Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7459 30. 09. 2015 1Eingegangen: 30. 09. 2015 / Ausgegeben: 04. 11. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Windenergieanlagen stehen derzeit in Baden-Württemberg in Wasserschutzgebieten oder werden aktuell in Wasserschutzgebieten geplant (tabellarische Aufführung nach Stadt- und Landkreisen, jeweiliger Schutzzone und aktuellem Projektstand)? 2. Wie bewertet sie die Gefährdungspotenziale für Trinkwasservorkommen, die von Windenergieanlagen in Wasserschutzgebieten ausgehen (z. B. durch Getriebeöl , Hydrauliköl, Schmiermittel und Löschschäume oder durch erhöhte Nährstofffreisetzung infolge besonderer Bodenvulnerabilität in Waldgebieten)? 3. Welche Untersuchungen und Erkenntnisse gibt es zur Frage der verstärkten Nitratauswaschung in der Umgebung von Windparks im Wald insbesondere in den Schutzzonen II und III von Wasserschutzgebieten? 4. In welcher Weise und in welcher Intensität werden die oben genannten Gefährdungspotenziale im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für Windenergieanlagen geprüft? 5. Welche Erkenntnisse hat sie über die widerrechtliche Verdichtung des Baugrundes für eine Windenergieanlage durch Rüttelstopfsäulen auf der Gemarkung der Stadt Ulrichstein im hessischen Vogelsbergkreis und über deren Folgen für die weitere Nutzung der örtlichen Wasserversorgungsanlagen? 6. Welche konkreten Einzelfälle in Baden-Württemberg sind ihr bezüglich möglicher Konflikte zwischen den Anforderungen an den Trinkwasserschutz und Planungen von Windenergieanlagen bekannt? Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Windenergieanlagen in Wasserschutzgebieten Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7459 2 7. Wann wurden die hydrogeologischen Abgrenzungen der Trinkwasserschutz - zonen in Baden-Württemberg und insbesondere in Karstgebieten mit hoher Wasserwegsamkeit unter Berücksichtigung der sogenannten 50-Tage-Linie zuletzt den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst? 30. 09. 2015 Glück FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 21. Oktober 2015 Nr. 46-4583/13 beantwortet das Ministe - rium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Windenergieanlagen stehen derzeit in Baden-Württemberg in Wasser - schutzgebieten oder werden aktuell in Wasserschutzgebieten geplant (tabellarische Aufführung nach Stadt- und Landkreisen, jeweiliger Schutzzone und aktuellem Projektstand)? In der nachfolgenden Tabelle sind die beantragten, genehmigten und in Betrieb befindlichen Windenergieanlagen in festgesetzten Wasserschutzgebieten nach Stadtund Landkreisen und Schutzzone mit Stand 31. August 2015 gelistet. Über Windenergieanlagen , die bislang über die Planungsphase nicht hinaus gekommen sind und für die noch kein immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsantrag gestellt wurde, liegen nur wenige Informationen vor, siehe hierzu die Antwort zu Frage 6. Anzahl Windenergieanlagen Wasserschutzgebiet Zone II Wasserschutzgebiet Zone III Anlagenstatus in Betrieb genehmigt beantragt in Betrieb genehmigt beantragt Landkreis Alb-Donau-Kreis 38 1 3 Landkreis Biberach Landkreis Böblingen Landkreis Bodenseekreis Landkreis BreisgauHochschwarzwald Landkreis Calw 2 Landkreis Emmendingen 1 Landkreis Enzkreis Landkreis Esslingen Landkreis Freudenstadt 8 Landkreis Göppingen 14 4 Landkreis Heidenheim* 18 12 38 Landkreis Heilbronn 1 4 2 Landkreis Hohenlohekreis 1 4 5 Landkreis Karlsruhe 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7459 