden Datenschutzes (mit Angabe, welche gesetzlichen Grundlagen das Verwaltungshandeln begründen bzw. inwieweit der Landesbeauftragte für den Datenschutz darüber informiert wurde)? 7. Welche Maßnahmen zur Einhaltung des Datenschutzes im Rahmen des Asylverfahrens bzw. im Rahmen der Gesundheitsprüfungen hat sie bisher ergriffen? 8. Inwieweit stimmt sie der Aussage zu, dass es bereits gravierende Gesetzesverstöße im Rahmen des Datenschutzes gab (mit Angabe, welcher Verantwortungsbereich hiervon betroffen ist)? Zu 6. bis 8.: Nach § 62 Absatz 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) sind Ausländer, die in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen haben , verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten einschließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane zu dulden. Das Ergebnis der Untersuchung ist der für die Unterbringung zuständigen Behörde mitzuteilen (vgl. § 62 Absatz 2 AsylVfG). Dementsprechend erhalten nur die Landeserstaufnahmeeinrichtungen sowie die für die vorläufige Unterbringung in den Kreisen zuständigen Behörden (Landratsämter bzw. Bürgermeisterämter) das nach der Inaugenscheinnahme und Röntgenuntersuchung erstellte Gesundheitszeugnis. Im vergangenen Jahr äußerte die Außenstelle des BAMF in Karlsruhe gegenüber dem Regierungspräsidium Karlsruhe dringenden Informationsbedarf dahingehend, dass ihr ein inhaltlicher Hinweis über das Ergebnis der Gesundheitsuntersuchung vor einer persönlichen Asylantragstellung gegeben werden soll. Begründet wurde dies mit dem Schutz der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF, die mit den Asylsuchenden während der (persönlichen) Asylantragstellung und Anhörungen Kontakt haben. Daraufhin fanden auf verschiedenen Ebenen Prüfungen der datenschutzrecht - lichen Rechtslage statt, die im Ergebnis dazu führten, dass eine Übermittlung des Gesundheitszeugnisses oder von Elementen daraus an das BAMF ohne umfassende Kenntnis und Einwilligung der Betroffenen nicht mit den datenschutzrecht - lichen Bestimmungen vereinbar ist. Aber auch die eingeholten Einverständniserklärungen boten nach Auffassung des Sozialministeriums und des Integrations - ministeriums im Hinblick auf die faktisch eingeschränkten Möglichkeiten einer umfassenden Information der Betroffenen keine zweifelsfreie datenschutzrecht - liche Verlässlichkeit. Daher wurden derartige Datenübermittlungen an das BAMF im Frühjahr 2015 unter Hinweis auf die Ergebnisse der datenschutzrechtlichen Überprüfung endgültig eingestellt. Eine gesonderte Einbeziehung des Landes - beauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg erfolgte durch das Integrationsministerium sowie das Sozialministerium nicht. Öney Ministerin für Integration