Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7295 11. 08. 2015 1Eingegangen: 11. 08. 2015 / Ausgegeben: 16. 09. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Auswirkungen hat die anhaltende Trockenheit derzeit auf die Situation der Landwirtschaft in Baden-Württemberg? 2. Welche Regionen Baden-Württembergs und welche landwirtschaftlichen Kulturen sowie Sonderkulturen sind aktuell besonders von Trockenschäden betroffen (bei den Regionen jeweils mit Angabe der Entwicklungen des durchschnittlichen Niederschlags seit Jahresbeginn)? 3. Inwieweit zeichnet sich ab, dass infolge der Trockenschäden in bestimmten Ge - bieten Baden-Württembergs die Schadensschwelle überschritten werden könnte , die laut EU-Kommission erforderlich ist, um extreme Witterungsereignisse Naturkatastrophen gleichzustellen und somit eine beihilferechtliche Grundlage für Hilfsmaßnahmen zu schaffen? 4. Inwieweit ist bereits eine Reaktion der Futtermittelpreise auf die anhaltende Trockenheit in Mitteleuropa zu verzeichnen? 5. Welche Erkenntnisse hat sie über drohende bzw. bereits zu verzeichnende betriebliche Liquiditätsengpässe infolge der aktuellen Trockenschäden? 6. Welche rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten hat sie hinsichtlich einer ausnahmsweisen Freigabe des Aufwuchses auf ökologischen Vorrangflächen zur Schnittnutzung oder Beweidung? 7. Wo und in welchem Umfang sind entsprechende Ausnahmeregelungen in Baden -Württemberg aktuell bereits in Kraft gesetzt worden? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Trockenschäden in der Landwirtschaft Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7295 2 8. Welche Gründe stehen einer flächendeckenden Freigabe des Aufwuchses auf ökologischen Vorrangflächen zur Schnittnutzung oder Beweidung entgegen? 9. Welche weiteren Maßnahmen plant sie zur Entlastung von von extremen Trockenschäden betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben und gegebenenfalls zur Überbrückung betrieblicher Liquiditätsengpässe? 10. Inwieweit ist sie vor dem Hintergrund der extremen Trockenheit bereit dazu, den einstimmigen Beschluss des Landtags über eine Bundesratsinitiative Baden -Württembergs für eine steuerfreie betriebliche Risikoausgleichsrücklage für land- und forstwirtschaftliche Betriebe vom 30. April 2014 umzusetzen? 11. 08. 2015 Dr. Bullinger FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. September 2015 Nr. Z(27)-0141.5/567 F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Auswirkungen hat die anhaltende Trockenheit derzeit auf die Situation der Landwirtschaft in Baden-Württemberg? Zu 1.: Die hohen Temperaturen und die anhaltende Trockenheit in diesem Sommer haben die baden-württembergische Landwirtschaft vor große Herausforderungen gestellt . Durch Hitze und Wassermangel reduziertes Pflanzenwachstum führte in vielen Kulturen zu Ertragseinbußen, in einzelnen Fällen bis hin zu totalen Ernte - ausfällen (vgl. Ziffer 2). Daneben sind insbesondere an Gemüse- und Obstkulturen hitzebedingte Qualitätsmängel festzustellen. Gleichzeitig stiegen die Produktionskosten bei Bewässerung der Kulturen deutlich an. Besonders betroffen von der Trockenheit sind Viehhaltungsbetriebe mit Futterbau . Neben möglichen Leistungsdepressionen bei den Tieren durch die extreme Hitze sind bei diesen Betrieben insbesondere die Ertrags- und Qualitätseinbußen bei Grünland, Ackerfutter und Silomais und die hieraus resultierende Futterknappheit problematisch. Engpässe in der Futterversorgung können zum Teil nur durch die Verfütterung von auf den Betrieben vorhandenen Futtervorräten (Winterfutter ) ausgeglichen werden. In Verbindung mit einer trockenheitsbedingt geringeren Winterfutterernte kann dies auf einzelbetrieblicher Ebene zu einer Verschärfung der Futtersituation während der nächsten Winterfutterperiode beitragen und gegebenenfalls Futterzukäufe erforderlich machen. Auch die Veredelungsbetriebe sind von den trockenheitsbedingten Ertragseinbußen im Ackerbau betroffen und müssen gegebenenfalls Futter zukaufen. Erschwerend kommt in dieser Situation hinzu, dass die Erzeugerpreise auf wichtigen landwirtschaftlichen Produktmärkten (z. B. Milch, Fleisch) derzeit sehr niedrig sind und in vielen Fällen keine kostendeckende Produktion möglich ist. Die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe müssen daher finanzielle Einbußen hinnehmen . 