Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7359 08. 09. 2015 1Eingegangen: 08. 09. 2015 / Ausgegeben: 07. 10. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Sind Registrierkassen derzeit Prüfungsschwerpunkt bei Betriebsprüfungen in Baden-Württemberg? 2. Wie groß ist der Anteil der von der Finanzverwaltung durchgeführten Kassenprüfungen im Einzelhandel zwischen 2009 und 2014, die zu Beanstandungen führten? 3. Welchen Anteil haben daran Beanstandungen, die auf einer formal unrichtigen Kassenbuchführung beruhen? 4. In wie vielen Fällen zwischen 2009 und 2014 wurden nachträgliche Erlösverkürzungen durch Einzelhandelsunternehmen festgestellt und welchen Anteil haben diese Fälle an der Gesamtzahl der Kassenprüfungen? 5. Wie wurden ihrer Kenntnis nach die (unter anderem von Nordrhein-Westfalen) veröffentlichten fünf bis zehn Milliarden Euro jährlichen Steuermindereinnahmen aus steuerhinterzieherischer Erlösverkürzung in der Barzahlungsbranche ermittelt? 6. Welcher Anteil der fünf bis zehn Milliarden Euro jährlichen Steuermindereinnahmen ist ihrer Kenntnis nach auf nachträgliche Erlösverkürzung zurückzuführen , beziehungsweise welcher Anteil auf „Neben-der-Kasse-Geschäfte“? 7. Wie will sie verhindern, dass durch einen derzeit zwischen Bund und Ländern diskutierten technischen Manipulationsschutz auch solche Unternehmen zu Umrüstungsmaßnahmen gezwungen werden, in denen strukturell (zum Beispiel aufgrund der Arbeitsteilung) keine steuerhinterzieherische Erlösverkürzung vorkommen kann? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Registrierkassen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7359 2 8. Wurden Unternehmen, die Registrierkassen einsetzen, über geänderte technische Anforderungen und ihre Aufbewahrungspflichten gegenüber der Finanzverwaltung auch nach dem Schreiben durch das Bundesministerium der Finanzen vom 26. November 2010 informiert? 9. Wie hoch schätzt die baden-württembergische Finanzverwaltung den Anteil der in Baden-Württemberg im Betrieb befindlichen Registrierkassen in der Einzelhandelsbranche ein, die den Anforderungen des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 26. November 2010 beziehungsweise der Grund sätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Daten - zugriff (GoBD) entsprechen, gemessen an der Gesamtzahl der eingesetzten Registrierkassen in der Einzelhandelsbranche? 08. 09. 2015 Dr. Rülke FDP/DVP B e g r ü n d u n g Die Anforderungen an Registrierkassen und die Kassenabrechnungen wurden seitens der Finanzverwaltungen verschärft und sollen nach Vorstellung der Länder durch den Gesetzgeber künftig weiter verschärft werden. Dies betrifft insbesondere die technische Ausstattung. Die Aufzeichnungspflichten stellen für den Einzelhandel eine Herausforderung dar. Das ist teilweise auch begründet in Unsicherheiten der Registrierkassennutzer hinsichtlich der Rechtslage, insbesondere hinsichtlich der technischen Umsetzung der Finanzverwaltungsanforderungen und zur Frage, welche Daten als steuerrelevant aufzuzeichnen und aufzubewahren sind. Spätestens ab 2017 müssen alle eingesetzten Registrierkassen GoBD-konform sein. Die derzeit diskutierte Einführung des technischen Manipulationsschutzes „Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme“ (INSIKA) bedeutet, dass Kassennutzer gegebenenfalls erneut ihre Kassen um - rüsten müssen, obwohl die zusätzliche Wirkung dieses Manipulationsschutzes umstritten ist. Auch gerade angeschaffte GoBD-konforme Registrierkassen sind teilweise nicht auf INSIKA aufrüstbar. Hinzu kommt, dass ein Großteil der kassennutzenden Unternehmen bereits aufgrund der Arbeitsteilung oder der eingesetzten professionalisierten Kassensysteme strukturell nicht anfällig für steuer - hinterzieherische Erlösverkürzungen ist. Vor dem Hintergrund der teilweise erheblichen Mehrbelastung von Einzelhandelsunternehmen stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7359 A n t w o r t Mit Schreiben vom 30. September 2015 Nr. 3-S031.6/17 beantwortet das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Sind Registrierkassen derzeit Prüfungsschwerpunkt bei Betriebsprüfungen in Baden-Württemberg? Bei Betrieben mit einem deutlichen Aufkommen an Bargeldumsätzen (sog. bargeldintensive Betriebe) stellt die Prüfung des eingesetzten Kassensystems regelmäßig einen Prüfungsschwerpunkt dar. Die Möglichkeit einer Einzelfallentscheidung bleibt hiervon unberührt. 