Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7564 14. 10. 2015 1Eingegangen: 14. 10. 2015 / Ausgegeben: 13. 11. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Seit wann gibt es den Schüleraustausch zwischen den USA bzw. Kanada und Baden-Württemberg? 2. Wie bewertet sie generell den Nutzen eines mehrmonatigen Schüleraustauschs? 3. Wie viele Schüler nehmen pro Jahr an diesem Schüleraustausch teil (mit Angabe der absoluten und relativen Zahlen für die letzten 20 Jahre)? 4. Wie sind die Teilnehmerzahlen über Baden-Württemberg verteilt (insbesondere hinsichtlich eines möglichen Unterschieds zwischen städtisch und ländlich geprägten Gebieten)? 5. Wie viele Schüler kommen im Gegenzug aus den USA und aus Kanada nach Baden-Württemberg und welche Veränderungen lassen sich hierbei beobachten? 6. Wie entwickelte sich die Beteiligung an diesem Austausch seit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums, insbesondere unter Berücksichtigung möglicher höherer Teilnehmerzahlen an den 44 G9-Standorten im Land? 7. Hat sie Erkenntnisse darüber, dass Austauschschüler aus achtjährigen Gymna - sialzügen größere Schwierigkeiten als Teilnehmer aus neunjährigen Gymnasial - zügen haben, nach der Rückkehr wieder vollumfänglich am Unterricht und Lernerfolg teilzuhaben? 8. Mit welchen weiteren Staaten wurde seitens unseres Bundeslandes ein Schüleraustausch vereinbart und wie stellt sich in diesen die gegenseitige Beteiligung dar – insbesondere vor dem Hintergrund der Fragen 6. und 7.? Kleine Anfrage der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Schüleraustausch zwischen USA/Kanada und Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7564 2 9. Welche Strategien verfolgt sie, um den Schüleraustausch mit den USA bzw. Kanada und mit anderen Staaten zu forcieren? 14. 10. 2015 Gurr-Hirsch CDU B e g r ü n d u n g Ein Schüleraustausch bietet für die Teilnehmer eine große Chance, neue Erfahrungen zu machen und sich auf ganz unterschiedliche Arten weiterzubilden. Zunächst bietet der Austausch die Gelegenheit die Sprache des Gastlandes im Alltag zu nutzen und die Sprachkompetenzen des Gastschülers zu verbessern. Darüber hinaus bedeutet ein solcher Austausch auch, eine neue Kultur kennenzulernen , sich mit der eigenen und der fremden Mentalität auseinanderzusetzen und dadurch eigene Ansichten zu reflektieren. In einer immer stärker globalisierten Welt stellen diese Erfahrungen Kernkompetenzen im Berufs- wie auch im Alltagsleben dar. Gerade der Austausch zwischen Baden-Württemberg und den USA sowie Kanada ist ein Austausch zwischen wirtschaftsstarken Regionen. Um den Austausch zukunftsfest zu machen, muss die Einbindung in die „Schullaufbahn“ möglich und passend sein. Dies zu beleuchten, ist Ziel der vorliegenden Kleinen Anfrage. A n t w o r t Mit Schreiben vom 4. November 2015 Nr. 53-6663.11-USA/262 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Seit wann gibt es den Schüleraustausch zwischen den USA bzw. Kanada und Baden-Württemberg? Der Landtag von Baden-Württemberg beauftragte bereits Ende der 50er-Jahre die Schulverwaltung, für die Schülerinnen und Schüler von Gymnasien einen Schü - leraustausch mit französischen und englischen Schulen zu ermöglichen. Dieser Auftrag wurde später auch auf die Realschulen ausgeweitet. In den frühen 70erJahren erfolgte erstmals ein Austausch mit Kanada und zu Beginn der 80er-Jahre wurden erste Austausche mit den USA im Auftrag des Kultusministeriums durchgeführt . Das Regierungspräsidium Stuttgart bahnte seit dieser Zeit Einzelschüleraustausche mit verschiedenen englischsprachigen Ländern und Frankreich an. Dieser Aufgabenbereich wurde im Zuge der Verwaltungsreform im Jahr 2005 aus dem Regierungspräsidium Stuttgart ausgegliedert. Seit 2006 besteht eine Koopera - tionsvereinbarung des American Field Service (AFS), Interkulturelle Begegnungen e. V. und dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg . Seit September 2006 werden im Rahmen dieser Kooperationsvereinbarungen gegenseitige Schülereinzelaustausche von AFS vermittelt. Neben diesen Schülereinzelaustauschen gibt es, gefördert aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg, Schülergruppenaustauschmaßnahmen zwischen einzelnen Schulen im In- und Ausland. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7564 Weitere Möglichkeiten für baden-württembergische Schülerinnen und Schüler, an Austauschen in die USA teilzunehmen, sind: – das Parlamentarische Patenschaftsprogramm des Deutschen Bundestages (Individualaustausch , Dauer: ein Schuljahr, Förderung: Mittel des Deutschen Bundestages , Alter der Teilnehmer: zwischen 15 und 17 Jahren bei Abreise), – das Daimler-Byrnes-Stipendium (Individualaustausch, Dauer: ein Schuljahr, Förderung: Daimler AG, Stihl AG & Co. KG, IHK Region Stuttgart, Alter der Teilnehmer: zwischen 15 und 18 Jahren bei Abreise) und – das Projekt „Ambassadors in Sneakers – Transatlantische Begegnungen für junge Menschen“ (Gruppenaustausch von Realschulklassen, Dauer: zwei Wochen, Förderung: Mittel aus dem „European Recovery Program“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie [BMWi]). Wann diese Austauschmöglichkeiten eingerichtet wurden, ist dem Kultusministerium nicht bekannt. 2. Wie bewertet sie generell den Nutzen eines mehrmonatigen Schüleraustauschs? Am Gymnasium lernen alle Schülerinnen und Schüler mindestens zwei Fremdsprachen . Im gymnasialen Bildungsgang werden die zweiten und dritten Fremdsprachen spätestens in Klasse 6 sowie in Klasse 8 eingeführt. Schulpartnerschaften und Schüleraustausch motivieren die Schülerinnen und Schüler dabei nicht nur für den Fremdsprachenunterricht, sondern stärken auch das interkulturelle und sprachliche Lernen. Der Fremdsprachenerwerb ist in allen Schularten von zentraler Bedeutung. Auch sind Schulpartnerschaften ein wichtiges Profilmerkmal vieler Schulen in BadenWürttemberg . Sie bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten für ein globales, interkulturelles und zukunftsfähiges Lernen. Für den jungen Menschen, der an einem Schüleraustausch teilnimmt, bedeuten die anderssprachige Umgebung, das Erleben des Alltags, der Kultur und Schul - formen des Gastlandes sowie die Kenntnis einer anderen Sicht auf Politik und Gesellschaft einen nachhaltigen persönlichen Gewinn. Schülerinnen und Schüler gewinnen einen Zuwachs an Erfahrungen und Fähigkeiten, der über übliche schulische Lernfelder erheblich hinausgeht. Die im Bildungsplan für die Fremdsprachen vorrangig angestrebte kommunika - tive Kompetenz (Hören und Sprechen) können Schulpartnerschaften und Schüleraustausche dabei in besonderer Weise unterstützen. Durch direkte Kontakte und durch die Vermittlung von interkultureller Kompetenz in authentischen Kommunikationssituationen wecken und befördern sie das Interesse und die Freude an der Sprache und zugleich an der Kultur des Landes. Seit dem Jahr 2014 trägt die schriftliche Abiturprüfung in den modernen Fremdsprachen diesem kommunika - tiven Anspruch in besonderer Weise Rechnung. Bestandteil der schriftlichen Abiturprüfung ist eine Kommunikationsprüfung (mündlicher Prüfungsteil im Rahmen der schriftlichen Prüfung). Bei der Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf diese Prüfung können Schulpartnerschaften und Schüleraustausch einen wichtigen Beitrag leisten. Die bislang gemachten Erfahrungen zeigen, dass Schulpartnerschaften und Schü - leraustausche einen wichtigen pädagogischen und fachlichen Beitrag zu einem modernen und ertragreichen Fremdsprachenerwerb an den Schulen leisten können. Darüber hinaus fördern sie Selbstsicherheit, interkulturelle Kompetenz, globales Orientierungswissen, Selbständigkeit und Verantwortungsgefühl. Dieser Zuwachs an Erfahrungen und Fähigkeiten geht deutlich über übliche schulische Lernfelder hinaus. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7564 4 3. Wie viele Schüler nehmen pro Jahr an diesem Schüleraustausch teil (mit Angabe der absoluten und relativen Zahlen für die letzten 20 Jahre)? Da weder Schülereinzel- und -gruppenaustausche noch Schulpartnerschaften meldepflichtig sind, liegen dem Kultusministerium lediglich Daten über aus Landesmitteln geförderte Begegnungen (im Bereich Schülergruppenaustausche) vor. 1 Überwiegende Destinationen Großbritannien und USA. Weitere Zielländer: Australien, Irland, Kanada, Neuseeland und Südafrika. Pro Jahr werden zwischen drei und fünf Mobilitätsmaßnahmen im Rahmen von Partnerschaften beruflicher Schulen in Baden-Württemberg und Schulen in den USA und in Kanada vom Kultusministerium finanziell gefördert. An diesen Maßnahmen nehmen zurzeit jährlich insgesamt rund 40 bis 60 Schülerinnen und Schüler aus Baden-Württemberg teil; diese Maßnahmen sind in der obigen Tabelle nicht berücksichtigt. Im Frühjahr 2013 führte das Kultusministerium eine freiwillige Webabfrage der bestehenden Schulpartnerschaften aller öffentlichen allgemein bildenden Schulen durch. Aus dieser Erhebung geht hervor, dass 82 Schulen in Baden-Württemberg eine Schulpartnerschaft mit einer nordamerikanischen Schule unterhalten. Davon führen 81 Schulen einen regelmäßigen Schüleraustausch durch. Aus der gleichen Erhebung geht hervor, dass es in Baden-Württemberg eine Schulpartnerschaft mit einer kanadischen Schule gibt. Aktuellere Daten liegen dem Kultusministerium zu Schulpartnerschaften nicht vor. Schüleraustausche mit englischsprachigen Ländern Jahr Anzahl der geförderten Schülergruppenaustausche 1 1996 Keine Daten verfügbar 1997 Keine Daten verfügbar 1998 Keine Daten verfügbar 1999 Keine Daten verfügbar 2000 153 2001 136 2002 153 2003 135 2004 149 2005 136 2006 117 SJ 2007/2008 134 SJ 2008/2009 119 SJ 2009/2010 106 SJ 2010/2011 115 SJ 2011/2012 94 SJ 2012/2013 104 SJ 2013/2014 91 SJ 2014/2015 95 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7564 4. Wie sind die Teilnehmerzahlen über Baden-Württemberg verteilt (insbesondere hinsichtlich eines möglichen Unterschieds zwischen städtisch und ländlich geprägten Gebieten)? 5. Wie viele Schüler kommen im Gegenzug aus den USA und aus Kanada nach Baden-Württemberg und welche Veränderungen lassen sich hierbei beobachten? 6. Wie entwickelte sich die Beteiligung an diesem Austausch seit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums, insbesondere unter Berücksichtigung möglicher höherer Teilnehmerzahlen an den 44 G9-Standorten im Land? Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen städtisch und ländlich geprägten Gebieten hinsichtlich der Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Mobilitätsmaßnahmen beruflicher Schulen. Statistisch wird durch das Land die regionale Nachfrage nach Austauschen (weder für den Individual- noch für den Gruppenaustausch) nicht erfasst. Daher liegen hier auch keine Erkenntnisse darüber vor, ob die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler an einer G8- oder G9-Schule unterrichtet werden. 