Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7370 15. 09. 2015 1Eingegangen: 15. 09. 2015 / Ausgegeben: 12. 10. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat sie darüber, dass die Betreiber inländischer Verbrennungsanlagen in zunehmendem Maße trotz vorher geschlossener Verträge, zum Teil unter Verweis auf eine Vollauslastung, die Annahme von Sortier- und Schredderrückständen aus der Aufbereitung von Schrott ablehnen? 2. Wie hat sich ihrer Kenntnis nach die Menge des aus dem europäischen Ausland nach Deutschland importierten Abfalls seit dem Jahr 2010 entwickelt und welchen Anteil hatte Hausmüll an diesen Abfallimporten? 3. Wie haben sich die Verbrennungspreise der Verbrennungsanlagen in derselben Zeit entwickelt? 4. Welche rechtlichen Begrenzungen, Genehmigungsvorbehalte und Rahmen - bedingungen gelten in Baden-Württemberg für die Abfallzwischenlagerungskapazitäten für Unternehmen der Stahlrecycling- und Entsorgungsbranche? 5. Sieht sie diesbezüglich Änderungsbedarf? 6. Was tut sie dafür, dass eine zeitnahe, ortsnahe und schadlose Entsorgung von Sortier- und Schredderrückständen aus der Aufbereitung von Schrott möglich bleibt? 14. 09. 2015 Dr. Rülke FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Drohender Entsorgungsnotstand infolge knapper Verbrennungskapazitäten? Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7370 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 7. Oktober 2015 Nr. 25-8981.41/26 beantwortet das Ministe - rium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse hat sie darüber, dass die Betreiber inländischer Verbrennungsanlagen in zunehmendem Maße trotz vorher geschlossener Verträge, zum Teil unter Verweis auf eine Vollauslastung, die Annahme von Sortier- und Schredderrückständen aus der Aufbereitung von Schrott ablehnen? Die Landesregierung verfügt über keine durchgängigen Informationen, die den in der Frage geschilderten Sachverhalt bestätigen würden. Lediglich aus einem Regierungsbezirk wurde mitgeteilt, dass eine Firma, bei der Rückstände aus der Schrottaufbereitung anfallen, angeblich konzernintern organisatorische Auffangmaßnahmen trifft, um die Entsorgung sicherzustellen. Dass Anlagenbetreiber geschlossene Verträge nicht einhalten, ist der Landesregie - rung nicht bekannt, wäre aber – sollte dies zutreffen – gegenwärtig kein Handlungsfeld für die Landesregierung, sondern eher eine Frage der bilateralen privatrechtlichen Vertragsgestaltung und -abwicklung. Dem Vernehmen nach haben gewerbliche Kunden bzw. Entsorgungsunternehmen in den vergangenen Jahren i. d. R. keine längerfristigen Verträge mit den Müllheizkraftwerken abgeschlossen . Motivation hierfür war die Erwartung sinkender Preise und damit die Nutzung wirtschaftlicher Optimierungsmöglichkeiten. So konnten nach Aussage der Betreiber von Müllheizkraftwerken mit Lieferanten von sogenanntem Schredderleichtgut nur in seltenen Fällen mittel- und langfristige Entsorgungsverträge abgeschlossen werden. Vielmehr seien auf Wunsch dieser Lieferanten in der Regel nur vertraglich nicht fixierte Vereinbarungen zur Lieferung und Abnahme entsprechender Mengen nach Können und Vermögen abgeschlossen worden. Bei diesen Mengen – nicht aber bei vertraglich vereinbarten Anlieferungen – hat es nach Angaben der Betreiber Zurückweisungen des Materials gegeben. 