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7295 2. Welche Regionen Baden-Württembergs und welche landwirtschaftlichen Kulturen sowie Sonderkulturen sind aktuell besonders von Trockenschäden betroffen (bei den Regionen jeweils mit Angabe der Entwicklungen des durchschnittlichen Niederschlags seit Jahresbeginn)? Zu 2.: Durch die extreme Trockenheit und Hitze der letzten Wochen ist davon auszugehen , dass die landwirtschaftliche Erzeugung in ganz Baden-Württemberg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Insbesondere im Juli ist landesweit ein extremes Niederschlagsdefizit im Vergleich zu Jahren mit normalem Witterungsverlauf zu verzeichnen. Dieses Defizit hat in Verbindung mit den lang anhaltenden außergewöhnlich hohen Temperaturen von tagsüber deutlich über 30 °C bis knapp 40 °C die Entwicklung und das Wachstum der meisten Pflanzen in negativer Weise erheblich beeinflusst. Feststellbare Unterschiede in der Betroffenheit einzelner Regionen sind insbesondere darauf zurückzuführen, dass in einigen Landesteilen auch im Mai und Juni ein deutliches Niederschlagsdefizit im Vergleich zu den üblichen Regenmengen der Vorjahre bestand und bereits dadurch trockenheitsbedingte Nachteile für die angebauten Pflanzen gegeben waren. Hierzu zählen insbesondere die Regionen Main-Tauber, Nordbaden, Mittlerer Neckar sowie Teile von Hohenlohe-Franken und der Rheinebene. Dort dürften die Auswirkungen der lang anhaltenden, trocken-heißen Witterung auf Produktmenge und -qualität daher landesweit am extremsten ausfallen. Bei Betrachtung der wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen ist davon auszugehen , dass die im späten Frühjahr ausgesäten Sommerkulturen wie Mais, Zucker - rüben, Sojabohnen und nicht beregnete Spätkartoffeln stark von der Trockenheit und Hitze betroffen sein werden. Diese eigentlich wärmeliebenden Pflanzenarten wurden durch den extremen Wassermangel und wochenlange Hitze in entscheidenden Phasen ihrer Entwicklung massiv beeinträchtigt. Daher ist bei diesen Kulturen im Vergleich zu Normaljahren je nach Standort und Region mit deutlichen Ertragseinbußen zu rechnen. Nur an den Standorten an denen Beregnungs- und Bewässerungsmöglichkeiten bestehen, ist kaum mit Ertragseinbußen zu rechnen. Dies ist bei den landwirtschaftlichen Kulturen im Gegensatz zu gartenbaulichen Kulturen jedoch nur in Ausnahmefällen üblich (z. B. bei Kartoffel- und Saatmaiserzeugern ) und ist zudem mit deutlich höheren Kosten verbunden. Bei Mais macht sich die trocken-heiße Witterung landesweit insbesondere auch durch eine mangelhafte Kolbenbildung bemerkbar, die entscheidend ist hinsichtlich Ertrag und Qualität sowohl in der Silomais- als auch in der Körnermaiserzeugung . Neben rindviehhaltenden Futterbaubetrieben sowie Biogasbetrieben sind daher vor allem auch Betriebe mit Schwerpunkt Körnermais von den trockenheißen Bedingungen stark betroffen. Besonders stark betroffen von der Trockenheit sind auch die Folgeaufwüchse von Grünland und Ackerfutterkulturen nach der 1. Schnittnutzung. Hier reicht die Spanne von einem deutlich verminderten Ernteertrag bis hin zum Totalausfall eines kompletten Silage- oder Dürrfutterschnittes in einzelnen Fällen. In Gegenden mit früh auftretender Trockenheit war bereits der 2. Schnitt erheblich im Ertrag beeinträchtigt. In anderen Landesteilen konnte zwar noch ein durchschnittlicher 2. Schnitt geerntet werden, der 3. Schnitt brachte trockenheitsbedingt jedoch nur noch relativ geringe Erträge und erfüllte oft auch nicht mehr die Ansprüche an die notwendige Futterqualität. Das für Grünland und Futterbau zuständige Bildungs - und Wissenszentrum LAZBW Aulendorf rechnet beim Grünlandertrag insgesamt mit Ausfällen in Höhe von etwa 20 bis 35 Prozent bezogen auf die Situation Anfang August. Es bleibt abzuwarten, inwieweit noch einsetzende Niederschläge zur Entspannung der Futtersituation beitragen können. Für eine ab - schließende Bewertung der Futterernte ist es jedoch noch zu früh. Die dritte Gruppe der stark von der Trockenheit und Hitze betroffenen Kulturen sind Zweit- und Zwischenfrüchte, die in vielen Betrieben nach der Ernte einer Hauptfrucht nicht nur zur Begrünung, sondern auch für die Grundfutter- oder Substratversorgung angebaut werden. Diese Pflanzenarten, die häufig auch in Mischungen bestellt werden, ließen sich im bisherigen Sommer, wenn überhaupt, Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7295 4 nur bei sehr frühen Saatterminen, d. h. nach früh räumenden Hauptfrüchten wie z. B. Wintergerste, etablieren. Bei späterer Aussaat war eine für die Keimung ausreichende Bodenfeuchte oft nicht mehr vorhanden, sodass auf vielen Flächen bislang keine Bestände auflaufen konnten. Auch wenn sich bei einsetzenden Niederschlägen noch beerntbare Futterbestände bilden, dürfte der in Normaljahren erzielbare Ertrag in den meisten Fällen nicht erreicht werden. Insgesamt weniger stark betroffen sind dagegen sowohl die bereits im vergangenen Herbst ausgesäten Winterkulturen, zu denen die Winterformen der Getreidearten Weizen, Gerste, Roggen, Triticale und Dinkel sowie die Ölfrucht Raps gehören, als auch die bereits im zeitigen Frühjahr bestellten Sommerkulturen, wie die Sommerformen der Getreidearten Gerste und Hafer sowie Frühkartoffeln. Aufgrund des früheren Erntetermins im Vergleich zu den o. g. späten Sommer - kulturen konnte der ab Juli dann in allen Landesteilen ausgedehnte Hitze- und Trockenstress diesen Pflanzenarten nicht mehr so viel anhaben. Wobei hier auch regional Unterschiede bestehen. In Abhängigkeit von der Kultur und der Region sind auch im Bereich der Sonderkulturen Ertragsdepressionen und Hitzeschäden durch die Trockenheit festzustellen . In Gemüsebaukulturen, in denen bewässert werden kann, sind nur geringfügige Ertragseinbußen zu verzeichnen. Allerdings steigen die Produktionskosten infolge der intensiveren Bewässerung deutlich. Bei verschiedenen Gemüsearten (z. B. Salat) und Obstbaukulturen treten aufgrund der starken Sonneneinstrahlung zum Teil Schäden durch Sonnenbrand auf, die eine Vermarktung beeinträchtigen bzw. unmöglich machen. Die Ernteschätzung für den Kernobstbereich fällt im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringer aus, wobei 2014 eine überdurchschnittlich hohe Erntemenge erzielt wurde. Im Apfelanbau wird eine Erntemenge von 275 Mio. Kilogramm erwartet (langjähriges Mittel 2009/2014: 296 Mio. Kilogramm Äpfel). Auch bei den Pflaumen und Zwetschgen wird eine unterdurchschnittliche Erntemenge von 17,2 Mio. Kilogramm prognostiziert (langjähriges Mittel 2009/2014: 19,4 Mio. Kilogramm). Als Ursachen sind ungünstiger Blühverlauf (Regen, vereinzelt Frost), gebietsweise Hagel, aber auch die ausgeprägte Trockenheit zu sehen. Der Wassermangel führt zu deutlich kleineren Äpfeln. Im Streuobstbereich ist teilweise bereits eine Notreife und ein sehr starker Vorerntefruchtfall zu beobachten. Die Abweichungen der Niederschläge gegenüber dem langjährigen Mittel sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Im Vergleich zu anderen Regionen wurde die Obstregion Bodensee noch relativ gut mit Niederschlägen versorgt. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7295 Tabelle1: Niederschläge in den Obstregionen Baden-Württembergs (in mm) Quelle: www.wetter-bw.de Die Bodenwasserreserven in den Weinbergsböden waren aufgrund ausreichender Winterniederschläge von Dezember 2014 bis Februar 2015 gut gefüllt. In der Zeit von Februar bis Mitte August war in den meisten Weinbaustandorten ein starkes Niederschlagsdefizit festzustellen. Lediglich in Teilen des Weinbaubereichs Bodensee wurden im Zeitraum Februar bis August Niederschläge erreicht, die mit den Werten des langjährigen Mittels vergleichbar sind. Die badischen Weinbaubereiche zwischen Basel und Karlsruhe haben im Juni annähernd die Niederschläge des langjährigen Durchschnitts erreicht. In den badischen Weinbaubereichen Kraichgau, badische Bergstraße und Tauberfranken und im Anbaugebiet Württemberg blieben diese Niederschläge allerdings aus. Hier sind die Wasserreserven auch auf tiefgründigeren Standorten schon seit geraumer Zeit erschöpft, sodass hier aufgrund der Trockenheit mit Ertragseinbußen gerechnet werden muss. Für die Anbaugebiete Baden und Württemberg gilt, dass Junganlagen mit einem noch nicht tief genug greifenden Wurzelsystem und Anlagen auf flachgründigen Stand - orten erheblich unter der Wasserknappheit leiden. Die witterungsbedingten Ertragseinbußen betragen im Anbaugebiet Württemberg, Kraichgau und Tauberfranken schätzungsweise zehn bis zwanzig Prozent, in Mittel- und Südbaden voraussichtlich zwischen fünf und zehn Prozent. 3. Inwieweit zeichnet sich ab, dass infolge der Trockenschäden in bestimmten Gebieten Baden-Württembergs die Schadensschwelle überschritten werden könnte , die laut EU-Kommission erforderlich ist, um extreme Witterungsereignisse Naturkatastrophen gleichzustellen und somit eine beihilferechtliche Grundlage für Hilfsmaßnahmen zu schaffen? Zu 3.: Eine der Voraussetzungen für eine beihilfrechtlich zulässige Gewährung eines finanziellen Ausgleichs für Schäden in Folge einer Dürre wäre die Einstufung des Schadereignisses als außergewöhnliches Naturereignis. Die extreme Trockenheit und Hitze der letzten Wochen hat in vielen landwirtschaftlichen Unternehmen zu erheblichen Ertragsausfällen und wirtschaftlichen Einbußen geführt, wobei regional und zwischen den Kulturarten sowie von Betrieb zu Betrieb große Unterschiede festzustellen sind. Obstregion Bodensee Obstregion Rheintal Obstregion Mittlerer Neckar Ost Mitte West Nord Mitte Süd West Mitte Ost Monat / Station Oberdorf Ailingen Wahlwies Augustenberg Eckartsweier Freiburg Kirchheim Heuchlingen Fellbach Jan. 91,2 79,2 61,7 90,0 85,4 98,9 89,8 92,9 78,2 Febr. 31,1 26,4 16,7 20,4 28,8 53,2 18,0 12,4 14,9 März 59,8 48,7 28,4 52,6 24,2 30,4 24,1 47,3 18,4 April 103,1 84,6 55,2 42,0 61,1 101 127,8 25,9 26,2 Mai 179,3 135,6 139,0 42,0 56,1 133,1 33,7 24,4 71,0 Juni 119,4 145,3 68,0 62,3 47,0 99,4 66,0 54,5 57,1 Juli 63,5 31,0 21,2 49,3 22,4 46,0 72,7 16,1 11,2 Summe 647,4 550,8 390,2 358,6 325,0 562,0 432,1 273,5 277,0 Mittel bis Juli (1961–1990) 662,0 601,6 475,8 460,6 526,3 559,0 430,4 463,2 477,0 Abweichung –14,6 –50,8 –85,6 –102,0 –201,3 +3,0 +1,7 –189,7 –200,0 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7295 6 Auch wenn in Einzelfällen die Mindestschadensschwelle von 30 Prozent bei einzelnen Kulturen überschritten sein könnte, sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Sicht der Landesregierung die rechtlichen und faktischen Voraussetzungen zur Festlegung von Zuwendungen entsprechend der Nationalen Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse verursachte Schäden in der Landwirtschaft für trockenheitsgeschädigte landwirtschaftliche Betriebe nicht gegeben. Vor allem in der Mitte und im Osten Deutschlands war in diesem Sommer das Niederschlagsdefizit hoch. Dennoch sind der Landesregierung derzeit keine Initiativen anderer Bundesländer bekannt, nach der Nationalen Rahmenrichtlinie finanziellen Ausgleich für durch Trockenheit bedingte Schäden zu gewähren. Auch seitens des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sind derzeit keine Aktivitäten bekannt. 