7. Hat sie Erkenntnisse darüber, dass Austauschschüler aus achtjährigen Gymna - sialzügen größere Schwierigkeiten als Teilnehmer aus neunjährigen Gymnasial - zügen haben, nach der Rückkehr wieder vollumfänglich am Unterricht und Lernerfolg teilzuhaben? Das Kultusministerium hat keine Erkenntnisse darüber, dass Austauschschülerinnen und Austauschschüler des achtjährigen Gymnasiums nach der Rückkehr größere Schwierigkeiten bei der Teilnahme am Unterricht haben als Austauschschülerinnen und Austauschschüler aus neunjährigen Gymnasialzügen. Die unter Ziffer 2 dargestellten positiven Effekte eines Schüleraustauschs zeigen sich bei allen Schülerinnen und Schülern gleichermaßen. Es ist jedoch auch festzustellen , dass dieser Erfahrungsgewinn in der Regel umso höher ist, je länger ein Austausch dauert. 8. Mit welchen weiteren Staaten wurde seitens unseres Bundeslandes ein Schüleraustausch vereinbart und wie stellt sich in diesen die gegenseitige Beteiligung dar – insbesondere vor dem Hintergrund der Fragen 6. und 7.? 9. Welche Strategie verfolgt sie, um den Schüleraustausch mit den USA bzw. Kanada und mit anderen Staaten zu forcieren? Dem Auftrag des Landtags von Baden-Württemberg folgend ermöglicht die Schulverwaltung für Schülerinnen und Schüler Austausche mit französischen und englischen Schulen. Der individuelle Schüleraustausch mit Frankreich wurde viele Jahre ebenfalls durch das Regierungspräsidium Stuttgart als Vor-Ort-Stelle durchgeführt. Das Kultusministerium hat für die Förderung individueller Schülerund Jugendaustauschmaßnahmen eine zentrale Anlauf- und Vermittlungsstelle für Schülerinnen und Schüler bei der deutsch-französischen Schülerbegegnungsstätte in Breisach eingerichtet, welche als Vor-Ort-Stelle des Kultusministeriums diese Austauschprogramme koordiniert. Seit knapp 10 Jahren gibt es für Schülerinnen und Schüler aller Schularten zahlreiche Möglichkeiten, einen individuellen Austausch in einer französischen Partnerregion Baden-Württembergs durchzuführen (offizielle Partnerregionen: Alsace, Rhône-Alpes, Champagne-Ardenne, HauteNormandie , Basse-Normandie). In Abhängigkeit der Alters- und Klassenstufe gibt es die Möglichkeit eines 2x2-/2x4-/2x8- sowie 2x12-wöchigen Austauschs. Alle Austausche beruhen auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und sind aus diesem Grund für die Teilnehmer kostenfrei (von den Fahrtkosten zum Ort des Austauschpartners abgesehen). Eine Besonderheit ist weiterhin das Voltaire-Programm , welches zwei 6-monatige Austausche vorsieht. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7564 6 Neben den Individualaustauschen mit Frankreich werden Schülergruppenaustausche aus Mitteln des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) gefördert. Die Antragsbearbeitung erfolgt in den Regierungspräsidien und erfährt eine Bündelung im Kultusministerium. Im Jahr 2014 nahmen fast 6.200 baden-württembergische Schülerinnen und Schüler an einem Schülergruppenaustausch mit Frankreich teil. Vor 25 Jahren wurde auf Initiative der Deutsch-Finnischen Gesellschaft (DFG) in Zusammenarbeit mit den finnischen Schulbehörden sowie dem Kultusministe - rium Baden-Württemberg ein Konzept für einen einjährigen Aufenthalt finnischer Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg entwickelt. Die finnischen Jugendlichen haben die Möglichkeit, ein ganzes Jahr ein baden-württembergisches Gymnasium oder eine berufliche Schule zu besuchen. Zu erwähnen sind noch die Schülergruppenaustausche mit den Staaten Mittelund Osteuropas. Hier werden vor allem Austausche mit Polen, Ungarn, Tschechien und der Russischen Föderation durchgeführt. Im Jahr 2001 gründeten die polnische und die deutsche Regierung das Deutsch-Polnische Jugendwerk, das seither Projekte mit 2,5 Mio. Teilnehmern unterstützt hat. Darüber hinaus werden auch Jugendbegegnungen mit Israel und Palästina gefördert . Stoch Minister für Kultus, Jugend und Sport