2. Wie hat sich ihrer Kenntnis nach die Menge des aus dem europäischen Ausland nach Deutschland importierten Abfalls seit dem Jahr 2010 entwickelt und welchen Anteil hatte Hausmüll an diesen Abfallimporten? Nach Angaben der Sonderabfallagentur Baden-Württemberg, die über die notifizierungspflichtigen Importe aller entsprechenden Abfallarten, somit auch über Hausmüllimporte, Kenntnis erlangt, hat sich die aus dem europäischen Ausland nach Deutschland importierte Abfallmenge seit 2010 wie folgt entwickelt (in 1.000 Tonnen): Die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutsch - land e. V. (ITAD) veröffentlichte die Zahlen aus der Befragung von bundesweit 70 Anlagen und kommt, da hier auch nicht notifizierungspflichtige Abfälle, allerdings nur zu ITAD-Mitgliedern, enthalten sind, zu folgenden Zahlen (in 1.000 Tonnen): Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Importe nach Deutschland insgesamt 6.861 6.452 5.881 5.886 6.426 Davon Hausmüll 369 266 309 341 404 Importe nach BadenWürttemberg insgesamt 662 751 790 693 722 Davon Hausmüll 0,9 – – – – Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 Importe nach Deutschland insgesamt 400 650 735 1.050 1.300 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7370 3. Wie haben sich die Verbrennungspreise der Verbrennungsanlagen in derselben Zeit entwickelt? Wie der Abfallbilanz 2014 zu entnehmen ist, sind die Abfallgebühren für die Bürgerinnen und Bürger seit 2002 leicht gesunken. In die Gebührenbemessung gehen zahlreiche Faktoren ein, wodurch eine direkte Aussage über die darin ebenfalls enthaltenen Verbrennungspreise nicht ohne Weiteres möglich ist. Gleichwohl belegen die Zahlen, dass die Verbrennungspreise nicht „durchschlagend“ gestiegen sein können. Die Betreiber von Müllheizkraftwerken können Kapazitäten, die nicht zur pflichtgemäßen Entsorgung der zugehörigen Gebietskörperschaften benötigt werden, im Rahmen der Anlagengenehmigung mit Abfällen Dritter beschicken. Dies und die hierbei entstehenden Preiskonstellationen unterliegen dem Marktgeschehen. Der Landesregierung liegen keine systematischen Erkenntnisse über die Preisentwicklung vor, sie stellt aber auch nicht in Abrede, dass in der Entsorgungswirtschaft aktuell steigende Verbrennungspreise thematisiert werden. Generell schwanken die Verbrennungspreise in Abhängigkeit vertraglicher Regelungen . Spotmengen erzielen am Markt andere Preise als Lieferungen nach Verträgen und unterliegen einer stärkeren Volatilität. Dem Umweltministerium wurde seitens der Betreiber von Müllheizkraftwerken mitgeteilt, dass aktuell die Entsorgungspreise für gewerblichen Abfall über dem extrem niedrigen Preisniveau 2012/2013 liegen, jedoch noch deutlich unter den Preisen der Jahre 2009/2010. 4. Welche rechtlichen Begrenzungen, Genehmigungsvorbehalte und Rahmenbedingungen gelten in Baden-Württemberg für die Abfallzwischenlagerungskapazitäten für Unternehmen der Stahlrecycling- und Entsorgungsbranche? Ortsfeste Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung von Abfällen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig. Sie sind in den Ziffern 8.12 und 8.14 des Anhangs 1 der 4. BImSchV (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen) aufgeführt. Für die Genehmigungspflicht wird unterschieden, ob die Zwischenlagerung weniger oder mehr als ein Jahr andauern soll. Es gelten folgende Mengenschwellen, Vorgaben zur Genehmigung und Anwendung der EU-Richtlinie über Industrieemissionen: Verfahrensart Anlage gemäß Art. 10 der Richtlinie 2010/75/EU 8.12 Anlagen zur zeitweiligen Lagerung von Abfällen, auch soweit es sich um Schlämme handelt, ausgenommen die zeitweilige Lagerung bis zum Einsammeln auf dem Gelände der Entstehung der Abfälle und Anlagen, die durch Nummer 8.14 erfasst werden bei 