4. Inwieweit ist bereits eine Reaktion der Futtermittelpreise auf die anhaltende Trockenheit in Mitteleuropa zu verzeichnen? Zu 4.: Die Trockenschäden in den Gebieten Baden-Württembergs haben auf die Preise im Getreide- und Ölsaatenbereich bisher wenig Einfluss, da für die Preisbildung die globalen Rahmenbedingungen maßgeblich sind. Die Getreide-, Raps- und Sojapreise gaben aufgrund der komfortablen globalen Versorgungssituation seit der Ernte nach. Für Heu liegt die Notierung an der Stuttgarter Börse mit aktuell 10,75 €/dt auf dem Niveau der letzten 3 Jahre. In den Jahren 2003 und 2011, die ebenfalls durch Trockenheit gekennzeichnet waren, stieg die Notierung im Winter in der Spitze auf 17 bis 18 €/dt an. Aktuelle Preiserhebungen auf Bundesebene zeigen mit Ausnahme der gut mit Futter versorgten Küstenregion und des Alpenrandes ansteigende Preistendenzen. 5. Welche Erkenntnisse hat sie über drohende bzw. bereits zu verzeichnende betriebliche Liquiditätsengpässe infolge der aktuellen Trockenschäden? Zu 5.: Das laufende Jahr ist unter den aktuellen Bedingungen auch in Bezug auf die Liquidität der landwirtschaftlichen Betriebe als schwierig einzustufen. Zu den trockenheitsbedingten Ertragsausfällen kommen erschwerend noch weitere Faktoren hinzu: Der Milchpreis und die Fleischpreise sind seit Monaten extrem niedrig und es gibt keine Anzeichen für eine baldige Besserung. Gleichzeitig ist jedoch trockenheitsbedingt von erhöhten Produktionskosten für notwendigen Futterzukauf , Nachsaat oder Bewässerung auszugehen. Die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe müssen daher in diesem Jahr finanzielle Einbußen hinnehmen und gegebenenfalls zur Liquiditätssicherung auf betriebliche Rücklagen zurückgreifen . Zur Überbrückung betrieblicher Liquiditätsengpässe hat die Landesregierung verschiedene Maßnahmen ergriffen (vgl. Ziffer 9). 6. Welche rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten hat sie hinsichtlich einer ausnahmsweisen Freigabe des Aufwuchses auf ökologischen Vorrangflächen zur Schnittnutzung oder Beweidung? Zu 6.: Die Landesregierung hat sich im Rahmen des Bundesratsverfahrens zur Änderung der Direktzahlungen-Durchführungsverordnung am 10. Juli 2015 dafür ausgesprochen , die Möglichkeit der Futternutzung von Bracheflächen, die als ökologische Vorrangflächen (ÖVF) für das Greening bei den Direktzahlungen angemeldet wurden, aufgrund außergewöhnlicher Umstände, insbesondere ungünstiger Witterungsbedingungen, zu schaffen. 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7295 Sofern ein außergewöhnlicher Umstand in der Region oder in Teilen der Region vorliegt, kann das Bundesland die Futternutzung in diesen Gebieten allgemein oder im Einzelfall ab dem 1. Juli des jeweiligen Jahres freigeben. Die Beweidung von ÖVF-Bracheflächen ist regulär ab 1. August, allerdings nur durch Schafe und Ziegen, zulässig. Diese Öffnung wurde im Rahmen der Anpassung der nationalen Rechtslage bereits Anfang Mai 2015 geschaffen. 7. Wo und in welchem Umfang sind entsprechende Ausnahmeregelungen in Baden -Württemberg aktuell bereits in Kraft gesetzt worden? 8. Welche Gründe stehen einer flächendeckenden Freigabe des Aufwuchses auf ökologischen Vorrangflächen zur Schnittnutzung oder Beweidung entgegen? Zu 7. und 8.: Baden-Württemberg hat bereits während des Bundesratsverfahrens die Niederschlagssituation in den einzelnen Landkreisen geprüft. Unmittelbar nach der Schaffung der rechtlichen Möglichkeit, die Freigabe der als ökologische Vorrangflächen angemeldeter Bracheflächen für Futterzwecke vor dem Hintergrund der Niederschlagssituation zu erlauben, wurde durch das Land Entsprechendes in die Wege geleitet. Eine sehr ungünstige Witterungssituation – im Vergleich zu vorausgehenden Jahren – konnte zu diesem Zeitpunkt für den Main-Tauber-Kreis festgestellt werden. Dort