Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7457 30. 09. 2015 1Eingegangen: 30. 09. 2015 / Ausgegeben: 03. 11. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Ausmaß hat sich die Zahl alkoholbedingter Polizeieinsätze seit Einführung des nächtlichen Alkoholverkaufsverbots im Jahr 2010 reduziert? 2. Inwieweit lässt sich die gegebenenfalls festgestellte Reduzierung der Polizeieinsätze anhand wissenschaftlicher Erhebungen zweifelsfrei auf das Alkoholverbot zurückführen? 3. Aufgrund welcher wissenschaftlich einwandfrei erhobenen Erkenntnisse kommt sie zur Überzeugung, dass sich das Alkoholverkaufsverbot aus dem Jahr 2010 bewährt hat? 4. Wie hat sich das sogenannte „Komasaufen“ in Baden-Württemberg im Vergleich zu den anderen Bundesländern seit 2010 entwickelt? 5. Welches sind die wesentlichen Ursachen in Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern für diese Entwicklung? 6. Inwieweit nutzen Bürger seit dem nächtlichen Alkoholverkaufsverbot andere Wege zur Beschaffung von Alkohol? 7. Welche Präventionsprogramme gegen Alkoholmissbrauch gibt es in BadenWürttemberg ? 8. Welche konkreten Auswirkungen haben die Präventionsprogramme auf den Alkoholkonsum in der Bevölkerung? 30. 09. 2015 Dr. Goll FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP und Antwort des Innenministeriums Alkoholverkaufsverbot und Präventionsmaßnahmen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7457 2 B e g r ü n d u n g Die Wirkung des Alkoholverkaufsverbots aus dem Jahr 2010 und von Präventionsprogrammen soll thematisiert werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 Nr. 3-0522.0/363 beantwortet das Innen - ministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung , Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg die Kleine Anfrage wie folgt: 1. In welchem Ausmaß hat sich die Zahl alkoholbedingter Polizeieinsätze seit Einführung des nächtlichen Alkoholverkaufsverbots im Jahr 2010 reduziert? 2. Inwieweit lässt sich die gegebenenfalls festgestellte Reduzierung der Polizeieinsätze anhand wissenschaftlicher Erhebungen zweifelsfrei auf das Alkoholverbot zurückführen? 3. Aufgrund welcher wissenschaftlich einwandfrei erhobenen Erkenntnisse kommt sie zu der Überzeugung, dass sich das Alkoholverkaufsverbot aus dem Jahr 2010 bewährt hat? Zu 1. bis 3.: Wie bereits im Bericht zur Evaluation der Regelungen zum Alkoholverkaufsverbot ausgeführt, bestehen teilweise erhebliche Schwierigkeiten, belastbare Aus - sagen über die Wirkung des Alkoholverkaufsverbots zu erlangen, da in vielen Bereichen nur sehr eingeschränkt Rückschlüsse gezogen werden können, inwieweit das Alkoholverkaufsverbotsgesetz tatsächlich ursächlich für gewisse Entwicklungen ist. Die zur Verfügung stehenden Daten werden in vielen Bereichen auch durch andere Faktoren beeinflusst. Eine im Rahmen der Evaluation des Alkoholverkaufsverbots durchgeführte Umfrage bei den Polizeidienststellen hat jedoch ergeben, dass Tankstellen in Baden-Württemberg aufgrund der Regelung praktisch keinen nächtlichen Einsatzschwerpunkt mehr darstellen. Darüber hinaus sprechen durchaus gewisse Indizien dafür, dass sich das Alkoholverkaufsverbot positiv auf die Kriminalitätsbelastung auswirkt. Zu den Einzelheiten hierzu wird auf den Bericht zur Evaluation der Regelungen zum Alkoholverkaufsverbot in der LT-Drucksache 15/3666 verwiesen. 4. Wie hat sich das sogenannte „Komasaufen“ in Baden-Württemberg im Vergleich zu den anderen Bundesländern seit 2010 entwickelt? Zu 4.: Mit dem Begriff „Komasaufen“, „Binge-Drinking“ oder „Rauschtrinken“ wird ein Trinkverhalten bezeichnet, bei dem eine Person mindestens fünf alkoholische Getränke bei derselben Trinkgelegenheit konsumiert. Zahlen hierzu werden nur bundeseinheitlich erfasst. Es gibt keinen Vergleich der Länder. Die Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „Der Alkoholkonsum Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland 2014“ zeigt, dass bundesweit die 30-Tage-Prävalenz für das Rauschtrinken sowohl bei den männlichen 12–17-Jährigen als auch bei den männlichen 18–25-Jährigen in den letzten drei Jahren rückläufig ist. Bei den 12–17-jährigen Mädchen ist diese Prävalenz seit 2010 unverändert, bei den 18–25-jährigen jungen Frauen verläuft die Entwicklung in Wellen ohne erkennbare Richtungsänderung. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7457 Als ein Anhaltspunkt für die Entwicklung des Rauschtrinkens können die Zahlen zu den alkoholbedingten Krankenhausbehandlungen bei Kindern und Jugendlichen herangezogen werden. In Baden-Württemberg sind diese Zahlen seit dem Jahr 2010 rückläufig. Die Zahlen nahmen von 2010 bis 2013 um 18,6 % der Fälle ab. Bundesweit stiegen die Zahlen hingegen bis 2012 weiter an. Erst 2013 war bundesweit ein Rückgang von 12,8 % zu verzeichnen. Für weitere Einzelheiten wird auf die beigefügte Tabelle verwiesen. 5. Welches sind die wesentlichen Ursachen in Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern für diese Entwicklung? Zu 5.: Hierzu liegen keine weitergehenden Erkenntnisse vor. 6. Inwieweit nutzen Bürger seit dem nächtlichen Alkoholverkaufsverbot andere Wege zur Beschaffung von Alkohol? Zu 6.: Die Evaluation der Regelungen zum Alkoholverkaufsverbot erfolgte auch im Hinblick darauf, ob das Verbot durch einen vermehrten Straßenverkauf durch Gaststätten unterlaufen wird. Die Regierungspräsidien haben hierzu berichtet, dass seit Inkrafttreten der Regelung keine Tendenz erkennbar sei, das Alkoholverkaufsverbot durch vermehrten Gassenschank zu unterlaufen. Diese Tendenz wird durch die Einschätzung der Polizeidienststellen bestätigt, dass seit Inkrafttreten der Regelung im näheren Umfeld von Gaststätten lediglich zwei neue Einsatzschwerpunkte festzustellen waren, die mutmaßlich auf einen vermehrten Gassenschank zurückzuführen sind. Allerdings wurde mancherorts versucht, die Regelung durch sog. „Alkoholbringdienste “ zu umgehen. Mit der geplanten Änderung des Gesetzes über die Laden - öffnung in Baden-Württemberg sollen solche Umgehungsversuche künftig verhindert werden. Ergänzend hierzu wird auf den Bericht zur Evaluation der Regelungen zum Alkoholverkaufsverbot in der LT-Drucksache 15/3666 verwiesen. 7. Welche Präventionsprogramme gegen Alkoholmissbrauch gibt es in BadenWürttemberg ? Zu 7.: Bereits im Jahr 2011 hat die AG Suchtprävention des Sozialministeriums die „Empfehlungen zur Prävention des Alkoholmissbrauchs bei Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg“ veröffentlicht. Diese Empfehlungen beziehen sich in erster Linie auf die Wirkungsebene der Gemeinden und Kommunen und müssen vor Ort auf die Bedürfnisse der Stadt- und Landkreise angepasst werden. Sie orientieren sich an wichtigen Strukturvorgaben, die für die Wirksamkeit der Jahr Baden-Württemberg (Kinder und Jugendliche von 10–19) (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg) Bund (Kinder und Jugendliche von 10–19) (Quelle: Destatis.de) 2010 3.963 25.995 2011 3.916 26.349 2012 3.661 26.673 2013 3.226 23.267 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7457 4 Prävention des Alkoholmissbrauchs wichtig sind. Grundlage ist der sog. „Policy Mix“, die Kombination von verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen. Die Empfehlungen beinhalten verschiedene Bausteine zur Implementierung und Umsetzung der Prävention von Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen: • Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse als Grundlage