8.12.1 gefährlichen Abfällen mit einer Gesamtlagerkapazität von 8.12.1.1 50 Tonnen oder mehr, G E 8.12.1.2 30 Tonnen bis weniger als 50 Tonnen, V 8.12.2 nicht gefährlichen Abfällen mit einer Gesamtlagerkapazität von 100 Tonnen oder mehr, V 8.12.3 Eisen- oder Nichteisenschrotten, einschließlich Autowracks, mit 8.12.3.1 einer Gesamtlagerfläche von 15 000 Quadratmetern oder mehr oder einer Gesamtlagerkapazität von 1 500 Tonnen oder mehr, G 8.12.3.2 einer Gesamtlagerfläche von 1 000 bis weniger als 15 000 Quadratmetern oder einer Gesamtlagerkapazität von 100 bis weniger als 1 500 Tonnen; V Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7370 4 Bei mit einem E gekennzeichneten Anlagen handelt es sich um Anlagen, die den Anforderungen der Richtlinie 2010/175/EU über Industrieemissionen entsprechen müssen , bei mit einem G gekennzeichneten Anlagen ist ein förmliches immis sions schutz - rechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich und bei mit einem V gekennzeichneten Anlagen ist eine Genehmigung im vereinfachten Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung möglich. Im Rahmen dieser Vorgaben aus der Bundesverordnung verfährt die Verwaltung in Baden-Württemberg. 5. Sieht sie diesbezüglich Änderungsbedarf? Die Landesregierung sieht derzeit keinen Änderungsbedarf bei der genehmi - gungs rechtlichen Einstufung von Zwischenlagern, zumal die letzte Änderung der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung erst im Mai 2015 in Kraft trat. 6. Was tut sie dafür, dass eine zeitnahe, ortsnahe und schadlose Entsorgung von Sortier- und Schredderrückständen aus der Aufbereitung von Schrott möglich bleibt? Die Landesregierung geht davon aus, dass die ordnungsgemäße Entsorgung der in Rede stehenden Abfälle gewährleistet ist. Sie sieht derzeit keine Notwendigkeit, in das betreffende Marktgeschehen einzugreifen. Entsprechend den gesetzlichen Vorgaben verfolgt die Landesregierung das Ziel, die stoffliche Verwertung zu stärken und dadurch auch für Sortier- und Schredderrückstände den Umfang der thermischen Verwertung zurückzufahren. Außerdem ist zu bedenken, dass die vergleichsweise niedrigen Verbrennungspreise in den zurückliegenden Jahren eine ungesunde Situation darstellten, die eine Kostendeckung für Müllheizkraftwerke erschwerte und somit den Gebührenzahler eher belastete. Darüber hinaus war in der Niedrigpreisphase festzustellen, dass gefährliche Abfälle bundesweit in für Hausmüll vorgesehene Müllheizkraftwerke verbracht wurden. Dies ging wiederum ökonomisch zu Lasten der Betreiber von Sonderabfallverbrennungsanlagen und bot keine Anreize, den Ausbau der stofflichen Verwertung zu prüfen. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Verfahrensart Anlage gemäß Art. 10 der Richtlinie 2010/75/EU 8.14 Anlagen zum Lagern von Abfällen über einen Zeitraum von jeweils mehr als einem Jahr mit 8.14.1 einer Gesamtlagerkapazität von mehr als 50 Tonnen, soweit die Lagerung untertägig erfolgt, G E 8.14.2 einer Aufnahmekapazität von 10 Tonnen oder mehr je Tag oder einer Gesamtlagerkapazität von 25 000 Tonnen oder mehr, 8.14.2.1 für andere Abfälle als Inertabfälle, G E 8.14.2.2 für Inertabfälle, G 8.14.3 einer Aufnahmekapazität von weniger als 10 Tonnen je Tag und einer Gesamtlagerkapazität von 8.14.3.1 weniger als 25 000 Tonnen, soweit es sich um gefährliche Abfälle handelt, G 8.14.3.2 150 Tonnen bis weniger als 25 000 Tonnen, soweit es sich um nicht gefährliche Abfälle handelt, G 8.14.3.3 weniger als 150 Tonnen, soweit es sich um nicht gefährliche Abfälle handelt; V