Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 15 / 7393 17. 09. 2015 Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung Finanzierung der Schülerbeförderung in Baden-Württemberg G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie hat sich der Gesamtaufwand der Kreise für die Schülerbeförderungskostenerstattung , die Leistungen des Landes und die Nettoaufwendungen der Kreise in den Jahren seit 1997 entwickelt (differenziert nach allgemeinbildendem, beruflichem und Sonderschulwesen)? 2. Plant sie, eine Erhebung der Bedarfe bei der Schülerbeförderung in BadenWürttemberg durchzuführen? 3. Sieht sie sich veranlasst, Maßnahmen in die Wege zu leiten, durch die eine Überforderung von Familien mit geringerem Einkommen bei den Aufwendungen für die Schülerbeförderung zuverlässig vermieden werden kann? 4. Hält sie über die Regelungen des Bildungs- und Teilhabepakets des Bundes hinaus Regelungen für einkommensschwächere Familien (beispielsweise Belastungsobergrenzen ) in den Satzungen der Stadt- und Landkreise zur Schülerbeförderungskostenerstattung für erforderlich, um eine finanzielle Überforderung zu vermeiden? 5. Welche Unterschiede bestehen zwischen den Schülerbeförderungssatzungen in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten in Baden-Württemberg und wie beurteilt sie vor dem Hintergrund der Überforderungsdebatte die Satzungen der Stadt- und Landkreise und deren typische Regelungsinhalte (Zuschussregelungen /Eigenanteilsregelung, Ausgestaltung der Eigenanteilsregelung, Überforderungsklausel , Mehr-Kinder-Regelung)? 6. Hat sie – falls ja, mit welchem Inhalt und welchen Ergebnissen – diese Thematik in den letzten Monaten mit Vertretern des Landkreis- und Städtetags erörtert und haben hierbei mögliche Änderungen von § 18 des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) eine Rolle gespielt? Eingegangen: 17. 09. 2015 / Ausgegeben: 03. 11. 2015 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7393 2 7. Durch welche Maßnahmen wird überprüft, ob die Zuweisungen des Landes gemäß § 18 FAG ausnahmslos für die Kosten der Schülerbeförderung verwendet werden? 8. Wie beurteilt sie die Rechtsauffassung, wonach sich aus Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) sowie Artikel 11 der Landesverfassung ein Anspruch der betroffenen Familien auf eine kostenlose Bereitstellung von Leistungen der Schülerbeförderung ergibt ? 9. Welche Haltung nimmt sie hinsichtlich einer kompletten Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung für die Primarstufe und die Sekundarstufe 1 ein (analog zu Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen)? 10. Wird sie für Gebiete mit fehlenden oder nur unzureichenden Busverbindungen einen zusätzlichen finanziellen Ausgleich der Eltern für eigenverantwortlich organisierte Fahrdienste schaffen? 11. Wie wirken sich die in der 15. Legislaturperiode durch den Landtag beschlossenen bildungspolitischen Maßnahmen – insbesondere die Einführung der Gemeinschaftsschule und die Schließung von Schulstandorten – auf die Schülerbeförderungskosten aus? 12. Ist gewährleistet, dass sie die durch ihre bildungspolitischen Maßnahmen möglicherweise entstehenden finanziellen Mehrkosten bei der Schülerbeförderung ausgleicht? 16. 09. 2015 Dr. Rülke, Dr. Timm Kern und Fraktion B e g r ü n d u n g Der demografische Wandel stellt gerade den ländlichen Raum in Baden-Württemberg vor gewaltige Herausforderungen. Sinkende Schülerzahlen führen nicht nur zu Problemen bei der Sicherung von Schulstandorten, sondern stellen auch die Frage nach einer zukunftsfesten Finanzierung der Schülerbeförderung. Die die Landesregierung tragenden Fraktionen von GRÜNEN und SPD haben die Entwicklung durch ihre bildungspolitischen Maßnahmen zusätzlich verschärft. Grün-Rot lässt die Beteiligten bis heute im Unklaren, wer den möglichen finanziellen Mehraufwand – beispielsweise durch zusätzliche Busverbindungen – zu tragen hat. Die vorgenommene Delegation der Finanzierung an die Landkreise und kreisfreien Städte ist im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung grundsätzlich begrüßenswert , da sie ein Höchstmaß an Flexibilität und Praxisbezug gewährleistet. Jedoch stellen Elterninitiativen die berechtige Frage, ob die Landeszuweisungen dem Bedarf noch gerecht werden. Aus Sicht der FDP/DVP-Landtagsfraktion ist zunächst die Landesregierung gefordert, die künftigen Bedarfe bei der Schülerbeförderung objektiv zu ermitteln und gegebenenfalls anschließend die Zuweisungen des Landes an die Kommunen sachgerecht zu erhöhen. Für uns Freie Demokraten ist wichtig , dass gerade bei Familien mit geringem Einkommen ein Schutz vor finanzieller Überforderung durch Belastungsobergrenzen gewährleistet ist. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7393 3 A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 27. Oktober 2015 Nr. III: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Krebs Ministerin im Staatsministerium Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7393 4 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Mit Schreiben vom 21. Oktober 2015 Nr. 24-6435.0/542 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren und dem Justizministerium im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie hat sich der Gesamtaufwand der Kreise für die Schülerbeförderungskostenerstattung , die Leistungen des Landes und die Nettoaufwendungen der Kreise in den Jahren seit 1997 entwickelt (differenziert nach allgemeinbildendem, beruflichem und Sonderschulwesen)? 2. Plant sie, eine Erhebung der Bedarfe bei der Schülerbeförderung in BadenWürttemberg durchzuführen? Das Land hat zum Schuljahr 1983/1984 die Zuständigkeit für die Erstattung der Schülerbeförderungskosten auf die Stadt- und Landkreise übertragen. Danach erstatten die Stadt- und Landkreise den Schulträgern die notwendigen Beförderungskosten . Dafür erhalten die Stadt- und Landkreise nach Maßgabe von § 18 Finanzausgleichsgesetz (FAG) pauschale Zuweisungen in folgender Höhe: 1997 bis 2001: 332,0 Mio. DM jährlich 2002 bis 2011: 170,0 Mio. EUR jährlich 2012 bis 2015: 190,0 Mio. EUR jährlich 2016: 192,3 Mio. EUR 2017: 193,0 Mio. EUR 2018: 193,8 Mio. EUR Die Zuweisungen umfassen alle nach § 18 FAG erstattungsberechtigten Schulträger . Eine Aufteilung nach allgemein bildenden Schulen, beruflichen Schulen sowie sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren ist in § 18 FAG nicht vorgesehen . Die Zuweisungen werden nach § 18 FAG pauschal gewährt. Eine förmliche Beantragung und Bewilligung der Zuweisungen findet nicht statt. Deshalb besteht keine Verpflichtung der Stadt- und Landkreise zur Vorlage von Angaben oder Nachweisen über ihren Aufwand zur Erstattung der Schülerbeförderungskosten. Dem Land liegen deshalb weder Zahlen über den Gesamtaufwand noch über den Nettoaufwand der Kreise für die Erstattung der Schülerbeförderungskosten vor. Von einer Umfrage unter den Stadt- und Landkreisen zur Erhebung des Aufwands und der Bedarfe wurde in Anbetracht des erheblichen Verwaltungsaufwands, der örtlich unterschiedlichen Verhältnisse einschließlich der unterschiedlichen Ausgestaltung der Erstattungspraxis in den Kreisen und der zu erwartenden geringen Aussagekraft , insbesondere zur Vergleichbarkeit unter den Kreisen, abgesehen. Mit der Übertragung der Zuständigkeit für die Erstattung der Schülerbeförderungskosten wurde den Stadt- und Landkreisen in § 18 Abs. 2 FAG das Recht eingeräumt , Einzelheiten durch Satzung zu regeln, wie z. B. Höhe und Verfahren zur Erhebung von Eigenanteilen oder zur Gewährung eines Zuschusses sowie Umfang und Abgrenzung der notwendigen Beförderungskosten. Damit hat der Gesetzgeber den Stadt- und Landkreisen einen weiten Ermessensspielraum zur Abgrenzung der notwendigen Beförderungskosten und zur Festlegung der Voraussetzungen für die Erstattung eingeräumt. Im Rahmen dieses Ermessensspielraums können die Stadt- und Landkreise sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich der Höhe der Anspruchsvoraussetzungen frei entscheiden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7393 5 3. Sieht sie sich veranlasst, Maßnahmen in die Wege zu leiten, durch die eine Überforderung von Familien mit geringerem Einkommen bei den Aufwendungen für die Schülerbeförderung zuverlässig vermieden werden kann? 5. Welche Unterschiede bestehen zwischen den Schülerbeförderungssatzungen in den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten in Baden-Württemberg und wie beurteilt sie vor dem Hintergrund der Überforderungsdebatte die Satzungen der Stadt- und Landkreise und deren typische Regelungsinhalte (Zuschussregelungen /Eigenanteilsregelung, Ausgestaltung der Eigenanteilsregelung, Überforderungsklausel , Mehr-Kinder-Regelung)? Die Stadt- und Landkreise regeln in eigenen Satzungen die Einzelheiten zur Kostenerstattung . In den Satzungen der Stadt- und Landkreise finden sich sowohl Eigenanteils- als auch Zuschussregelungen sowie Mischmodelle. Die Eigenanteilsregelungen sehen überwiegend einen variablen Betrag vor, der sich an der Preisgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs orientiert, während die Zuschussregelungen überwiegend Festbeträge vorsehen. Im Rahmen ihrer umfassenden Zuständigkeit ist es Angelegenheit der Stadt- und Landkreise zu prüfen, ob eine Überforderung von Familien mit geringem Einkommen gegeben ist und welche Folgerungen zu ziehen sind. 43 der 44 Stadt- und Landkreise haben in ihren Satzungen Regelungen getroffen, wonach der Schulträger (teilweise mit Zustimmung des jeweiligen Kreises) den Eigenanteil ganz oder teilweise erlassen kann bzw. einen erhöhten Zuschuss gewähren kann, wenn andernfalls aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Eltern und der Schülerin/ des Schülers eine unbillige Härte gegeben wäre. In 42 Satzungen der Stadt- und Landkreise findet sich jeweils eine Regelung, wonach für das dritte und jedes weitere Kind kein Eigenanteil zu entrichten ist bzw. ein vollumfänglicher Zuschuss gewährt wird. In einer Satzung ist geregelt, dass sich der Zuschuss für das dritte Kind auf 50 Prozent des Fahrpreises erhöht und ab dem vierten Kind ein voller Zuschuss gewährt wird. Die Landesregierung sieht hier keinen weiteren Handlungsbedarf. Im Übrigen hätte das Land diesbezüglich auch keine kommunalaufsichtsrechtlichen Befugnisse bzw. Weisungsrechte. 4. Hält sie über die Regelungen des Bildungs- und Teilhabepakets des Bundes hinaus Regelungen für einkommensschwächere Familien (beispielsweise Belastungsobergrenzen ) in den Satzungen der Stadt- und Landkreise zur Schülerbeförderungskostenerstattung für erforderlich, um eine finanzielle Überforderung zu vermeiden? Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erhalten neben ihrem monatlichen Regelbedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), den Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), dem Wohngeld oder dem Kinderzuschlag auch sogenannte Leistungen für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Hierzu zählt unter bestimmten Voraussetzungen auch der Zuschuss zu den Kosten für die Schülerbeförderung. Darüber hinaus können auch solche Kinder und Jugendliche einen Anspruch auf Kostenerstattung für Schülerbeförderung haben, die aufgrund ihres eigenen Einkommens bzw. des Einkommens der mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Eltern oder eines Elternteils bisher keine Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII, dem Bundeskindergeldgesetz (Kinderzuschlag), nach dem WoGG (Wohngeld) oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten haben. Die Bedarfe nach § 28 SGB II bzw. § 34 SGB XII sind mithin bedarfserhöhend ausgestaltet, d. h., sie sind für sich geeignet, Hilfebedürftigkeit auszulösen und werden gewährt, wenn die entsprechenden Bedarfe nicht aus eigenen Kräften und Mitteln vollständig gedeckt werden können. Gemäß § 28 Abs. 4 SGB II bzw. § 34 Abs. 4 SGB XII werden bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsäch- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7393 6 lichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten. Mit Artikel 1 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 7. Mai 2013 hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. August 2013 den zumutbaren und aus dem Regelbedarf zu bestreitenden Eigenanteil auf regelmäßig 5 Euro festgelegt. Darüber hinaus ist die Durchführung der Schülerbeförderung Angelegenheit der Schulträger. Bei der Erstattung der notwendigen Beförderungskosten handelt es sich um eine kommunale Selbstverwaltungsangelegenheit. Im Übrigen wird auf die Antworten zu Ziffer 1 und 2 sowie Ziffer 3 und 5 Bezug genommen. 6. Hat sie – falls ja, mit welchem Inhalt und welchen Ergebnissen – diese Thematik in den letzten Monaten mit Vertretern des Landkreis- und Städtetags erörtert und haben hierbei mögliche Änderungen von § 18 des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) eine Rolle gespielt? Eine diesbezügliche Erörterung hat nicht stattgefunden und wird in Anbetracht der Zuständigkeit der Stadt- und Landkreise nicht für notwendig erachtet. 