für Handlungsstrategien • Qualitätskriterien und Standards für die gemeindeorientierte Prävention des Alkoholmissbrauchs wie lokale Bündnisse mit relevanten Partnerinnen und Partnern und die strukturelle Verankerung der Präventionsmaßnahmen • Netzwerke vor Ort • Ausbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren • Instrumente wie Leitfäden, Vereinbarungen und Checklisten • Zielgruppen Des Weiteren gibt es zahlreiche Programme zur Prävention des Alkoholmiss - brauchs in den Stadt- und Landkreisen. Exemplarisch werden hier drei überregionale Präventionsprogramme aufgeführt. Junge Menschen im öffentlichen Raum Das Sozialministerium fördert im Zeitraum 2015 bis 2016 zwölf verschiedene Präventionsprojekte in zehn Städten und zwei Landkreisen im Land. Bereits in den Jahren 2013 und 2014 konnten verschiedene Präventionsprojekte für junge Menschen im öffentlichen Raum gefördert werden. Viele dieser Projekte können nun dank der bis Ende 2016 zur Verfügung stehenden aufgestockten Landesmittel weiterentwickelt und fortgesetzt werden. Außerdem haben zahlreiche weitere Kommunen und Träger neue Maßnahmen vor Ort entwickelt, von denen einige ebenfalls gefördert werden. Für diese Projekte werden insgesamt fast 500.000 Euro an Fördergeldern in den nächsten beiden Jahren zur Verfügung gestellt. Die Maßnahmen sind sehr unterschiedlich und bunt gefächert. Wesentliche Elemente sind oft aktivierende Befragungen junger Menschen in der Wochenendund Eventszene. Hierdurch gewinnen die Mitarbeitenden der aufsuchenden Jugendarbeit und Suchthilfe wertvolle Erkenntnisse über das Nutzungsverhalten, die Motive und auch den Bedarf an Unterstützungsmaßnahmen der jungen Menschen . Außerdem bieten die Befragungen eine gute Gelegenheit, das eigene Trinkverhalten kritisch zu hinterfragen und erste Kontakte zu weiterführenden Angeboten der Jugendarbeit oder auch der Suchtberatung zu knüpfen. Viele Projekte bilden junge Menschen als sogenannte „Peers“ aus. Bei der Auswahl der Projekte wurde besonderen Wert darauf gelegt, dass sie in den Kommunen in ein Netzwerk von verschiedenen Akteuren wie Jugend- und Suchthilfe integriert sind und ein kommunales Gesamtkonzept vorliegt oder derzeit erarbeitet wird. Bei der Weiterentwicklung des Förderprogramms konnte auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation der Universität Tübingen bezüglich der in 2013 bis 2014 geförderten Projekte zurückgegriffen werden. Diese hatte ergeben, dass eine gelingende Umsetzung von Prävention ein kommunales Gesamtkonzept benötigt, bei dem nicht nur jugendlicher Alkoholkonsum im Fokus stehe, sondern auch die spezifische Erwachsenentrinkkultur berücksichtigt werde. An einem solchen Gesamtkonzept sollten alle relevanten Akteure beteiligt werden, also neben dem interdisziplinären, kommunalen Netzwerk auch die Gastronomie und Festbetreiber . Wichtig hierbei sei es, dass dieses Gesamtkonzept auch von einem politischen Willen vor Ort getragen werde und klare Ziele festgelegt seien. Außerdem müssen die Vernetzung und die Aktivitäten vor Ort auf die konkreten örtlichen Gegebenheiten und den dortigen Bedarf zugeschnitten sein. Zusätzlich wurde für Kommunen, die noch auf dem Weg zu einem Gesamt - konzept zur Prävention des Alkoholmissbrauchs sind, das Programm „Starthilfe“ durch die Landesstelle für Suchtfragen entwickelt. Hierfür stellt das Sozialminis - terium im Jahr 2015 und 2016 weitere 500.000 Euro Fördermittel zur Verfügung. Die teilnehmenden Kommunen erhalten durch jeweils vier kostenfreie moderierte 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7457 „Starthilfeworkshops“ vor Ort konkrete Hilfen, um ein kommunales Gesamtkonzept und auch eine erste Maßnahme zur Umsetzung dieses