fielen im dreimonatigen Vergleichszeitraum Mai/Juli des aktuellen Jahres weniger als 50 Prozent der Niederschläge gegenüber den dreijährigen durchschnittlichen Niederschlägen. Daher gab das MLR ab dem 17. Juli zunächst die ÖVF-Bracheflächen zur Futternutzung für den gesamten besonders stark betroffenen Main-Tauber-Kreis auf Grundlage einer Allgemeinverfügung frei. Aufgrund der fortgesetzten Trockenheit und Hitze im weiteren Verlauf des Juli und August und der Ausweitung der negativen Auswirkungen auf die Futtererzeugung in weiteren Landesteilen ließ das MLR die Futternutzung von ÖVF-Bracheflächen dann ab Mitte August im Rahmen der möglichen Ausnahmeregelung landesweit zu. Die Futternutzung durch Schafe und Ziegen ist bereits regulär ab 1. August auf ÖVF-Bracheflächen möglich. Ökobetriebe mit Futterknappheit können einen Ausnahmeantrag zur Verfütterung von konventionellem Futter stellen , falls nicht ausreichend ökologisch erzeugtes Raufutter vorhanden ist. 9. Welche weiteren Maßnahmen plant sie zur Entlastung von extremen Trockenschäden betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben und gegebenenfalls zur Überbrückung betrieblicher Liquiditätsengpässe? Zu 9.: Angesichts der anhaltenden Trockenheit sowie der aktuellen Preismisere auf dem Milch- und Fleischmarkt hat die Landesregierung zur Überbrückung betrieblicher Liquiditätsengpässe folgende Unterstützungsmaßnahmen aufgelegt bzw. initiiert: – Steuerliche Erleichterungen Herr Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Nils Schmid MdL hat die Finanz - ämter anweisen lassen, den von Trockenheit und Hitze betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben auf Antrag durch steuerliche Maßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten entgegenzukommen. Im Einzelnen umfassen die steuerlichen Hilfsmaßnahmen insbesondere eine erleichterte zinslose Stundung von bereits fälligen Steuerforderungen sowie die Anpassung der Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer oder in begründeten Fällen auch einen Vollstre - ckungsaufschub unter Verzicht auf Säumniszuschläge. Landwirtinnen und Landwirten, deren Gewinn gemäß § 13 a EStG ermittelt wird, kann die aus dem Ansatz des Grundbetrages und den Zuschlägen für Sondernutzungen resultierende Einkommensteuer ganz oder zum Teil erlassen werden, soweit durch die langanhaltende Trockenheit Ertragsausfälle eingetreten sind und keine Ansprüche aus Versicherungsleistungen bestehen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7295 8 – Liquiditätshilfe der Landwirtschaftlichen Rentenbank Herr Minister Alexander Bonde hat sich an die Landwirtschaftliche Rentenbank mit der Bitte gewandt, das bereits für Futterbaubetriebe bestehende Liquiditätshilfeprogramm für alle trockenheitsgeschädigten Landwirtschaftsbetriebe zu öffnen. Nach Auskunft der landwirtschaftlichen Rentenbank soll ein entsprechender Programmstart Mitte September erfolgen. Die Landwirtschaftliche Rentenbank bietet Darlehen zu sehr niedrigen Zinsen und Laufzeiten bis zu zehn Jahren an, was die landwirtschaftlichen Unternehmen bei der Darlehensrückzahlung enorm entlasten würde. 10. Inwieweit ist sie vor dem Hintergrund der extremen Trockenheit bereit dazu, den einstimmigen Beschluss des Landtags über eine Bundesratsinitiative Baden-Württembergs für eine steuerfreie betriebliche Risikoausgleichsrück - lage für land- und forstwirtschaftliche Betriebe vom 30. April 2014 umzusetzen? Zu 10.: Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz setzt sich weiter im Sinne einer zielgerichteten Lösung für die Einführung einer Risikoausgleichsrücklage ein, sieht derzeit aber aufgrund der Bedenken vor allem vonseiten der Finanzressorts der Länder und des Bundes keine Chance für eine Bundesratsmehrheit . Im Übrigen wird auf Antwort 5 der Drucksache 15/6574 verwiesen. Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz