Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7381 16. 09. 2015 1Eingegangen: 16. 09. 2015 / Ausgegeben: 16. 10. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen plant sie, um die baurechtlichen Verfahren zur Errichtung von Flüchtlingsunterkünften zu beschleunigen? 2. Plant sie, die Errichtung von (vorübergehenden) Flüchtlingsunterkünften als verfahrensfreie Vorhaben im Anhang zu § 50 Landesbauordnung (LBO) aufzuführen , auch wenn sie – wie z. B. Containerbauten – für eine dauerhafte Nutzung geeignet wären (andernfalls würden diese unter Nummer 10 c des Anhangs zu § 50 LBO fallen)? 3. Beabsichtigt sie, die Regelungen in den Bereichen Brandschutz, Stellplätze und Abstandsflächen für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften generell außer Kraft zu setzen oder zumindest zu beschränken, ohne dass dies im Einzelfall von den Baurechtsbehörden im Rahmen von Abweichungen nach § 56 LBO entschieden werden muss? 4. Plant sie, analog zu dem von der Bundesregierung geplanten Beschleunigungsgesetz für die Bewältigung der aktuellen Asyl- und Flüchtlingssituation zur Abweichung von geltenden Regelungen oder Standards entsprechende Regelungen auch auf Landesebene zu erlassen und wenn ja, welche? 15. 09. 2015 Dr. Rapp CDU Kleine Anfrage des Abg. Dr. Patrick Rapp CDU und Antwort des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Baurechtliche Erleichterungen zur Realisierung von Flüchtlingsunterkünften Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7381 2 B e g r ü n d u n g Angesichts der ständig steigenden Flüchtlingszahlen und den Problemen der Unterbringung in den Landkreisen und Kommunen stellt sich die Frage, ob die Landesregierung baurechtliche Erleichterungen zur Realisierung von Flüchtlings - unterkünften plant und unterstützt. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 9. Oktober 2015 Nr. 41-0141.5/48 beantwortet das Ministe - rium für Verkehr und Infrastruktur die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen plant sie, um die baurechtlichen Verfahren zur Errichtung von Flüchtlingsunterkünften zu beschleunigen? Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI) als oberste Baurechtsbehörde hat bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die bestehenden Möglichkeiten des Baurechts zur Flüchtlingsunterbringung stets voll ausgenutzt werden. Das Ministerium unterstützt die nachgeordneten Baurechtsbehörden aktiv bei der Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Hierfür hat das MVI insbesondere 1. aktualisierte Hinweise zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit mit einer tabellarischen Darstellung von Rechtsprechung zur bauplanungsrechtlichen Zu - lässigkeit von Unterkünften für Flüchtlinge bzw. Asylbegehrende zur Verfügung gestellt; 2. mit dem Ziel, Verzögerungen und Erschwernisse durch bauordnungsrechtliche Vorgaben weitestgehend zu verhindern, a) in einem Runderlass umfassende Hinweise zur Beschleunigung des Verfahrens bei Nutzungsänderungen baulicher Anlagen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden gegeben. Z. B. wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass in den Fällen von besonderer Eilbedürftigkeit zur Vermeidung von Obdachlosigkeit wegen des besonderen öffentlichen Inte - resses an der schnellen Unterbringung der Flüchtlinge und Asylbegehrenden eine vorläufige Belegung von bestehenden Räumlichkeiten auch bereits vor Abschluss eines ggf. erforderlichen Baugenehmigungsverfahrens erfolgen kann, b) veranlasst, dass die unteren Baurechtsbehörden bei im Einzelfall auftretenden Problemen mit Brandschutzanforderungen und sonstigen bauordnungsrechtlichen Vorgaben (Barrierefreiheit, Stellplätze etc.), sofern diese vor Ort nicht gelöst werden können, umgehend den höheren Baurechtsbehörden berichten , um schnelle zielorientierte Beratung zu gewährleisten, c) die bauordnungsrechtlichen Möglichkeiten, um in diesen Fällen zu pragmatischen und vertretbaren Lösungen zu kommen, dargelegt. Darüber hinaus erarbeitet unter Federführung des MVI aktuell eine interministerielle Arbeitsgruppe die Zusammenstellung konkreter Lösungsmöglichkeiten für spezifische Fragen des Brandschutzes bei der Flüchtlingsunterbringung. *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7381 Soweit bestehende bundesrechtliche Regelungen sich als Erschwernisse für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden herausgestellt haben, ist die Landesregierung auf Bundesebene initiativ geworden, um temporäre rechtliche Anpassungen an die besonderen Herausforderungen, die sich derzeit stellen, zu erreichen. Hierfür hat die Landesregierung insbesondere: 1. das Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung des BauGB-Maßnahmengesetz vom 26. November 2014 (BGBl. I. S. 1748) im Bundesrat mit initiiert, unterstützt und in der Umsetzung aktiv begleitet. Mit diesem Maßnahmengesetz wurden Erleichterungen für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften geschaffen, indem notwendige Klarstellungen in das Baugesetzbuch eingeführt und die Flüchtlingsunterbringung in geeigneten Objekten in Gewerbegebieten und in sog. Außenbereichsinseln eingeführt wurde, 2. eine zweite Bundesratsinitiative zur Erleichterung der Flüchtlingsunterbringung mit initiiert, die in der Plenarsitzung des Bundesrats am 25. September eingebracht wurde. Gegenstände dieser Initiative sind a) Änderungen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Flüchtlingsunterbringung in reinen Wohngebieten, b) die befristete Absenkung von energetischen Gebäudestandards bei Errichtung von Flüchtlingsunterkünften, c) die temporäre Aussetzung von vergaberechtlichen Anforderungen bei Errichtung bzw. Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften, 3. sich beim Bundesministerium des Innern im Rahmen der Erstellung des vormals als Standardabweichungsgesetz bezeichneten Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes dafür eingesetzt, a) mobile Anlagen der Flüchtlingsunterbringung befristet auch im siedlungs - nahen Außenbereich zuzulassen, b) eine weitere Erleichterung der Flüchtlingsunterbringung in Gewerbegebieten zu schaffen, c) klarstellende Regelungen zu befristeten Befreiungen von den Festsetzungen der Bebauungspläne im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung zu schaffen, d) klarstellend zu regeln, dass bei der Flüchtlingsunterbringung Ausnahmen von Veränderungssperren der Kommunen rechtlich möglich sind und e) die oben genannten Gegenstände der zweiten Bundesratsinitiative schnellstmöglich umzusetzen. Die genannten baurechtlichen Erleichterungen wurden vom Bund im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (BR-Drs. 446/15), das am 16. Oktober 2015 im Bundesrat zur Abstimmung stehen wird, vollinhaltlich aufgegriffen. Vor dem Hintergrund der bereits ergriffenen, umfangreichen Maßnahmen zur Schaffung baurechtlicher Erleichterungen bei der Errichtung bzw. Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften, ist eine Notwendigkeit für gesetzgeberische Maßnahmen im Landesbaurecht derzeit nicht ersichtlich. 2. Plant sie, die Errichtung von (vorübergehenden) Flüchtlingsunterkünften als verfahrensfreie Vorhaben im Anhang zu § 50 Landesbauordnung (LBO) aufzuführen , auch wenn sie – wie z. B. Containerbauten – für eine dauerhafte Nutzung geeignet wären (andernfalls würden diese unter Nummer 10 c des Anhangs zu § 50 LBO fallen)? Nach Nummer 10 c des Anhangs zu § 50 LBO sind Behelfsbauten, die u. a. der Unterbringung Obdachloser dienen und nur vorübergehend aufgestellt werden, verfahrensfrei möglich. Solche Behelfsbauten sind nach § 56 Abs. 4 Nr. 2 LBO Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7381 4 bauliche Anlagen, die nach der Art ihrer Ausführung für eine dauernde Nutzung nicht geeignet sind und die für eine begrenzte Zeit aufgestellt werden. In diesen Fällen ist eine präventive behördliche Prüfung entbehrlich. Unter die Nummer 10 c fallen auch Flüchtlingsunterkünfte, die vorübergehend für eine begrenzte Zeit aufgestellt werden und sich nicht für eine dauernde Nutzung eignen. Nicht an sich unter Nummer 10 c fallen Systembauten wie z. B. Containerbauten, wenn sie für eine dauernde Nutzung geeignet sind. Es wird jedoch davon ausgegangen , dass sich solche Systembauten, die zur vorübergehenden Unterbringung aufgestellt werden, wegen ihrer leichten und schnellen Bauweise grundsätzlich nicht für eine dauernde Nutzung eignen und auch nur vorübergehend zeitlich begrenzt aufgestellt werden. Die Aufstellung dieser Behelfsbauten als Unterkünfte kann daher in der Regel verfahrensfrei erfolgen. Eine Baugenehmigungspflicht entsteht hier allenfalls nachträglich, falls diese Unterkünfte später entgegen der ursprünglichen Planung doch nicht nur vorüberübergehend genutzt werden. Diese bestehenden Regelungen zur Verfahrensfreiheit tragen den bauordnungsrechtlichen Erfordernissen Rechnung. Im Übrigen wurden den nachgeordneten Behörden im Erlasswege bereits Hinweise gegeben, wie durch eine vorläufige Belegung Verzögerungen durch ggf. notwendige Baugenehmigungsverfahren ver - hindert werden können. Die Landesregierung plant daher keine Änderung der Liste der verfahrensfreien Vorhaben im Anhang zu § 50 LBO. 3. Beabsichtigt sie, die Regelungen in den Bereichen Brandschutz, Stellplätze und Abstandsflächen für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften generell außer Kraft zu setzen oder zumindest zu beschränken, ohne dass dies im Einzelfall von den Baurechtsbehörden im Rahmen von Abweichungen nach § 56 LBO entschieden werden muss? 4. Plant sie, analog zu dem von der Bundesregierung geplanten Beschleunigungsgesetz für die Bewältigung der aktuellen Asyl- und Flüchtlingssituation zur Abweichung von geltenden Regelungen oder Standards entsprechende Regelungen auch auf Landesebene zu erlassen und wenn ja, welche? Zu 3. und 4.: Die Landesbauordnung (LBO) enthält insbesondere in § 56 LBO verschiedene Ausnahmetatbestände (z. B. für neugeschaffenen Wohnraum, für Gemeinschaftsunterkünfte oder Behelfsbauten), die eine Abweichung von praktisch sämtlichen bauordnungsrechtlichen Vorschriften ermöglichen. Damit ist die notwendige Flexibilität bei der Anwendung der LBO im Rahmen der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden gegeben. Eine Notwendigkeit für gesetzgeberische Maßnahmen zum Bauordnungsrecht ist daher derzeit nicht ersichtlich. Das Minis - terium für Verkehr und Infrastruktur wird die genannten Ausnahmemöglichkeiten im Rahmen eines Erlasses an die nachgeordneten Baurechtsbehörden noch einmal bekräftigen und die vorübergehend großzügige Nutzung der Ausnahmemöglichkeiten für die Schaffung von Flüchtlingsunterkünften auch weiterhin sicherstellen. Dr. Splett Staatssekretärin