Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7362 10. 09. 2015 1Eingegangen: 10. 09. 2015 / Ausgegeben: 21. 10. 2015 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie haben sich die Fahrgastzahlen auf der Murgtalbahn zwischen Rastatt und Freudenstadt nach Übernahme der Strecke durch die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH (AVG) entwickelt und wie prognostiziert sie die weitere Entwicklung der Fahrgastzahlen auf dieser Strecke vor dem Hintergrund des neu geschaffenen Nationalparks Schwarzwald? 2. Wie hat sich in dieser Zeit die Zahl der Güterverkehrstransporte auf dieser Strecke entwickelt? 3. Welche vertraglichen Regelungen gibt es derzeit zwischen dem Land und der AVG über deren Schienenpersonennahverkehr (SPNV)-Angebot auf dieser Strecke und inwieweit wurden diese Vereinbarungen zur Leistungserbringung in den letzten Jahren von dem Verkehrsunternehmen eingehalten (Vereinbarungen über Sitz- und Stehplatzkapazitäten in den Bahnen, Fahrradmitnahme, Pünktlichkeit u. a.)? 4. In welchem Umfang konnten bislang Fahrgäste aufgrund von Platzmangel in den Bahnen nicht mitgenommen werden? 5. Welche konkreten Angebotsänderungen beabsichtigt sie im Rahmen der Neuvergabe des SPNV-Angebots auf dieser Strecke? 6. Wie bewertet sie die Chancen, im Rahmen von Verhandlungen mit der AVG kurzfristig Verbesserungen im derzeitigen Verkehrsangebot erreichen zu können und wie bewertet sie alternativ dazu die Chancen, dieses Ziel durch die Vergabe eines Zusatzangebots (z. B. einen am Wochenende das heutige SPNVAngebot ergänzenden Nationalparkexpress mit gesicherter Fahrradmitnahme - möglichkeit) an einen externen Dritten erreichen zu können? Kleine Anfrage der Abg. Ernst Kopp und Johannes Stober SPD und Antwort des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Leistungsfähigkeit der Murgtalbahn Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7362 2 7. Bis wann ist mit der Verabschiedung eines Verkehrskonzepts für den Nationalpark zu rechnen? 10. 09. 2015 Kopp, Stober SPD B e g r ü n d u n g Die Landesregierung hat dieser Tage eine Vorstudie zur Erstellung eines Verkehrskonzepts für den Nationalpark Schwarzwald veröffentlicht. Unabhängig von der Ausgestaltung dieses Verkehrskonzepts im Detail ist jedoch jetzt schon klar, dass die Murgtalbahn eine zentrale Achse für die Erschließung durch den öffent - lichen Personennahverkehr (ÖPNV) sein wird. Deren Leistungsfähigkeit – ergänzt um ein attraktives und gut vertaktetes Busnetz – wird daher entscheidend dafür sein, in welchem Umfang es gelingen wird, Besucherinnen und Besucher umweltfreundlich in die Nationalparkregion zu bringen. Nach dem erheblichen Fahrgastzuwachs nach Übernahme der Murgtalstrecke durch die AVG ist diese mit ihrem jetzigen Angebot inzwischen jedoch insbesondere an Wochenenden nicht mehr in der Lage, die Nachfrage auf dieser Strecke in vollem Umfang zu befriedigen. Insbesondere Fahrgäste, die das Fahrrad mitnehmen wollen, sehen sich daher immer häufiger mit der Situation konfrontiert, dass dies aufgrund der Überfüllung der Bahnen nicht mehr möglich ist. Es stellt sich daher die Frage, wie dieses Problem behoben werden könnte. Denkbar waren dafür z. B. eine Verstärkung des Angebots in den Spitzenzeiten am Wochenende und/oder spezielles, für das Mitführen von Fahrrädern geeignetes Wagenmaterial. A