Stand Anlagenstatus: 31. August 2015 *) Die Angaben für den Landkreis Heidenheim enthalten 20 Anlagen (19 beantragt, 1 genehmigt), für die derzeit keine genauen Koordinaten verfügbar sind. Diese Anlagen liegen jedoch nach überschlägiger Beurteilung in Wasserschutzgebieten der Zone III und sind daher in der o. g. Zahl mit erfasst. **) Die Angaben für den Landkreis Ostalbkreis enthalten eine genehmigte Anlage, für die derzeit keine genauen Koordinaten verfügbar sind. Diese Anlage liegt jedoch nach überschlägiger Be - urteilung in einem Wasserschutzgebiet der Zone III und ist daher in der o. g. Zahl mit erfasst. Landkreis Konstanz Landkreis Lörrach Landkreis Ludwigsburg Landkreis Main-Tauber-Kreis 32 5 24 Landkreis Neckar-Odenwald-Kreis 4 3 Landkreis Ortenaukreis 1 1 4 2 Landkreis Ostalbkreis** 14 23 4 Landkreis Rastatt Landkreis Ravensburg 7 Landkreis Rems-Murr-Kreis Landkreis Reutlingen 6 5 Landkreis Rhein-Neckar-Kreis Landkreis Rottweil 7 1 Landkreis Schwäbisch Hall Landkreis Schwarzwald-Baar-Kreis 5 2 Landkreis Sigmaringen 1 6 Landkreis Tübingen Landkreis Tuttlingen Landkreis Waldshut Landkreis Zollernalbkreis 3 Stadtkreis Baden-Baden Stadtkreis Freiburg Stadtkreis Heidelberg Stadtkreis Heilbronn Stadtkreis Karlsruhe Stadtkreis Mannheim Stadtkreis Pforzheim Stadtkreis Stuttgart Stadtkreis Ulm SUMME 1 1 0 158 55 101 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7459 4 2. Wie bewertet sie die Gefährdungspotenziale für Trinkwasservorkommen, die von Windenergieanlagen in Wasserschutzgebieten ausgehen (z. B. durch Getriebeöl , Hydrauliköl, Schmiermittel und Löschschäume oder durch erhöhte Nährstofffreisetzung infolge besonderer Bodenvulnerabilität in Waldgebieten)? In Windenergieanlagen sind in der Regel vergleichsweise geringe Mengen schwach wassergefährdender Stoffe (Hydraulik-, Kühlflüssigkeit, Schmier-, Getriebe- und Transformatorenöl) vorhanden. Diese werden in Bereichen mit Rückhaltevermögen verwendet, bei Störungen schaltet die Anlagensteuerung und -überwachung die Anlage ab. Durch diese Maßnahmen wird der Besorgnis einer Gewässerverunreinigung begegnet. Sofern in einem konkreten Fall keine ausreichenden Schutzvorkehrungen vorgesehen wären, können diese durch Nebenbestimmungen in der Genehmigung festgelegt werden. Eine Grundwassergefährdung durch Nitrat, die durch den Waldumbruch und eine möglicherweise vorübergehend stärkere Mineralisation auf den freiliegenden Flächen verursacht wird, ist als gering einzustufen. Sofern für die Errichtung von Windenergieanlagen Waldflächen gerodet werden, handelt es sich in der Regel um kleine Flächen im Vergleich zum Gesamteinzugsgebiet der Wassergewinnungsanlage . Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass ein Stickstoffeintrag in das Grundwasser durch eine Rodung nicht dauerhaft stattfindet. 3. Welche Untersuchungen und Erkenntnisse gibt es zur Frage der verstärkten Nitratauswaschung in der Umgebung von Windparks im Wald insbesondere in den Schutzzonen II und III von Wasserschutzgebieten? Zwar haben Untersuchungen nach den großen Stürmen (z. B. Orkantief Lothar, 1999) ergeben, dass die sehr großflächigen Schäden in Waldgebieten zu einem messbaren Anstieg des Nitratgehaltes im Grundwasser geführt haben. Allerdings ist davon auszugehen, dass Waldrodungen, die im Zusammenhang mit dem Bau von Windenergieanlagen stattfinden, nur zu einer kurzzeitigen, geringen Erhöhung des Nitratgehaltes im Grundwasser führen. Diese temporäre Erhöhung wird aufgrund der beschränkten