7. Durch welche Maßnahmen wird überprüft, ob die Zuweisungen des Landes gemäß § 18 FAG ausnahmslos für die Kosten der Schülerbeförderung verwendet werden? Eine Überprüfung ist nicht vorgesehen. Es handelt sich um pauschale Zuweisungen ohne Antrags- und Bewilligungsverfahren. Verwendungsnachweise sind dementsprechend nicht vorzulegen. Auf die Ausführungen zu Ziffer 1 und 2 wird Bezug genommen. 8. Wie beurteilt sie die Rechtsauffassung, wonach sich aus Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) sowie Artikel 11 der Landesverfassung ein Anspruch der betroffenen Familien auf eine kostenlose Bereitstellung von Leistungen der Schülerbeförderung ergibt ? Wie in der Antwort zur Kleinen Anfrage des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP, Drucksache 15/6572, ausgeführt, fällt der Weg zur Schule nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Schülerinnen und Schüler und der Eltern. Ein Anspruch auf kostenfreie Beförderung besteht auch im Hinblick auf die bestehende Schulpflicht nicht. Die Auferlegung von Eigenanteilen hat der VGH mehrmals überprüft, u. a. mit Beschluss vom 7. November 1995 (Az. 9 S 1848/93), mit dem der VGH festgestellt hat, dass die bestehende Schulpflicht für Grund- und Hauptschüler keinen Rechtsanspruch auf eine kostenfreie Beförderung beinhaltet. Weder die staatliche Verpflichtung zum besonderen Schutz der Familie gemäß Artikel 6 Abs. 1 GG noch das durch Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Recht der Eltern, den Bildungsweg ihrer Kinder zu bestimmen, begründen einen Anspruch darauf, dass die öffentliche Hand die Kosten der Schülerbeförderung (vollständig) übernimmt; Entsprechendes gilt für das Grundrecht der Schülerin/ des Schülers aus Artikel 2 Abs. 1 GG (VGH-Beschlüsse vom 7. November 1995 Az. 9 S 1848/93 und vom 10. Juni 1991 Az. 9 S 2111/90; BVerwG, Beschluss vom 12. April 1995, DVBl. 1985, 1084). Auch das in Artikel 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip gebietet keine Freistellung der unterhaltspflichtigen Eltern von allen durch den Schulbesuch ihrer Kinder verursachten Kosten und damit auch keine (vollständige) Erstattung notwendiger Schülerbeförderungskosten (BVerwG Beschluss vom 22. Oktober 1990, DVBl. 1991, 59). Nach den genannten höchstrichterlichen Entscheidungen kommt die Erhebung des Eigenanteils auch nicht einem verfassungswidrigen Schulgeld gleich. Artikel 11 Abs. 1 der Landesverfassung für Baden-Württemberg begründet weder einen individuellen Leistungsanspruch noch der Sache nach eine Verpflichtung des Normgebers , im Rahmen der Bereitstellung der erforderlichen Mittel die Schülerinnen und Schüler bzw. die Eltern von der Tragung jeglicher Kosten für die schulische Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7393 7 Ausbildung ihrer Kinder, insbesondere etwa gerade der Beförderungskosten, freizustellen . Der Normierung einer Eigenbeteiligung steht Artikel 11 Abs. 1 und 3 der Landesverfassung damit nichts entgegen. Zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) hat die Bundesregierung zur Wirkung des Pakts in ihrer Denkschrift Folgendes ausgeführt: „Der Pakt geht über die Proklamation bloßer Grundsätze hinaus, wie sie in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung enthalten sind; er begründet Rechtspflichten der Vertragsstaaten. Diese sind aber rein völkerrechtlicher Natur und lassen das innerstaatliche Recht zunächst unberührt. Auch nach der Ratifikation begründet der Vertragsinhalt für niemand unmittelbar Rechte oder Ansprüche, die gerichtlich einklagbar wären (BT-Drs. 7/658, S. 18).“ Dementsprechend gehen auch die bisherige Rechtsprechung und Literatur überwiegend davon aus, dass der Pakt grundsätzlich keine individuellen Ansprüche begründet (vgl. Schneider, Deutsches Institut für Menschenrechte, Die Justiziabilität wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Menschenrechte, S. 38; offengelassen in BVerwG, Urteil vom 29. April 2009 – 6 C 16/08 –, wonach jedenfalls im Hinblick auf Studiengebühren keine über das nationale Recht hinausgehende Rechte abgeleitet werden können). Auch die Landesregierung geht dementsprechend davon aus, dass aus der relativ allgemein gehaltenen Regelung in Artikel 13 IPwskR, insbesondere auch nicht aus dessen Absatz 2 Buchst. a und b, der einen unentgeltlichen Schulbesuch betrifft, kein Individualanspruch auf eine unentgeltliche Schülerbeförderung abgeleitet werden kann. Eine entgegenstehende Rechtsprechung ist der Landesregierung nicht bekannt. 9. Welche Haltung nimmt sie hinsichtlich einer kompletten Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung für die Primarstufe und die Sekundarstufe I ein (analog zu Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen)? Nach Artikel 30 des Grundgesetzes sind die Länder für die Bildung zuständig. Dies schließt auch die Organisation des Schulbetriebs und die Schülerbeförderung ein. Es liegt im Wesen des Föderalismus, dass die einzelnen Länder dabei unterschiedliche Prioritäten setzen, die auch zu von Land zu Land abweichenden Regelungen führen können. Das Land Baden-Württemberg hat von seiner Gesetzgebungskompetenz in der Weise Gebrauch gemacht, dass es die Zuständigkeit für die Erstattung der Kosten der Schülerbeförderung auf die Stadt- und Landkreise übertragen hat. Eine Änderung der Regelung über die Zuständigkeit ist derzeit nicht beabsichtigt. Es ist Angelegenheit der Stadt- und Landkreise, im Rahmen ihrer Satzungshoheit zu entscheiden, ob in einzelnen Bereichen eine Kostenerstattung in voller Höhe in Betracht kommt. 10. Wird sie für Gebiete mit fehlenden oder nur unzureichenden Busverbindungen einen zusätzlichen finanziellen Ausgleich der Eltern für eigenverantwortlich organisierte Fahrdienste schaffen? Die Frage, ob es Gebiete mit fehlenden oder unzureichenden Busverbindungen gibt und welche Konsequenzen in solchen Gebieten ggf. zu ziehen wären, ist von den Schulträgern im Rahmen der Organisation der Schülerbeförderung zu prüfen und ggf. mit den für die Erstattung der Kosten zuständigen Stadt- und Landkreisen zu erörtern. Ebenso ist von den Kreisen im Rahmen ihrer Satzungshoheit zu regeln, ob und ggf. in welchem Umfang Fahrtkosten für Pkw – ggf. auch für Fahrgemeinschaften – erstattet werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7393 8 11. Wie wirken sich die in der 15. Legislaturperiode durch den Landtag beschlossenen bildungspolitischen Maßnahmen – insbesondere die Einführung der Gemeinschaftsschule und die Schließung von Schulstandorten – auf die Schülerbeförderungskosten aus? 12. Ist gewährleistet, dass sie die durch ihre bildungspolitischen Maßnahmen möglicherweise entstehenden finanziellen Mehrkosten bei der Schülerbeförderung ausgleicht? Aussagen, ob und ggf. wie sich die Einführung der Gemeinschaftsschule auf die Schülerbeförderung auswirkt, sind nicht möglich. Die Frage der Schulwahl ist eine höchstpersönliche Entscheidung. Die Schülerbeförderung ist häufig in den ÖPNV eingegliedert. Beförderungskonzepte werden von vielfältigen Faktoren beeinflusst. Im Übrigen könnten sich z. B. zwar für die einzelnen Schülerinnen und Schüler Wege verändern (verlängern oder verkürzen), durch Standortkonzentration aber weniger Schülerverkehre (Linien) notwendig sein. Zudem ist davon auszugehen, dass ein Teil der Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule ohnehin befördert werden müsste. Nach dem Schulgesetz sind die kommunalen Schulträger berechtigt und verpflichtet , öffentliche Schulen einzurichten, wenn ein öffentliches Bedürfnis besteht. In die diesbezügliche Prüfung wird u. a. auch der Aspekt einbezogen, ob die Schulwege im potenziellen Einzugsbereich den Schülerinnen und Schülern zumutbar sind. Auch sind z. B. im Verfahren der regionalen Schulentwicklung bestehende und mögliche neue Beförderungsmöglichkeiten einzubeziehen. Im Übrigen wurden die Zuweisungen des Landes an die Kreise zur Erstattung der Schülerbeförderungskosten durch das vom Landtag am 15. Juli 2015 beschlossene Gesetz zum Ausgleich kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion, zur Änderung des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich und über die Förderung von Investitionen im Bereich der Kindertagesbetreuung entsprechend der von der Landesregierung mit den kommunalen Landesverbänden getroffenen Verständigung zur Umsetzung der Inklusion stufenweise von 190 Mio. Euro (2015) auf 193,8 Mio. Euro (2018) erhöht. In Vertretung Stehle Ministerialdirektor