Konzeptes zu entwickeln . Diese Maßnahme selbst kann ebenfalls mit jeweils 11.000 Euro seitens des Landes gefördert werden. Netzwerk Neue Festkultur Damit Dorf- und Stadtfeste für alle angenehm verlaufen, gibt es in vielen Landkreisen unterschiedlichste Maßnahmen zur Alkoholmissbrauchsprävention bei Festen. Diese Maßnahmen enthalten in der Regel Elemente wie eine Selbstverpflichtung und einheitliche Genehmigungsverfahren. Bisher waren Konzepte und Maßnahmen auf den einzelnen Landkreis bezogen. Die Besucher kommen jedoch auch aus den Nachbarkreisen und darüber hinaus zu den Festen, weswegen eine Vernetzung der Kreise über ihre Grenzen hinaus wichtig ist, damit eine möglichst einheitliche Struktur geschaffen wird. Zu diesem Zweck wurde 2008 das „Netzwerk Neue Festkultur“ in der Region Bodensee-Oberschwaben gegründet. Es handelt sich um ein interdisziplinäres Netzwerk mit Vertretern aus Kommunen und Landkreisverwaltungen, der Polizei, der Suchtberatung und der Sozialarbeit aus den Landkreisen sowie dem Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg. Folgende Landkreise sind bisher im Netzwerk Neue Festkultur vertreten: • Alb-Donau-Kreis • Biberach • Bodenseekreis • Breisgau-Hochschwarzwald • Calw • Konstanz • Karlsruhe (Landkreis) • Lindau (Bayern) • Main-Tauber-Kreis • Ravensburg • Reutlingen • Ortenaukreis • Schwäbisch Hall • Sigmaringen • Tübingen • Tuttlingen • Waldshut-Tiengen • Zollernalbkreis Das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart ist ein wichtiger Partner in diesem Netzwerk und übernimmt Koordinationsund Beratungsaufgaben. Eine Leitlinie zur Festkultur ist entstanden und wurde von den Landräten der bisher beteiligten 18 Kreise unterschrieben. Sie benennt die Schritte, welche die Land - kreise auf dem Weg hin zu einer neuen Festkultur gemeinsam gehen wollen. HaLT – Hart am LimiT Der reaktive Teil von HaLT richtet sich gezielt an Kinder und Jugendliche mit riskantem Alkoholkonsum. Diese werden insbesondere nach schwerer Alkoholvergiftung im Krankenhaus durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal angesprochen. Außerdem werden Betroffene z. B. auch über gerichtliche Auflagen, Maßnahmen der Erziehungshilfen und auch direkt durch ihre Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7457 6 Eltern an das Programm vermittelt. Über weitere Schnittstellen werden auch schwer erreichbare Zielgruppen in das Projekt eingebunden. Dieses gelingt durch den Aufbau von Netzwerken, bestehend aus Kliniken (i. d. R. für Kinder- und Jugendmedizin ), Fachstellen für Suchtprävention oder Suchtberatungsstellen und bei Bedarf weitergehenden Hilfen (z. B. Familienberatungsstellen) in einer Kommune oder einem Landkreis. Der proaktive Teil von HaLT zielt auf einen verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol in den Gemeinden. Die Zielgruppe sind hier Erwachsene, die Alkohol verkaufen (z. B. Festveranstalter, Einzelhandel, Disco-Betreiber), aber auch Erwachsene, die in engem Kontakt zu Jugendlichen stehen und eine Orientierungs - und Vorbildfunktion einnehmen, insbesondere sozialpädagogische Fachkräfte in der offenen Jugendarbeit, Jugendleiterinnen und Jugendleiter in Sportvereinen sowie Lehrkräfte. Ziel ist auch hier der Aufbau von Netzwerken in den Gemeinden, bestehend aus Kommune/Ordnungsamt, Jugendschutz, Gesundheitsämter, Festveranstaltern, Poli - zei und Fachstellen für Suchtprävention. Der HaLT-Präventionsansatz wird verknüpft mit der erforderlichen Genehmigung von Festveranstaltungen durch die Ordnungsämter. Es gibt systematische Kooperationen bei der Planung und Durchführung von Festveranstaltungen nach Standards und Checklisten. Es werden „Runde Tische“ etabliert aus Präventions-Netzwerken mit der