Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7356 04. 09. 2015 1Eingegangen: 04. 09. 2015 / Ausgegeben: 07. 10. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie entwickelt sich die aktuelle Nachfrage nach Plätzen in den sogenannten „VABO-Klassen“ der Berufsschulen im Landkreis Konstanz? 2. Wie viele Absolventen der „VABO-Klassen“ wechseln nach ihrer Kenntnis im Landkreis Konstanz in die Anschlussklasse VABO2 bzw. wie beurteilt sie den Bedarf an entsprechenden Lehrkräften vor diesem Hintergrund? 3. Wie viele Lehrerstellen werden den Berufsschulen im Landkreis Konstanz für die „VABO-Klassen“ und die „VABO2-Klassen“ nach aktueller Planung zur Verfügung gestellt, um nach ihrer Ansicht sicherzustellen, dass der Lehrkräftebedarf nach aktueller Planung dadurch gedeckt ist? 4. Wie viele der aktuell geplanten Lehrerstellen für die „VABO- und VABO2- Klassen“ im Landkreis Konstanz sind als befristete und unbefristete Anstellungsverhältnisse angelegt? 5. Wie bewertet sie die Notwendigkeit unbefristeter Anstellungsverhältnisse für „VABO/VABO2-Lehrerinnen und -Lehrer“? 6. Wie viele Stellen will sie perspektivisch zur Verfügung stellen, um den Anstieg der Nachfrage nach „VABO- und VABO2-Klassen“ entsprechend aufzufangen (davon befristete und unbefristete Arbeitsverhältnisse)? 7. Liegen ihr Kenntnisse darüber vor, ob und inwieweit die Lehrkräfte als dauerhafte Bezugspersonen die Integration und einen erfolgreichen Schulabschluss für die Schülerinnen und Schüler der „VABO/VABO2-Klassen“ begünstigen? Kleine Anfrage des Abg. Wolfgang Reuther CDU und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Lehrerstellen für Integrationsklassen VABO/VABO2 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7356 2 8. Wie will sie sicherstellen, dass in Anbetracht der Befristung von Lehrerstellen ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zur Verfügung stehen und diese nicht unbefristete Arbeitsverhältnisse in anderen Bereichen vorziehen? 9. Plant sie zusätzliche Programme für Asylbewerber, um diese erfolgreich in und durch die duale Ausbildung zu führen (unter Angabe welche und wie ausgestaltete Programme)? 03. 09. 2015 Reuther CDU B e g r ü n d u n g Die stetig steigende Zahl an Flüchtlingen, die in Deutschland Zuflucht und Sicher - heit suchen, stellt uns vor eine enorme gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Die Weichen müssen jetzt richtig gestellt werden, damit die aktuelle Situation zu einem Gewinn für unser Land und für die Menschen, die zu uns kommen, wird. Zentrales Element einer erfolgreichen Integration ist Bildung und insbesondere der Erwerb der deutschen Sprache. Hierfür müssen wir in Baden-Württemberg die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Nur so können wir die Menschen , die zu uns kommen bei entsprechendem Aufenthaltsrecht langfristig in den Arbeitsmarkt integrieren. Gerade für die Branchen und Betriebe im Land, in denen aktuell nicht genügend Bewerber für Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen , ist dies eine wichtige Chance. Mit ihren „VABO-Klassen“ – VABO = Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen – erbringen insbesondere unsere beruflichen Schulen hierfür einen unverzichtbaren Integrationsbeitrag. Zentrales Ziel ist es, jungen Menschen, die zu uns zugewandert sind, die deutsche Sprache und die Voraussetzungen für die Teilnahme am Erwerbsleben zu vermitteln. Aktuell werden diese Klassen von der Landesregierung nicht mit ausreichend Lehrerstellen ausgestattet. Die Lehrerstellen, die derzeit zur Verfügung gestellt werden, sind zudem nicht als unbefristete Arbeitsverhältnisse angelegt. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen erscheint es jedoch zwingend notwendig, in diesem Bereich aufzustocken, allerdings nicht zulasten des allgemeinen Lehrerkontingents an beruflichen Schulen. Dies würde ein falsches Signal senden. Hier muss die Landesregierung konkrete Pläne formulieren . Wir brauchen zusätzliche, unbefristete Lehrerstellen, damit die beruflichen Schulen ihre wichtige Integrationsarbeit leisten können. Schulleiter, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler dürfen mit dieser Aufgabe nicht alleinegelassen werden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7356 A n t w o r t Mit Schreiben vom 30. September 2015 Nr. 22-6740.12/497/1 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren und dem Ministerium für Integration die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie entwickelt sich die aktuelle Nachfrage nach Plätzen in den sogenannten „VABO-Klassen“ der Berufsschulen im Landkreis Konstanz? Zum Ende des Schuljahrs 2014/2015 waren im Landkreis Konstanz 7 VABOKlassen eingerichtet. Aktuell sind 11 Klassen eingerichtet, wobei es sich dabei um 9 Klassen VABO und 2 VABO-Anschlussklassen handelt. 2. Wie viele Absolventen der „VABO-Klassen“ wechseln nach ihrer Kenntnis im Landkreis Konstanz in die Anschlussklasse VABO2 bzw. wie beurteilt sie den Bedarf an entsprechenden Lehrkräften vor diesem Hintergrund? Von den derzeit insgesamt 161 Schülerinnen und Schülern werden in den 2 VABO-Anschlussklassen insgesamt 35 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einschulung z. T. noch nicht abgeschlossen ist bzw. noch nicht alle berufsschulpflichtigen Schülerinnen und Schüler zugewiesen sind. 3. Wie viele Lehrerstellen werden den Berufsschulen im Landkreis Konstanz für die „VABO-Klassen“ und die „VABO2-Klassen“ nach aktueller Planung zur Verfügung gestellt, um nach ihrer Ansicht sicherzustellen, dass der Lehrkräftebedarf nach aktueller Planung dadurch gedeckt ist? Insgesamt wurden von den öffentlichen beruflichen Schulen im Landkreis Konstanz für die genannten 11 VABO-Klassen 13 Deputate angefordert und entsprechend besetzt. 4. Wie viele der aktuell geplanten Lehrerstellen für die „VABO- und VABO2- Klassen“ im Landkreis Konstanz sind als befristete und unbefristete Anstellungsverhältnisse angelegt? Etwa zwei Drittel des durch VABO-Klassen generierten Bedarfs wird mittels befristeter Arbeitsverhältnisse versorgt. 5. Wie bewertet sie die Notwendigkeit unbefristeter Anstellungsverhältnisse für „VABO/VABO2-Lehrerinnen und -Lehrer“? 8. Wie will sie sicherstellen, dass in Anbetracht der Befristung von Lehrerstellen ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zur Verfügung stehen und diese nicht unbefristete Arbeitsverhältnisse in anderen Bereichen vorziehen? Für unbefristete Arbeitsverhältnisse können in der Regel mehr Bewerberinnen und Bewerber gewonnen werden und die eingestellten Lehrkräfte verbleiben auch auf diesen Stellen. Insofern hat das Kultusministerium auch immer großen Wert darauf gelegt, gerade für VABO-Klassen Stellen zu erhalten, die dauerhaften Cha - rakter haben und auch mit der Wertigkeit A 13 gehobener Dienst/höherer Dienst versehen sind. Der Großteil der jetzt für die VABO-Klassen zur Verfügung stehenden Stellen sind A 13 Beamtenstellen. Auf diese Stellen können nicht nur dauerhaft Lehrkräfte als Beamte eingestellt werden. Auch sog. Nichterfüller können entsprechend den Eingruppierungsrichtlinien nach TVL höherwertig beschäftigt werden. Inwieweit die vorhandenen Stellen für die VABO-Klassen mit Lehrkräf- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7356 4 ten dauerhaft besetzt werden können, hängt aber im Wesentlichen von der Bewerberlage , der fachlichen Eignung der Bewerberinnen und Bewerber sowie deren späteren Verwendbarkeit ab. Um Personalfluktuationen zu verhindern und Unterrichtskontinuität zu erhalten, hat die Schulverwaltung Lehrkräften und Personen, die seit Sommer 2014 be - fristet beschäftigt waren, bei entsprechender Bewährung frühzeitig einen neuen Vertrag zum Unterrichtsbeginn des neuen Schuljahres angeboten. In Einzelfällen wurden auch befristete Beschäftigungsverhältnisse in dauerhafte umgewandelt. Für die Schulverwaltung hat die Gewinnung von geeignetem Personal oberste Priorität. 6. Wie viele Stellen will sie perspektivisch zur Verfügung stellen, um den Anstieg der Nachfrage nach „VABO- und VABO2-Klassen“ entsprechend aufzufangen (davon befristete und unbefristete Arbeitsverhältnisse)? Aufgrund der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen wurden landesweit in den Schuljahren 2014/2015 und 2015/2016 insgesamt 562 Lehrerstellen zusätzlich für Vorbereitungsklassen und VABO-Klassen zur Verfügung gestellt, darunter 305 Stellen für die beruflichen Schulen. Damit sind im Schuljahr 2015/2016 die Voraussetzungen geschaffen, um weitere Sprachförderangebote machen zu können. Über die Entwicklung der Lehrerstellen in den kommenden Jahren entscheidet der Haushaltsgesetzgeber unter Berücksichtigung aller Bedarfsfaktoren, darunter auch der Entwicklung der Flüchtlingszahlen. 7. Liegen ihr Kenntnisse darüber vor, ob und inwieweit die Lehrkräfte als dauerhafte Bezugspersonen die Integration und einen erfolgreichen Schulabschluss für die Schülerinnen und Schüler der „VABO/VABO2-Klassen“ begünstigen? Eine intensive Beziehung zwischen den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern der VABO-Klassen trägt wesentlich zum Lernerfolg bei. Kontinuität ist einer gelingenden Beziehungsarbeit zuträglich. Selbst bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen ist diese Kontinuität während des einjährigen Bildungsgangs gewahrt. Im Übrigen können die zur Verfügung gestellten Stellen größtenteils für unbefristete Beschäftigungsverhältnisse eingesetzt werden, soweit die Bewerberlage dies zulässt. Darüber hinaus wird die Kontinuität durch eingesetzte Lehrkräfte aus dem Stammpersonal gesichert, z. B. Technische Lehrkräfte. 9. Plant sie zusätzliche Programme für Asylbewerber, um diese erfolgreich in und durch die duale Ausbildung zu führen (unter Angabe welche und wie ausgestaltete Programme)? Das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren hat einen Aufruf für ein zentrales ESF-Modellprojekt „Junge Flüchtlinge in Ausbildung “ (JuFA) im Internet veröffentlicht (Fristablauf für den Eingang von Förderanträgen : 25. September 2015). Die Projektkonzeption wurde in Kooperation mit der Regionaldirektion BadenWürttemberg der Bundesagentur für Arbeit erarbeitet. Das Projekt soll jedoch nicht nur Asylbewerbern offenstehen. Die Förderung als Teilnehmerin bzw. Teilnehmer richtet sich an förderungsbedürftige junge Flüchtlinge aus dem Rechtskreis SGB III, • vorrangig unter 25 Jahren, • ohne Ausbildung, • die grundsätzlich für eine Ausbildung geeignet und ohne die Förderung eine Ausbildung nicht beginnen oder erfolgreich durchführen können, • mit Ausbildungswunsch/-alternativen im dualen Bereich, • mit einem Sprachstand, der den Beginn und die Durchführung einer regulären Berufsausbildung zulassen (in der Regel B1-Niveau), 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7356 • die zu Beginn der Maßnahme nicht zum förderungsfähigen Personenkreis nach § 59 SGB III zählen. Dazu gehören „junge Flüchtlinge“, vorrangig aus folgendem Personenkreis: – § 8 Abs. 2 Nr. 2 BaföG z. B. mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 AufenthG; – § 60 a AufenthG – Geduldete; – darüber hinaus können auch Ausländer mit Aufenthaltsgestattung nach § 55 Asylverfahrensgesetz eine Förderung erhalten. Projektstandorte des Modellprojekts sollen Aalen, Freiburg, Offenburg, Reutlingen , Stuttgart und Ludwigsburg (mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den Agenturbezirken Stuttgart, Ludwigsburg, Göppingen und Waiblingen) sowie Karls - ruhe sein. Das Projekt verfolgt das Ziel, den genannten Zielgruppen den Weg in eine Ausbildung zu ermöglichen und sie durch gezielte Förderung und Assistenz zu unterstützen, damit sie einen Berufsabschluss erwerben können. Wegen der hohen Nachfrage nach Auszubildenden in bestimmten Wirtschaftsbereichen und Berufen sollen die Projekte auch dazu beitragen, dem Bedarf der Betriebe an Fachkräftenachwuchs zu entsprechen. Das Modellprojekt soll eine Vorbereitung (Phase I) mit Beginn 1. Februar 2016 sowie eine spezifische Ausbildungsbegleitung (Phase II) beinhalten (Beginn der Ausbildung ist September 2016). Der Landesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, über die schulische Sprachförderung schulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge zur Aufnahme einer Ausbildung zu befähigen. Im Anschluss an die Vorbereitungsklassen an allgemein bildenden Schulen und den VABO-Klassen an beruflichen Schulen stehen deshalb je nach Leistungspotenzial der jungen Asylbewerberin oder des jungen Asylbewerbers alle weiterführenden Schularten offen. Beispielsweise können jugendliche Asylbewerberinnen und Asylbewerber an beruflichen Schulen im Anschluss an das VABO über den Besuch des VAB einen dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Bildungsstand erwerben. Dabei erhalten sie eine gezielte Berufsvorbereitung , um den Weg in eine Ausbildung zu ebnen. Zur weiteren Sprachförderung der Asylbewerberinnen und Asylbewerber können die beruflichen Schulen zusätzlich zum Pflichtunterricht gruppenbezogen Förderkurse in Deutsch oder beruflicher Fachsprache in der Berufsschule oder in beruflichen Vollzeitbildungsgängen anbieten. Hierdurch können auch Auszubildende, die noch zusätzliche Deutschförderung benötigen, unterstützt werden. Als eine vorbereitende Maßnahme für den Eintritt in eine duale Ausbildung hat das Land darüber hinaus mit dem Programm „Chancen gestalten – Wege zur Integration in den Arbeitsmarkt öffnen“ die Möglichkeit eröffnet, dass Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und -bewerber, sobald sie in der vorläufigen Unterbringung in den Stadt- und Landkreisen sind, kostenlos an professionellen Sprachkursen im Umfang bis zu insgesamt 600 Unterrichtseinheiten (UE), bei berufsbezogenen Sprachkursen bis 700 UE, teilnehmen können. Je nach Vorkenntnissen kann in solchen Kursen das Sprachniveau A2, B1, B2 oder C1 erreicht werden. Das Programmvolumen beträgt derzeit 4,65 Mio Euro aus Landesmitteln. Daneben fördert das Land in Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Volkshochschulen Kurse von B1 nach B2. Dieses Sprachniveau erlaubt auf jeden Fall die Teilnahme an einer dualen Ausbildung. Im Programm „Chancen gestalten – Wege zur Integra - tion in den Arbeitsmarkt öffnen“ ist zudem vorgesehen, dass zu einem möglichst frühen Zeitpunkt die mitgebrachten beruflichen und sprachlichen Qualifikationen und Fähigkeiten der Asylbewerberinnen und -bewerber erhoben werden, sodass passende und angemessene Wege in den Arbeitsmarkt oder eine duale Ausbildung eröffnet werden können. Das Programm wird fortlaufend evaluiert. Dazu richtet das Integrationsministe - rium unter Beteiligung weiterer Akteure eine Arbeitsgruppe ein, die den Ablauf und die Umsetzung des Programms beobachtet und bewertet und gegebenenfalls Anpassungen des Programms vorschlägt. Stoch Minister für Kultus, Jugend und Sport