n t w o r t Mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 Nr. 3-3825.0-00/151 beantwortet das Minis - terium für Verkehr und Infrastruktur im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie haben sich die Fahrgastzahlen auf der Murgtalbahn zwischen Rastatt und Freudenstadt nach Übernahme der Strecke durch die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft mbH (AVG) entwickelt und wie prognostiziert sie die weitere Entwicklung der Fahrgastzahlen auf dieser Strecke vor dem Hintergrund des neu geschaffenen Nationalparks Schwarzwald? Im Jahr 2002, dem letzten Jahr vor der Inbetriebnahme des Stadtbahnverkehrs durch die AVG, nutzten täglich etwa 4.350 Fahrgäste die Züge zwischen Freudenstadt und Rastatt. 2003 stieg die Zahl der Reisenden in den Zügen zwischen Freudenstadt und Rastatt unter dem Einfluss des neuen Stadtbahnverkehrs dann stark auf etwa 11.150 Personen pro Tag an. Im Jahr 2007 konnte die Zahl der Nutzer/-innen vor dem Hintergrund der Angebotsausweitung zwischen Freudenstadt und Eutingen im Gäu nochmals auf etwa 12.750 Personen pro Tag gesteigert werden. 2009 ergab sich einmalig eine Reduktion der Nutzerzahl auf etwa 11.150 Personen pro Tag vor dem Hintergrund lang anhaltender Baumaßnahmen zwischen Rastatt und Karlsruhe. Während dieser Baumaßnahmen war es für die Stadtbahnen der Linie S41 nicht möglich, über den Albtalbahnhof in die Karlsruher Innen- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7362 stadt zu fahren; sie endeten im Karlsruher Hauptbahnhof. Im vergangenen Jahr 2014 wurden pro Tag etwa 12.250 Nutzer/-innen in den Zügen zwischen Freudenstadt und Rastatt registriert. Seit 2007 bleiben die Fahrgastzahlen auf ähnlichem Niveau und stagnieren. Möglicherweise spielen hierbei Bauarbeiten mit Schienenersatzverkehren und Pünktlichkeitsmängel eine Rolle. Eine Prognose über die weitere Entwicklung der Fahrgastzahlen im Murgtal vor dem Hintergrund des neu geschaffenen Nationalparks Schwarzwald existiert bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (NVBW) und der AVG aufgrund der insgesamt noch nicht konkretisierten Verkehrskonzeption bislang nicht. Die Fahrgastzahlen seit 2002 sind als Schaubild in der Anlage 1 dargestellt. 2. Wie hat sich in dieser Zeit die Zahl der Güterverkehrstransporte auf dieser Strecke entwickelt? Seit der Übernahme des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur im Murgtal durch die AVG ist die Anzahl der Güterverkehr betreibenden Unternehmen stark zurückgegangen . Bei Betriebsübernahme durch die AVG wurde Güterverkehr nach Baiersbronn , Langenbrand, Gernsbach, Hörden, Bad Rotenfels und Kuppenheim durchgeführt . Die beteiligten Unternehmen haben Massengüter wie Papier, Holz, Schrott, Betonschwellen etc. verladen bzw. entladen. Inzwischen bewirtschaften die meisten dieser Firmen ihre Gleisanschlüsse nicht mehr bzw. haben diese zurückgebaut. Im Murgtal gibt es aktuell nur noch zwei Firmen, die über die Bahn verladen. Dies sind die Firmen Lang (Versand und Empfang) und Lotter (nur Empfang), beide in Bad Rotenfels. Jedoch sorgten allein diese zwei Firmen im Jahr 2014 für fast exakt das gleiche Güterverkehrsaufkommen (in Tonnenkilometern) wie die gesamte im Murgtal verladende Wirtschaft im Jahr 2006. Die Wirtschaftskrise im Jahr 2009 war zwar auch bei den Unternehmen im Murgtal deutlich zu spüren; das Aufkommen nahm deutlich ab. Jedoch hat sich das Aufkommen in den Folgejahren wieder gesteigert und ist seit 2012 bei positivem Trend stabil, siehe auch folgende Aufstellung. 