Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7315 17. 08. 2015 1Eingegangen: 17. 08. 2015 / Ausgegeben: 16. 09. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Ist sie der Ansicht, dass die Fraktionen, die die Landesregierung tragen, Erkenntnisse aus einer von der Landesregierung zu verantwortenden („wahrscheinlich “) rechtswidrigen Vorratsdatenspeicherung als Beweismittel in einem von diesen Fraktionen beantragten Untersuchungsausschuss erheben und verwerten können? 2. Wie bewertet sie die Verwertbarkeit personenbezogener Daten aus der rechtswidrigen Vorratsdatenspeicherung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft für das Beweisverfahren des Untersuchungsausschusses recht lich? 3. Teilt sie die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs BadenWürttemberg (VGH) vom 10. August 2015 (Az.: 1 S 1239/15, Seite 13), dass ein Verwertungsverbot besteht, jedoch nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden sei und welche Kriterien finden im Lichte des Beschlusses des VGH für die Verwertung im Untersuchungsausschuss „Polizeieinsatz Schlossgarten II“ ihrer Auffassung nach Anwendung? 4. Folgt sie ferner dem VGH darin, dass eine Verwertung zulässig sei, wenn das Ziel des Untersuchungsausschusses in der Aufdeckung von Rechtsverstößen bei der Erhebung oder Aufbewahrung der fraglichen Informationen (Daten des Umweltministeriums) liegt (Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs BadenWürttemberg vom 10. August 2015 – Az.: 1 S 1239/15 – Seiten 12/13) und ist dieser Fall Gegenstand des Untersuchungsausschusses und besteht damit ein Verwertungsrecht? 13. 08. 2015 Dr. Löffler CDU Kleine Anfrage des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU und Antwort des Staatsministeriums Beweisverwertung nach rechtswidriger Vorratsdatenspeicherung Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7315 2 B e g r ü n d u n g Personenbezogenen Daten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Umweltministeriums wurden vor dem Regierungswechsel auf Datenbänder gespeichert, weil eine Neuorganisation der Ministerien geplant war. Diese Zweckbestimmung ist nach der Wahl weggefallen, sodass alle Daten hätten unverzüglich von der neuen Regierung 2011 gelöscht werden müssen. Zu diesem Schluss kommt der VGH Mannheim (Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 10. August 2015 – Az.: 1 S 1239/15 – Seite 13). Die Löschung ist nicht geschehen. Die unterlassene Löschung ist nach dem Landesdatenschutz rechtswidrig und zumindest eine Ordnungswidrigkeit . An dieses rechtswidrige Verhalten knüpft sich die Frage an, ob Beweismittel, die aufgrund eines rechtswidrigen Vorverhaltens der jetzigen Landesregierung im Untersuchungsausschuss verwertbar sind. Ein generelles Verwertungsverbot besteht nicht, jedoch ist (Seite 12 Absatz 3 des Beschlusses) „nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden“. Diese Verwertbarkeit ist dann zulässig, so der VGH auf Seite 13, „wenn das Ziel des Untersuchungsausschusses gerade in der Aufdeckung von Rechtsverstößen bei der Erhebung oder Aufbewahrung der fraglichen Informationen liegt.“ Nach den Ausführungen des VGH ist dem Untersuchungsausschuss „Polizeieinsatz Schlossgarten II“ die Verwertung der Beweise aufgrund der rechtswidrigen Vorratsdatenspeicherung des Umweltministeriums nicht möglich. Dem ehemaligen Ministerpräsidenten Mappus wurden – auch nicht im Einsetzungsbeschluss – keine Rechtsverstöße, sondern lediglich „Einflussnahme“ vorgeworfen. Diese angebliche und bislang nicht bewiesene Einflussnahme stellt auch keinen Rechtsverstoß dar, zumindest wurde dies bislang weder vorgetragen noch behauptet, noch ist ein Rechtsverstoß nach der bisherigen Beweisaufnahme bewiesen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 7. September 2015 Nr. I-3824.5 S 21 UA II beantwortet das Staatsministerium die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Ist sie der Ansicht, dass die Fraktionen, die die Landesregierung tragen, Erkenntnisse aus einer von der Landesregierung zu verantwortenden („wahrscheinlich “) rechtswidrigen Vorratsdatenspeicherung als Beweismittel in einem von diesen Fraktionen beantragten Untersuchungsausschuss erheben und verwerten können? Zu 1.: Untersuchungsausschüssen kommt im System der parlamentarischen Demokratie eine bedeutende Funktion zu. Ihre Tätigkeit stellt sich als eine besondere Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung dar. Sie dient der Kontrolle von Regierung und Verwaltung sowie der Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung fallenden Vorgängen. Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen gibt Parlamenten die Möglichkeit, mit hoheitlichen Mitteln Sachverhalte und Angelegenheiten zu überprüfen, aufzuklären und ab - schließend zu bewerten. Welche Maßnahmen im Einzelnen von Untersuchungsausschüssen und der in ihnen tätigen parlamentarischen Fraktionen vorgenommen bzw. welche Beweise erhoben werden sollen, obliegt dabei dem jeweiligen Ermessen des Untersuchungsausschusses. In § 13 Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz Baden-Württemberg ist hierzu geregelt, dass der Untersuchungsausschuss die „durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen “ erhebt. Die auf dieser Grundlage vom Untersuchungsausschuss ergriffenen Maßnahmen unterliegen wiederum einer richterlichen Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte und den Staatsgerichtshof. Eine darüber hinausgehende Überwachung oder Bewertung des Handelns eines laufenden Untersuchungsaus- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7315 schusses und des Verhaltens der darin tätigen Fraktionen durch die Exekutive ist hingegen verfassungsrechtlich nicht vorgesehen. 2. Wie bewertet sie die Verwertbarkeit personenbezogener Daten aus der rechtswidrigen Vorratsdatenspeicherung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft für das Beweisverfahren des Untersuchungsausschusses rechtlich? Zu 2.: Der Sachverhalt, der der Frage zugrunde liegt, betrifft wohl den Gegenstand des einstweiligen Rechtschutzverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof BadenWürttemberg mit dem Aktenzeichen 1 S 1239/15. In diesem Verfahren ist am 7. August 2015 ein Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes ergangen. In der Entscheidung setzt sich das Gericht unter anderem mit der Frage auseinander, ob ein Untersuchungsausschuss Beweis über Persönliche Daten eines oder einer Betroffenen erheben kann und ob beziehungsweise inwieweit dieser Beweiserhebung das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG entgegensteht. Das Gericht kam dabei zu dem Schluss, dass die maßgeblichen Daten nicht an den Untersuchungsausschuss „Polizeieinsatz Schlossgarten II“, sondern nur an einen Richter herausgegeben werden dürfen, dem dieser Untersuchungsausschuss durch Beschluss die Beweiserhebung nach § 13 Abs. 5 des Untersuchungsausschussgesetzes übertragen hat, der die Sichtung der Daten nach § 13 Abs. 6 des Untersuchungsausschussgesetzes in Verbindung mit § 110 der Strafprozessordnung vornimmt und dessen Entscheidung mit der Beschwerde nach § 13 Abs. 6 des Untersuchungsausschussgesetzes in Verbindung mit § 304 der Strafprozessordnung angefochten werden kann. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen obliegt jedoch aus den bereits in der Antwort zu Frage 1 genannten Gründen dem Untersuchungsausschuss selbst. 3. Teilt sie die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs BadenWürttemberg (VGH) vom 10. August 2015 (Az.: 1 S 1239/15, Seite 13), dass ein Verwertungsverbot besteht, jedoch nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Inte - ressen zu entscheiden sei und welche Kriterien finden im Lichte des Beschlusses des VGH für die Verwertung im Untersuchungsausschuss „Polizeieinsatz Schlossgarten II“ ihrer Auffassung nach Anwendung? 4. Folgt sie ferner dem VGH darin, dass eine Verwertung zulässig sei, wenn das Ziel des Untersuchungsausschusses in der Aufdeckung von Rechtsverstößen bei der Erhebung oder Aufbewahrung der fraglichen Informationen (Daten des Umweltministeriums) liegt (Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs BadenWürttemberg vom 10. August 2015 – Az.: 1 S 1239/15 – Seiten 12/13) und ist dieser Fall Gegenstand des Untersuchungsausschusses und besteht damit ein Verwertungsrecht? Zu 3. und 4.: Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes führt auch im Bereich des Rechts der Untersuchungsausschüsse nicht jeder Verstoß bei der Gewinnung von Beweismitteln dazu, dass diese Beweismittel nicht verwertet werden dürfen (sogenanntes Beweisverwertungsverbot). Diese Frage entscheidet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles, wobei hier alle maßgeblichen Interessen und Kriterien zu berücksichtigen sind. Die Frage, welche Kriterien tatsächlich ausschlaggebend sind, hängt aber vom jeweiligen Einzelfall ab und mag von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Daher ist es schwierig, an dieser Stelle generelle Aussagen über Abwägungsentscheidungen dieser Art zu treffen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Bewertung weiterer Sachverhalte, für die der Beschluss des VGH vom 7. August 2015 möglicherweise von Interesse ist, um laufendes Verwaltungshandeln der Regierung handelt, bei dem die Frage der Beweisgewinnung und Beweisverwertung noch abschließend zu klären ist. Die Landesregierung erachtet es jedoch für unerlässlich – der Rechtsprechung des Bun- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7315 4 desverfassungsgerichts folgend – bei der Prüfung vergleichbarer Sachverhalte jeweils einen Weg zu finden, der Gewähr dafür bietet, dass das verfassungsrechtlich geschützte Beweiserhebungsrecht von Untersuchungsausschüssen und der grundrechtliche Datenschutz möglichst weitgehend und wirkungsvoll zum Tragen kommen. Murawski Staatssekretär