Flächengröße in der Regel im nicht messbaren Bereich liegen. Untersuchungen zu einzelnen Windenergieanlagen liegen nicht vor. 4. In welcher Weise und in welcher Intensität werden die oben genannten Gefährdungspotenziale im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für Windenergieanlagen geprüft? Die unteren Wasserbehörden werden im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren beteiligt. Auf den Einzelfall bezogen wird geprüft, inwieweit wasserwirtschaftliche Belange und Schutzgüter betroffen sind. Die unteren Wasserbehörden können hierzu gegebenenfalls Nebenbestimmungen formulieren, die dann Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung werden. Nähere Vorgaben enthält der Windenergieerlass Baden-Württemberg vom 9. Mai 2012. 5. Welche Erkenntnisse hat sie über die widerrechtliche Verdichtung des Baugrundes für eine Windenergieanlage durch Rüttelstopfsäulen auf der Gemarkung der Stadt Ulrichstein im hessischen Vogelsbergkreis und über deren Folgen für die weitere Nutzung der örtlichen Wasserversorgungsanlagen? Hierzu liegen keine näheren Informationen vor. Auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage des Abgeordneten Rock (Hessen) wird verwiesen (Hessischer Landtag , Drucksache 19/1798 vom 30. Juni 2015). 6. Welche konkreten Einzelfälle in Baden-Württemberg sind ihr bezüglich möglicher Konflikte zwischen den Anforderungen an den Trinkwasserschutz und Planungen von Windenergieanlagen bekannt? Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald: Am Standort Breitnauer Kopf, Gemeinde Münstertal, ist die Errichtung von bis zu vier Windenergieanlagen geplant. Die geplanten Standorte befinden sich in der Zone III, in Nähe der Grenze zur Schutz- 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7459 zone II, des festgesetzten Wasserschutzgebietes „Felsenquelle, Holzriesenquelle und Stollenquelle“. Anträge für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen der einzelnen Windenergieanlagen liegen bislang noch nicht vor. Landkreis Göppingen: Im Rahmen der Teilfortschreibung des Regionalplans für die Region Stuttgart zur Festlegung von Vorranggebieten für die Nutzung von einzelnen Windenergieanlagen besteht vertiefter Untersuchungsbedarf aufgrund der genutzten Grundwasservorkommen. Anträge für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen der einzelnen Windenergieanlagen liegen bislang noch nicht vor. 7. Wann wurden die hydrogeologischen Abgrenzungen der Trinkwasserschutz - zonen in Baden-Württemberg und insbesondere in Karstgebieten mit hoher Wasserwegsamkeit unter Berücksichtigung der sogenannten 50-Tage-Linie zuletzt den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst? Ein Großteil der Wasserschutzgebiete im Land Baden-Württemberg ist seit Ende der 1980er-Jahre im Rahmen des sogenannten Wasserschutzgebietsprogramms nach einer wasserwirtschaftlichen Priorisierung entsprechend den auch heute noch gültigen Richtlinien und Kriterien überarbeitet und abgegrenzt worden. Dies gilt auch für Trinkwasserfassungen, die in den Karstgebieten des Oberjuras bzw. des Oberen Muschelkalks Grundwasservorkommen mit einer hohen Fließgeschwindigkeit und meist großer Ergiebigkeit erschließen. Bei den bis heute fortlaufenden Überarbeitungen und Abgrenzungen werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse grundsätzlich berücksichtigt und gegebenenfalls auch die Erfordernis der Überarbeitung und Anpassung bestehender Abgrenzungen geprüft. In Vertretung Meinel Ministerialdirektor