Gemeinde, der Fachstelle für Suchtprävention, Jugendsozialarbeit, Street-Work, Polizei, Schule, Sportvereinen etc. Die polizeiliche Prävention in Baden-Württemberg widmet sich bei der Drogenund Verkehrsprävention auch dem Thema Alkoholmissbrauch. Ziele der flächendeckend im Land für alle weiterführenden Schulen angebotenen polizeilichen Drogenprävention sind ein verantwortungsbewusster Umgang mit legalen Suchtmitteln mit dem Ziel weitgehender Abstinenz und totale Abstinenz im Hinblick auf illegale Drogen. Inhaltliche Schwerpunkte dieser Drogenprävention liegen auf den Themen Alkohol, Nikotin, Cannabiskonsum und synthetische Drogen/Ecstasy sowie den „neuen psychoaktiven Substanzen“. Zielgruppen sind insbesondere Schülerinnen und Schüler sowie junge Fahrer. Beim Thema Alkoholmissbrauch soll vor allem der Jugendschutz gefördert und die erhöhte Gewaltbereitschaft nach übermäßigem Alkoholkonsum sowie negative Folgen im Straßenverkehr verhindert werden. Das Förderprogramm „Prävention alkoholbedingter Jugendgewalt“ (PAJ) wurde im Oktober 2010 vom Innenministerium und der Baden-Württemberg-Stiftung zur nachhaltigen Bekämpfung des exzessiven Alkoholkonsums Jugendlicher und Verhinderung von Gewaltdelikten junger Menschen initiiert. Im Rahmen dieses Programms erhielten 26 Einzelprojekte seit Oktober 2011 jeweils eine Förderung bis zu 40.000 Euro. Mit neuen und unkonventionellen Ansätzen suchten diese Projekte nach Wegen, um ein Abgleiten junger Menschen in Kriminalität, Gewalt und Sucht zu verhindern. Zielgruppe des Programms waren Jugendliche und Heranwachsende im Alter zwischen 14 und 19 Jahren (soziologischer Altersbegriff), die innerhalb der letzten vier Monate unter Alkoholeinfluss aufgrund von Gewalthandlungen oder als Verkehrsteilnehmer straf-, ordnungs- oder verkehrsrechtlich auffällig geworden sind oder dies aufgrund ihres Verhaltens zu erwarten war. Das Förderprogramm wurde wissenschaftlich begleitet und nach anerkannten Standards evaluiert (siehe Antwort zu Frage 8). Die Zentralstelle Prävention beim Landeskriminalamt (LKA) hält zudem Medien zum Thema Alkoholprävention vor: • Broschüre „Risiko Drogen – zu Risiken und Folgen des Gebrauchs von Suchtmitteln “. Es handelt sich hierbei um ein Multiplikatoren-Medium, welches insbesondere Substanzinformationen zu legalen und illegalen Drogen, darunter auch Alkohol, enthält. • Faltblatt „Klarer Kopf oder Blackout. Du entscheidest.“. Thema des Faltblattes ist der Risikokonsum von Alkohol bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Die Zielgruppe soll sensibilisiert werden und ihr eigenes Trinkverhalten überdenken . 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7457 • Zum Thema „Komasaufen“ gibt es verschiedene Plakate, die für Aktivitäten im Bereich der Alkoholprävention verwendet werden können. • Kampagne „Don’t drink too much. Stay gold.“. Diese ist eine Initiative der Polizei gegen „Komasaufen“. Auf der Internetseite www.staygold.eu sind unter anderem Projektspots bereitgestellt. Außerdem finden bei den regionalen Polizeipräsidien im Zuge der Kommunalen Kriminalprävention zahlreiche Aktivitäten zum Thema Alkoholprävention statt. Exemplarisch ist hierbei das Programm „FreD – Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten“ zu nennen. Hierbei handelt es sich um ein Gruppen - angebot für Jugendliche, die bereits durch den Konsum von Cannabis oder Alkohol auffällig geworden sind oder einen risikoreichen Konsum haben. Die Entwicklungs- und Koordinierungsstelle Verkehr (KEV) beim LKA widmet sich zahlreichen Präventionsprogrammen gegen Alkohol- (sowie Drogen- und Medikamenten-)missbrauch im Straßenverkehr. Hierfür sind Medien der Polizei und des Bundes gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr (B.A.D.S.) verfügbar . Speziell bei der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs werden Zielgruppenkontakte insbesondere zu jungen Kraftfahrern gesucht und Kampagnen entwickelt . Die gesundheitlichen Gefahren und die vielfältigen Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs sind regelmäßig Bestandteil von Verkehrssicherheitstagen an Schulen, bei klassenstufenbezogenen Unterrichten durch Präventionsbeamte der Polizei und bei Veranstaltungen mit landesweiter Bedeutung (z. B. LandesTag der Verkehrssicherheit, Bikertag). Unter dem Leitmotto „geklärt wer fährt“, „bist du nüchtern, steig ich ein“ und mit den regional initiierten Schutzengelprojekten werden „jugendliche“ Kraftfahrer angesprochen. Neben detaillierten Ausführungen zum Alkoholverbot für junge Fahranfänger werden die Rechtsfolgen und mögliche Sanktionen sowie die Auswirkungen auf den Versicherungsschutz durch Medien erläutert. Im November 2015 startet zudem eine Kampagne „Junge Fahrer“ im Rahmen der Aktion „GIB ACHT IM VERKEHR“ (www.gib-acht-imverkehr .de). Mit dieser wird die besonders unfallgefährdete Zielgruppe Junge Fahrerinnen/Junge Fahrer durch Vorträge zu den Hauptunfallursachen, u. a. auch „Alkohol im Straßenverkehr“, speziellen Verkehrssicherheitstagen an Berufsschulen und Gymnasien und bei Peer-Projekten mit dem Schwerpunkt „Verantwortung für die Mitfahrerinnen und Mitfahrer“ begleitet. Die Erfahrung eines wahrnehmungs- und reaktionsverändernden rauschbedingten Zustandes kann mithilfe von sogenannten Rauschbrillen simuliert werden, die regelmäßig bei Präventionsveranstaltungen des B.A.D.S. und der Polizei zum Einsatz kommen. Neben bereits verfügbaren Alkohol-Fahrsimulatoren für PkwFahrer verfügt der B.A.D.S. seit 2015 über einen Motorrad-Fahrsimulator mit Alkoholsequenzen. Mit der Kampagne „BLEIB-KLAR! – gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch“ werden Jugendliche und junge Erwachsene zu einem verantwortungsvollen Umgang mit legalen Suchtmitteln angehalten. 8. Welche konkreten Auswirkungen haben die Präventionsprogramme auf den Alkoholkonsum in der Bevölkerung? Zu 8.: Verschiedene Evaluationen der einzelnen Präventionsprogramme wie z. B. HaLT oder auch lokaler Ansätze wie „Wegschauen ist keine Lösung“ oder „b.free“ haben gezeigt, dass die Programme in der Bevölkerung eine hohe Bekanntheit haben und für das Thema sensibilisieren. Auch sind die alkoholbedingten Krankenhausaufenthalte von Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg seit 2010 rückläufig (siehe Frage 4). Konkrete Zahlen zum Alkoholkonsum der Bevölkerung in Baden-Württemberg liegen nicht vor. Die Evaluation des Förderprogramms PAJ zeigt, dass die Zielgruppe sehr gut erreicht wurde. Insgesamt belegt die Evaluation einen nachhaltigen Rückgang beim Alkoholkonsum und bei der Gewaltausübung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer . Die Ergebnisse der Evaluation weisen darauf hin, dass ein verhaltensorientierter Präventionsansatz ein empfehlenswertes Mittel zur Vorbeugung oder Re- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7457 8 duktion der alkoholbedingten Jugendgewalt zu sein scheint. Der Evaluations - bericht des Instituts proVal steht im Internet zum Download zur Verfügung (https://im.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-im/intern/dateien/pdf/ proVal_PAJ_Abschlussbericht_2014.pdf). Bei der Unfallursache „Verkehrstüchtigkeit“ ist tendenziell in den letzten Jahren ein leichter Rückgang, insbesondere bei der Zielgruppe „Junge Fahrer/Junge Fahrerinnen “, zu verzeichnen. Es wird davon ausgegangen, dass die genannten Prä - ventionsmaßnahmen zu dieser positiven Entwicklung beigetragen haben. Gall Innenminister