3. Welche vertraglichen Regelungen gibt es derzeit zwischen dem Land und der AVG über deren Schienenpersonennahverkehr (SPNV)-Angebot auf dieser Strecke und inwieweit wurden diese Vereinbarungen zur Leistungserbringung in den letzten Jahren von dem Verkehrsunternehmen eingehalten (Vereinbarungen über Sitz- und Stehplatzkapazitäten in den Bahnen, Fahrradmitnahme, Pünktlichkeit u. a.)? Der SPNV auf der Strecke Rastatt–Freudenstadt wird seit dem 15. Juni 2002 von einem Konsortium aus AVG und DB Regio auf Grundlage eines Verkehrsvertrages mit dem Land Baden-Württemberg vom 1. April 2004 gefahren. Im Vertrag ist eine Pünktlichkeit von 96 % (Grenzwert 5:59 min, Mittel aus Ankunft und Abfahrt) am Messpunkt Gernsbach vorgesehen. In einer Vertragsänderung vom 30. März 2007 wurde der Zielwert auf 95 % gesenkt. Statt des Messpunkts Gernsbach wird einvernehmlich die Pünktlichkeit im Messpunkt Forbach gewertet (Endpunkt vieler Züge aus Karlsruhe). Zur Fahrradmitnahme besteht nur die Regelung, dass in den neu zu beschaffenden Fahrzeugen (also in den MittelflurStadtbahnwagen der letzten Bauserien) zwei Mehrzweckbereiche mit je mindes - tens zwei Metern Länge und zusammen mindestens drei Quadratmetern Grundfläche vorhanden sein müssen. Das Konsortium ist für eine ausreichende KapaJahr 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 T.to 96 91 94 63 79 98 125 128 128 T.tokm 3.860 3.487 2.212 1.631 1.890 2.322 3.015 3.596 3.609 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7362 4 zität verantwortlich und muss überbesetzte Züge (Belegung mehr als 120 % der Sitzplätze auf mehr als 10 Minuten Fahrzeit) im monatlichen Statusbericht darstellen . Die von der AVG vorgelegten Fahrgastzahlen weisen im Murgtal nur auf kurzen Abschnitten Überbesetzungen aus. Die Pünktlichkeitszielwerte im Murgtal werden jedoch seit Jahren teilweise deutlich verfehlt. 2014 lag die Pünktlichkeit in Forbach bei nur 92,0 %, 2013 bei 93,8 %, 2012 bei 92,9 %. Teilweise füh - ren aus dem Raum Karlsruhe eingetragene Verspätungen von fünf Minuten aufgrund der Eingleisigkeit der Strecke, der hohen Zugfrequenz und verlängerten Kreuzungsaufenthalten zu stark anwachsenden Verspätungen und Anschlussverlusten in Freudenstadt Hbf. Außerdem verkehrt im Murgtal während der Fahrradsaison an Sonn- und Feier - tagen ein lokbespanntes Zugpaar Mannheim–Heidelberg–Karlsruhe–Freudenstadt Hbf mit hoher Fahrradmitnahmekapazität (ca. 60 bis 80 Fahrräder) der DB Regio im Rahmen des „Großen Verkehrsvertrags“. Dieser Zug soll auch während der Laufzeit des Übergangsvertrags weiter verkehren. 4. In welchem Umfang konnten bislang Fahrgäste auf Grund von Platzmangel in den Bahnen nicht mitgenommen werden? Bislang vor dem Hintergrund großer Auslastungen auffällig geworden sind die beiden Stadtbahnfahrten 85588 und 85190. Bei beiden Fahrten handelt es sich um Zubringer am Vormittag von Karlsruhe in Richtung Murgtal. Insbesondere handelt es sich um die ersten beiden Fahrten, welche nach neun Uhr Karlsruhe ver - lassen und damit in einer sehr attraktiven zeitlichen Lage liegen. Die Fahrten sind jeweils an Wochenenden, Feiertagen und in den Schulferien besonders ausge - lastet. Hier kommt es insbesondere zu einer hohen Auslastung durch Reisende mit Fahrrädern. Die S41-Stadtbahnfahrt 85588 (08:57 ab KA-Tullastraße nach Freudenstadt Hbf, an 11:12 Uhr) verkehrt Mo–Fr zwischen Albtalbahnhof und Forbach als Langzug (drei Stadtbahnfahrzeuge im Verband). Auf dem restlichen Laufweg sowie an Wochenenden und an Feiertagen auf dem gesamten Laufweg verkehrt die Fahrt als Vollzug (zwei Stadtbahnfahrzeuge im Verband). Der S31-Eilzug 85190 (09:20 Uhr ab Menzingen nach Freudenstadt Hbf, an 11:37 Uhr) verkehrt Mo–Fr als Kurzzug (ein Stadtbahnfahrzeug). An Wochenenden und an Feiertagen verkehrt er als Vollzug (zwei Stadtbahnfahrzeuge im Verband). Der an Sonntagen im Sommer verkehrende Radexpress „Murgtäler“ (von Ludwigshafen (Rh) kommend; 09:06 Uhr ab Karlsruhe Hbf nach Freudenstadt Hbf, an 10:37 Uhr) war im Jahr 2015 an drei Tagen so überlastet, dass keine Fahrräder mehr mitgenommen werden konnten. 5. Welche konkreten Angebotsänderungen beabsichtigt sie im Rahmen der Neuvergabe des SPNV-Angebots auf dieser Strecke? Das Verkehrsangebot (Anzahl und Taktlagen der Züge) soll im Rahmen der aktuell laufenden Ausschreibung des Netzes 7a/b (Stadtbahn Karlsruhe) grundsätzlich nicht verändert werden. Es sind jedoch im gesamten Stadtbahnnetz vereinzelte gezielte Verstärkungen (Voll- und Langzüge) von besonders stark frequentierten Leistungen vorgesehen. Verstärkungen sind aber voraussichtlich aufgrund des gegebenen Fuhrparks nur in Einzelfällen möglich. Im Murgtal ist an den Wochenenden die Führung aller tagsüber verkehrenden Leistungen als Vollzug (zwei Stadtbahnfahrzeuge im Verband) vorgesehen. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7362 6. Wie bewertet sie die Chancen, im Rahmen von Verhandlungen mit der AVG kurzfristig Verbesserungen im derzeitigen Verkehrsangebot erreichen zu können und wie bewertet sie alternativ dazu die Chancen, dieses Ziel durch die Vergabe eines Zusatzangebots (z. B. einen am Wochenende das heutige SPNVAngebot ergänzenden Nationalparkexpress mit gesicherter Fahrradmitnahme - möglichkeit) an einen externen Dritten erreichen zu können? Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur wird die Umsetzbarkeit und Finan zierbarkeit solcher Maßnahmen prüfen. Die Möglichkeit, im Rahmen von Verhandlungen mit der AVG kurzfristige Verbesserungen des Verkehrsangebots zu erreichen, ist insbesondere durch die Verfügbarkeit geeigneter Fahrzeuge limitiert . 7. Bis wann ist mit der Verabschiedung eines Verkehrskonzepts für den Nationalpark zu rechnen? Für die Erstellung des Verkehrskonzepts sind grundsätzlich die berührten Kommunen und Landkreise zuständig. Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat bisher die in der Begründung der Kleinen Anfrage genannte Vorstudie finanziert . Darüber hinaus wird von der Region derzeit die Erstellung eines Gesamtkonzeptes Nachhaltige Mobilität Nationalpark erörtert. Neben regionalen Akteuren sollen dabei auch die Nationalparkverwaltung sowie der Nationalparkrat in die Überlegungen einbezogen werden. Die Landesregierung wird den Prozess auch weiterhin konstruktiv begleiten. Bis wann dieser Prozess abgeschlossen sein soll, ist von den Beteiligten bisher nicht festgelegt. Hermann Minister für Verkehr und Infrastruktur Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7362 6 Anlage