2. Wie groß ist der Anteil der von der Finanzverwaltung durchgeführten Kassenprüfungen im Einzelhandel zwischen 2009 und 2014, die zu Beanstandungen führten? Die Betriebe werden für statistische Zwecke nach Gewerbekennziffern geordnet. Den Begriff „Einzelhandel“ oder die Gewerbekennziffer „Einzelhandel“ gibt es in dieser Statistik nicht. Dementsprechend liegt eine statistische Erfassung für diesen Bereich nicht vor. Eine Zusammenfassung der Gewerbekennziffern nach bargeldintensiven Betrieben ist aufgrund der Vielzahl der Betriebe ebenfalls nicht möglich. Der Begriff „Kassenprüfung“ ist nur im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung existent. Hierbei liegt der Schwerpunkt der Prüfung bei denjenigen Ein - nahmen, die mittels einer Registrierkasse oder einer offenen Ladenkasse erfasst werden. Reine Kassenprüfungen werden durch die Betriebsprüfung nicht durchgeführt. Zu Beginn des Jahres 2014 wurde von jeder Betriebsprüfungshauptstelle mindestens ein Prüfer als Kassensystemprüfer ausgebildet. Ab Mitte des Jahres 2014 wurden die Prüfungen, an denen sich Kassensystemprüfer beteiligt haben, statistisch erfasst . Für das Jahr 2014 wurden 138 Prüfungen (überwiegend Mittel-, Klein- und Kleinstbetriebe) mit Beteiligung des Kassensystemprüfers aufgezeichnet. Dabei wurde nicht statistisch erfasst, in wie vielen Fällen manipulierte Kassensysteme vorgefunden wurden. Die auf den Kassensystemprüfer entfallenden Mehrsteuern betrugen im Durchschnitt der geprüften Fälle 8.622 Euro. 3. Welchen Anteil haben daran Beanstandungen, die auf einer formal unrichtigen Kassenbuchführung beruhen? Hierzu kann mangels gesonderter Aufzeichnungen keine Stellung genommen werden. 4. In wie vielen Fällen zwischen 2009 und 2014 wurden nachträgliche Erlösverkürzungen durch Einzelhandelsunternehmen festgestellt und welchen Anteil haben diese Fälle an der Gesamtzahl der Kassenprüfungen? Es gibt keine gesonderten Aufzeichnungen, in wie vielen Fällen die Betriebsprüfung nachträgliche Erlösverkürzungen bei Einzelhandelsunternehmen festgestellt hat. 5. Wie wurden ihrer Kenntnis nach die (unter anderem von Nordrhein-Westfalen) veröffentlichten fünf bis zehn Milliarden Euro jährlichen Steuermindereinnahmen aus steuerhinterzieherischer Erlösverkürzung in der Barzahlungsbranche ermittelt? Laut der Antwort der nordrhein-westfälischen Landesregierung vom 5. Mai 2014 auf eine Kleine Anfrage (Drs. 16/5720) beruhe die Schätzung unter anderem auf Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7359 4 Studien aus anderen Industrieländern, auf die sich auch die OECD beruft. Zudem würden konkrete Erfahrungen der Betriebsprüfung und Steuerfahndung untermauern , dass es durch manipulierte Kassensysteme zu hohen Steuerausfällen kommt. 6. Welcher Anteil der fünf bis zehn Milliarden Euro jährlichen Steuermindereinnahmen ist ihrer Kenntnis nach auf nachträgliche Erlösverkürzung zurückzuführen , beziehungsweise welcher Anteil auf „Neben-der-Kasse-Geschäfte“? Eine Einschätzung zum Umfang der Steuermindereinnahmen, die auf nachträg - liche Erlösverkürzung oder auf „Neben-der-Kasse-Geschäfte“ zurückzuführen sind, kann nicht gegeben werden, da es hierzu im Rahmen von Betriebsprüfungen keine statistische Erfassung gibt. 7. Wie will sie verhindern, dass durch einen derzeit zwischen Bund und Ländern diskutierten technischen Manipulationsschutz auch solche Unternehmen zu Umrüstungsmaßnahmen gezwungen werden, in denen strukturell (zum Beispiel aufgrund der Arbeitsteilung) keine steuerhinterzieherische Erlösverkürzung vorkommen kann? Durch einen derzeit diskutierten technischen Manipulationsschutz soll die ordnungsgemäße Aufzeichnung der Einnahmen durch Unternehmen, die Registerkassen im Einsatz haben, sichergestellt werden. Eine Einschränkung auf gewisse Branchen oder Unternehmensstrukturen würde dem Grundsatz der Gleichbehandlung widersprechen. Zudem ist anzumerken, dass die Vernetzung der Kassen und der Zugriff auf alle Daten im Unternehmen von einer zentralen Stelle aus Verkürzungen zulassen, ohne dass Mitarbeiter, die die Kasse bedienen, Kenntnis davon haben. 8. Wurden Unternehmen, die Registrierkassen einsetzen, über geänderte technische Anforderungen und ihre Aufbewahrungspflichten gegenüber der Finanzverwaltung auch nach dem Schreiben durch das Bundesministerium der Finanzen vom 26. November 2010 informiert? Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 26. November 2010 ist im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Zudem wurde im Rahmen von Klimagesprächen in den Finanzämtern auf die geänderten Anforderungen aufgrund des o. g. BMF-Schreibens hingewiesen. Außerdem wurden die Steuerberater und Interessenverbände im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen bezüglich der ge - änderten Aufbewahrungspflichten informiert. 9. Wie hoch schätzt die baden-württembergische Finanzverwaltung den Anteil der in Baden-Württemberg im Betrieb befindlichen Registrierkassen in der Einzelhandelsbranche ein, die den Anforderungen des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 26. November 2010 beziehungsweise der Grund - sätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) entsprechen, gemessen an der Gesamtzahl der eingesetzten Registrierkassen in der Einzelhandelsbranche? Eine Schätzung ist nicht möglich, da es diesbezüglich keine bekannten Erhebungen gibt. In Vertretung Schumacher Ministerialdirektor