Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7364 11. 09. 2015 1Eingegangen: 11. 09. 2015 / Ausgegeben: 09. 10. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie das Vorhaben der Stadtwerke Böblingen, den Fernwärmepreis um 55 Prozent zu erhöhen? 2. Auf welcher Grundlage hat die Energiekartellbehörde des Landes protestierenden Fernwärmebeziehern mitgeteilt, dass die oben genannte Preiserhöhung nicht zu beanstanden sei (siehe Berichterstattung der Stuttgarter Zeitung vom 1. September 2015)? 3. Wird die Energiekartellbehörde die oben genannte Preiserhöhung einer formellen Überprüfung unterziehen und bis wann ist gegebenenfalls mit einem Ergebnis zu rechnen? 4. Geht sie davon aus, dass im Zuge der Energiewende derartige Preiserhöhungen verstärkt zu erwarten sind? 5. Was tut sie im Zuge ihres Vorhabens der Förderung leitungsgebundener Wärmeversorgung für eine faire und transparente Preisgestaltung? 08. 09. 2015 Glück FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Preistransparenz bei Fernwärme Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7364 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 5. Oktober 2015 Nr. 4-4452.89/93 beantwortet das Ministe - rium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet sie das Vorhaben der Stadtwerke Böblingen, den Fernwärmepreis um 55 Prozent zu erhöhen? Es trifft nicht zu, dass der Fernwärmepreis in Böblingen von der Stadtwerke Böblingen GmbH & Co. KG generell um 55 % angehoben worden ist. Nach Kenntnis der Energiekartellbehörde des Landes wurde der jährliche Grundpreis, der zusammen mit dem Arbeitspreis den Preis der Fernwärme bestimmt, für alle Kunden pro 1 kW-Anschlussleistung von 10,83 € brutto auf 34,30 € brutto angehoben. Der Arbeitspreis beträgt pro MWh (1.000 kWh) weiterhin wie zuvor brutto 85,78 €, d. h. 8,578 ct/kWh. Die Grundpreiserhöhung wirkt sich naturgemäß auf verschiedene Abnahmeverhältnisse unterschiedlich aus. Dies zeigt sich anschaulich anhand der folgenden von der Stadtwerke Böblingen GmbH & Co. KG übermittelten Angaben zu drei typischen Annahmefällen im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Böblingen GmbH & Co. KG (Bruttopreise): 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7364 Über alle Kundengruppen hinweg dürfte die Anhebung des Preisniveaus im Durchschnitt ungefähr 20 % betragen. Ansatzpunkt für die kartellrechtliche Bewertung nach dem Vergleichsmarktprinzip ist allerdings weniger die einzelne Preissteigerung als vielmehr das aktuelle Gesamtpreisniveau, also der von den Kunden zu zahlende Endpreis für die Wärmelieferung im Vergleich zu den Preisen anderer Fernwärmeversorger. Daneben ist auch das Verhältnis von Grundund Arbeitspreis von Interesse, wobei hier auch nach der Grundpreiserhöhung kein offensichtliches Missverhältnis ersichtlich ist. Vielmehr war der Grundpreis in der Vergangenheit eher auffällig niedrig, was der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass die vorausgehende letzte Erhöhung der Grundpreise nach Angaben der Stadtwerke Böblingen GmbH & Co. KG rund 25 Jahre zurückliegt. 2. Auf welcher Grundlage hat die Energiekartellbehörde des Landes protestierenden Fernwärmebeziehern mitgeteilt, dass die oben genannte Preiserhöhung nicht zu beanstanden sei (siehe Berichterstattung der Stuttgarter Zeitung vom 1. September 2015)? Die Energiekartellbehörde Baden-Württemberg hat auf zahlreiche Eingaben von betroffenen Bürgern reagiert und daraufhin die Stadtwerke Böblingen GmbH & Co. KG um Stellungnahme zu der Grundpreisanhebung gebeten und geprüft, ob nach dem Opportunitätsprinzip die Einleitung von kartellbehördlichen Schritten angezeigt war. Die Energiekartellbehörde Baden-Württemberg hat hierfür die Preise verschiedener Fernwärmeanbieter in Baden-Württemberg ermittelt und verglichen. Ferner wurde auch der von der Stadtwerke Böblingen GmbH & Co. KG vorgelegte Preisvergleich herangezogen. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass das Preisniveau der Fernwärmepreise der Stadtwerke Böblingen GmbH & Co. KG auch nach der Grundpreiserhöhung nicht auffallend hoch ist, weshalb nach dem Opportunitätsprinzip die Einleitung von kartellbehördlichen Schritten hier nicht angezeigt war. Den Kunden wurde daher mitgeteilt, dass die Kartellbehörde derzeit keine Veranlassung für kartellbehördliche Maßnahmen gegen die Stadtwerke Böblingen GmbH & Co. KG sieht. Eine weitergehende Aussage, dass die Preiserhöhung nicht zu beanstanden sei, war hingegen nicht Inhalt der Mitteilung. 3. Wird die Energiekartellbehörde die oben genannte Preiserhöhung einer formellen Überprüfung unterziehen und bis wann ist gegebenenfalls mit einem Ergebnis zu rechnen? Die Energiekartellbehörde Baden-Württemberg sieht beim derzeitigen Preisniveau keine Veranlassung für die Einleitung eines förmlichen Missbrauchsverfahrens. 4. Geht sie davon aus, dass im Zuge der Energiewende derartige Preiserhöhungen verstärkt zu erwarten sind? Nein. 5. Was tut sie im Zuge ihres Vorhabens der Förderung leitungsgebundener Wärmeversorgung für eine faire und transparente Preisgestaltung? Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft erarbeitet derzeit eine Richtlinie mit Vorgaben für die Förderung energieeffizienter Wärmenetze. Die Antragsteller werden danach im Förderantrag unter anderem eine Berechnung des Betriebsgewinns vorlegen müssen. Hier müssen auch Annahmen zur Preisanpassung enthalten sein. Werden dabei im Verhältnis zu den Gesamtkosten überhöhte Erlöse erzielt, ist von einem recht auskömmlichen Betriebsergebnis auszugehen, was wiederum entsprechend den Vorgaben des EU-Beihilferechts zu einem Sinken der möglichen Förderung führt. Damit wird ein Anreiz für eine faire Preisgestaltung gesetzt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Fernwärme bei der Neuanschaffung eines Heizsystems im Systemwettbewerb zu anderen Heizformen steht, sofern der Kunde nicht zum leitungsgebundenen Wärmebezug rechtlich oder faktisch verpflichtet ist. Der Fernwärmeversorger muss sich in diesem Falle beim Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7364 4 Neuaufbau oder der Erweiterung eines Fernwärmnetzes mit seinen Preisen dem Systemwettbewerb um Neukunden stellen. Ferner enthalten die Fernwärmelieferungsverträge in der Regel eine Klausel zur Preisanpassung (sog. Preisgleitklausel ), wobei der Rahmen für die Ausgestaltung durch die Vorgaben der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV ) vorgegeben wird, soweit diese anwendbar ist. Die in den Preisgleitklauseln angegebenen Preiserhöhungsmechanismen tragen zur Transparenz bei der Preisgestaltung bei. Daneben kann die Kartellaufsicht im Rahmen ihres Aufgreifermessens in begründeten Fällen gegen die Preisgestaltung vorgehen. Außerdem haben auch die Fernwärmekunden die Möglichkeit, zivilrechtlich hiergegen vorzugehen. Folglich bestehen genügende Sicherungsmechanismen, die eine unfaire Preisgestaltung erheblich begrenzen. Schließlich darf die Rolle der Gemeinden bei der Preisgestaltung nicht übersehen werden, wenn es sich bei dem Fernwärmeversorgungsunternehmen um ein kommunal geprägtes Unternehmen handelt , auf das die Gemeinde Einfluss hat. In diesen Fällen kann auch seitens der Gemeinde darauf hingewirkt werden, dass von den Bürgern keine überzogenen Preise verlangt werden. Ergänzend wird auf die Stellungnahme zum Antrag der Abg. Andreas Glück u. a. FDP/DVP, „Nah- und Fernwärmenetze aus Verbrauchersicht “, Drucksache 15/6149, verwiesen. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft